A Night to Remember

Der Tiefpunkt meiner Karriere als Organisator von Weinreisen war an einem Samstagabend um neun erreicht, im Herbst des Jahres 2007. Wir hatten gerade einen Weiß- und Grauburgunder von Stefan Steinmetz probiert und sechs Augenpaare richteten sich auf mich. Blicke sprachen Bände und die Nachricht war eindeutig: Wo hast Du uns hier hingeschleppt? Glücklicherweise konnte mich der sympathische Winzer in den folgenden Stunden rehabilitieren – aber der Reihe nach.

Meine frühen Schritte in der Weinwelt tätigte ich im Kreis einer fröhlichen Runde in Hamburg. Viele Proben und Messebesuche bestritten wir zusammen und so war es nur logisch, dass die Idee einer gemeinsamen Weinreise entstand. An die Mosel sollte diese führen und mir fiel die Organisation zu. Als Herausforderung entpuppte sich der Samstagabend. Welcher Winzer würde ‚Wetten, dass..?‘ gegen eine Weinprobe mit Privatkunden eintauschen? Einer fiel mir ein: Jörg Thanisch vom Weingut Ludwig Thanisch und Sohn. Leider hatten aber alle die 2006er Kollektion bereits probiert und im Keller, weswegen der Vorschlag keinen Anklang fand.

Also rief ich Thanisch an, um ihm erstens zu erklären, dass wir zwar eine Moselreise planten, auf dieser aber nicht bei ihm Station machen würden und zweitens zu fragen, ob er nicht einen Kollegen für eine samstagabendliche Soiree empfehlen könne. Der Mann ist unkompliziert, war nicht beleidigt, sondern lieferte wie aus der Pistole geschossen einen Namen und eine Handy-Nummer: Stefan Steinmetz vom Weingut Günther Steinmetz in Brauneberg. Als ich diesen anrief, stand er gerade mitten im Weinberg, hatte keinen Kalender dabei, sagte aber sofort zu.

Einer war zu spät, einer musste die Kamera bedienen: fünf von sieben in der Trittenheimer Apotheke
Einer war zu spät, einer musste die Kamera bedienen: fünf von sieben in der Trittenheimer Apotheke

Wir fielen pünktlich um halb neun am verabredeten Abend bei ihm ein. Das Weingut ist ein kleiner Betrieb, ohne jedes Chichi aber mit etwas Patina. Guido, ein Mitreisender, fasste es wunderbar zusammen: ‚Die Probierstube machte einen prototypischen Eindruck für diese Art von Familienbetrieben, bei denen man immer den Eindruck hat, sich ein bisschen weiter in die Privatsphäre der Winzerfamilie zu begeben, als dies für Erstbesucher angemessen wäre.‘

Er habe Zeit und er würde sich freuen, wenn wir die ganze Kollektion probierten. Da diese auch einige Schatzkammerweine enthalte, gereifte Beerenauslesen und TBAs, schlage er vor, wir zögen die Rotweine vor, da nach einer TBA der Gaumen jungen Rotwein nicht mehr beurteilen könne. Diese Regel kannte ich nicht, befolge sie seitdem aber auch bei anderen Proben, denn der Mann hat Recht.

Starten wolle er aber mit seinen beiden weißen Burgundern. Er schenkte uns die Weine mit dem Hinweis ein, bei Weiß- und Grauburgunder durchlaufe er einen Entwicklungsprozess. Er sei mit dem Ergebnis noch nicht hundertprozentig zufrieden. Das war zwar von entwaffnender Ehrlichkeit, machte die Weine aber nicht besser. Sie waren recht alkoholisch, zu süß und insgesamt mastig. Es folgten die angespannten Blicke der Kollegen.

Doch dann ging es Schlag auf Schlag. der Winzer präsentierte uns seinen Schwarzriesling, den Pinot Meunier * ‚im Barrique gereift‘. Das war eine Ansage, nicht nur weil es in Deutschland so wenig guten Wein aus der Müllerrebe gibt, sondern auch weil er für diesen eleganten Wein sechs Euro pro Flasche aufrief. Es folgte Merlot:, Steinmetz hat ihn in der Steillage stehen und beweist seit Jahren, dass das sinnvoll ist. Eine 2005er Auslese, geerntet mit 115 Grad Oechsle ohne jede Fäulnis war das beste, was ich bis dahin an deutschem Merlot getrunken hatte (und vielleicht bis heute habe) – zum Preis von achteinhalb Euro. Ich will nicht jeden Wein aufzählen, finden sich die Spätburgunder doch an anderer Stelle in diesem Blog. Die Runde war begeistert, lediglich einer maulte die ganze Zeit, er sei vor einer Woche an der Ahr gewesen und habe bei einem Spitzenbetrieb für vergleichbare Qualitäten das fünf bis achtfache bezahlt.

Es folgten die Rieslinge und auch die fand ich sehr ordentlich. Bis heute reißen die Steinmetz’schen Rieslinge mich nicht zu Begeisterungsstürmen hin, was nicht heißt, dass sie nicht sehr gut sind, sie sind nur nicht meine Favoriten. Die Mehrheit der Runde war enthusiastisch. Gegen Mitternacht gaben wir noch Bestellungen ab, die wir am nächsten Tag abholen wollten, da der Winzer nicht mehr packen und wir nicht mehr fahren konnten. Dass wir über tausend Euro auf die Zettel bekamen klingt unbedeutender als es ist – bei durchgängig einstelligen Flaschenpreisen.

Spannend zu beobachten waren die Spätfolgen dieses Besuchs. Die Reisegruppe bestand aus dem, was man im Zeitalter der sozialen Netze als ‚Influencer‘ bezeichnet. Michael schrieb zwar noch nicht für den Weinwisser, war aber schon ein Vielreisender in Sachen Weinproben und brachte seine Steinmetz-Erfahrung nach Frankfurt, Düsseldorf und Berlin, Guido war als Nutzer ‚Einzelflaschenfreund’ in diversen Weinforen aktiv, Ole war und ist ein blendend vernetzter Weinprobengastgeber, Joachim, den alle nur Pasta nannten (und heute Jacob Ashley Schmalz, aber das führte jetzt zu weit), gehörte unter anderem zu den Juroren der ersten Twitter Wine Awards und meine Wenigkeit bloggt immerhin seit 2009 über die Weine des Gutes. So manche huldigende Erwähnung des Betriebes in der Internet-Weinszene lassen sich mit nur kleinen Umwegen zu diesem Abend zurückverfolgen.

Dass David Schildknecht kurze Zeit später Steinmetz das erste mal im Wine Advocat erwähnte und einige Jahre darauf die erste und dann weitere Trauben im Gault Millau kamen – geschenkt. Und natürlich ist herausragende Weinqualität die wichtigste Vorraussetzung für den Erfolg eines Winzers. Die Bereitschaft sich den Samstagabend mit ein paar Bekloppten um die Ohren zu schlagen, sollte man als Erfolgsstrategie in der Weingutsführung aber auf gar keinen Fall unterschätzen …

Steinmetz_Graacher_HimmelreichGünther Steinmetz, Graacher Himmelreich, Spätburgunder Auslese * trocken, 2007, Mosel. In der Nase ein erdiger Ton mit einigem Holz, dazu Himbeere und Vanille. Am Gaumen ist das Holz dezenter, ein paar Röstaromen, Lakritze aber auch viel Frucht: Kirsche und Himbeere. Der Alkohol von 13,5% ist spürbar und das ist angenehm. Was den Wein aber eigentlich auszeichnet ist seine Struktur: perfekte, leicht pikante Säure, feines Tannin, süße Frucht, mittleres Volumen aber einiges an Druck und enorme Länge. Ich muss bei einem Wein mit diesen Eigenschaften immer an Fußball denken: der hat Zug zum Tor. Grandioser Stoff.

Der dümmste Spruch der Weinwelt

Die Weinwelt bietet beinahe grenzenlose Vielfalt, da sind pauschale Aussagen immer gefährlich. Je nach persönlichem Blickwinkel sind sie lustig, albern oder ärgerlich. ,Die besten Bioweine machen die Winzer, wo die Nachbarn mit dem Hubschrauber spritzen‘ (bitte älteren Winzer, schweren Dialekt und braune Kordhose dazu denken) ist ein gutes Beispiel dafür. Als Gelegenheitszyniker finde ich den sehr lustig, wäre ich Bio-Winzer schwölle mir wohl der Kamm.

,Der Wein ist überbewertet‘ ist ein Spruch, der mich eigentlich kalt lässt, da ich es mit dem bewerten von Wein eh nicht so habe und auch selten auf anderer Leute Punkte schiele. Gleichwohl verstehe ich auch bei dieser Aussage, dass sie manchem gehörig die Laune vermiest.

Mein persönlich meist gehasster Spruch ist vermutlich dieser hier: ,Ich trinke keinen Rotwein, durch den ich durchgucken kann!‘ – was natürlich mit meiner bedingungslosen Liebe zu Deutschem Spätburgunder zusammen hängt.

Dieser an sich schon alberne Spruch – schließlich trinke ich den Wein nicht der Farbe, sondern des Geschmacks wegen – ist besonders ärgerlich, weil er nicht wenige Winzer dazu verleitet ihre Spätburgunder zu vermasseln. Denn auch wenn es keiner zugibt, so mancher Winzer schielt schon auf die Dunkelweintrinker, wenn er seinen Spätburgunder in einer Art und Weise aufmotzt, die diesen gerecht wird, dem Wein aber nicht.

Zum Einen schütten etliche Winzer fünf bis fünfzehn Prozent Dorn- oder Dunkelfelder in ihren Spätburgunder. Zugeben tut das niemand, die Dunkel(sic!)ziffer ist aber nicht zu verachten. Ich leide an einer Dornfelderallergie, meine diesen Kniff meist rauszuschmecken, bin aber bereit zuzugeben, dass ich auch schon leichte, süffige Spätburgunder in der Zehn-Euro-Liga getrunken habe, denen der Schuss Fremdwein ganz gut zu Gesicht stand. Und dann sind da die Winzer, die ihre Weine zu Tode mazerieren. ,Trockeneis und eine Woche in die Ecke stellen‘ kommentierte Dirk Würtz lapidar, als wir neulich beim Vorglühen zum Vinocamp an ein solches Exemplar gerieten. Seiner Aussage, das gäbe eine schöne Farbe, kille aber die Herkunft, mag ich nicht widersprechen.

Ich bekenne also: Ich liebe Rotweine, durch die ich durchgucken kann. Gerade jetzt im Sommer, abends beim Grillen, leicht gekühlt aber nicht kalt. Zwei Exemplare trinke ich derzeit regelmäßig. Einer enthält ein Prozent Dornfelder, aber nur zwecks Gefahrenabwehr. Als der Winzer seine Fässer befüllte, reichte die Menge nicht aus um das letzte Fass randvoll zu machen. Um Oxidation zu vermeiden sollte man das aber. Normalerweise geht man ins Lager, holt ein paar Flaschen vom letzen Jahr, entkorkt die und füllt das Fass auf. Da aber alles ausverkauft war, mussten ein paar Liter Dornfelder herhalten. Die weniger als ein Prozent Zugabe schmecke aber nicht einmal ich als ,Allergiker‘ heraus und blickdicht ist er auch nicht geworden.

Thanisch (Ludwig Thanisch&Sohn), Spätburgunder ,unfiltriert‘ im Holzfass gereift, 2009, Mosel. In der Nase Vanille, Zimt, Sauerkirsche und Pflaumenkompott. Am Gaumen milde Säure, eher cremig, Pflaume, Holz und Rauch, etwas Mineralik, die Frucht ist süß, der Wein eher schlank. 13% Alkohol sind eher unauffällig, der Abgang sehr lang. Für die Anlass-Trinker: Ein sommerlicher Spaßwein.

Steinemtz_Spaetburgunder_Spaetlese_2007Erstaunlich haltbar sind diese einfachen Weine obendrein. Von dem hier hatte ich eine Kiste im Keller verbaselt. Jetzt ist sie wieder aufgetaucht und das keineswegs zu spät.

Günther Steinmetz, Mülheimer Sonnenlay Spätburgunder Spätlese, 2007, Mosel. In der Nase Sauerkirsche, Himbeere, Kräuter und dezent Vanille; am Gaumen mittleres Volumen, ordentliche Säure, die dem Wein Frische verleiht, sehr feines Tannin, Fruchtaromen von Kirsche und Himbeere jedoch nicht süß, etwas Holz. 12,5% Alkohol sind durchaus präsent, dazu ist der Wein ein bisschen mineralisch, sehr langer Abgang. Keinesfalls ein einfacher Wein aber einfach süffig.

P.S. Die Diskussion über ähnlich alberne Sprüche fand dann bei Facebook statt; https://www.facebook.com/groups/hauptsachewein/permalink/478058608946983/?comment_id=478059308946913&offset=100&total_comments=128

Und plötzlich ging die Sonne auf

Weinproben werden überschätzt. Ich meine damit nicht nur die Ergebnisse (ich habe das Lied oft genug gesungen, dass sieben Minuten Zeit und fünf Zentiliter im Glas nicht reichen, um einem richtig guten Wein gerecht zu werden), auch das Vergnügen, dass eine Probe bereitet, wird in meinen Augen oft überhöht dargestellt. Denn neben dem schönen Erlebnis, sich an einem Abend einen Überblick über ein Weinthema erschmecken zu können, steht auch der Stress, zehn Mal, zwölf Mal oder gar noch öfter binnen kürzester Zeit etwas gehaltvolles über einen Wein sagen zu sollen. Besonders stressig wird es als Veranstalter, denn dann müssen Hirn und Sinne neben dem Weinsensorikprogramm auch noch den Subprozess ,Gastgeber‘ laufen lassen. Und das unter erschwerten zeitlichen Bedingungen: während die Gäste schon den nächsten Wein beschnuppern, steht man selbst noch mit dem Brotmesser in der Hand in der Küche.

Vor Jahren, als ich mich in Weinforen tummelte, in denen nach Proben die Teilnehmer ihre Notizen veröffentlichten, konnten solche Abende in echte Arbeit ausarten. Seitdem ich blogge, habe ich mir ein Stück Freiheit zurück erkämpft. Ich veröffentliche keine Notizen zu Weinen, die ich bloß probiert habe. Also schreibe ich nur noch wenig bei Proben – manchmal gar nichts. In meinem heimatlichen Weinkreis ist es üblich, dass alle Teilnehmer am Ende das Teilnehmerfeld nach Gefallen sortieren. Also notiere ich genau so viel, wie für die Erledigung dieser Aufgabe nötig ist. Wenn nach einer Probe noch so viel von einem Wein übrig bleibt, dass ich ein oder zwei Gläser davon trinken kann und der Wein seine Form über zwei Tage hält, gibt es hier im Blog eine Verkostungsnotiz.

Anfang dieser Woche veranstaltete ich eine Weinprobe mit 12 Spätburgundern des Jahrgangs 2005 aus Deutschland.  Große Namen waren dabei: Becker, Kuhn, Adeneuer und etliche andere Spitzenerzeuger. Die Probe begann sehr gut, die ersten Weine von Molitor und Salwey wussten zu gefallen. Dann fielen wir etwas in ein Loch, die Weine mundeten erst nicht so gut, dann kam ein Korkfehler ins Spiel und das Niveau blieb auch danach lediglich anständig. Die Gespräche schweiften ab, die Verkostung wurde etwas zäh. Doch bei Wein Nummer Zehn wurde es erst still und dann konzentrierte sich die Runde ganz ohne weitere Mahnungen des Gastgebers wieder auf die Probe. Die Sonne ging im Glas auf und der Wein sprach zu uns. So gab ich auch meine Zurückhaltung bezüglich des Schreibens auf und notierte, was der Wein diktierte. Beim elften Wein passierte das, was keiner zu hoffen gewagt hatte: er setze noch einen drauf – wenngleich ich zu denen gehörte, die beide Weine gleich stark sahen.

Beim Aufdecken dann die Überraschung, Wein Nummer Zehn war der günstigste im Feld, eine Auslese von Steinmetz. Mich hat das auch deswegen gefreut, weil ich vor einiger Zeit die Behauptung aufgestellt habe, dass die Spätburgunder Auslesen von Stefan Steinmetz es in einer landesweiten Blindprobe in das Feld der besten 50 Spätburgunder aus deutschen Landen schafften – wo sie dann mit 13€ einsame PLV-Sieger wären. Der Sieg ging an einen Wein von Ziereisen.

Da von beiden noch ein ,Viertele‘ übrig blieb, das ich am folgenden Abend einer ausführlichen Probe unterziehen konnte und sich dabei meine Notizen bestätigten hier also das Protokoll.

Günther Steinmetz, Spätburgunder Auslese trocken * Barrique, 2005, Mosel. In der Nase von allem etwas, was einen schönen Spätburgunder ausmacht, Frucht, Kräuter, Holz, Fleisch. Kirsche und Himbeere, Leder, Rauch, Speck und Rosmarin und wenn man 5 Minuten später die Nase wieder ins Glas hält, kommt ein Schwung neuer Eindrücke. Am Gaumen ist der Wein wunderbar balanciert: da ist noch deutliches Holz schmeckbar, aber nicht zu verbrannt oder rauchig; Tannin ist vorhanden und ,kratzt gerade richtig‘, die Säure trägt den Wein ohne zu dominieren und die Frucht ist verhalten süß. Im Vordergrund steht am ehesten Kräuter und Würze und die ernsthafte Art. Der Alkohol spielt nur die zweite Geige, 13,5 % sind genau richtig. Der Abgang ist sehr lang und etwas rauchig. Ganz wunderbarer Wein.

Ziereisen, Spätburgunder ,Jaspis‘ Alte Reben, 2005, Baden. In der Nase ebenfalls das ganze Paket, allerdings etwas fruchtiger mit viel süßer Himbeere – ich finde ihn dadurch einen Hauch weniger spannend. Am Gaumen macht der Jaspis Boden gut. Das Holz ist noch feiner, Frucht und Säure spielen noch etwas eleganter miteinander, die Noten von Blut, Rauch, Speck lassen Vorurteile vor Spätburgundern aus Deutschland verblassen. Der Abgang ist ebenfalls ewig lang und auch beim Jaspis liegt der Alkohol bei angenehmen 13,5 %.

Was wächst denn da?

Nachdem ich neulich der Zeitschrift Weinwelt eine Überschrift gestohlen habe, beklaue ich heute zur Abwechslung ein Weinblog. Diesmal entwende ich nicht die Headline, sondern das Thema. Die Kollegen von Drunkenmonday hatten neulich einen kleinen Reigen exotischer Rebsorten vorgeführt, die sich mittlerweile in Deutschland mehr oder weniger heimisch fühlen und ausbreiten. Ich fasste bei der Lektüre – die ist im Übrigen sehr zu empfehlen, hier (in der Hoffnung, damit die Absolution für den Diebstahl geistigen Eigentums zu erlangen) der Link – den Vorsatz, dieses Panoptikum auf meinem eigenen Blog fortzusetzen und mich dabei nicht auf die Pfalz zu beschränken, wie die Montage es im Original taten. Speziell exotische Rotweine habe ich einige im Keller und manche erreichen (oder überschreiten) dieser Tage die Trinkreife.

Rings, Merlot, Mandelgarten ‚Silberkapsel‘, 2005, Pfalz. Eine fruchtige (Kirsche und Pflaume) Nase mit Teer und Rauch sowie kräftigen, unreifen grünen Noten (Tomatenpflanze). Am Gaumen nur verhaltene Frucht (Pflaume), Teer, Rauch, verbranntes Toast, sehr trocken, etwas mineralisch mit rauem Tannin, dass mit viel Luft etwas zurückhaltender wird. 14% Alkohol sind ordentlich eingebunden, der Abgang ist lang und etwas austrocknend, das Vergnügen an diesem Wein ein bisschen eingeschränkt.

Die Silberkapsel-Linie war damals die mittlere Qualitätsstufe bei Rings. Es gab noch einen Goldkapsel-Merlot. Nach Genuss der Silberkapsel habe ich den Eindruck, dass das Traubenmaterial in unseren Breiten nicht so gut reift, dass das minderwertige einen eigenen Zweitwein trägt. Vielleicht liege ich richtig, es gibt diesen Wein in Folgejahrgängen nicht mehr. Ich vermute, dass die einfachen Chargen Merlot jetzt in die diversen Cuvées des Hauses wandern. Ähnlich verfahren viele hiesige Winzer mit Cabernet oder Merlot-Weinbergen. Bis vor kurzem  tat das auch Stefan Steinmetz. Allerdings ist er wieder davon abgerückt, weil sich die Basiscuvée seines Gutes am Markt nicht durchsetzen konnte. Schade eigentlich, mir gefiel der Wein sehr gut.

Rings' Merlot und Ziereisens Syrah
Exotische Einwanderer

Günther Steinmetz, Cuvée Apereshop, 2005, Mosel. Cuvée aus Spätburgunder, Schwarzriesling und Merlot. In der Nase zunächst Kirsche und Pflaume, nach einiger Zeit überlagert von einem kräftigen Alterston dazu Lakritze und Brombeere sowie eine leicht grasige Note. Am Gaumen ist der Wein von mittlerem Volumen, mit prägender Säure, sehr trocken, schöner Frucht (Brombeere, Kirsche) und noch deutlichen Barrique-Spuren. Das Tannin ist nicht besonders ausgeprägt, der Abgang lang. Ein sehr schöner Rotwein, der in jungen Jahren genial war, sich jetzt aber langsam verabschiedet.

Nachdem die einfachen Qualitäten mir wenig Glück gebracht hatten, fand ich es an der Zeit, mich den etwas dickeren Geschossen zuzuwenden. Ich versuchte es mit einem, auf den ich mich seit Jahren freue.

Ziereisen, Syrah ‚Gestad‘, 2005, Baden. In der recht schönen Nase schwarzer Pfeffer, rote Beeren und Eukalyptus – ansprechende Mischung. Am Gaumen eigentlich sehr elegant, etwas süße Beerenfrucht, milde Säure, dezentes Tannin, Bitterschokolade, gut eingebundener Alkohol (13,5%) aber auch eine kleine Überdosis Rauch und Teer sowie unreife Noten. Aus 2005 hatte ich einen etwas molligeren Wein erwartet. Der Abgang ist sehr lang und der Wein definitiv das Produkt gehobener Winzerkunst, wenngleich ein Teil der Faszination darauf beruht, dass es ein deutsches Produkt ist.

Was noch fehlt, ist der Cabernet. Und mit dem hatte ich Glück, denn dem haben fünf Jahre Kellerreife so richtig gut getan.

Wegner, Cabernet Sauvignon, 2002, Pfalz. In der Nase Holz, Holz und nochmal Holz. Das ist schon grenzwertig. Wegner ist Gründungsmitglied des Barrique-Forums und sperrt seine Weine teils extrem lang in kleine Fässer. Nach rund drei Stunden zeigt sich auch Frucht (Johannisbeere) und grüne Paprika. Das lässt am Gaumen schlimmes erwarten. Aber da vermag der Wein zu überraschen:  kein überholzter karger Wein mit unreifen Noten, sondern viel schöne Beerenfrucht, sehr trocken, rauchig, Kräuter und Würze aber natürlich auch jede Menge Holz. Ich zweifle, dass die erstaunlich gut eingebundenen 14,5% Alkohol ganz ohne Anreicherung zustande kamen, dafür war 2002 vielleicht nicht das richtige Jahr – aber der Alkohol steht dem Wein sehr gut. Trotz immer noch starker Holznoten zeigt sich auch eine feine Mineralik im sehr langen und harmonischen Abgang. Ein sehr feiner Wein – aus einem eigentlich recht durchschnittlichen Jahr.

 

Die Wuchtbrumme

Die Welt ist voller Weine, die schmecken, als hätte der Winzer ganz viel gewollt. Erschreckend wenige Weine schmecken so, als hätte der Winzer erreicht, was er wollte. Ich freue mich immer besonders, so einen Wein im Glas zu haben, es kommt schließlich selten genug vor.

Es sei so reifes und gesundes Lesegut gewesen, wie man es vielleicht im ganzen Leben nicht mehr in die Finger kriegt, beschrieb Stefan Steinmetz vor einigen Jahren die Situation bei der Ernte seines Spätburgunders 2003. Der Wein war damals bei einer Probe ziemlich mächtig und mächtig zugeholzt. Da hatte der Winzer eine bewußte Entscheidung getroffen. Er wollte dem besonderen Ausgangsmaterial eine besondere Behandlung angedeihen lassen.

Es waren nicht mehr viele Flaschen da, also wanderte nur eine in meinen Keller. Jetzt ein paar Jahre später, kam die Probe aufs Exempel. Und der mächtige Wein hat sich mit dem mächtigen Holz vertragen. Ich wiederhole mich vorsichtshalber: ich habe ein rechtes Bibergebiss und bin wenig empfindlich bei Holzeinsatz – aber das bedeutet nicht, dass ich keinen Wert auf Balance lege.

Günther Steinmetz, Spätburgunder Auslese trocken **, 2003, Mosel. Unmittelbar nach dem Öffnen verströmt der Wein eine unglaubliche Frucht, das quillt aus dem Glas, füllt den ganzen Raum und erinnert mich an meine Begegnung mit Gajas Barbaresco – auch weil der Spätburgunder wenig typisch nach italienischem Kirschkitsch duftet. Der erste Schluck ist furztrocken, etwas karg und endet in einer Wand aus Holz und Teer. Mit einer Stunde Luft wird die Nase leiser, Blaubeere und Marzipan sowie ein wenig Joghurt tauchen auf. Am Gaumen fächert der Spätburgunder ebenfalls auf, er wird fruchtiger, süßer, schmeckt nach Kirsche und Pflaume, brennt ganz leicht, obwohl er 14,5% Alkohol gut integriert. Ein ganz strammer Wein mit Kraft, einem ordentlichen Säuregerüst, Mineralik und Tiefgang. Im Abgang zeigt sich reichlich Tannin, dass über die nächsten drei Tage gelegentlich die Oberhand gewinnt und dann austrocknend wirkt. Ein oder zwei Jahre weiterer Reife bedeuten für diesen Wein sicher einen Fortschritt. Der Abgang ist unendlich lang. Was für ein Tier!

Ganz eigennützig wünsche ich dem Winzer, dass er noch oft solches Lesegut in die Finger bekommt.