Lieblingskinder

Als ich im letzten Jahr aus beruflichen Gründen nach Südeuropa zog, musste ich einige liebe Gewohnheiten aufgeben, unter anderem die, den ersten Sommerabend jeden Jahres mit einem frischen Wein des aktuellen Jahrgangs zu verbringen, bevorzugt einem Sauvignon Blanc vom Weingut Knipser. Immerhin konnte ich auf Weine älterer Jahrgänge zurückgreifen, denn ich hatte einen Teil meines Kellers mitgenommen. Nun bin ich wieder in Deutschland beheimatet, leider jedoch abermals fern meines Weinkellers. Nur mit einem einzelnen Lagerschrank ausgerüstet, musste ich im Frühjahr eine Auswahl treffen, welche Weine mich auf den nächsten Umzug begleiten.

Zu sagen es sei gewesen, als verlange man von einem Vater zu entscheiden, welche seiner Kinder er lieber habe, mag zwar übertrieben sein, aber nur ein ganz bisschen (weil kein halbwegs monogamer Mann auf diese Anzahl Kinder kommt). Jetzt gilt das Prinzip, dass für jede Flasche Wein, die ich kaufen kann, erst eine aus dem Schrank getrunken sein muss. Das schont den Geldbeutel und sorgt dafür, dass getrunken wird, was allmählich dem Verfall entgegen reift. Sehr praktisch und zielführend – aber es macht nur halb so viel Spass.

Um im Bild zu bleiben: die Verbindung mit Mutter Knipser war definitv besonders fruchtbar. Ich habe etliches im Keller gefunden, was seinen Weg in den Schrank fand und auch allerlei älteres. Da ich zum Sommeranfang gerne Sauvignon und Burgundersorten entkorke, bevor im Verlauf des Jahres der Rieslinganteil immer höher wird, waren die vergangenen Wochen regelrechte Knipser-Festspiele.

Knipser, Sauvignon Blanc, 2007, Pfalz. In der Nase ganz unaufdringlich, es dominiert Cassis, dazu kommen ein paar Kräuter. Auch am Gaumen ist das ein unaufdringlicher, schmeichlerischer Wein mit cremigem Mundgefühl – ein crowd pleaser ohne Ecken und Kanten. Am dritten Tag zeigt er sich stark verändert, deutlich knackiger. In der Nase Stachelbeere, Kräuter aber auch Aprikose – könnte blind als Riesling durchgehen. Am Gaumen immer noch Cassis und eine eher milde Säure aber auch Zitrus, dazu wirkt der Wein furztrocken und auch etwas kratzig, wie man es von Sauvignon Blanc erwarten darf. Das wirkt insgesamt straff, der Abgang ist recht lang und schön. Wunderbarer Wein, der keinerlei Altersschwäche zeigt.

Knipser, Sauvignon Blanc, 2009, Pfalz. Verkehrte Welt aber der 2009er ist deutlich säurebetonter als der 2007er. Über den gefühlten Stilwechsel habe ich mich schon ausgelassen, deshalb nur so viel: ich finde den 2007er besser, womit ich mich mal wieder als Mainstream-Weintrinker oute. Die Nase ist klasse: Apfel, Grapefruit, Stachelbeere, Zitronenmelisse, Salbei und ein leichter Stinker von angeschlagenem Feuerstein. Am Gaumen aber ist der Wein von zu heftiger Säure geprägt: sehr schlank, Stachelbeere, Orange, ein bisschen kratzig. Dazu kommt ein Ton, den ich mal als Gemüsebrühe bezeichnen möchte. Der Abgang ist mittellang. Zweifellos ein guter Wein aber für mich nur zweiter Sieger.

Knipser, Grauburgunder Spätlese, 2007, Pfalz. In der Nase Aloe Verea, sehr blumig, süßlich und ein wenig nussig. Am Gaumen ist der Graunburgunder ein Schmeichler: ein bißchen süß, cremig, voll und weich mit sehr milder Säure und Apfel, Birne und Quitte. Auch am Gaumen kommt ein bisschen Haselnuss ins Spiel und ein wenig Holz. 13,5 % Alkohol spielen sich im sehr langen Abgang etwas in den Vordergrund. Am dritten Tag legt der Wein an Komplexität zu, wirkt dann rauchig und tief. Anfänglich fand ich ihn lecker aber simpel, mit reichlich Luft wird er zunehmend spannend.

Auslese Drei Stern 2002Knipser, Chardonnay trocken ***, 2002, Pfalz. Die Nase ist nicht mehr schön, etwas welk, sehr viel Sauerkraut, kaum noch Frucht, vielleicht ein bisschen Mandarine, etwas kräutrig und käsig. Am Gaumen ist der Wein aber noch recht intakt: Mandarine, Birne, Haselnuss, frische Säure, etwas Mineralik, viel Volumen und ein kräftiger Kuss vom Holz. Der Abgang ist lang und fein, der Alkohol von 13 % sehr ordentlich integriert. Am zweiten Tag macht der Chardonnay dann schlapp. Dies ist meine dritte oder vierte Flasche in den letzten vier Jahren und ich habe den interessanten Reifeverlauf eines manchmal großen Weines schmeckend begleiten dürfen. Dass die letzte Flasche den Höhepunkt knapp überschritten hat, kann ich verschmerzen.

Simple Genüsse (10)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Notizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Saubere Pfälzer Spätlese trockenMüller-Catoir, Haardter Bürgergarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase präsentiert sich ein klassischer Pfälzer Riesling: Apfel, Zitrus und Aprikose mit etwas Malz und Aloe Vera. Am Gaumen findet sich vieles davon wieder: zunächst dominieren Zitrus und Apfel, später kommt Aprikose dazu bevor es nach einigen Stunden in Richtung Grapefgruit geht. Dazu ist der Wein leicht malzig und wirkt sehr trocken, dicht und voll. Der Wein ist eher barock, 13,5% Alkohol sind aber vernünftig integriert. Pfälzer Kraft trifft im ziemlich langen Abgang auf eine feine Mineralik. Macht viel Spass und ein bisschen satt.

Emrich-Schönleber, Monzinger Frühlingsplätzchen, Riesling trocken, 2009, Nahe. In der Nase ein leichter Stinker aber auch frische Zitrusaromen, dazu etwas Aloe Vera. Am Gaumen kräftige Säure, einige Gerbstoffe, Aromen von Zitrus und Grapefruit, leichte Mineralik, ziemlich trocken und mit festem Kern. Schönleber, Haag und Dönnhof sind für mich Erzeuger, deren Lagenweine aus den besten Gemarkungen so gut sind, dass ich eigentlich kein Großes Gewächs mehr benötige. Zu dieser Regel gibt es Ausnahmen – wie diese. Für mich ist der Wein straff und gut aber keine Sensation – derzeit deutlich eindimensionaler als ich es erwartet hatte.

Max Ferd. Richter, Mülheimer Helenenkloster, Riesling Spätlese, 2007, Mosel. Die Nase ist wunderschön, denn zum üblichen Riesling-Mix (siehe oben) und etwas jugendlicher Hefe kommt bei diesem Wein noch Melone, Mango und Papaya. Das riecht herrlich süß und geht am Gaumen gleich so weiter. Süß und saftig wirkt der Wein, mit einer ordentlichen Säure, tropischen Fruchtaromen, vibrierender Frische, die auch von etwas Kohlensäure herrührt. Der Abgang ist sehr lang und süß. Dem Wein fehlt es an Mineralik aber für mich muss nicht jeder Riesling mineralisch schmecken. 8,5% Alkohol passen sehr gut zu dieser hervorragenden fruchtsüßen Spätlese.

 

Simple Genüsse (9)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Notizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Markus Molitor, Erdener Treppchen, Riesling Kabinett trocken, 2007, Mosel. In der Nase immer noch ein rechter Spontistinker dazu Apfel und Waldmeister. Am Gaumen cremig, die Säure ist erstaunlich mild. Aromen von Sahne, Grapefruit und Erdbeere vermengen sich mit leichter Mineralik und dezenten Gerbstoffen. Der Wein ist nicht besonders trocken, das Spiel verhalten, der Alkohol mit 11,5% erfreulich unauffällig. Den Abgang fand ich extrem lang und wiederum cremig, aufgepeppt von etwas Mineralik. Mit Luft verliert der sehr ansprechende Kabinett die Spannung und wird am zweiten Tag ein wenig banal. Am ersten fand ich ihn hervorragend.

Kees-Kieren, Graacher Himmelreich, Riesling Spätlese *, 2009, Mosel. Der Wein ist noch sehr jung, was sich vor allem auf die Nase auswirkt, denn neben jeder Menge süßer Frucht, Litschi, Erd- und Himbeere sowie Mandarine zeigt sich ein leichter Stinker und Hefe. Am Gaumen ist der Wein cremig, sehr süß und dick aber glücklicherweise auch mit straffer Säure – das ergibt ein tolles Spiel. Die Fruchtaromen sind komplex und vielleicht nicht jedermanns Sache, neben Mandarine findet sich da eine Beerenaromatik, die meine Frau zum spontanen Ausruf ‚Campino!‘ veranlasste – stimmt: Erdbeer-Joghurt-Campino trifft‘s am besten. Dazu satte Mineralik und ein sehr langer Abgang. Die Spätlese hat einen wichtigen Preis gewonnen. Ich habe mir nicht gemerkt welchen, verstehe aber warum. Ich finde den Wein grandios.

Manz, Riesling Spätlese trocken
Riesling, wie er im Buche steht

Manz, Riesling Spätlese ‚Am Turm‘, 2007, Rheinhessen. Man nehme ein allgemeines Weinbuch und lese die Beschreibung des Rieslings. Da steht in der Regel etwas über Aromen von Aprikose und Zitrus, vibrierende Säure und (bei entsprechender Herkunft) spürbare Mineralik – und genau solche archetypischen Rieslinge macht das Weingut Manz meiner Meinung und Erfahrung nach. Beim ‚Am Turm‘ kommt Zitrus als Grapefruit daher, was nichts Ungewöhnliches ist. 13% Alkohol verleihen dem Wein etwas mehr Druck, ohne ihn zu fett oder scharf zu machen und 4 Jahre Lagerung fügen etwas Würze und Tiefe hinzu. Jung war dieser Riesling‘ ein Spaßwein, jetzt ist er einfach ein archetypischer trockener deutscher Riesling der mittleren Gewichtsklasse. Mir macht er Freude, auch wenn er etwas wenig Ecken und Kanten hat.

R. & C. Schneider, Weißer Burgunder Spätlese ‚Trio‘, 2008, Baden. Lieblingsweingut (oder so ähnlich), Lieblingswein (einer von mehreren) und ein ordentlicher Jahrgang – da kann nix schiefgehen. Der 2008er ist klarer und straffer als beispielsweise der 2006er und im Keller wurde ihm dazu passend weniger Holz anerzogen. Mandarine, Birne, Quitte und Apfel sowie nur etwas Holz in der Nase, am Gaumen eher saftig als cremig, wunderbar klar und mitteldick, überzeugt der Wein mit einem harmonischen Mix aus Frucht, Säure und nur etwas Holz bei unauffälligen 13% Alkohol. Der Abgang ist sehr lang und dank leichter Gerbstoffe animierend. Passt alles bestens zusammen!

Besser spät als nie

Ich war zu beschäftigt im Dezember, um zeitnah über berichtenswerte Weine zu bloggen. Also hole ich das hiermit nach. Die folgenden drei wollte ich unbedingt noch beschreiben.
Als ich den ersten Wein erstand, war mir weder klar, dass Christmann gute Rotweine macht, noch dass der Königsbacher Ölberg fantastische Spätburgunder hervorbringen kann. Da ich in der Zwischenzeit um diese Erkenntnisse reicher bin, war ich auf den Wein besonders gespannt.
Christmann, Königsbacher Ölberg, Spätburgunder trocken, 2005, Pfalz. In der Nase wenig Frucht (Kirsche) und deutliches Holz, etwas blutig und kräutrig aber insgesamt zurückhaltend. Am Gaumen ist der Wein wunderbar mineralisch, im Alkohol (13,5%) unauffällig, von mittlerem Körper, harmonischem, zurückhaltenden Tannin mit Aromen von Blut und Bleistift und einer verhaltenen Säure. Um grandios zu sein, ist er etwas zu dünn, ein wenig extrahierter gefiele er mir besser. Trotzdem ist das noch ein sehr feiner, eleganter Spätburgunder, der Trinkfluss und Anspruch vereint. Als Essensbegleiter besser geeignet denn zum solo trinken.

Drei Weine, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten
Trio mit vier Fäusten

Zu Weinen von Zillinger bin ich gekommen, weil er bei Mövenpick im Sortiment vertreten ist, und mir die Weine bei Proben gefielen. Als ich sie kaufte und auch als ich diesen hier trank, war mir nicht klar, dass Herbert Zillinger so eine Art österreichischer Mini-Kühn ist. Das entnahm ich erst diesem Gastbeitrag bei Dirk Würtz, der einige Tage nach meiner Begegnung mit den ‚Alten Reben‘ erschien.
Zillinger, Grüner Veltliner ‚Alte Reben‘, 2006, Niederösterreich. Die Nase ist etwas muffig, dazu kommen aber auch angenehme Aromen von Birne, Honigmelone und Rosmarin. Am Gaumen ist der Wein ölig, ziemlich massiv, würzig, auch pfeffrig, mit wenig Frucht, sehr trocken wenngleich mit leicht alkoholischer Süße (bei 14%) dazu sehr mineralisch und mit einem leichten Bitterl ausgestattet. Ich mag diesen auf Mineralik und Würze getrimmten Veltlinertypus alle paar Monate als willkommene Abwechslung zu meinen deutschen Rieslingen und Weißburgundern. Der Abgang des ‚Alte Reben‘ ist sehr lang und würzig, nach einer Weile wird mir der eigentlich hervorragende Wein ein wenig zu mastig, da kann ich keine ganze Flasche von trinken – auch nicht über zwei Tage.
Keinerlei Überraschung hielt der letzte Wein parat – ich kenne Vorgängerjahrgänge aus der Gastronomie. Ich kaufte ihn als Füllwein, um einen Zwölferkarton vollzumachen und trank ihn ohne allzu große Erwartungen.
Max Ferd. Richter, Weissburgunder ‚Pinot Blanc‘, 2009, Mosel. In der Nase Birne, Mandarine und Stachelbeere sowie ein leichter Jogurt-Ton, der aber nicht zu käsig riecht, so dass ich die Nase immer noch harmonisch fand. Am Gaumen etwas cremig, ziemlich voll und wuchtig mit Birne, Apfel und Pistazie, vernünftig eingebundenen 13% Alkohol und einem leichten Bitterton, der aber ganz animierend wirkt. Der Abgang ist lang bis sehr lang und der Wein sehr gut, wenngleich ob der sehr milden Säure ein wenig spannungslos – ein Wein für Gäste, bei denen man nicht sicher ist, ob sie zu extreme Weine nicht überfordern.

Ein akademisches Vergnügen

Als ich vor kurzem schrieb, dass es mir einerlei sei, wie ein Winzer seinen Wein vergärt, ob spontan oder mit selektierten Hefen, ging es allein um meine Präferenzen. Ich bin nicht der Meinung, dass es keinen Unterschied macht. Meine geschmacklichen Vorlieben tendieren nur nicht in eine Richtung. Beide Weinstile sind in meinem Keller gleichberechtigt vertreten und machen mir Freude. Ein akademisches Vergnügen weiterlesen