Einer reicht

Leider spreche ich kein Französisch, sonst könnte ich mir die folgende Frage selbst mit einem Blick in ein französisches Weinforum beantworten. Ob die Weinfreaks unter unseren Nachbarn wohl um Basisweine einen ähnlichen Zirkus veranstalten, wie wir Deutschen? Ich möchte nicht wissen, wie viele verschiedene Riesling Kabinette ich im Keller habe – und auch welchen Unterschied ich darin zu erkennen glaube. Nicht nur, dass ich im Sommer auf der Terrasse niemals einen durch und durch mineralischen Kabinett von Molitor trinken würde, sondern vielleicht eher einen fruchtbetonteren von Thanisch, ich unterscheide teilweise noch innerhalb der Kollektionen eines einzelnen Winzers nach Lagen (beispielsweise zwischen den fetteren Graacher Böden und den durch und durch schiefrigen drumherum). Nun kann man sagen, der Riesling spiegelt halt wie keine andere Rebsorte den Hang wider, auf dem er wächst. Aber reicht das aus? Oder ist das doch die Sozialisation? Auch bei einfachen Spätburgundern interessiere ich mich für die kleinen Unterschiede. Bei südfranzösischen Basisrotweinen hingegen kann ich wirklich nur zwischen guten und schlechten unterscheiden. Und weil das so ist, reicht es mir vollkommen aus, einen einzelnen sehr guten zu kennen. Der kommt bei mir meist zum Einsatz, wenn mir nach einem einfachen Glas Rotwein zum Essen ist, Spätburgunder nicht in Frage kommt und die Gefahr groß ist, dass ein wesentlicher Teil des Weines mangels Mittrinker als Kochwein endet.

E. Guigal, Cotes du Rhone, Rotweincuvée, 2005, Südfrankreich. Mit zwei Stunden Luft präsentiert der Wein eine für mich typische Südfranzosennase: Leder, Zeder, ein wenig Kuhstall, etwas Graphit/Bleistift sowie Kirsche und Himbeere. Am Gaumen ist der Wein gefällig aber kein Schmeichler, dafür ist das Tannin zu kräftig. Brombeere und Bitterschokolade werden von kräftiger Säure gestützt. Der Abgang ist sehr lang und harmonisch. Für mich ist das der Idealtypus des unkomplizierten Südfranzosen.

Bekenntnisse eines Hamsters

Auch für mich kommt jedes Jahr im Januar der Zeitpunkt für eine oberflächliche Kellerinventur. Was ich so höre und lese, scheint dies ein völlig normales Bedürfnis zu sein. Zwar führe ich ein Kellerbuch und halte die Bestände dort aktuell, doch einen Überblick über die Lage mache ich mir lieber unten im Gemäuer.

In einem Anflug schonungsloser Selbstkritik habe ich mir dabei eingestanden: Ich bin komplett bekloppt. Wer soll das alles trinken??? Allerdings fand ich auch den berühmten Silberstreif am Horizont. Aber der Reihe nach.

Im letzten Januar hatte ich beschlossen, dass ich 2009 außerplanmäßig mehr trockene 2006er Rieslinge trinken wollte, da viele von denen im Rekordtempo in der Flasche zerfallen. Ich habe also letztes Jahr vermehrt ausgetrunken, was an 06er Kabinetten und Spätlesen da war. Zur Kompensation habe ich deutlich weniger Sauvignon Blanc eingekauft, denn im Sommer kam davon entsprechend weniger ins Glas. Wie mir heuer bewusst wird, habe ich allerdings dafür meinen Vorsatz in die Tat umgesetzt, endlich ein paar lagerfähige und -bedürftige Silvaner und Weissburgunder einzukellern. Die Flaschenzahl ist eher gewachsen – was ich vor mir selbst verheimlicht habe (das geht!).

Außerdem fand auf diese Weise weniger 2007er Riesling den Weg in mein Glas. Ich hatte ob der überdurchschnittlichen Qualität des Jahrgangs davon reichlich eingekauft. Zwar trinke ich Rieslinge gerne reifer, aber dieses gilt für die gehobenen Prädikate. Nun liegen da also noch gute 70 Flaschen einfacherer Rieslinge mit so schönen Namen wie ‚Schiefer‘, ‚Mineral‘ und so weiter. Sogar ein paar Gutsrieslinge aus 2007 sind noch übrig – wobei ich eigentlich gar keine Gutsrieslinge trinke (was hat mich geritten, die zu kaufen???)

Nicht wenige meiner Freunde haben in ihrem Keller ein Regal, in das sie hineinlegen, was dringend getrunken werden muss. Ich hatte immer den Vorsatz, es soweit nie kommen zu lassen. Seit einigen Tagen erkläre ich dieses Vorhaben offiziell für gescheitert. Ich will trinken, worauf ich spontan Lust habe und nicht, was mir ein blödes Regal diktiert. Aber diesen Luxus kann ich mir nun nur noch bei jeder zweiten Flasche leisten.

Bei aller Selbstanklage will ich nicht verheimlichen, dass ich auch beginnende Prinzipientreue diagnostizieren konnte. Ich habe einem Vorsatz folgend nur eine homöopathische Menge 2008er Rieslinge eingekauft und trotz des relativ starken Jahrgangs die Finger von den 2007er Spätburgunder GGs gelassen, keine Italiener und Bordeaux gekauft, mehr Übersee getrunken als eingelagert, dito für Österreicher. Ich hege eine leise Hoffnung, dass ich das diktatorische ‚Muss-weg-Regal‘ in zwei Jahren wieder außer Dienst stellen kann. Damit das klappt, heißt es jetzt: Vorsätze achten. Wie zum Beispiel diesen hier:

Winkeler Jesuitengarten, Riesling Erstes Gewächs, 2005, Prinz von Hessen, Rheingau. Unmittelbar nach dem Öffnen präsentierte sich da ein netter Kabinett im Glas. Erst mit zwei Stunden Luft nahm der Wein an Volumen und Kraft zu. In der Nase Reifenoten, Pfirsichfrucht und Aloe Vera – eine ganz klassische Rieslingnase, die mir sehr gefallen hat. Am Gaumen geht es vergnüglich weiter: eine akzentuierte Säure trifft auf eine Frucht von reifem/mürbem Apfel, dazu gesellen sich würzige Reifenoten. Mittleres Volumen, gut integrierter Alkohol, langer und mineralischer Abgang – Riesling als stimmiges Gesamtpaket.

Diesen Wein hatte ich – diesem vermaledeiten Kaufreflex mal wieder erliegend – gekauft, nachdem meine Riesling-2005-GG-Käufe eigentlich (!) abgeschlossen waren, weil er mir bei einem kommentierten Weindinner der ‚Come to Keller‘-Veranstaltungsreihe so gut gefallen hatte. Er präsentiert sich jetzt so schön, dass ich mir in diesem Fall nachträglich verzeihe…

Der gute Vorsatz zum neuen Jahr

Glücklicherweise bewegt sich mein Körpergewicht in halbwegs normalen Dimensionen, Sport zu treiben kostet mich keine große Überwindung und Rauchen gehört nicht zu meinen Lastern. So kann ich mir zum neuen Jahr einen ganz banalen Vorsatz wählen.

Ich will in 2010 meinen Bestand an trockenen 2005er Rieslingen erheblich reduzieren.

Denn anders als ich das einmal erwartet hatte, scheinen diese Weine ziemlich schnell zu reifen. Teilweise haben einige trockene Grosse Gewächse des Jahres schon deutlichere Reifenoten als manches aus dem Jahr 2004, was ich in letzter Zeit trinken durfte. Dabei halte ich den Jahrgang immer noch für in weiten Teilen großartig – aber eben nicht so langlebig wie ursprünglich von mir einmal angenommen. Da ich fast alles, was ich noch habe in zweifacher Ausfertigung besitze, kann ich im Einzelfall immer noch entscheiden eine Flasche weiter reifen zu lassen. Ich werde über die Ergebnisse berichten und fange mit diesem hier an:

Kees-Kieren, Graacher Domprobst, Riesling Spätlese trocken ‚S‘, 2005, Mosel. In der Nase ist der Wein eher karg: etwas Pfirsich, viel Grapefruit, wenig Marzipan, angeschlagener Feuerstein. Am Gaumen voll, saftig, mürber Apfel, Grapefruit, gutes Spiel von Süße und Säure, geschmacklich nicht sehr trocken, eher die moderne Stilistik mit starker Ertragsbegrenzung, sehr später Lese und relativ hohem Restzucker. Die Mineralik geht eher ins rauchig-dunkle, der Abgang ist sehr lang. Ich finde den Wein trinkreif und werde auch die zweite Flasche dieses Jahr ihrer Bestimmung zuführen.

Ich wünsche allen Lesern ein glückliches neues Jahr.

Geschenkte Gäule

Weihnachten ist bei uns kein Fest der großen Weine. Zwar begehe ich Heiligabend nicht als alkoholfreies Fest – schließlich hat Jesus Wasser in Wein verwandelt und nicht umgekehrt – aber es ist eben eher Stall und Krippe als Nobelherberge. So gab es auch dieses Jahr zu Kartoffelsalat und Würstchen nur einfache Weine. Geschenkte Gäule weiterlesen

Füllwein (9)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Birkweiler Kastanienbusch, Weisser Burgunder Spätlese trocken, 2007, Gies-Düppel, Pfalz. In der Nase reichlich Grapefruit, und eine üppige Kräuternote (Thymian?) aber angenehmerweise keiner der ordinären Töne, die Weissburgunder so häufig in der Nase zeigt. Am Gaumen saftig, fruchtig (ganz viel Grapefruit und Mandarine) aber auch ganz schön fett. 14% Alkohol steckt der Wein höchst respektabel weg, wobei kein Holz im Spiel ist. Nur im Abgang, der ansonsten fruchtig und mineralisch zugleich ist, hat der Sprit das letzte Wort. Wer starken Stoff gewohnt ist, wird den Wein gigantisch finden; wer es eher mit den filigranen Vertretern hält, geht besser in Deckung.

Assmannshauser Höllenberg, Spätburgunder Spätlese trocken, 2005, Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach, Domaine Assmannshausen; Rheingau. In der Nase Kirsche und Erdbeere, ziemlich Deutscher touch aber auch etwas erdiges und Wacholder. Am Gaumen zunächst saftig, sehr milde Säure, dadurch etwas ‚weichgespült‘, warm (bei 14% ansonsten nicht störendem Alkohol) mit einer kantigen Tanninstruktur. Im Abgang Kirschfrucht, schwarzer Tee und leicht trocknendes Tannin. Ich habe den Wein bisher mehrfach getrunken und er war immer eine Bombe. Jetzt zieht sich die Frucht zurück, ohne dass er in der Struktur schon weicher werden würde. Ich hoffe, dass da in ein zwei Jahren wieder mehr Balance und vielleicht spannende Aromen eines gut gereiften Pinots zum Vorschein kommen. Jetzt ist mit diesem Lieblingswein erst mal Pause.

Silvaner Kabinett trocken, 2007, Salwey, Baden. Schöne, für einen so leichten Wein sehr ausdrucksstarke Nase mit weißem Pfeffer, Birne und Quitte. Am Gaumen von schlanker Natur: feine Säure, sehr trockenes Geschmacksbild, mit zurückhaltender Frucht und zarter Mineralik. 10,8% Alkohol bei 0,4 Gramm Restzucker machen den furztrockenen Wein zu einem tollen Essensbegleiter für Weißfisch und ähnlich zarte Lebensmittel. Ein Mittagswein, wenn man denn mittags Wein trinken mag.