Abbitte

Ich glaube, jeder, der sich intensiv mit Wein auseinandersetzt, hat sie: seine persönlichen ‚überschätzten‘ Winzer. Das sind jene Betriebe, die selten bis nie einen wirklich überzeugenden Wein auf die Flasche bringen aber in den einschlägigen Führern regelmäßig als Deutschlands Spitze bezeichnet werden. Dass das eher eine Inkompatibilität von Winzerstil und persönlichem Geschmack ist, kommt gar nicht in Frage, schließlich hat man einen geschulten Gaumen und schon wirklich viele Weine dieses Betriebes verkostet. Ich erwische mich immer wieder bei diesen Gedanken, habe ich mal wieder was Enttäuschendes von H****, W*** oder L***** im Glas.

Dabei müsste ich es besser wissen, denn als ordentlicher Neoliberaler sollte ich zur Kenntnis nehmen, dass alle diese Betriebe über Jahre hohe Preise durchsetzen, ausverkauft sind und in den besten Restaurants auf den Karten stehen – und der Markt irrt schließlich nicht.  Wenn dann noch ein Winzer auf einmal diverse Weine produziert, die mir gut gefallen, ohne dass besagte Führer einen Stilwechsel des Betriebes verkünden, gehen mir endgültig die Argumente aus; dann hat sich wohl schlicht mein Geschmack verändert.

Nach einigen großartigen Momenten mit Rebholz-Weinen darf ich mich als bekehrten Zweifler outen, wenngleich die Weine im Basis-Segment immer noch keinen Kaufreflex auslösen. Aber die GGs sind teilweise gigantisch. Das erfuhr ich diese Woche wieder einmal am eigenen Leib mit diesem hier.

Ökonomierat Rebholz, Birkweiler Kastanienbusch, Riesling Grosses Gewächs, 2005, Pfalz. In der Nase reif und würzig: mürber Apfel, Minze, Aloe Vera, Estragon und etwas Grapefruit. Am Gaumen ist der Wein ziemlich kantig, die Säure ist vergleichsweise mild aber der Wein ist sehr trocken, kommt mit einigen Gerb- und Bitterstoffen daher und ist vor allem enorm mineralisch. Pfirsich und Grapefruit blitzen auf und setzen einen saftigen Kontrapunkt. Im Abgang ist der Wein sehr trocken, rauchig-mineralisch und lang. 13,5% Alkohol treten nicht störend in Erscheinung. Komplex, druckvoll und sehr strukturiert – ein großer Wein.

Aber L***** ist wirklich überschätzt…

Frommer Wunsch

Über den Winzer habe ich schon geschrieben, was mir zu ihm einfällt. An seinen Weinen erkenne ich regelmäßig meine Grenzen. Ich wünsche mir, irgendwann mal eine Verkostungsnotiz formulieren zu können, die einem Kühn-Wein meiner Meinung nach gerecht wird. Die folgenden Sätze sind öffentliches Üben.

P.J. Kühn, Oestrich Doosberg, Riesling ‚3 Trauben‘, 2005, Rheingau. Vielschichtige Nase, die neben reifem Pfirsich auch Muskat, und einen ganzen Kräuterkorb zeigt, dazu auch unangenehme Noten: Azeton, Alkohol und flüchtige Säure aber stören nur begrenzt und lassen sich wegschwenken. Am Gaumen sehr saftig und auch hier vielschichtig von ganz groß bis ganz grob. Der Alkohol meldet sich mit 13,5% gelegentlich zu Wort, manchmal dominieren Gerbstoffe, dann kommt wieder eine so süße Frucht zum Vorschein, dass man daran zweifeln möchte, es mit einem trockenen Wein zu tun zu haben. Mandarine blitzt auf, Liebstöckel, rauchige Mineralik, kantige Säure. Der Abgang ist zu jeder Zeit sehr lang und angenehm, wenngleich immer auch alkoholisch. Der Wein ist im besten Moment groß und im Schnitt für mich noch um und bei 91 Punkten.

Was vom Urteil übrig blieb

2006 war in Deutschland ein wirklich schlechter Jahrgang ist die landläufige Meinung, der ich mich bisher – auf eigene Erfahrung stützend – vorbehaltlos angeschlossen habe. Ein paar Ausnahmen gab es: an der Nahe ist das Wetter freundlicher gewesen und unter den edelsüßen Rieslingen gibt es eine ganze Reihe Ausreißer nach oben. Im Großen und Ganzen aber war es das schlechteste Jahr seit dem uneingeschränkten Grottenjahr 2000.

In meinem Anfang des Jahres hier formulierten Bestreben meine Bestände an 2006ern zu minimieren, bin ich bei den Rieslingen dem Ziel schon nahe, weswegen ich zuletzt einige Burgunder köpfte. Und so langsam ändere ich meine Meinung. Bei den fast immer vor den Rieslingen gelesenen Burgundern habe ich mittlerweile eine Reihe prächtiger Weine getrunken. Nicht nur das, rückblickend stelle ich fest, dass ich überhaupt keine Ausfälle bei weißen und grauen Burgundern zu beklagen hatte. Während viele Rieslinge dieses Jahres schon furchtbar alt und teils müde schmecken, erstrahlen die Pinots in vollem Glanz. Hinsichtlich der Qualität der 2006er Spätburgunder schwenkt Deutschlands Wein-Community eh gerade um: die sind überwiegend großartig.

Nach einem wundervollen einfachen Dönhoff Weißburgunder, zu dem ich mir letzte Woche leider keine Notizen machte, habe ich gestern und heute einen famosen grauen im Glas.

Salwey, Henkenberg***, Grauburgunder Großes Gewächs, 2006, Baden. In der Nase sehr buttrig mit Haselnuss und etwas Vanille, dazu leicht kräutrig, etwas Mirabelle aber eher wenig Frucht. Am Gaumen einerseits cremig, andererseits mit einer animierenden Säure und spürbarem Alkohol, dessen Brand hier aber richtig gut passt (es sind nur 13%, die Wirkung mithin erträglich). Aprikose, Rauch, Sahnekaramell und der Holzeinsatz prägen die Aromatik, der sehr lange und volle Abgang ist leicht mineralisch geprägt. Zum Essen und solo ein großer Genuss (nördlich von 90 Punkten).

Blogbuster

Wenn in den letzten Wochen hier die Veröffentlichungsfrequenz niedrig war, liegt das nicht an Sommerloch, Ferienzeit oder mangelnder Motivation meinerseits. Ich hatte in jüngster Vergangenheit schlicht eine Menge Frösche im Glas, die – trotz Kuss – kein Prinz werden wollten. Das kommt mal vor und ist kein Beinbruch.

Als ich mit dem Schreiben des ‚Schnutentunker‘ anfing, habe ich beschlossen, keine Verrisse zu veröffentlichen. Der Grund dafür ist, dass ein negatives Weinerlebnis mannigfaltige Ursachen haben kann: Der Winzer hat einen schlechten Wein gemacht (nur das rechtfertigt eine Negativ-Kritik), der Konsument hatte einen schlechten Tag (will niemand zugeben), die Flasche war fehlerhaft (passiert öfter als man denkt), der Korken oder die Lagerung hat die Entwicklung negativ beeinträchtigt (ist nicht immer eindeutig erkennbar) und einiges mehr. Mit einer Konterflasche kann man zwar den Korken als Ursache ausschließen aber die Lagerung nicht. Tränke man den Wein am zweiten Tag noch einmal, könnte man die Stimmung als Ursache herausfiltern (aber dann müsste ich einen Wein, der mir keinen Spaß bringt noch einen weiteren Tag trinken, auf die Gefahr dass er mir auch diesen verdirbt) – kurzum: ich habe keine Lust den Aufwand zu betreiben, der nötig wäre, um einen ‚fairen Verriss‘ zu schreiben.

Deswegen erwähne ich hier nur positive Weinerlebnisse. Die haben meist eine simple Ursache: Der Winzer hat einen guten Wein gemacht und darüber will ich reden. Sie können einem Stimmungshoch geschuldet sein und ich den Wein mithin weit über Wert verkaufen, aber ‚Der Schnutentunker‘ ist schließlich kein Einkaufsführer sondern ein subjektives Weintagebuch.

Nachdem ich der Frösche überdrüssig war, habe ich gestern mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Ich öffnete einen Wein, von dem ich weiß, dass er ein Knaller ist, den ich vom Gut direkt in den eigenen Keller bekam und dessen Geschmacksbild mir aus vielen Begegnungen so vertraut ist, dass ich ohne Zweifel Kork- und Flaschenfehler erkennen würde. Die Flasche war tadellos, der Wein wieder gigantisch und ich habe endlich was zu schreiben.

Emrich Schönleber, Monzinger Halenberg, Riesling Großes Gewächs, 2005, Nahe. In der recht rieslingtypischen Nase dominieren zunächst Zitrusaromen, ehe sich das Bild wendet und er mit Luft süßlich parfümierter wird – reif aber nicht alt mit Anklängen von Aloe Vera und etwas Aprikose. Am Gaumen ist dieser Stoff komplex. Eine wahrlich vibrierende Säure zieht sich durch das gesamte Geschmackserlebnis, das bizzelt herrlich im gesamten Mundraum, der sowieso von diesem druckvollen Wein ausgefüllt wird, ohne dass es plump wirkt (und nein, das ist keine Kohlensäure). Auf diesem Gerüst erscheinen dann mit jedem Schluck neue Aromen: süße Frucht (mal Pfirsich/Aprikose, dann wieder Mandarine), rauchige Mineralik, Toffee oder doch Karamell? Oder Kemmsche Kuchen? – mal so, mal so, wie man es bei ganz großen Weinen erleben darf. Der prickelnde und etwas rauchige Abgang dauert fast eine Minute. Es gibt einen klaren Mangel, der 100 Punkte verhindert: 13% Alkohol sind dauerhaft präsent und ein ganz bisschen zu viel. Deswegen ist der Wein nur ‚groß‘ und nicht der beste trockene Riesling, den ich je getrunken habe.

Bleibt die Frage nach der Stimmung des Verkosters: Dieses Urteil fälle ich zum wiederholten Male und dabei gibt es keinen Unterschied zwischen Urteilen in offenen und Blind-Verkostungen.

Drei, zwei, eins – Wein

Ich gebe zu: Ich kaufe Wein bei ebay – nicht immer aber immer mal wieder. Und allmählich habe ich meine Erfahrungen gemacht (ja, auch eine Fälschung war dabei). Deswegen kenne ich jetzt die Risiken und gehe sie wenigstens sehenden Auges ein. Eine schöne Wette ist die Auktion einer ‚angebrochenen Kiste‘ (so meine interne Klassifizierung). Jemand versteigert 5 Flaschen eines Weines gehobener Qualität.

Das ist meiner Meinung nach ein Zeichen dafür, dass der Wein erstens nicht gefallen, und zweitens der Verkäufer keine Hoffnung hat, dass sich das mit Reife ändert. Also geht der Rest der Kiste weg und zwar auf einmal. Verkäufer ist vermutlich ein Sammler, dem egal ist, dass er damit weniger erlöst als mit kleineren Lotgrößen; da geht es nur darum, den Platz im Keller frei zu machen.

Also kann man deutlich sparen, hat aber das Risiko, gleich fünf Flaschen schwachen Weines zu erwerben. Meine letze ‚angebrochene Kiste‘ war diese hier, deren erste Flasche einigermaßen gefiel.

Wagner-Stempel, (Siefersheimer) Höllberg Großes Gewächs, Riesling QbA, 2007, Rheinhessen. In der Nase ist der Wein unglaublich süß und verführerisch: Mango, reifer Pfirsich, Honigmelone und Aloe Vera. Am Gaumen kann das GG dieses Versprechen allerdings nicht einlösen. Zu klassischer Rieslingfrucht mit Aprikose und Apfel gesellt sich zwar eine spürbare Säure aber kein besonders animierendes Spiel. Zu voluminös und mastig mit einem deutlichen Zuckerschwanz kommt der Wein daher, dazu ist er ziemlich alkoholisch – 13,5% sind mäßig integriert. Zu einer kalkigen Mineralik gesellt sich Gärkohlensäure. Der Abgang ist lang, kräftig und etwas eindimensional.

Überreif, nicht ganz trocken, vermutlich langes Hefelager für cremiges Volumen – es gibt Tage an denen mir sowas gefällt und Tage, an denen dieser sehr gewollte GG-Stil mich rasch ermüdet. Dadurch schwanken meine Bewertungen extrem, wie ich vor kurzem hier beschrieben habe. Bei Wagner-Stempels Höllberg wird die Kunst sein, den richtigen Tag (oder eher die richtigen vier Tage) für diesen Wein zu finden. Ein paar Mittrinker sollten ebenfalls nicht schaden. Alles in allem bei 19€ pro Flasche ein Auktionserfolg.