Neulich stolperte ich über einen Artikel von Jens Priewe, dem Kopf hinter der Webseite ,Weinkenner.de‘. Es handelt sich um einen schon älteren Beitrag zur Debatte darüber, ob die Deutschen ihrem Wein genügend Achtung entgegen bringen. Leider werden solche Diskussionen fast ausschließlich auf Facebook geführt und wer seine Artikel dort nicht verlinkt (wie Herr Priewe), der findet kaum statt. Also dauerte es auch bei mir eine Weile und war letztlich dem Zufall geschuldet, dass ich dieses lesenswerte Stück im Netz fand. Eine Anekdote fand ich besonders bemerkenswert, weswegen ich mir erlaube, sie vollständig zu zitieren:
Vor ein paar Wochen organisierte ich für eine Gruppe von Rechtsanwälten eine Weinprobe mit deutschen Rieslingen. Die Herren gaben zu, noch wenig von Wein zu verstehen. Aber sie waren bereit zu lernen. Ich setzte ihnen also blind acht Weine vor: zwei Gutsweine, zwei Ortsweine, zwei Terroirweine, zwei Große Gewächse. Alles Jahrgang 2011 und von renommierten VDP-Erzeugern. Was schmeckte den Herren am besten? Die Gutsweine. Was am wenigsten? Die Großen Gewächse.
Im Folgenden führt Priewe aus, dass den Deutschen der Genuss an geschmacklichen Vergnügen abginge. Andere Völker hätten den Wunsch nach Genuss in der DNA, während wir eher technikbegeistert seien.
Richtig gute Artikel inspirieren ihre Leser – zu was auch immer. Dieser inspirierte mich in den folgenden Tagen eher einfache Weine zu trinken. Da ich geschmacklich etwas trainiert sein mag, erwartete ich mir keinerlei Erkenntnisse, die die Thesen von Jens Priewe unterstützen oder widerlegen könnten, ich fand es einfach nur mal wieder spannend, ein wenig kleinere Gewächse zu trinken.
Da ich keine Gutsrieslinge in Griffweite hatte, kamen die Rieslinge ,Tonschiefer‘ und ,Mineral‘ von den Weingütern Dönnhoff und Emrich-Schönleber ins Glas. Die sind für manche schon Festtagsweine und teurer als die meisten trockenen Spätlesen deutscher Nicht-VDP-Erzeuger. Trotzdem fand ich, dass sie deutlich simpler als ein durchschnittliches GG sind.
Emrich-Schönleber, Riesling trocken ,Mineral‘, 2011, Nahe. In der Nase frisch und etwas säuerlich, grüner Apfel, etwas Aprikose und leicht blumig. Am Gaumen eine für diesen Jahrgang krasse Säure, ein kleiner Bitterton, sehr viel grüner Apfel bei mittlerem Volumen. 13% Alkohol fallen nicht weiter auf. Der Abgang ist mitellang, der Wein nicht wahnsinnig spannend (vielleicht etwas zu jung) aber sehr ordentlich.
Dönnhoff, Riesling trocken ,Tonschiefer‘, 2009, Nahe. In der Nase Aprikose und mürber Apfel sowie etwas verbranntes Gummi. Am Gaumen saftig, mit milder Säure, fruchtig süß mit Aromen von Mandarine, Ananas und Aprikose, ordentlichem Spiel. Er ist mineralisch, zeigt würzige Reife und einen relativ langen Abgang. Das ist der bessere der beiden Weine, der mir sehr viel Spass macht.
Und dann kam doch noch eine Erkenntnis, die sich vielleicht auf die Anwälte übertragen lässt. Beide Weine entwickeln einen deutlich höheren Trinkfluss als die GGs aus gleichem Hause. Und vielleicht ist der Deutsche, der die Dinge ja gern gründlich tut, der Meinung, wenn ich schon mal Alkohol trinke, dann trinke ich auch ordentlich Alkohol, lasse das Auto stehen und erlebe einen ,fröhlichen‘ Abend. Und dazu sind diese Weine viel besser als die GGs aus gleichem Hause geeignet. Ich schaffe auch kaum eine halbe Flasche eines Halenberg an einem Abend. Als Weinfreak habe ich aber vielleicht nicht die Einstellung, dass nur die Weine gute Weine sind, mit denen man sich ordentlich die Lampe anzünden kann…