20 Jahre Herkreetz GG

Ich hatte nach sieben Monaten in Südeuropa kaum eine Stunde deutschen Boden unter den Füßen (besser Rädern), als ich in Siefersheim einkehren durfte, um bei Daniel Wagner einer spektakulären Verkostung beizuwohnen.

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Notizen vom Mittagstisch

Philipp Wittmann lud letzte Woche zum Lunch mit einigen aktuellen und gereiften Weinen in das Restaurant des neuen Berliner Hotels Chateau Royal. Für mich bot sich dabei die Gelegenheit endlich mal einen Rotwein des Westhofener Betriebes zu probieren. Neben vielen weiteren spannenden Weinen…

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2003er Riesling GGs: Abschied ohne Wehmut

Der Jahrgang 2003 war in Weindingen in fast ganz Europa ein außergewöhnlicher. Einen so heißen Sommer – er forderte über 10.000 Todesopfer, vorwiegend unter Europas Senioren –  hatte der Kontinent noch nicht gesehen.

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Weinrallye No. 68 – die perfekte Weinkarte

Christoph verwandelt sein Blog ‚Originalverkorkt‘ heute in die Aktionsplattform zur 68. Weinrallye und bittet um Antworten auf die Frage: ‚Wie sieht Eure perfekte Weinkarte aus?‘ Das ist ein weites Feld und ich liebe weite Felder. Also legen wir los. Die perfekte Weinkarte deckt jedes Anbaugebiet nach drei Kriterien ab: Jugend, Grandezza und Klassik. Von der Mosel könnte man also Knebel für die Jugend, Molitor für die Grandezza und Thanisch (Ludwig & Sohn, keine Witwen und Waisen) für den klassischen Stil und hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis nehmen. Aus der Pfalz… Haha, Felix schreibt eine Weinkarte? Klar, und der Mond besteht aus Käsekuchen.

Ich bin aus Hamburg und in Hamburg sieht die ideale Weinkarte tatsächlich so aus. Aus jedem Dorf ’n Köter, möglichst prominent, dazu ein paar Newcomer oder wiedererstarkte Traditionsbetriebe, vor ein paar Jahren waren das Winter, Kranz und Schloss Lieser, heute sind es Wechsler, Bickel-Stumpf oder Ress. Letztere geben der Karte einen Hauch von Avantgarde und bedienen die Klientel mit dem kleineren Budget.

Gegen diese telefonbuchdicken Weinkarten, die sich wie das Who-is-Who der Weinwelt lesen ist nichts einzuwenden. Ich bin nur nicht der richtige Gast dafür, da ich, was Deutschen Wein angeht, auf lauter Positionen treffe, die ich auch daheim im Keller habe.

Nun lebe ich seit anderthalb Jahren in Berlin. Irgendjemand stellte vor ein paar Tagen bei Facebook die Frage zur Diskussion, ob Berlin Deutschlands Weinhauptstadt sei und es gab allen ernstes ein paar Zweifler (die München gern zu selbiger küren wollten). Man hätte auch darüber diskutieren können, ob der Papst katholisch ist – die Frage ist ähnlich knifflig zu beantworten. Berlin, Deutschlands Weinhauptstadt, hat einige Weinkarten im Angebot, die dem Hamburger Konzept vollständig zuwider laufen und gerade deswegen so gut sind. Meine erste Begegnung mit einer solchen hatte ich im Restaurant Reinstoff. Ivo Ebert serviert ausschließlich Weine aus Spanien und Deutschland. Wer sich nun fragt, ob man ohne Frankreich eine Weinkarte von Klasse zusammenstellen kann: das Reinstoff hat mittlerweile zwei Michelin-Sterne. Die teilweise wilden Spanier, die Ebert auch glasweise ausschenkt, heben so manches Gericht in höchste Höhen. Dass Molitor zum Repertoire gehört, versteht sich von selbst…

Und dann saß ich neulich in meiner Lieblingsweinbar, dem Rutz, als mir der Sommelier ein Glas zum probieren hinstellte. ‚Hier, die Flasche hat ein Gast gerade mit wenig schmeichelhaften Worten zurückgehen lassen.‘ Es handelte sich um einen weißen der Domaine de l’Horizon. Sommelier Billy Wagner hatte den Wein als Speisenbegleiter vorgeschlagen, der Gast fand ihn schaurig und verlangte ‚Chardonnay aus dem Barrique, von irgendwoher‘. Das schöne an meiner Lieblingsweinbar ist, sie verkaufen keine Weine, die von irgendwoher kommen oder schmecken, als könnten sie von irgendwoher kommen. Ich finde die Karte im Rutz fast grandios (es fehlt halt Molitor), besagter Gast sah das vermutlich anders und wünschte sich in dem Augenblick bestimmt nach Hamburg. So gibt es sie nicht, die ideale Weinkarte. Es gibt nur gute Weinkarten und für jede gute Weinkarte den idealen Gast.

Was wäre denn, wenn man das Hamburger mit dem Berliner Modell vermählte? Dann wäre die Karte dick wie zwei Telefonbücher und der ganze Pfiff raus (aber jede Menge Molitor drin). Wenn ich eine Weinkarte in die Finger kriege, versuche ich ein Konzept zu erkennen. In Berlin erkenne ich es regelmäßig. Berliner Weinkarten sind wie Frankfurter Zeitungen: dahinter steckt immer ein kluger Kopf – nur bitte nicht meiner. Ich genieße lieber die wilden Spanier in Rutz und Reinstoff oder trinke zuhause Weine, die schmecken, als kämen sie von irgendwoher. Die können auch richtig gut sein, so wie dieser:

Nicht von irgendwoher, sondern aus dem eigenen KellerWittmann, Chardonnay -S-, 2005, Rheinhessen. Der Wein riecht nicht, er duftet: ziemlich frisch aber auch typisch für einen gereiften Chardonnay. Da ist etwas Butter, Haselnuss und Karamell, aber auch Ananas und Mandarine. Am Gaumen verfügt der Wein über schöne Säure und ein paar Gerbstoffe, das raut ihn etwas auf und bildet einen schönen Kontrast zur cremigen Buttrigkeit der Rebsorte und des Barrique-Ausbaus, der Vanille zum Aromenspektrum beisteuert. Der Chardonnay ist konzentriert und hat 14% Alkohol ohne dick zu sein oder gar schwer. Diese Balance aus Frische, Gewicht und Reife macht ihn zu einem faszinierendem Wein. Der Abgang ist sehr lang und mir eine Spur zu süß, sonst wäre ich restlos geplättet.

Wittmann aufhängen

Vor vielen Jahren begegnete ich einer Frau, die Einkaufstüten sammelte. Dabei ging es ihr nicht darum, möglichst viele Einkaufstüten zusammen zu tragen, die dann alle mit ,Penny‘ oder ,Lidl‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Beutel mit Aufdrucken von ,Chanel‘ oder ,Tiffany‘. Diese Tüten, erzählte mir die Freundin, die mich mit dieser Frau bekannt gemacht hatte, schmückten die Wände ihrer Wohnung und wurden voller Stolz ausgestellt. Das war so ziemlich das albernste Hobby, dem ich je in meinem Leben begegnet bin.

Gut festmachen...
Ein merkwürdiges Etwas…

Fast die Hälfte meiner Freunde – das sind diejenigen, die meinen Weinfimmel teilen – sammelt leere Weinflaschen. Dabei geht es nicht darum, möglichst viele Flaschen zusammen zu tragen, die dann mit ,Gallo‘ oder ,Torres‘ bedruckt sind, sondern um eine Auswahl möglichst exklusiver Flaschen mit Aufdrucken wie ,Mouton‘ oder ,Latour‘. Diese Flaschen schmücken die Schränke in den Küchen und Esszimmern meiner Freunde und werden voller Stolz ausgestellt. Das ist so ziemlich das normalste von der Welt und ich würde selbstverständlich mitmachen, wenn – ja wenn ich nicht damals dieser Frau mit den Tüten begegnet wäre und mir außerdem viel zu viele Gedanken darüber machte, wie mein Tun auf andere (weniger weinverrückte) wirken könnte. Ein paar Flaschen zieren einen einzelnen Schrank daheim aber das sind eher besonders hübsche oder solche mit einer interessanten Geschichte als teure und bekannte.

Das wird jetzt anders!

Immer wenn ich denke, ich hätte meine Weinliebhaberei derart übertrieben, dass meine Frau demnächst ihre Sachen packt und sich einen unterhaltsameren Gefährten sucht, überrascht Sie mich mit einem vinophilen Liebesbeweis. So schenkte sie mir einst, nachdem ich mein verabredetes Weinbudget aufs unverfrorenste überzogen hatte und Entmündigung fürchtete, eine Flasche Roederer Cristal, mein erster Wein jenseits der Hundert-Euro-Marke überhaupt (und ja, der steht auf dem Schrank – aber nur wegen der Geschichte). Dieser Tage war es einmal mehr so weit. Ich hatte gerade besonders viel in Sachen Wein unternommen, da kaufte meine sehr viel bessere Hälfte eine Lampe für unsere Küche. Sehr unscheinbar sah sie aus, verlangte aber nach einer Aufhängung, die 25 Kilo tragen kann. Dabei war das Paket nicht besonders schwer.

…entpuppt sich zum Lieblingsspielzeug

Um es kurz zu machen: es ist die perfekte Lampe für mich. Sie nutzt Weinflaschen als Mittel zur Lichtstreuung – ganze 22 Stück sogar. Um sie vernünftig zu verwenden, muss ich also 22 Weinflaschen sammeln und dort hinein hängen. Niemand wird sich wundern, dass ich leere Weinflaschen ausstelle, die Unbedarften werden denken, die hätten zum Lieferumfang der Lampe gehört. Die Insider werden sich stundenlang meine Lampe anschauen und ich kann die Zahl der gehorteten Flaschen mehr als verdoppeln. Das einzige Problem, das ich plötzlich habe, ist ein Mangel an leeren Flaschen. Und wie man die herstellt, weiss ich glücklicherweise. Hier ist gleich mal eine, die in meine neue Lampe gehört.

Wittmann, Riesling Kirchspiel GG, 2005, Rheinhessen. In der Nase von mittlerer Intensität mit Aprikose, Pistazie und getrockneten Kräutern. Ich weiss, dass Steine keinen Duft absondern, aber trotzdem kommt die Assoziation auf, dass der Wein nach Stein riecht. Am Gaumen ist es nicht ganz so extrem: der Riesling ist sehr mineralisch aber nicht mehr als viele Weine dieser Bauart auch. Dazu bietet das Grosse Gewächs feine Frucht (Mandarine, Aprikose, Ananas), viel Würze, kräftige Säure, reichlich Bumms. Aber der Kirchspiel ist nicht übertrieben dick oder konzentriert, 13% Alkohol sind akzeptabel integriert. Das ist alles sehr rund und schön. Was der Wittmann vielen guten 2005er GGs voraus hat ist eine enorme Tiefe. Ich kann mich bei jedem Schluck mehr für ihn begeistern und auch am zweiten Tag verströmt er noch Frische im Glas und erzählt eine neue Geschichte. Das Zuhören lohnt sich.