Wiesbadener GG-Vorpremiere 2023

Wiesbadener GG-Vorpremiere 2023 – Tag 1

Es ist wieder so weit: die Grossen Gewächse des VDP stellen sich drei Tage lang in Wiesbaden dem Urteil der Fachwelt. Zum neunten Mal nehme ich meinen Platz ein, verkoste und berichte. Der Sonntag steht dabei traditionell unter dem Motto ‚Alles außer Riesling‘. Selbst wer danach verlangt, bekommt keine Rieslinge eingeschenkt. Für mich startet der Tag wie schon seit vielen Jahren mit einem persönlichen Highlight, den Silvanern.

Doch bevor es soweit ist ein kurzer Überblick über die Spielregeln dieses Tickers. Ich schreibe nur über die Weine, die mich positiv berühren. Weine, die zu mir sprechen, inspirieren mich, ihre Geschichte weiter zu erzählen. ich lausche auch nicht allzu lange in die Stille hinein, ob da was kommt, denn dieses Jahr gilt es rekordverdächtige 471 Weine zu verkosten. Das wird eng. Wenn hier ein Wein nicht auftaucht, kann er schwach sein, er kann aber auch einfach verschlossen und derzeit nicht auf den ersten Blick verständlich sein.

Manchmal mache ich Ausnahmen, dann erwähne ich einen Wein, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er wirklich gut ist. Das entspringt dann einer spontanen Eingebung. Manchmal berührt mich ein Wein, aber ich stehe gerade etwas auf dem Schlauch, kann nicht sagen, warum. Dann wird die Beschreibung kürzer. Es ist also alles ziemlich genau so, wie man es erwarten würde, bei so einem Unterfangen und auch die erhöhte Irrtumswahrscheinlichkeit sollte der geneigte Leser einpreisen.

Dass ich das jedes Jahr aufs Neue angehe, hat einen einfachen Grund. In Summe sind die Rückmeldungen außerordentlich positiv. Leser, die diese Ticker als (eine von mehreren) Quellen für die Einkaufsentscheidung nehmen, tuen dies meist in den Folgejahren erneut. Menschen, die grundsätzlich nur ihrem eigenen Geschmack vertrauen, fühlen sich trotzdem unterhalten. Mir macht es nach wie vor Spaß. Also legen wir los.

Eines noch: wenn Sie nicht so genau wissen, was das GG eigentlich ist, dann schauen Sie doch mal hier, da wird es von berühmten Winzern erklärt: https://youtu.be/hexCU_QveD4

Silvaner (Franken)

Der Schlossberg von Castell wird künftig immer im fünften Jahr nach der Ernte gezeigt, hier also der 2018er. Vollfruchtige Nase, die an gereiften Riesling erinnert, am Gaumen startet er mit zackiger Säure, dann kommen erste cremige Reifenoten. Das soll jetzt trinkreif sein, das ist jetzt aber eigentlich noch nicht ganz trinkreif, weil da immer noch sehr viel Potential drin schlummert. Ausgesprochen angenehmer Start in die Veranstaltung. Die erste typische Silvaner-Nase des Tages dann beim 22er Stein-Harfe vom Bürgerspital. Am Gaumen eine satte Frucht und etwas Kräuter, zusammen in wunderbarer Harmonie, zu der sich im Abgang die nötige Portion Ernsthaftigkeit (auch mit etwas weißem Pfeffer) gesellt. Ein Wein der ganz laut *Frühstück’ ruft, aber ich kann widerstehen…

Der zweite Flight macht mich sehr glücklich. Zitrusfrucht und etwas laktischer Yoghurt-Ton: Erinnert sich noch jemand an das Eis ‚Bottermelk-Fresh‘? So startet der 21er Stein-Berg vom Juliusspital. Allerdings schwenkt sich das erstens etwas weg und zweitens wird der Wein im Mittelbau so würzig (Achtung: Holz!), dass sich das zu Harmonie zusammenfindet. Interessant, ungewöhnlich, gut? Dann 21er Kammer von Wirsching: Apfelbirneheuundstrohmachenstetsdenbodmannfroh. Ich mag diese typische Silvaneraromatik in der Nase, auch wenn sie manchmal etwas schweißig wirkt, wie auch hier. Am Gaumen startet er mit zackiger Säure, dann wird es angenehm fruchtig. Gefällt mir gut. Beim 21er Julius-Echter-Berg von Wirsching ist die Nase ähnlich, aber etwas zurückhaltender, am Gaumen auch sehr verhalten. Ich sehe gute Chancen, dass das zu Eleganz reift. Gleiche Lage und Jahrgang vom Juliusspital ist in der Nase etwas würziger. Am Gaumen wunderbare Textur, dann kommt enorm viel, enorm lang. Der Wein hat irren Tiefgang und keine Eile, seine Facetten zu zeigen, haut mir seine Vioelschichtigkeit nicht mit massivem Druck um die Ohren, sondern breitet sie langsam aus. Das holt mich hier und heute extrem ab und resultiert in der ersten Gänsehaut des Morgens. Toll. Der 22er Volkacher Ratsherr von Max Müller I ist in der Nase wärmer und wirkt fortgeschrittener als die 21er im Flight. Der Wein ist stoffiger und druckvoller, wirkt aber nicht plump. In anderem Zusammenhang schnitte er vermutlich besser ab, denn ich glaube, er hat die Anlagen zu einem großartigen, aber eben eher kräftigem Silvaner.

Typische Nase, am Gaumen viel saftiger Apfel, gepaart mit angenehmer Kräuterwürze. Hat ein gewisses inneres Strahlen, das mir sehr gefällt und einen festen Kern, der an die Zukunft glauben macht: Rainer Sauers 22er Am Lumpen bringt mir sehr viel Freude. Rudolf Mays Weine sind ausgesprochen unruhig und entziehen sich hier heute einer vernünftigen Bewertung. 22er Maustal von Luckert eher ungewöhnlich: leicht süße, sehr harmonische Nase, leicht süßer, sehr harmonischer Gaumen, auf der fruchtigen, dezent verspielten Seite, da aber sehr schön ausgearbeitet. Gelungen. Aber ich kenne die Weine ausreichend, um zu wissen, dass sich das noch sehr ändern wird. 21er Mönchshof von Bickel-Stumpf ist ein ziemlicher Brecher, vor allem die Nase ist interessant: Maracuja, Kuhstall und Schießpulver, am Gaumen flirtet die Frucht auch etwas mit der Überreife, aber der Wein läuft nicht aus dem Ruder. Ist eine andere Interpretation des Themas, die mir aber gut gefällt.

Weisser Burgunder

Franken

Das Juliusspital liefert einen klassischen 21er Karthäuser der ruhigen Art, bei dem mich dieses Jahr allerdings ein winziges Jogurt-Tönchen stört. Das ist so dezent, das geht in der Reife womöglich verloren. Dann wird es gewohnt gut. Der Staatliche Hofkeller haut alle paar Jahre richtig einen raus und heuer ist es mal wieder so weit. Der 21er Stein-Berg hat viel Biss und feines Holz und ist ausgesprochen balanciert, wirkt glockenklar und gefällt mir wahnsinnig gut.

Pfalz

Sehr viel Holz in der Nase, sehr viel Holz am Gaumen, ölige Konsistenz, Power ohne Ende, ohne die Eleganz zu zerstören, aber Holz für Hundert Jahre – das kann nur 21er Kirschgarten von Kuhn sein. Für Kuhn-Fans ein ganz großer Jahrgang. Der 21er Odinstal von Odinstal wirkt danach erst mal klein und sauer, ist aber eigentlich ziemlich elegant und nach einer Weile setzt sich das innere Strahlen durch (weil inneres Strahlen sich zum Glück immer durchsetzt) und der Wein schwimmt sich frei. Wundervoll.

Ab jetzt alles 22er: Mandelberg – am Speyrer Weg von Bergdolt hat eine feine Frucht in der Nase, die auch am Gaumen erscheint, schön mit der Säure spielt. Das ist mehr als nur Holz und Textur wie bei einigen nordpfälzer Vertretern und deswegen erheblich mehr mein Geschmack. Münzberg Schlangenpfiff ist noch mehr auf der eleganten Seite, beschwingt, gelbfruchtig, dann stoffig, druckvoll, mit schöner Phenolik. Richtig gut. Rebholz‘ Im Sonnenschein mit sehr flintiger Nase, der aber ein klarer, saftiger Gaumen folgt, leicht ölige Textur, getragen von schöner Säure, dann kommt jetzt schon viel Würze. Das hat ganz viel Potential. Ist kein Leichtgewicht und wird immer nach Essen verlangen, könnte aber groß werden.

Kranz Kamit GG
Blitzsauber: Kranz’ Kalmit

Siegrists Sonnenberg hat eine verhaltene, leicht gelbfruchtige Nase. Fruchtiger Gaumen, schöner Säurebiss, der zum Abgang richtig Zug entwickelt, auch weil sich Phenolik dazu gesellt. Das ist puristisch, einfach, elegant und reift ziemlich sicher zu einem wunderbaren Wein. Frucht und minimal Klebstoff (s.u.) in der Nase des Kalmit von Kranz. Viel Fruchtdruck und zackige Säure am Gaumen. Auch schöne Länge, kommt mit dem Vorgänger aber nicht ganz mit, was immer noch zu einem außergewöhnlichen Wein reicht. Dann, als letzter Pfälzer, setzt Minges mit dem Rosenkranz – Im Untern Kreuz noch ein Ausrufezeichen. Würzig-komplexe Nase, satter Gaumen mit viel Frucht, der aber nicht fett wirkt, weil sowohl Säure, als auch Phenolik daran zurren. Da ist richtig Ballett am Gaumen, würde Anja sagen und ich mag Ballett. Toller Wein.

Anmerkung: mein Klebstoff-Fund hat den Winzer um den Schlaf gebracht, handelt es sich dabei doch offiziell um einen Weinfehler. Der hat kein Ethylacetat, war die Rückmeldung per DM und also habe ich nachverkostet: nein, der Wein hat keinen Klebstoff, auch nicht minimal. Das war eine strenge Note, die ich falsch wegsortiert habe (oder ein Rest vom vorher verkosteten Wein oder oder).

Baden

Der 20er Eichelberg von Heitlinger fällt mit der deutlichen Reife aus dem Rahmen des Flights, denn er war noch bei den Pfälzern dabei. Er ist außerdem leiser als der Vorgänger, aber die sehr feine phenolische Eleganz im Abgang verschafft auch diesem Wein Gehör. Ist richtig gut. 21er Winklerberg Hinterm Winklen von Dr. Heger: Boah, das ist wirklich gut. Muss man kauen und mein Handy hat gerade vibriert, weshalb ich geistesabwesend auf dem Wein rumkaue, während ich eine Nachricht schreibe. Ist natürlich ein Wettbewerbsvorteil, aber so what: großen Weinen gönne ich jeden Wettbewerbsvorteil! Dosenmandarine mit feinem Holz. Ich mag diese Kombi beim Weissburgunder sehr, so bescheuert sie auch klingt. Beim 20er Doktorgarten vom Staatsweingut Freiburg gibt es sie in Perfektion. 21er Altenberg-Weingarten von Schlumberger-Bernhart: Viel süße Frucht, Sonne in Flaschen, aber beileibe nicht banal, mit feinem Holz. Auch so kann man ein gutes Weissburgunder GG machen.

Grauburgunder

In der lustigen Nase Blumen und Bonbons, eher ungewöhnlich für die Rebsorte. Am Gaumen viel süße Frucht, glockenklar und sauber, dann kommt die sortentypische Würze. Dabei ist der Wein von einer Opulenz, die es beim Grauburgunder eigentlich nie ohne Hüftgold gibt. Er hält aber von Anfang bis Ende die Spannung. Ich bin einigermaßen perplex, aber auch angetan vom 22er Burg Wildeck Herrschaftsberg vom Staatsweingut Weinsberg. Ganz anders der 21er Landberg von Kloster Eberbach (von der Hessischen Bergstraße). In der Nase Birne und ein bisschen Honig, am Gaumen trocken, gelbfruchtig, dann kommt viel Grip durch Säure und Phenolik. Das hat mehr Zug als die meisten Weißburgunder, dann gibt es als Bonus die Sortenwürze obendrauf. Enorme Länge, viel Potential. Das hat Leuchtturm-Qualitäten. Eher duftig-blumige Nase bei Laibles 22er Plauelrain Stollenberg, viel reife Birne am Gaumen, dann Würze, reif in der Anmutung, aber feine Säure und Phenolik sorgen durchgehend für Spannung. Weit und breit kein Speck in Sicht. Man muss Holzwürze mögen (die hier vielleicht auch vom Hefelager stammt), um diesen Wein zu lieben, aber dann ist er auch wirklich liebenswert.Berchers Feuerberg Haslen aus 2022 komplettiert einen angenehmen Flight: Sehr klar und vibrierend, extremer Säurezug, aber dann kommt Substanz. Ich würd blind wohl erst nach langem Überlegen auf Grauburgunder kommen, weil er alle Sortenklippen umschifft, ohne die Typizität aufzugeben. Das ist stark.

Ein tolles, kompaktes Paket aus Säure, Holz, Hefelagerschmelz, Rebsortenwürze und ersten Reifenoten, ist der 20er aus dem Eichberg von Salwey. der 21er Schlossberg von Franz Keller hat in der Nase den leicht lätscherten Hauch (zu) reifen Grauburgunders, aber am Gaumen zeigt die süße Frucht Präzision und spielt hervorragend mit Säure und Würze. Da ist wieder reichlich vom schon zitierten Ballett am Gaumen. Auch bei Hegers Vorderer Winklerberg stimmt erst mal alles, bevor ein Hauch Creme/Jogurt ganz am Ende meine persönliche Abneigung triggert. 99% aller Weintrinker werden das gar nicht bemerken und für die ist das ein großartiger Wein (mit etwas Reife vermutlich auch für mich).

Ich traue mich kaum es zu sagen, aber das Grauburgunderfeld dieses Jahr war besser als das Weißburgunderfeld und auch den Silvaner-Flights mindestens ebenbürtig. #duckundwech

Chardonnay (Baden)

Sehr flintig in der Nase und auch am Gaumen erinnert das an eine Mischung aus angeschlagenem Feuerstein und Silvesternacht, aber die Säure, Frucht, Schmelz und Phenolik beim 21er Kronenbühl unten an der Teufelslochgasse von Wöhrle geben mir das Gefühl, sie würden die drei oder vier Jahre durchhalten, die es sicher noch braucht, bis der Pulverdampf verflogen ist. Ich bin vorsichtig optimistisch (lehne aber jede Haftung ab). Und ja, das ist kein Scherz: Kronenbühl unten an der Teufelslochgasse heißt der wirklich (kannste Dir ja auch gar nicht ausdenken, so einen Namen).

Monstersäure beiden 21ern von Huber. Während ich beim Bienenberg raus bin, vermittelt der Schlossberg mir eine gute Idee, wohin die Reise gehen dürfte. Der ist zwar auch extrem sauer, aber zarte Frucht, auf den Punkt reife Aprikose, feines Holz, schon erste Würze und ein fester Kern, unterlegt von äußerst kräftiger Säure sind deutlich auszumachen. Das wird nie ein Crowd Pleaser, aber Menschen, die nach leiser Eleganz suchen, dürfte das perfekt abholen. Zu früh geöffnete Flaschen werden aber ein schmerzhaftes Erlebnis.

Kräftige Säure, feines Holz, im Moment etwas dropsige Frucht, der 21er Winklerberg Hinter Winklen von Dr. Heger wirkt unfertig und zeigt doch ausreichend Substanz für die längere Reifezeit, die er sicher braucht, um ein gutes Chardonnay GG zu werden. Das sollte er aber ohne Probleme schaffen.

Lemberger (Württemberg)

2021, wenn nicht anders angegeben.

Verhaltene Nase, satte Frucht und schöne Tabakwürze, sehr angenehmer Gerbstoff und gute Länge. Bei Haidles Berge gibt es das ganze Lemberger-Paket. Schön. Oberer Berg 2020 von Graf Adelmann: Verführerische, süße Frucht in der Nase, und auch am Gaumen ist die Frucht betörend. Die Gerbstoffe sind sehr elegant, die Säure ist angenehm präsent. Reifenoten Fehlanzeige. Das dürfte sich langsam aber verlässlich zu einem enorm eleganten Lemberger entwickeln. Ich bin begeistert. Die Nase des Verrenberg von Fürst Hohenlohe Oehringen riecht arg nach Landluft, aber der Wein hat Klarheit am Gaumen: knackige Kirsche, ein bisschen rohes Fleisch, Lasersäure sehr feiner Gerbstoff. Die Nase muss sich noch etwas zivilisieren, dann wird das ein richtig guter. Dautels Michaelsberg aus 2020 hat eine leicht animalische Nase mit Leder und Zedernholz, wunderbare Frucht am Gaumen, ziemlich viel, ziemlich feinen Gerbstoff – vielversprechend.

Spätburgunder

Ahr (2021)

Der Burggarten von Burggarten startet eher harmlos mit leicht gekochten Beeren bei schöner Säure, dann kommt Teer und Würze und dunkles Geheimnis, das nicht nach überzogenem Holzeinsatz schmeckt, sondern nach Substanz. Spannend. Kräftige Nase mit dunklen Früchten und Würze bei Meyer-Näkels Kräuterberg, am Gaumen gesellen sich erdige Noten dazu, kräftig, ohne muffig zu werden oder seine Leichtigkeit zu verlieren. Das ist ziemlich großes Kino. Neben der Frucht zeigt die Alte Lay von Burggarten auch einen funky Hauch Wildheit in der Nase, am Gaumen ein bisschen cremig, schwelgerisch, aber trotzdem spielerisch, dann kickt eine Note von rohem Fleisch rein und hebt das Niveau erheblich. Richtig gut!

Leicht blutige Nase, am Gaumen satt verführerische Himbeere, den Silberberg von Meyer-Näkel kann man gar nicht ausspucken. Ich tue es doch und erlebe so die abgespeckte Version eines sehr griffigen Abgangs, der die Frucht ganz wunderbar kontert (was bestimmt noch besser klappt, wenn ich den Wein runterschlucke, Note to self: Flasche besorgen). Dann Stoddens Rosenthal: Frucht und rohes Fleisch in schöner Mischung, dazu Zigarrenkiste, prägende Säure und feines Tannin: meine Definition eines gelungenen GGs!

Rheingau

Leichter Stinker in der Nase, extrem guter Säurebiss und feines Tannin, die Frucht ist noch etwas belegt, aber ich denke, das gibt sich noch. Der Höllenberg der Krone Assmannshausen hat in meinen Augen viel Potential.

Franken

Fürst überzeugt wie immer, wenngleich ich schon größere Fürst-Festspiele in Wiesbaden erlebt habe als bei diesen 2021ern. Zum Schlossberg notiere ich mir: verhaltene Nase, gehaltvoller Gaumen, sehr feine Frucht, dezente Würze, insgesamt leise, aber nicht dünn, dann kommt megafeiner Gerbstoff, das ganze getragen von toller Säure und ausgesprochen lang. Der Centgrafenberg zeigt eine leicht erdige Nase, sehr süße Frucht, etwas zurückhaltendere Säure, dafür schöne erdige Aromen im Abgang. Interessantes Spiel aus Frucht und Würze. Sehr gut. Beim Hundsrück wird die Frucht im Antrunk saftig, die Säure sehr elegant, die Frucht im zweiten Anlauf dann minimal gekocht, obwohl der Wein grandios ist, wachsen die Bäume (noch) nicht in den Himmel.

Rheinhessen (2021)

2021, wenn nicht anders genannt

In der Nase des Kreuz von Kühling-Gillot finde ich Lagerfeuer, Brotkruste und süße Frucht, am Gaumen ebenfalls viel süße Frucht, jetzt viel klarer als vor acht Wochen, passende Röstnoten, recht stoffig, aber fein. Sehr gut. Wagner-Stempels Heerkretz ist zur Abwechslung mal eine eher fruchtferne Interpretation des Themas, steinig, kreidig, aber nicht austrocknend, viel Biss, viel Tiefe, viel gut! Saftig-knackige Kirsche mit deutlich röstigem Holz. Da kann man prima mangelnde Feinheit beklagen, oder auch mal dem Charme der Kombi erliegen. Bei Gutzlers Morstein liege ich. Nochmal Charme, dieses mal die zuckersüße Himbeere, die ich vor acht Wochen noch nur ansatzweise vorfand, dazu dunkle Würze, Battenfeld-Spaniers Kirchenstück gefällt (wie schon vor wenigen Wochen) sehr.

Pfalz

Viel Druck, viel Frucht, recht viel Holz, das schon gut integriert ist, dezent fleischig und mit unglaublichem Suchtfaktor: so geht Knipser, in diesem Fall 19er MAndelpfad. Beim Im Großen Garten 2019 wirkt das Holz ein bisschen heller, der Wein strahlt noch ein bisschen mehr. Der Kirschgarten 2019 wirkt am süßesten, aber auch am fleischigsten. Alle drei ganz wunderbar. Beim 21er Felsenberg von Rings bin ich unsicher, weil er zwar sehr straff ist, aber auch ein bisschen grün, der Saumagen ist hingegen nur in der Nase grün, am Gaumen fantastisch frisch und süß, tolle Frucht, strahlt, feines Holz, ganz große Anlagen. Der 21er Vogelsang von Christmann zeigt zwar derzeit vor allem Frucht und Säure (und Holz), swingt aber so enorm elegant, dass ich mir vorstelle, dass schon wenige Reifenoten hier große Wirkung erzielen werden. Solche hat der Im Sonnenschein von Rebholz zwar schon, aber nur in Ansätzen. Fleischig, saftig, frisch. 2018, echt jetzt? Kühle Eleganz, großer Sport, erst im hintersten Winkel des Abgangs findet sich ein bisschen von der Hitze des Jahrgangs.

Sonnenberg von Siegrist aus 2019: Die Frucht ist angenehm leise präzise und frisch, die Reifenoten zurückhaltend, die Säure fein und das Holz gut verdaut. Das finde ich sehr gelungen. Sehr viel Freude dann beim 20er Heydenreich von Becker, kräftiges Tannin, sehr frische, rote Frucht, schöne Säure, tolle Anlagen und große Tiefe. Fantastisch, auch wenn das kräftige Tannin noch etliche Jahre Flaschenreife verlangt. Der 21er Sonnenberg KT von Jülg ist wunderbarer Stoff, weil ich hier viel würzige Tiefe finde, dazu klare Frucht, rohes Fleisch, Andeutungen von Unterholz, das gewisse Strahlen, tolles Holz. Großer Wurf.

Württemberg

Schöne deutsche Spätburgundernase, volle satte Frucht am Gaumen mit spürbarem Holz und feiner Säure. Ellwangers 20er Linnenbrunnen schielt nicht ins Burgund, der will ein guter deutscher Spätburgunder sein und er ist ein guter deutscher Spätburgunder, sehr gut sogar. Bei Aldingers Gips Marienglas 2020 weht Landluft durch die Nase und schockt mich extreme Säure am Gaumen. Doch als ich schon abwinken will, kommt da so viel Substanz und wird das so elegant. Ganz toll, weil zwar sehr straff, aber eben nicht grün. Zu Graf Neippergs Rute notiere ich mir: Leckere Himbeerdrops mit Fleisch und Holz und schöner Säure und viel Potential, klingt jetzt schräg, soll man ja aber auch erst in ein paar Jahren trinken. Sollte man wirklich!

Baden

2021, wenn nicht anders angegeben.

Frucht, Fleisch und erdige Noten, allerdings insgesamt etwas belegt, auch am Gaumen, dazu sehr schöne Säure und relativ feinder Gerbstoff. Hubers Alte Burg ist sehr gut. Die Nase der Sommerhalde hat auch einen leicht gekochten Touch. Am Gaumen ist das aber frischer, klarer, die erdigen Komponenten sind noch etwas feiner. Das Holz wirkt dafür etwas plakativer. Das ist auch sehr gut. Leicht blumige Nase dann beim Bienenberg, sehr harmonischer Gaumen, das tanzt und die Frucht hat große Klarheit und das Holz ist megafein. Das letzte Strahlen fehlt noch, aber wir kommen der Sache sehr nahe. Der Schlossberg ist dann der beste. Die Frucht ist süß und klar und strahlt, das Holz ist sehr fein, die Säure beschwingt, enorm tief, ganz viel Potential.

Ein bisschen grüne Tomate in der Nase, am Gaumen aber ordentliche Reife, viel Grip und Biss bei sehr viel Tiefe. Wow, der Eichberg von Salwey packt mich sehr. Auch der Kirchberg ist nicht so richtig reif in der Nase, am Gaumen bin ich nicht so überzeugt, wie beim Eichberg, allerdings stehen die Chancen sehr gut, dass auch das sich sehr positiv entwickelt. Auch Hegers Schlossberg ist schlank und elegant, präsentiert sich aber auch so, dass ich nicht weiß, ist das nur jung und verschlossen, oder tatsächlich aromatisch dünn? Gleiches gilt für sämtliche Weine von Franz Keller. Ich gebe zu, so großflächig unsicher bin ich selten gewesen in zehn Jahren Wiesbaden.

Blankenhorns Sonnenstück verursacht bei mir keine Verunsicherung. Das gefällt mir gut. Die süße Frucht ist elegant, die Säure auch, recht viel Gerbstoff, aber der ist erstens fein und zweitens will ich den Wein ja nicht morgen trinken. Wunderbare Anlagen. Versöhnlicher Abschluss.

4 Gedanken zu „Wiesbadener GG-Vorpremiere 2023 – Tag 1“

  1. Hi Felix,
    danke für deine Berichterstattung!
    Hat das Bürgerspital auch einen Karthäuser Weißer Burgunder? Oder war das der vom Juliusspital?

    Viele Grüße
    Rene

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