Die Passion des Patrons

Die Assoziation von Rotwein mit Schokolade ist keine besonders ungewöhnliche. Etliche Weine haben Kakao oder Bitterschokolade im Bukett oder schmecken sogar danach – ein südafrikanischer Blockbuster von Boekenhoutskloof ist so von Schoko-Aromen geprägt, dass er gleich als ‚The Chocolate Block‘ vermarktet wird (toller Wein, nebenbei bemerkt).

Umgekehrt geht es bei mir derzeit auch. Wenn ich im Supermarkt vor einem Ü-Ei stehe, mir die Packung Rocher im Kühlschrank entgegenfällt oder meine Frau einen Kinderriegel vertilgt, kam mir letze Woche immer eines in den Sinn: Barbaresco.

Der Grund ist einfach. Wir haben Sylvester mit Freunden verbracht, von denen einer einige Jahre im Management von Ferrero tätig war. Und der spendierte zwei Flaschen eines 1997er Barbarescos von Michele Ferrero, dem Patron des Süßwarenimperiums (und reichsten Mann Italiens). Der hat irgendwann zur Entspannung angefangen, Wein im Piemont zu erzeugen. Und weil Wein zu machen Freude bringt, Wein zu verkaufen jedoch Arbeit macht, verschenkt der Milliardär die Weine zu Weihnachten an sein Management (und die denken sich vermutlich: besser als Ü-Eier).

Ferrero Michele (Cantina Montersino), Barbaresco DOCG, 1997, Piemont. In der Nase Kirsche, Tabak, Vanille, Holz und Leder sowie ein Hauch Pferdestall (aber ganz bestimmt keine Schokolade). Am Gaumen zeigt der Wein große Dichte und ist wunderbar weich, perfekt gereiftes Tannin, weiche aber tragende Säure, wahnsinnig viel Kirschfrucht und dazu eine mineralische Note (schon mal als Kind an einem Bleistift gelutscht?) aber wieder keine Schokolade. 13,5% Alkohol spielen keine Hauptrolle. Der Abgang ist voll und sehr lang. Das waren für mich 92 Punkte (aus der zweiten Flasche, die erste war etwas schwächer).

Ich habe dieses Sylvestererlebnis auch als ein Zeichen gedeutet: Die Anekdoten für ein Weinblog lauern überall.

Allen Lesern wünsche ich ein frohes neues Jahr.

Bruders Blubber

Wenn man im Freundeskreis erst einmal im Verdacht steht, ein Weinkenner zu sein, dann ist man regelmäßig auch Versuchskaninchen. Weniger sachkundige Freunde führen einem begeistert ihre superleckeren aber erstaunlich günstigen Entdeckungen vor und schauen einen mit großen Augen an: ‚Und, ist das nicht ein superTropfen?‘ lautet die gespannt Frage, der man sich gegenüber sieht, während der Probeschluck des derzeitigen Hausweins über den Gaumen rollt. Manchmal ist der gereichte Wein wirklich passabel, manchmal eine Katastrophe und selten gibt es richtig tollen Stoff. Ich bin ein höflicher Mensch und finde diese Weine immer ausnahmslos gut. Koste es, was es wolle.

Nicht nur aus diesem Grunde bin ich relativ gut darin, meiner Umwelt mit meinem Weinfimmel nicht auf die Nerven zu gehen. Mein unmittelbarer Freundeskreis ist nur teilweise über den Inhalt meines Kellers informiert. Über meine Bloggerei rede ich so gut wie gar nicht. Höchstens zwei oder drei private Kontakte lesen meinen Schnutentunker. Umso erstaunter war ich, als mir mein Bruder kürzlich erzählte, er lese hier gelegentlich mit.

Mein Bruder ist gemessen am Durchschnittsdeutschen ein Weinkenner: Er kauft seinen Wein im Fachhandel und gibt auch zweistellige Beträge für eine Flasche aus. Auf einer gemeinsamen Reise durch das Moseltal lernte er die Vorzüge nicht-trockenen Rieslings kennen, ansonsten bezeichnet er sich selbst als ‚Fruchtbomben-Trinker‘ mit einem Faible für Rotweine aus der neuen Welt. Gerne ruft er mich gelegentlich an, wenn er einen tollen Wein im Glas hat und fragt mich: ‚Kennst Du eigentlich XYZ?‘ und dann kommt ein spanischer oder englischer Weinname, der mich ratlos lässt, da das eher nicht meine Baustelle ist. Mit Probeschlucken bei den viel zu seltenen Besuchen hält er sich zurück.

Neulich allerdings rief er an, um mich nach einem Weingut zu fragen, von dem er gerade einen sensationellen Sekt im Glas habe. Und dann kam ein Name, der mir mehr sagen hätte sollen als bloß: ‚Hmm, Mosel, glaube ich.‘ Es war das Weingut F.J.Regnery und der Sekt hatte es ihm wahrhaft angetan. So sehr, dass er mir den unbedingt vorführen wollte. Er brachte eine Flasche zum Anstoßen zum 2. Weihnachtstag mit und war sich seiner Sache so sicher, dass eine weitere als Geschenk für mich bestimmt war. Glücklicherweise fand ich diesen Sekt nicht koste-es-was-es-wolle-gut sondern ganz ohne Bruderbonus großartig. So großartig, dass ich meine als Geschenk erhaltene Flasche zu Silvester aufziehen werde.

Da alle Anwesenden von meinem Fimmel wussten, hatte ich keine Scheu, mir Notizen zu machen.

F.J.Regnery, Spätburgunder Sekt ‚Blanc de Noir‘ brut (Klüsserather Bruderschaft), 2008, Mosel. In der Nase die typische Brioche-Note von der Flaschengärung, dazu Himbeere und eine angenehm würzige Note (Liebstöckel etc.). Am Gaumen feine Perlage, relativ cremiges Mundgefühl, voll aber auch sehr saftig mit schönem Spiel. Neben fruchtigen Noten von Erd- und Himbeere punktet der Sekt mit einem feinen würzigen Ton: leicht malzig, leicht toastig (mir drängt sich das Bild einer schönen Brotkruste auf), der auch im sehr langen Abgang mitklingt. Ein ganz toller Sekt.

 

Guten Rutsch ins neue Jahr.

Wichtelwein

Vorgestern war ich auf einer sehr spaßigen Veranstaltung: Ein weihnachtliches Weinwichteln. Dabei trifft sich ein Haufen Verrückter an einem geeigneten Ort und jeder bringt eine beliebige Magnum-Flasche Wein mit. Dann schenkt man den Anwesenden von seinem Wein ein und lässt sich selbst von den Mitstreitern deren Weine präsentieren. Das führt dann zu einem tollen Abend voller unterschiedlicher Weine und Weingespräche. Wenn man nicht aufpasst, führt das auch zu einem mordsmäßigen Kater, da jeder Teilnehmer am Ende theoretisch eine Magnum getrunken hat.

Ich habe dabei viele gute Weine getrunken aber selbstverständlich keine Verkostungsnotizen angefertigt. Dazu war ich zu sehr in Gespräche vertieft (und damit beschäftigt, dem Kater zu entgehen). Nur eine Notiz habe ich in einer ruhigen Minute niedergeschrieben, die von dem Wein, den ich selber mitbrachte.

Emrich-Schönleber, Monzinger Halenberg Riesling GG (Magnumflasche), 2006, Nahe. In der Nase ist der Wein üppig: kandierte Früchte, Honig, Kemmsche Kuchen und jede Menge Kräuterwürze – ein sehr reifer Riesling. Am Gaumen zeigt sich der Halenberg ebenfalls schon sehr reif: Aromen von Quitte und Melone, mitteldick mit sehr schönem Spiel, ziemlich trockenem Geschmacksbild und perfekt eingebundenem Alkohol (13%). Reife Noten von Malz und die ‚typische‘ rauchige Mineralik prägen den sehr langen Abgang. Ein Riesling für die kalte Jahreszeit.

Ich wünsche allen Lesern schöne Weihnachtsfeiertage – mit oder ohne Wein.

Blick zurück im Zorn

Der Dezember ist der Monat der Jahresrückschauen. Hier also mal eine von mir.

Schubert, Pinot Noir ‚Block B‘ 2004. Ziereisen Spätburgunder ‚Tschuppen‘ 2005. Philipps-Eckstein Riesling Kabinett ‚Alte Reben‘ 2006. Tinhorn Creek, Merlot 2002. Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Auslese** trocken 2001. Rebenhof, Ürziger Würzgarten Riesling Spätlese trocken 2006. Künstler, Riesling ‚Kirchenstück‘ 2004. Pirramimma, Shiraz ‚White Label‘ 2001. Rosch, Riesling ‚JR Junior‘ 2007. Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Spätlese* trocken 2004. Mosbacher, Forster Pechstein Riesling Großes Gewächs 2004.

Alle Weine zerstört, alle in diesem Jahr, alle durch einen fehlerhaften (TCA-verseuchten) Korken.

Wer jetzt sagt: ‚das sind aber wenige für ein ganzes Jahr‘, dem sei gesagt, dass das nur die Weine aus meinem Keller waren. Auf Proben und bei Freunden habe ich noch weitere Korker erlebt, die teilweise richtig weh taten (weil richtig teure Weine betroffen waren).

Es war ein gutes Jahr, die vermaledeite Rinde hat mich nur rund 160€ gekostet. Weniger als in den Jahren zuvor. Das liegt allerdings nicht an der angeblich global verbesserten Korkenqualität. Die Fehlerquote ist unverändert – der Anteil alternativ verschlossener Weine steigt bei mir. Weniger mit Korken verschlossene Weine bedingen geringere Verluste. Und dann hat es dieses Jahr durch Zufall vor allem preisgünstige Weine erwischt.

Wer dieses Blog regelmäßig liest, wird etliche Namen kennen: es waren fast ausschließlich Weine betroffen, die ich mehrfach im Keller hatte. Ich konnte also eine Konterflasche öffnen und musste mich lediglich ärgern, dass der Weingenuss doppelt so teuer wie ursprünglich geplant war.

Einer hat richtig weh getan, der letzte: Von Mosbachers Pechstein hatte ich im Herbst 2005 nur eine Einzelflasche erwischt. Die lag seitdem in meinem Keller, ich hatte sie schon mehrfach in der Hand aber immer wieder zurückgelegt: ‚Den lasse ich reifen‘. Tja, da war er dann: gereift und kaputt. Total frustriert zog ich einen Lagennachbarn aus 2005 auf. Der war ein großer Trost. Ich musste meine Verkostungsnotiz ein paarmal überarbeiten, damit sie nicht in einer ‚jetzt erst recht‘ Trotzreaktion zu euphorisch ausfällt.

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling Großes Gewächs, 2005, Pfalz. In der Nase Aprikose, Muskatnuss, getrocknete Kräuter; am Gaumen Pfälzer Barock, voll und saftig aber nicht zu fett oder breit. Der Wein zeigt Aromen von Aprikose, Mango, Kemmschen Kuchen, leidet ein ganz bisschen unter seinen 13% Alkohol, zeigt aber schönes Spiel aus Säure und süßer Frucht, bietet ein echtes ‚Maul voll Wein‘. Nach hinten raus ist der Wein prickelnd mineralisch und etwas pfeffrig. Der Abgang ist sehr lang. Viel Freude für einen im GG-Kontext moderaten Preis. (Ich konnte gerade noch widerstehen, ihm im Geiste die 21€ für den Mosbacher zuzuschlagen.)

Ich steh auf Schraubverschlüsse!

Pretty in Pink

Ein Freund von mir stellte vor einigen Jahren eine denkwürdige Frage in den Raum: ‚Gibt es überhaupt herausragende Rosé-Champagner oder -Sekte?‘

Nun kann man reflexartig antworten: ‚Klar! Die sind doch oft viel teurer als die einfachen Prickler‘ – aber reicht das? Die Frage kam im Laufe einer Verkostung, bei der ein Blanc de Noir und ein Rosé eines Erzeugers zwar sehr ‚lecker‘ waren, aber eben nicht im Mindesten die Komplexität der angestellten Blanc de Blancs und Cuvées brachten. Und der Fragesteller blickte auf schlappe 40 Jahre Champagner-Erfahrungen mitsamt Degustationsreisen ins Ursprungsland zurück.

Seit diesem Tag muss ich immer an diese Frage denken, wenn ich einen Rosé-Sekt oder Schampus trinke. Leider komme ich kaum je dazu, die Weine zu verkosten. Ich trinke Prickler fast nur in größerer Runde zu gegebenem Anlass und dabei ist es erstens unpassend, Zettel und Stift zu zücken und zweitens bleibt seltenst ein Schluck über, mit dem man später eine Verkostung vornehmen könnte. Und ‚lecker‘ sind sie ja, die lachsfarbenen. Also bleiben sie in guter Erinnerung.

Bei den wenigen Gelegenheiten, eine Verkostungsnotiz anzufertigen, begegne ich aber tatsächlich einem Phänomen: Je weniger der Wein im Mittelpunkt steht, desto besser schmeckt er. Bei voller Konzentration auf den Stoff, reduziert der sich oft auf süße Frucht.

Raumland, Rosé Prestige Brut (degorgiert 02/09), Deutscher Sekt, Rheinhessen. In der Nase neben den obligatorischen Brioche-Noten vor allem rotbeerig mit einer deutlichen Johannisbeer-Note. Am Gaumen zeigt der Wein ordentliches Spiel: mäßiger Säure steht ein Restzucker gegenüber, der gefühlt am oberen Ende von brut liegt. Aromen von Himbeere und Erdbeere treffen auf eine feine Perlage, der Sekt wirkt cremig und etwas molliger als vergleichbare Champagner. Der Abgang ist lang. Ein Winzersekt mit extrem hohen Suchtfaktor – und viel süßer Frucht.