Das Vier-Trinker-Jahr

Die Rieslingsaison ist in vollem Gange und wie Anfang des Jahres fest vorgenommen, trinke ich in den letzten Monaten verstärkt große und erste Gewächse des Jahrganges 2005. So allmählich verfestigt sich ein Bild und bestätigen sich Tendenzen. Zumindest aus Rheinhessen, der Pfalz und von der Mosel habe ich jetzt eine Zahl von Weinen getrunken, die ich repräsentativ nennen möchte, aus Baden und Franken keinen einzigen, der Rheingau war gelegentlich in meinem Glas vertreten.

Lange habe ich überlegt, wie man den Jahrgang wohl am besten beschreibt. Meine Erfahrung mit GGs in frischem wie gereiften Zustand beschränkt sich auf ein Jahrzehnt. Folgende Kategorien habe ich bisher für mich gefunden: Es gibt schlechte Jahre (2000), es gibt gute Jahre (2002), es gibt sehr gute (2007) bis große (2001 und evtl. 2009) Jahre, es gibt unterschätzte Jahre (2004 und 2008), es gibt Hitzejahre (2003) und es gibt Winzerjahre (2006), welche sich dadurch auszeichnen, dass es dem Geschick oder Glück des Winzers zuzuschreiben ist, wenn was gescheites auf die Flasche kommt, während die Masse eher maues Zeugs produziert.

2005 passt da nur bedingt hinein. Ich stelle fest, dass sich unter den besten trockenen Rieslingen, die ich in meinem Leben trinken durfte, einige 2005er tummeln. Andererseits sind viele 2005er ziemlich dick und alkoholisch. Die besseren Weine sind so komplex, dass man mehrere Anläufe braucht, um sie in Gänze zu erfassen, machen aber auch satt. Vereinfachend möchte man sagen, die 2005er spielen ihre volle Klasse erst beim vierten Schluck aus – um sie beim elften wieder einzukassieren. Deswegen werden die Weine immer besser, je mehr Mitstreiter man hat. Mit vier Personen eine Flasche zu teilen, ist ein probates Mittel gegen die Opulenz. So findet 2005 als Vier-Trinker-Jahr Eingang in meine persönliche Chronik.

Es gibt auch ‚normale‘ GGs aus 2005, so wie dieses hier:

Reichsrat von Buhl, Forster Pechstein, Riesling GG (Spätlese trocken), 2005, Pfalz. In der Nase ist der Wein etwas eindimensional mit Aromen von sehr viel Apfel und ein bisschen Pfirsich. Am Gaumen dann deutlich besser, glänzt der Wein vor allem mit Struktur: er ist voluminös und druckvoll, ohne zu fett zu sein und mit 13% auch nicht übermäßig alkoholisch. Saftige Pfirsichfrucht paart sich mit maßvoller Säure und erdig-rauchiger Mineralik. Sehr langer Abgang. 89 Punkte

Die besten GGs aus 2005, die ich trinken durfte waren wohl Kellers Kirchspiel, Emrich-Schönlebers Halenberg, Heymann-Löwensteins Uhlen ‚R‘ (naja, fast trocken) wie auch die hier schon begeistert beschriebene Karthäuserhof Auslese trocken ‚S‘. Sie können auch jetzt noch eine Stunde Luft vertragen. Daraus möchte ich aber nicht schließen, dass die 2005er weiterer Lagerung bedürfen. Wobei es auch dazu Ausnahmen gibt, wie diesen hier.

Heymann-Löwenstein, ‚Uhlen – L‘ (Winninger Uhlen – Schieferformation Laubach), Riesling 1. Lage, 2005, Mosel. Überreife Nase von Dörraprikose, Rhabarber und etwas Aloe Vera. Am Gaumen ist der Wein nur mäßig harmonisch: Süße, Säure und eine nicht zu vernachlässigende Menge von Bitter- und Gerbstoffen bestimmen das Bild ohne wirklich miteinander zu spielen. Eine gewisse Saftigkeit, Apfel- und Mango-Aromen, eine kalkige Mineralik und ein ordentlicher Abgang können den Wein teilweise retten. Das ist entweder ein Gigant zur Unzeit oder ein Wein, bei dem der Winzer etwas zu viel gewollt hat. Das möge jeder für sich entscheiden, weswegen ich mir das Bepunkten spare. Ich hoffe auf die zweite Variante.

Ostzonales Burgunderwunder

Viel ist schon geschrieben worden über die Renaissance des Weinbaus in den Anbaugebieten der ehemaligen DDR. Dabei beschränken sich die Geschichten oft auf drei griffige Aspekte: Rieslinge aus Sachsen (inklusive Goldriesling), den Elbling (inklusive seiner Versektung) und das Weingut Schloss Proschwitz (samt adeligen Spätrücksiedler). Riesling aus Sachsen ist mir zu teuer (ein Soli reicht), Elblingsekt von der Mosel schmeckt oft viel besser und die Weine von Schloss Proschwitz finde ich so lala – mit Ausnahme der Weißburgunder (bei denen ich das GG, den ‚Drei Musketiere‘ und die normalen Prädikatsweine allesamt spitze finde).

Überhaupt gibt es aus Neufünfland einige wirklich bemerkenswerte Weißburgunder. Das Weingut Pawis von der Saale hält mit Proschwitz mit. Während meine erste Begegnung mit Pawis‘ frisch gefülltem GG vom Weißburgunder vor Jahren eher gemischte Gefühle weckte (weil der Wein vor Kraft kaum laufen konnte), hat mich die gereifte Version dieser Tage schier vom Hocker gehauen. Die ist wie immer mit dem Vorbehalt zu lesen, dass mich krasser Holzeinsatz bei weißen Burgundern nicht stört, solange diese genügend Fleisch auf den Rippen haben.

Pawis, Freyburger Edelacker, Weißer Burgunder GG (Spätlese trocken), 2005, Saale/Unstrut. In der Nase erinnert der Wein stark an einen Chardonnay mit Butter, Haselnuss, Mandarine und Holz – sehr viel Holz. Das ist Geschmackssache, aber meinen Geschmack trifft es. Am Gaumen Honigmelone, Mandarine, Kokos und Vanille vom Holzausbau. Der Wein ist stoffig, cremig, voll und sehr harmonisch. Dabei ist er so fett, dass er auch 14% Alkohol integriert. Erst ganz am Ende des sehr langen Abgangs machen sich diese bemerkbar.

Von wegen Einheit, das ist ein Spalter. Meine bessere Hälfte mochte nicht mal ein halbes Glas davon trinken. Für mich liegt er irgendwo bei 92 oder mehr Punkten. Toller Essensbegleiter (in diesem Fall zu Lachs vom Holzkohlegrill).

Bio-Brennstoff

Vor einiger Zeit startete Bernhard Fiedler auf seinem Blog eine für mich sehr lehrreiche Artikelserie zum Thema: Zunahme der Alkoholgradation in Wein und deren mögliche Ursachen. In einem Satz zusammengefasst, las sich das für mich so: Der Mehralkohol aufgrund wärmerer Witterung ist ein zu vernachlässigendes Phänomen und der weitaus größere Anteil des zusätzlichen Sprits steckt im Wein, weil der Winzer das so will. Bio-Brennstoff weiterlesen

Eine für alle?

Hat der Verband Deutscher Prädikatsweingüter erst einmal eine Lage als ‚Erste Lage’ klassifiziert, können seine Mitgliedsbetriebe aus dieser Lage ‚Grosse Gewächse‘ aus allen Rebsorten gewinnen, die in dem jeweiligen Anbaugebiet als GG-Sorten zugelassen sind. So ist es einem Winzer aus Baden, Franken oder Saale-Unstrut theoretisch möglich, vier verschiedene GG aus einer Ersten Lage zu füllen, wenn er die entsprechenden Reben auf seinen Flächen hat. In der Praxis ist es wohl die Ausnahme, zumindest das Weingut Stigler füllt aber aus dem Ihringer Winklerberg GGs von Weiß-, Grau- und Spätburgunder sowie vom Riesling.

Ich bin totaler Laie, was die Weinbiologie angeht. Aber irgendwie habe ich Schwierigkeiten, das zusammenzubringen: die Geschichte vom Terroir als Vereinigung der Winzerarbeit mit der idealen Rebe, dem Boden und dem Mikroklima einer Lage, die viele Erzeuger so gerne zum Besten geben und die Aussage, dass eine hervorragende Lage gleichermaßen gut für verschiedenste Weine ist: für weißen wie roten, für solchen, der durch Säure und Spiel oder Holzeinsatz und Schmelz punktet.

Wenn man die gängigen Quellen anzapft, kommt man denn auch schnell zu dem Bild, dass die allermeisten Lagen für eine Weinart besonders berühmt sind – oder zumindest für Weine relativ ähnlicher Art, denn die besten fränkischen Lagen beherbergen gleichzeitig Rieslinge und Silvaner, die zur absoluten Spitze zählen und der Kastanienbusch in Birkweiler etwa ist Olymp für Riesling und Weißburgunder. Aber aus dem Bauch heraus hätte ich immer gesagt, dass die ‚üblichen Verdächtigen‘ besten Rieslinge und Spätburgunder des Landes von unterschiedlichen Lagen kommen. Doch da gibt es noch diese (eine?) Ausnahme.

A. Christmann, Königsbach IDIG, Spätburgunder Grosses Gewächs, 2004, Pfalz. In der Nase Himbeere und Leder mit einem Hauch Erdbeere. Am Gaumen ist der Wein sehr kompakt mit viel Himbeere und einer festen Mineralik, wobei 14% Alkohol nicht spurlos bleiben. Sehr druckvoll aber gleichzeitig elegant und im Abgang sehr mineralisch. Spuren des Barrique-Ausbaus und Tannin sind gut integriert. Stilistisch eher international als deutsch oder burgundisch, wenn es sowas gibt. Mir gefällt der Wein ausnehmend gut, 90 Punkte.