A wie anstrengend

Über die Schneiders aus Endingen wird man im Internet kaum etwas schlechtes zu lesen kriegen. Vermutlich weil sie einfach keine schlechten Weine machen (Okay, bei meinem ersten und einzigen Besuch auf dem Gut bin ich ziemlich mürrisch empfangen worden aber wen interessieren Homestories???). Ich hatte dieser Tage zumindest eine Grenzerfahrung mit einem Schneider-Wein.

R. und C. Schneider, Spätburgunder *** -A-, 2004, Baden. Am ersten Tag war die Nase laut und anstrengend: alles andere als Deutsch mit sehr viel Teer und wenig Frucht, Holz, Rauch und allerlei irdene Noten. Am Gaumen eher verschlossen und dicht, konnten einige Stunden Luft ein wenig Kirschfrucht hervorzaubern. Ansonsten ‚Waldboden‘ überall, selbst der Abgang schrie ‚Wiedervorlage‘ – ein merkwürdiges Weinerlebnis. Am zweiten Tag wurde es viel besser. Die Nase verströmte Heimeliges: Kirsche, Erdbeere, etwas Holz, und reichlich Sprit. Die 14% Alkohol, die vorher im Lärm untergegangen waren, spielten jetzt eine Hauptrolle. Am Gaumen tritt die ausgesprochen stramme Säure in den Vordergrund und die zweite Geige klingt immer noch nach Teer. Früher habe ich nie verstanden, wie Menschen Nebbiolo und Spätburgunder in Zusammenhang bringen können, mittlerweile weiß ich, wovon die reden – und wenn nicht, dieser Wein schlägt die Brücke. Das ist alles andere als ein seichtes Weinchen, eher eine Herausforderung an die Sinne. Pur genossen ist das zu viel für mich, als Essensbegleiter selbst zum einfachen Abendbrot genial.

Füllwein (17)

Was macht man bei so einem kalten Spätsommer? Ich bin in den Keller gegangen und habe ein paar Rotweine hervorgeholt. Es waren eh noch ein paar 2004er übriggeblieben, die ich austrinken wollte, bevor ich mich in diesem Winter intensiver dem 2005er widme.

Domaine Assmannshausen (Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach), Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder Spätlese, 2004, Rheingau. In der Nase zunächst Kirsche, Vanille und rote Beeren, mit Luft veränderte sich der Eindruck, es erschienen Blaubeeren, etwas Teer, eine Spur Lösungsmittel und Joghurt – die Nase wurde nicht unbedingt schöner. Am Gaumen dominiert zunächst eine kantige Säure, die mit der Zeit in den Hintergrund tritt. Der Holzausbau ist noch spürbar, Frucht ist reichlich vorhanden: Kirsche, Erd- und Himbeere. Mit der Zeit wird der Wein weich und sehr harmonisch: vollmundig, keine Spur alkoholisch trotz 13,5% Alkohol. Der Abgang ist sehr lang. Am zweiten Tag war er am besten (um und bei 92 Punkten) aber auch nach Tagen noch mit Vergnügen trinkbar.

Grenzhof Fiedler, Rote Trilogie, Rotweincuvée, 2004, Burgenland. Der Zweigelt sorge für Eleganz, der Cabernet Sauvignon für Struktur und Lagerpotential und dem Blaufränkisch habe der Wein seine Bodenständigkeit und Würze zu verdanken, schreibt Bernhard Fiedler auf das Rückenetikett der ‚kleineren‘ seiner beiden Rotweincuvèes. ‚Gut gebrüllt, Löwe‘ denke ich da, will jedoch ein paar eigene Beobachtungen hinzufügen: Erstens sorgt der Zweigelt auch für eine massive Kirsch- und Pflaumenaromatik und zweitens war der Wein nie so würzig wie derzeit. Und aller Lagerfähigkeit der Fiedlerschen Weine zum Trotz behaupte ich, dass man den Wein in den nächsten 12 Monaten seiner Bestimmung zuführen sollte, will man den maximalen Genuss für den zugegeben schmalen Taler, den Bernhard dafür aufruft. Fruchtig, weich aber mit Struktur und Tannin und mit einem langen harmonischen Abgang ausgestattet bei voll integrierten 13,5% Alkohol – wundervoll.

Achim Jähnisch, Spätburgunder QbA, 2004, Baden. Nach einiger Zeit mal wieder ein sehr deutscher Spätburgunder, der in der Nase diesen typischen Ton hat, der aus dem Glas flüstert ‚Grüß Gott, ich bin deutsch‘, ohne dass ich ihn einer Frucht oder einem Kraut zuzuordnen vermag. Aber ich kann dem ja viel abgewinnen. Der Rest lautet wie folgt: In der Nase zurückhaltend, etwas Teer, ein bisschen gekochte Erdbeere und Blaubeere; am Gaumen von mittlerer Statur und Druck, Himbeere, leichte Süße, die eventuell vom Alkohol herrührt, ansonsten stören die 13,5% nicht weiter. Sehr angenehmer Alltagswein für Menschen mit hohen Ansprüchen (zum Beispiel für mich).

Was vom Urteil übrig blieb

2006 war in Deutschland ein wirklich schlechter Jahrgang ist die landläufige Meinung, der ich mich bisher – auf eigene Erfahrung stützend – vorbehaltlos angeschlossen habe. Ein paar Ausnahmen gab es: an der Nahe ist das Wetter freundlicher gewesen und unter den edelsüßen Rieslingen gibt es eine ganze Reihe Ausreißer nach oben. Im Großen und Ganzen aber war es das schlechteste Jahr seit dem uneingeschränkten Grottenjahr 2000.

In meinem Anfang des Jahres hier formulierten Bestreben meine Bestände an 2006ern zu minimieren, bin ich bei den Rieslingen dem Ziel schon nahe, weswegen ich zuletzt einige Burgunder köpfte. Und so langsam ändere ich meine Meinung. Bei den fast immer vor den Rieslingen gelesenen Burgundern habe ich mittlerweile eine Reihe prächtiger Weine getrunken. Nicht nur das, rückblickend stelle ich fest, dass ich überhaupt keine Ausfälle bei weißen und grauen Burgundern zu beklagen hatte. Während viele Rieslinge dieses Jahres schon furchtbar alt und teils müde schmecken, erstrahlen die Pinots in vollem Glanz. Hinsichtlich der Qualität der 2006er Spätburgunder schwenkt Deutschlands Wein-Community eh gerade um: die sind überwiegend großartig.

Nach einem wundervollen einfachen Dönhoff Weißburgunder, zu dem ich mir letzte Woche leider keine Notizen machte, habe ich gestern und heute einen famosen grauen im Glas.

Salwey, Henkenberg***, Grauburgunder Großes Gewächs, 2006, Baden. In der Nase sehr buttrig mit Haselnuss und etwas Vanille, dazu leicht kräutrig, etwas Mirabelle aber eher wenig Frucht. Am Gaumen einerseits cremig, andererseits mit einer animierenden Säure und spürbarem Alkohol, dessen Brand hier aber richtig gut passt (es sind nur 13%, die Wirkung mithin erträglich). Aprikose, Rauch, Sahnekaramell und der Holzeinsatz prägen die Aromatik, der sehr lange und volle Abgang ist leicht mineralisch geprägt. Zum Essen und solo ein großer Genuss (nördlich von 90 Punkten).

Füllwein (16)

Nicht nur die Deutsche Nationalmannschaft hat mal einen schlechten Tag. Auch zwei meiner erklärten Lieblingswinzer ziehen mal was auf die Flasche, was mich nicht von den Socken haut. Das sind immer noch exzellente Weine aber nicht von der Brillianz, die ich von ihnen gewohnt bin. Ein relativer Nobody (hier im Schnutentunker aber schon mehrfach vertreten) konnte hingegen bezaubern.

Knipser, Kalkmergel, Chardonnay & Weissburgunder, 2004, Pfalz. In der Nase stören zunächst deutliche Alterstöne, regelrecht muffig ist der Wein. Nach einiger Zeit verfliegen diese Aromen. Der Wein verträgt noch einige Stunden Luft, ist eigentlich erst am zweiten Tag ein echtes Vergnügen. Dann in der Nase noch recht viel Holz, etwas Nuss, ein bisschen Birne aber insgesamt wenig Frucht. Am Gaumen ebenfalls noch spürbare Holzprägung, dazu buttrig, ziemlich mild in der Säure, typische Chardonnay-Aromen. Das ist ein angenehm gereifter holzlastiger Weißwein, der viel Genuss bietet aber nicht an Knipsers reinsortige Chardonnay-Auslesen heranreicht.

R.&C. Schneider, Sauvignon Blanc Spätlese ***, 2008, Baden. In der Nase buttrig und leicht böcksrig (also mit einem leichten Schwefelwasserstoffstinker), Jogurt, Grapefruit, minimal grüne Noten. Am Gaumen zeigt sich eine pikante Säure, die aber nicht zu dominant daherkommt. Der Wein ist relativ stoffig, cremig, mit Aromen von Grapefruit und brauner Butter, etwas eindimensional. Langer Abgang aber der Wein lässt mich etwas ratlos zurück. War er für kurze Zeit im Holzfass? Oder ist es lediglich ein langes Hefelager, das ihn prägt? Richtige Begeisterung kommt nicht auf.

Agritiushof, Oberemmeler Agritiusberg, Riesling Spätlese feinherb, 2005, Mosel (Saar). In gewisser Weise ist der Wein eine Mogelpackung: Winzer Alfred Kirchen bezeichnet als feinherb, was gesetzlich halbtrocken ist, und 13,5 Gramm Restzucker ergeben häufig einen sensorisch trockenen Wein, wenn man sie mit 8,2 Promill Säure verheiratet und fünf Jahre auf der Flasche reifen lässt. Doch der Wein ist saftig und kommt mit so viel süßer Pfirsichfrucht daher, dass er immer noch als nicht ganz trockener Riesling erkennbar ist. In der Nase noch frisch, kein Petrol, keine Firne, dafür Quitte und Aprikose etwas vollreife Ananas, ist der Agritiusberg am Gaumen ein voluminöser, saftiger Riesling, der seiner feinen Mineralik und der kräftigen aber nicht dominanten Säure verdankt, dass er die Balance hält. Nicht zu fett, nicht anstrengend – eher raffiniert und mit Spiel sorgt der Wein für jenen magischen Moment im Glas, der bei mir die 90 Punkte definiert.

Füllwein (14)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Franz Keller, Spätburgunder Selection, QbA, 2005, Baden. Ein relativ dunkler Vertreter, sowohl farblich als auch von den Aromen in der Nase: Kirsche aber vor allem Zeder, Waldboden und eher nicht ‚deutsch‘. Am Gaumen ist die Stilistik fast international, wenn nicht die dafür eher untypische kräftige Säure wäre: ziemlich viel Bumms, Aromen von Kirsche und Pflaume, Kakao, gar nicht mineralisch, noch deutliche Spuren vom Holz aber moderates Tannin, jetzt reif und voll da. Außerordentlich langer Abgang. Hervorragend und für Keller (Baden) eher untypisch: exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis.

Müller-Catoir, Gimmeldinger Mandelgarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase legt der Wein eine falsche Fährte: er riecht süß nach vollreifem Pfirsich sowie ein bisschen Banane und Marzipan. Am Gaumen ist er dann aber sehr trocken und bietet  viel Zitrus-Aroma, Grapefruit und eine stramme Säure. Er ist vollmundig und fast ein bisschen fett, was er überreifen Noten verdankt und nicht etwa seinem Restzucker, denn er kommt nur auf 4,7 Gramm bei 7,4 Promill Säure. 13,5% Alkohol sind spürbar, Mineralik eher weniger. Das klingt krass und mit diesem Adjektiv ist der Wein derzeit auch treffend beschrieben. Aber in zwei oder drei Jahren sieht das vermutlich anders (besser) aus.

Becker-Steinhauer, Veldenzer Kirchberg, Riesling Kabinett trocken, 2005, Mosel. Noch so ein staubtrockener Vertreter: Der Wein ist spontan vergoren und hat irgendwann den Turbo eingeschaltet. Bevor der Winzer Stopp sagen konnte, waren 13% Alkohol und nur noch drei Gramm Restzucker im Getränk. Das hat ganz zu Beginn auch noch mit einem Spontistinker geglänzt und gehörte ebenfalls in die Kategorie ‚krass‘. Drei Jahre Flaschenreife haben alles geordnet. In der Nase deutliche Reifenoten aber keine Firne, dazu Aprikose und Aloe Vera. Weder in der Nase noch am Gaumen kann der Wein seinen Alkohol verbergen, bewegt sich aber im erträglichen Rahmen. Am Gaumen straff mit vollem Mundgefühl, schöner Mineralik und etwas Pfirsichfrucht. Langer mineralischer Abgang. Extrem viel (toller) Wein für damals 5€!