Wiesbadener GG-Vorpremiere 2023

Wiesbadener GG-Vorpremiere 2023 – Tag 2

Ab jetzt wird in Wiesbaden Riesling serviert und um den soll es hier gehen. Die noch fehlenden Spätburgunder-Flights werde ich vor dem Mittagessen verkosten und im Artikel des gestrigen Tages nachtragen.

Eines vorab: wenn Sie nicht so genau wissen, was das GG eigentlich ist, dann schauen Sie doch mal hier, da wird es von berühmten Winzern erklärt: https://youtu.be/hexCU_QveD4

Mosel

2022, wenn nicht anders angegeben.

Faszinierend kräutrige Nase, sehr apfeliger Gaumen, schönes Spiel, sehr feine Phenolik im Abgang. Zillikens Rausch finde ich wunderbar. Dezent sauer in der eher verhaltenen Nase, am Gaumen feine Aprikose, helle Anmutung, etwas saftig, etwas verschlossen, halbgeöffnete Auster, in der eine kleine Perle schimmert, wenn die Süße sich als Babyspeck entpuppt, sonst wird der Bockstein von von Othegraven nur sehr gut. Die Version von Van Volxem ist leicht blumig, etwas Aloe Vera, dann auch etwas Malz, saftiger Antrunk, kräftige, leicht rauchige Phenolik und passende Säure, ernsthaft aber lebendig. Sehr gut. Als dritter im Bockstein bietet Nik Weis in der Nase klassisch Riesling, dazu noch etwas Hefeschleier, am Gaumen sehr vibrierend, dann karg und mit festem Kern, tolle Länge, großes Versprechen.

Leichte Reduktion in der Nase, dazu viel Aprikose, am Gaumen feine Säure, Gebirgsbach-Anmutung, dann macht der Schonfels von Lauer zu und man rennt vor die Felswand. Finde ich sehr vielversprechend. Van Volxems Goldberg wirkt zwar auf den ersten Blick etwas süßlich, aber die Substanz um das zu puffern, wenn es nicht sowieso nur Babyspeck ist, zeigt sich sehr deutlich. Ganz viel rauchige Würze, sehr fein bissige Phenolik und hochelegante Säure. Riesling muss nicht zwangsweise schlank sein, um Eleganz zu entwickeln und deswegen glaube ich an eine tolle Entwicklung. Beim Scharzhofberger Pergentsknopp finde ich die Nase leicht blumig. Vibrierender Gaumen, dann kommt sehr viel rauchige Mineralik/Phenolik. Das ist sehr viel Stein im Wein und wer das sucht, der wird hier satt bedient. Die Nase des Altenberg ist toll: Hubba Bubba trifft Blumenwiese. Am Gaumen dann viel Frucht, schöne Säure, gutes Spiel. Setzt im Moment gar nicht auf Stein und Phenolik und das ist ein guter Kontrast im bisherigen Programm. I like it!

Nik Weis’ Layet ist toll. Frische Nase und am Gaumen reife Pampelmuse, angenehm trockene Anmutung, aber ausreichend Frucht und Süße für tolles Spiel, dann kickt feine Kreide rein und sorgt für ein erhebliches Strahlen im Abgang, zu dem sich ein bisschen Süße gesellt. Ein Träumchen. Seine Laurentiuslay präsentiert sich ausgesprochen saftig und im langen Abgang mit extrem viel Säure, fordernd und sehr spannend, weil nach hinten raus unendlich viel passiert. Grans-Fassians Hofberg hat viel Säure, viel Punch, startet etwas brav und baut dann doch viel würzige Spannung im sehr langen Abgang auf. Ein Wein für den zweiten Schluck.

Dann kommt zwei Mal Riesling ‚wie er früher einmal war‘. Verführerische Rieslingnase, sehr fruchtige Ausprägung mit viel Säure, gute Länge, klassische Interpretation. Version 1 ist aus 2021, der Ohligsberg von Haart. Wieder sehr klassische Rieslingnase, enorm saftig, durch und durch fruchtig, aber kein bisschen süß. Ganz toll – lautet die Notiz zum zweiten Kandidaten. Es ist die Juffer-Sonnenuhr von Fritz Haag. Und die nächste klassische Interpretation gleich hinterher: beim 21er Doctor von Wegeler wagen Frucht und Säure ein wunderbares Tänzchen, bevor feine Phenolik mit der Blutgrätsche die Tanzfläche abräumt. Drama, Baby!

Kräftig-rauchige Anmutung mit viel Süße, der aber auch viel dunkle Würze gegenüber steht – Heymann-Löwensteins Stolzenberg wird vermutlich immer vom Typ üppiger Brecher sein, in der Liga aber könnte er eine Ausnahmestellung einnehmen. Mag ich sehr. Beim Uhlen Laubach finde ich die typische, eher rauchige Nase, dann aber eher helle Anmutung am Gaumen, Grapefruit und grüner Apfel, leicht kreidig-karg, bevor es im Abgang angenehm süß wird. Sehr fein, leise und elegant. Guter Schlusspunkt für das Gebiet. Ich finde die Mosel-Leistung insgesamt ordentlich. Und weil Hundert Leute Fragen werden: nein, Schloss Lieser, Clemens Busch und Knebel standen nicht zur Verkostung.

Mittelrhein (2022)

Entweder der Mittelrhein erwischt mich auf dem falschen Fuß, oder Ratzenberger und Jost haben sich verabredet, ein paar Zaubertricks auszupacken, denn der Flight präsentieren sich ungewöhnlich. Ratzenbergers St. Jost startet seriös mit viel Saft, bevor eine lustige kleine Marzipan-Note übernimmt. Wirkt dadurch vermutlich süßer, als er wirklich ist. Seine Wolfshöhle wirkt dadurch feiner, deutlich eleganter, reife Frucht und frische Säure, feine Phenolik und insgesamt strahlend. Das ist auch in jedem anderen Kontext wunderbar. Toni Josts Im Hahn startet stark, dann kommt üppig Aroma von Erdbeersahnetorte, leicht verrückt, aber irgendwie funky (um nicht ‚geil‘ zu schreiben). Und bevor sich jemand wundert, wenn er das demnächst beim Nachprobieren nicht das Gleiche findet: mindestens Marzipan ist ein Jungweinaroma, das nicht ewig im Wein verbleibt.

Rheingau

2021, wenn nicht anders angegeben

Sehr zitrisch-gelbfruchtig präsentiert sich die Hölle-Kantelborn von Flick. Bissig, gutes Spiel, nach hinten raus wird es kreidig-kantig, ganz viel Grip, ganz viel Potential, sehr gut.Gelbe und grüne Früchte in der Nase des Marcobrunn von Künstler, dazu etwas Kräuterwürze. Am Gaumen startet der Wein mit reifer Frucht, die aber fast sofort von rauchiger Phenolik abgegrätscht wird. Dann kommt ganz lange das, was Weinmenschen gerne ‚flüssigen Stein‘ nennen und wir sparen uns heute die Diskussion, ob das sinnvoll oder Quatsch ist. Der Wein ist davon unabhängig gut. Gleiche Lage von Kloster Eberbach: Sehr verhaltene Nase, am Gaumen Zitrus und resche Säure, bevor auch hier der Stein durchlugt, insgesamt aber hellere Anmutung, mehr Spannung, weniger Geheimnis. Mindestens genau so gut. Leichte Reduktion und etwas Aloe Vera in der Nase des Hohenrain von von Oetinger, saftiger Antrunk, dann wird es kreidig karg und auch die Säure entfaltet viel Wirkung, beeindruckende Länge, sehr viel Potential.

Bei der Jungfer von Kühn finde ich nach längerer Auszeit mal wieder vibrierende Spannung am Start, feine Frucht, feine Phenolik, kräftige Säure, und alles tanzt. toll! Dann ein ganz typischer Gräfenberg von Weil (2022): Ein paar Gummibärchen in der Nase, sehr frisch und bunt, am Gaumen startet das auch erst mal fruchtig, dann schleicht sich die Phenolik dazu und der Wein entwickelt viel Spannung, im Abgang verschließt sich der Wein einerseits, deutet dabei aber auch ganz viel Potential an. So haben die besseren Gräfenbergs der letzten zehn Jahre auch ungefähr in diesem Alter geschmeckt.

Klassische Rheingau-Rieslingnase, am Gaumen ist der Start eher süß, aber da packt sofort viel Säure, Phenolik und aromatische Tiefe zu: Barths Hassel hat definitiv Potential. Kloster Eberbachs Steinberg Goldener Becher ist sehr zitrisch, startet eher plakativ, aber ich kenne den Wein ganz gut und weiß, dass die Dropsigkeit eher Lagen-Phänomen ist. Der auch jetzt schon schmeckbare Grip aus Säure und Phenolik, der tolle Zug und die innere Spannung werden dem Wein eine schöne Zukunft bescheren.

Fruchtig-würzige Nase, am Gaumen karg und auf verheißungsvolle Art geizig, fester Kern, vibrierende Säure, kompakte Art mit viel Spannung. Wenn sich das alles ordentlich entfaltet, könnte was ganz Besonderes entstehen aus dem 22er Rosengarten von Spreitzer. Der Doosberg von Kühn plätschert erst vor sich hin, mit nettem Mix aus Grapefruit und feinem Grip, dann hält dieses Spiel aber ewig an und darunter scheint noch viel zu liegen. Macht hellhörig. Die Frucht des Doosberg von Wegeler gehört zum Seriösesten, was ich heute bisher im Glas hatte: Null Drops, Gummibärchen oder Hefeschleier, präzise, saftige, verführerische Mischung aus Apfel, Aprikose und Pampelmuse, dazu sehr kräftige Säure und etliche Schichten von Dingen, die mit Reife noch kommen werden. Gefällt mir sehr.

Allendorfs Hasensprung ist ein eher dunkler Geselle: dezent malzige Nase mit reifer Aprikose, am Gaumen erdig, tiefgründig, dazu viel Säure. Ungewöhnlich und spannend. Eine feine pflanzliche Note finde ich in der ansonsten fruchtigen Nase des Rosengarten von Leitz, im Antrunk milde Säure mit viel Frucht, die aber dadurch nicht übermäßig süß wirkt, im Abgang taucht viel Würze und feine Phenolik auf, da wirkt die Säure dann auch zupackender. Sehr gutes kompaktes, trotzdem leicht schwelgerisches Paket.

Im nächsten Flight zwei Weine, die noch sehr unruhig sind, aber mich irgendwie optimistisch stimmen: Sehr bunte Nase, extrem süß-sauer am Gaumen, aber dann kommt beim 22er Berg Roseneck von Allendorf so viel Kreide, dass ich glaube, das kann sich wunderbar harmonisieren. Auch Prinz‘ Berg Schlossberg (auch aus 2022) ist extrem jung, hat noch einen heftigen Hefeschleier, zeigt aber viel Potential. Den würde ich gerne mal über drei Tage verkosten, weil schon der erste Schluck andeutet, dass das ein Vergnügen wäre. Leitz’ Berg Rottland hat enorme Tiefe und viel Biss, aber auch schon jetzt reichlich Druck. Wird mal Bombe – in jeder Hinsicht. Jener Rottland habe häufig etwas Rüpelhaftes, schrieb ich mal. Gemeint ist, dass er nicht so geschliffen wie der Rest des Rüdesheimer Bergs daher kommt. Künstler trifft das Thema in dieser Hinsicht dieses Jahr am besten: Etwas wild-würzig, etwas rüpelig-laut. aber auch mit charmanter Frucht. Mag ich. Und so mag ich auch den Rheingau ausklingen lassen – den geliebten Rheingau, den ich lange nicht so schwierig fand wie dieses Jahr.

Nahe

2022, wenn nicht anders angegeben

Auf keinen Flight in Wiesbaden freue ich mich jedes Jahr so sehr wie auf den ersten (bis vor zwei Jahren: letzten, seitdem auch Flight-intern in der Reihenfolge umgedreht) Flight der Nahe. Halenberg und Frühlingsplätzchen von Emrich-Schönleber (E-S) und Schäfer-Fröhlich (S-F) im Vergleich, flankiert von weiteren S-F-GGs. So manche Gänsehaut hat dieser Flight über die Jahre gestiftet. Die blieb dieses Jahr aus. S-F Frühlingsplätzchen hat eine typische S-F-Nase (also reduktiv und sehr von Hefe geprägt), stoffiger Gaumen, noch sehr unruhig, wirkt auf mich sehr süß, aber solide. E-S’ Version ist durchaus typisch hell und strahlend, mit gelben Früchten und eher feiner Phenolik, aber verglichen mit guten Jahrgängen ist das harmlos.

Auch beim Halenberg ist die Typizität da: Reife Frucht und rauchige Mineralik/Phenolik. Bei E-S ist das in den besten Jahren packender und auch wenn ich den vermissten Grip bei S-F finde – die größte Herausforderung in Wiesbaden ist ja, Mineralischen Grip und Schwefel auseinanderzuhalten und gerade bei S-F gelingt mir das nicht immer zuverlässig. Machen wir es kurz: vier sehr gute Weine, wo ich sonst gern Halleluja rief. Ausgerechnet beim ebenfalls im Flight gestarteten sehr gelungenen Stromberg (sonst S-Fs Kleinster) finde ich schon jetzt Ansätze von Präzision, die mich aufhorchen lassen.

Straffe, würzige Nase, auch am Gaumen rauchig-würzige Noten zur vollreifen Frucht, die aber nicht ausladend wirkt. Die Hermannshöhle von Dönnhoff ist kompakt beieinander (auch dank straffer Säure) und hat viel Potential. Dr. Crusius Kupfergrube ist schön straff, zeigt phenolische Tiefe, guten Säurezug, schöne Frucht. Wenig Firlefanz. Das passt. S-Fs Felsenberg hat auch nicht den Druck der besten Jahrgänge, aber da lauert ein Anflug von Eleganz, auf den sich aufbauen lässt. Wird aber sicher eine ganze Weile brauchen, bis der Wein Klasse entwickelt. Wieder Dr. Crusius, zum Einen Steinberg: Hier wird der saftig-süße Antrunk nicht nur von passender Säure abgeräumt, es türmt sich auch eine feste Steinwand auf, gegen die der Gaumen läuft und sich schon freut, was alles passieren wird, wenn die reift. Finde ich gut. Beim Mühlberg wirkt der limonadige Ton auf mich sehr wie Babyspeck, der sich anstandslos verziehen und der wunderbaren Struktur aus Frucht, Säure und Würze das Feld überlassen wird, und zwar nicht erst 2030. Ich wette drauf. Pittermännchen von Joh. Bapt. Schäfer: Frisch, ein Korb gelber Früchte, kräftige Säure, verhaltener Zucker, viel phenolische Tiefe. Perfekte Anlagen. Sehr frische aber verführerische Nase beim Burgberg von Kruger-Rumpf, extrem frische Frucht und viel Säure am Gaumen, dann kommt Substanz zum puffern (und nicht vor allem Zucker, wie so oft in diesen Tagen). Das wird Zeit brauchen, aber das hat viel Potential. Ähnlich verhält es sich mit dem Im Pitterberg von Kruger-Rumpf: Ausgesprochen schönes Spiel von Frucht und Säure, dann kommt phenolische Länge. unter allem schlummert die nötige Substanz, damit der Wein mit Flaschenreife aromatisch auffächert. Die Länge ist jetzt schon beeindruckend.

3 Gedanken zu „Wiesbadener GG-Vorpremiere 2023 – Tag 2“

  1. Danke, Felix.
    Bei S-F sehe ich Stromberg schon seit Jahren auf Platz zwei hinter dem Felseneck, aber vor den anderen. Insofern keine Überraschung (für mich).

  2. Naja so ein “Halleluja” hör ich da noch nicht raus, wenn dann eher gestern bei den Grauburgundern & Chardonnays.

    Danke für deine Tipp & Verkostungsarbeit! Ich lese fleißig mit.

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