Wichtelwein

Vorgestern war ich auf einer sehr spaßigen Veranstaltung: Ein weihnachtliches Weinwichteln. Dabei trifft sich ein Haufen Verrückter an einem geeigneten Ort und jeder bringt eine beliebige Magnum-Flasche Wein mit. Dann schenkt man den Anwesenden von seinem Wein ein und lässt sich selbst von den Mitstreitern deren Weine präsentieren. Das führt dann zu einem tollen Abend voller unterschiedlicher Weine und Weingespräche. Wenn man nicht aufpasst, führt das auch zu einem mordsmäßigen Kater, da jeder Teilnehmer am Ende theoretisch eine Magnum getrunken hat.

Ich habe dabei viele gute Weine getrunken aber selbstverständlich keine Verkostungsnotizen angefertigt. Dazu war ich zu sehr in Gespräche vertieft (und damit beschäftigt, dem Kater zu entgehen). Nur eine Notiz habe ich in einer ruhigen Minute niedergeschrieben, die von dem Wein, den ich selber mitbrachte.

Emrich-Schönleber, Monzinger Halenberg Riesling GG (Magnumflasche), 2006, Nahe. In der Nase ist der Wein üppig: kandierte Früchte, Honig, Kemmsche Kuchen und jede Menge Kräuterwürze – ein sehr reifer Riesling. Am Gaumen zeigt sich der Halenberg ebenfalls schon sehr reif: Aromen von Quitte und Melone, mitteldick mit sehr schönem Spiel, ziemlich trockenem Geschmacksbild und perfekt eingebundenem Alkohol (13%). Reife Noten von Malz und die ‚typische‘ rauchige Mineralik prägen den sehr langen Abgang. Ein Riesling für die kalte Jahreszeit.

Ich wünsche allen Lesern schöne Weihnachtsfeiertage – mit oder ohne Wein.

Blick zurück im Zorn

Der Dezember ist der Monat der Jahresrückschauen. Hier also mal eine von mir.

Schubert, Pinot Noir ‚Block B‘ 2004. Ziereisen Spätburgunder ‚Tschuppen‘ 2005. Philipps-Eckstein Riesling Kabinett ‚Alte Reben‘ 2006. Tinhorn Creek, Merlot 2002. Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Auslese** trocken 2001. Rebenhof, Ürziger Würzgarten Riesling Spätlese trocken 2006. Künstler, Riesling ‚Kirchenstück‘ 2004. Pirramimma, Shiraz ‚White Label‘ 2001. Rosch, Riesling ‚JR Junior‘ 2007. Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Spätlese* trocken 2004. Mosbacher, Forster Pechstein Riesling Großes Gewächs 2004.

Alle Weine zerstört, alle in diesem Jahr, alle durch einen fehlerhaften (TCA-verseuchten) Korken.

Wer jetzt sagt: ‚das sind aber wenige für ein ganzes Jahr‘, dem sei gesagt, dass das nur die Weine aus meinem Keller waren. Auf Proben und bei Freunden habe ich noch weitere Korker erlebt, die teilweise richtig weh taten (weil richtig teure Weine betroffen waren).

Es war ein gutes Jahr, die vermaledeite Rinde hat mich nur rund 160€ gekostet. Weniger als in den Jahren zuvor. Das liegt allerdings nicht an der angeblich global verbesserten Korkenqualität. Die Fehlerquote ist unverändert – der Anteil alternativ verschlossener Weine steigt bei mir. Weniger mit Korken verschlossene Weine bedingen geringere Verluste. Und dann hat es dieses Jahr durch Zufall vor allem preisgünstige Weine erwischt.

Wer dieses Blog regelmäßig liest, wird etliche Namen kennen: es waren fast ausschließlich Weine betroffen, die ich mehrfach im Keller hatte. Ich konnte also eine Konterflasche öffnen und musste mich lediglich ärgern, dass der Weingenuss doppelt so teuer wie ursprünglich geplant war.

Einer hat richtig weh getan, der letzte: Von Mosbachers Pechstein hatte ich im Herbst 2005 nur eine Einzelflasche erwischt. Die lag seitdem in meinem Keller, ich hatte sie schon mehrfach in der Hand aber immer wieder zurückgelegt: ‚Den lasse ich reifen‘. Tja, da war er dann: gereift und kaputt. Total frustriert zog ich einen Lagennachbarn aus 2005 auf. Der war ein großer Trost. Ich musste meine Verkostungsnotiz ein paarmal überarbeiten, damit sie nicht in einer ‚jetzt erst recht‘ Trotzreaktion zu euphorisch ausfällt.

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling Großes Gewächs, 2005, Pfalz. In der Nase Aprikose, Muskatnuss, getrocknete Kräuter; am Gaumen Pfälzer Barock, voll und saftig aber nicht zu fett oder breit. Der Wein zeigt Aromen von Aprikose, Mango, Kemmschen Kuchen, leidet ein ganz bisschen unter seinen 13% Alkohol, zeigt aber schönes Spiel aus Säure und süßer Frucht, bietet ein echtes ‚Maul voll Wein‘. Nach hinten raus ist der Wein prickelnd mineralisch und etwas pfeffrig. Der Abgang ist sehr lang. Viel Freude für einen im GG-Kontext moderaten Preis. (Ich konnte gerade noch widerstehen, ihm im Geiste die 21€ für den Mosbacher zuzuschlagen.)

Ich steh auf Schraubverschlüsse!

Pretty in Pink

Ein Freund von mir stellte vor einigen Jahren eine denkwürdige Frage in den Raum: ‚Gibt es überhaupt herausragende Rosé-Champagner oder -Sekte?‘

Nun kann man reflexartig antworten: ‚Klar! Die sind doch oft viel teurer als die einfachen Prickler‘ – aber reicht das? Die Frage kam im Laufe einer Verkostung, bei der ein Blanc de Noir und ein Rosé eines Erzeugers zwar sehr ‚lecker‘ waren, aber eben nicht im Mindesten die Komplexität der angestellten Blanc de Blancs und Cuvées brachten. Und der Fragesteller blickte auf schlappe 40 Jahre Champagner-Erfahrungen mitsamt Degustationsreisen ins Ursprungsland zurück.

Seit diesem Tag muss ich immer an diese Frage denken, wenn ich einen Rosé-Sekt oder Schampus trinke. Leider komme ich kaum je dazu, die Weine zu verkosten. Ich trinke Prickler fast nur in größerer Runde zu gegebenem Anlass und dabei ist es erstens unpassend, Zettel und Stift zu zücken und zweitens bleibt seltenst ein Schluck über, mit dem man später eine Verkostung vornehmen könnte. Und ‚lecker‘ sind sie ja, die lachsfarbenen. Also bleiben sie in guter Erinnerung.

Bei den wenigen Gelegenheiten, eine Verkostungsnotiz anzufertigen, begegne ich aber tatsächlich einem Phänomen: Je weniger der Wein im Mittelpunkt steht, desto besser schmeckt er. Bei voller Konzentration auf den Stoff, reduziert der sich oft auf süße Frucht.

Raumland, Rosé Prestige Brut (degorgiert 02/09), Deutscher Sekt, Rheinhessen. In der Nase neben den obligatorischen Brioche-Noten vor allem rotbeerig mit einer deutlichen Johannisbeer-Note. Am Gaumen zeigt der Wein ordentliches Spiel: mäßiger Säure steht ein Restzucker gegenüber, der gefühlt am oberen Ende von brut liegt. Aromen von Himbeere und Erdbeere treffen auf eine feine Perlage, der Sekt wirkt cremig und etwas molliger als vergleichbare Champagner. Der Abgang ist lang. Ein Winzersekt mit extrem hohen Suchtfaktor – und viel süßer Frucht.

Kellerleiche (3)

‚Da waren die Augen wohl größer als der Magen‘ pflegte meine Mutter mit Blick auf den halbvollen Teller zum Essensende zu sagen, wenn ich als kleiner Junge eine deutlich größere Portion eingefordert hatte, als ich später dann auch zu verdrücken im Stande war. Es dauerte eine Weile, bis ich lernte, wie das mit dem Portionieren funktioniert.

Als ich als Teenager das erste Mal im Urlaub in südlichen Gefilden auf Halbpensions-Buffets traf, war das Erlernte spontan nicht mehr abrufbar: Im Bestreben, alles zu probieren, landete wieder mehr auf dem Teller als später in den Magen Einzug halten wollte. Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich dank passender Buffet-Strategie der Vergeudung von Lebensmitteln entgegenwirken konnte.

Es gibt nicht nur phonetisch eine Ähnlichkeit zwischen ‚Teller vollmachen‘ und ‚Keller vollmachen‘.

Als ich zum ersten Mal einen zur Weinlagerung geeigneten Kellerraum zur Verfügung hatte, dauerte es erneut eine ganze Weile, bis ich die richtige Strategie zur Befüllung mit tatsächlich konsumierbaren Mengen gefunden hatte. Ein wesentlicher Baustein dieser Strategie war: ‚Vermeide 12 für 11 Angebote‘, mithin jene beim Deutschen Weinhandel beliebten Offerten, 12 Flaschen eines Weins zu ordern, aber nur 11 bezahlen zu müssen und obendrein das Porto zu sparen. Außer bei sehr lange haltbaren Weinen gelingt es mir nicht, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne 12 Flaschen des gleichen Weines zu trinken. Der Rest liegt dann da im Keller und nimmt eigentlich nur Platz weg. Ab und zu traue ich mich an eine solche Kellerleiche. Bei dieser hier war ich sehr erstaunt, wie hervorragend der Wein mundet. Ich empfand ihn schon in der Jugend als einen sehr seriösen Wein. Jetzt weiß ich, dass er auch sehr ordentlich reift.

Mulderbosch, Sauvignon Blanc, 2004, WO Stellenbosch, Südafrika. Die Nase ist altersmilde: Stachelbeere und grüne Paprika, dazu Sellerie und ein leichter Stinker aber alles sehr dezent. Am Gaumen überraschend ernsthaft, schöne volle Struktur, süße Frucht von Apfel und Birne, sehr gehaltvoll und mineralisch. Im mittellangen Abgang mineralisch aber auch etwas austrocknend. Ein wunderbarer Wein, der allerdings an der Luft nicht lange durchhält. Zwei Stunden nach dem Öffnen verabschiedet sich die Frucht.

Deutschlands viertes Forum

Heute ist ein neues Weinforum für den deutschsprachigen Raum an den Start gegangen. Es heißt schlicht ‚Das Weinforum‘ und ist eine Ausgründung unzufriedener Vielschreiber-Mitglieder und Moderatoren von Deutschlands größtem Weinforum talk-about-wine. Zumindest sind es lauter sogenannte ‚Senioren‘ letztgenannten Forums, die im neuen für Inhalte und Leben sorgen. Eine modernere Software, Einbindung von Blogs und anderer Social-Media-Plattformen und eine etwas breitere Betreiberbasis sind die weiteren Unterschiede zu existierenden Foren. Ich wünsche den Betreibern viel Spaß und Erfolg.

Es passt ganz gut zum Anlass, dass ich die letzten Tage einen Wein im Glas hatte, dem man auch einen gewissen Seniorenstatus zubilligen kann:

Knipser, (Dirmsteiner Mandelpfad) ‚Himmelsrech‘, Riesling Großes Gewächs, 2005, Pfalz. In der Nase zeigt sich am ersten Tag etwas Petrol, was jedoch nach einiger Zeit verfliegt. Es bleibt dann der Eindruck eines klassisch gereiften GGs: ziemlich dick, würzig und würdig gereift mit Aprikose, Apfel, Kräuterbeet, Walnuss und einem Hauch Karamell. Am Gaumen ist der Wein ziemlich trocken, wiederum würzig, sehr kalkig-mineralisch, mit Zitrus- und Apfelaromen und reifer Säure. Mit 12,5% Alkohol bewegt er sich in meinem persönlichen Zielkorridor, dabei entwickelt er ähnlichen Druck wie die etwas hochprozentigere Konkurrenz, die ich in den letzten Monaten im Glas hatte. Der Abgang ist sehr lang, mineralisch und ein wenig austrocknend.