Gute Vorsätze (1)

Ich hoffe, alle, die diese Zeilen lesen, sind wunderbar ins neue Jahr gerutscht. Meine besten Wünsche allen Lesern und von Google irrtümlich hierher verwiesenen. Ich habe in letzter Zeit einige Jahresrückblicke gelesen und kann meinen ganz kurz fassen: schön war‘s.

Ich habe 2012 vor allem meine etwas zu großen Vorräte an Mittelklasse-Rieslingen aus dem Jahr 2007 vernichtet. Das hat erstaunlich viel Spaß gemacht. Ein typischer Vertreter dessen, was mein Glas in 2012 gefüllt hat, ist beispielsweise dieser hier.

Leitz, Rüdesheimer Bischofsberg Riesling Spätlese trocken 2007, Rheingau. In der Nase voll, dick und süß; reifer Pfirsich, etwas Aloe Vera – ein ziemlich üppiger Riesling halt. Im Mund grüßt die prägende Säure und etwas Kohlensäure. Der Riesling wirkt auch am Gaumen ziemlich dick und erstaunlich gereift (für einen Wein unter Schraubverschluss). Ein leicht cremiges Mundgefühl steht in Kontrast zur kalkigen Mineralik, die fast an Tannin erinnert. Das ist ein satter, fruchtiger Wein, der im Abgang etwas austrocknend wirkt, was einen schönen Gegensatz ergibt. Der Alkohol ist präsent, obwohl es nur 12,5 % sind. Sehr langer Abgang, sehr schöner Wein.

Für 2012 hatte ich keine guten Vorsätze gefasst, vor allem, weil mein Leben Anfang letzten Jahres gerade sehr im Fluss, der Weg mithin das Ziel war. Für 2013 hab ich mir aber viel vorgenommen. Zu viel, um es in einen Artikel zu quetschen. Der Januar ist ja noch lang.

Ein Vorsatz lautet, auf jeden Fall wieder zum Vinocamp nach Geisenheim zu fahren. Da werde ich dann eine Session initiieren zum Thema ,neid- und vorbehaltloses Verlinken unter Weinbloggern‘. Das mag für Nicht-Blogger jetzt langweilig klingen, aber eigentlich geht es um genau sie, die Leser, also lesen Sie ruhig noch ein bisschen weiter, selbst wenn Sie nicht bloggen und das Vinocamp Ihnen Schnuppe ist.

Ich gebe mir zwar Mühe, meine Leser zu unterhalten, jedoch vernachlässige ich sträflich, ihnen die gelungene Unterhaltung neuer und alter Kollegen nahe zu bringen. Dabei bin ich kein Einzelfall. Ein anderer Teilnehmer sagte beim letzten VinoCamp sinngemäß, dass wir Weinblogger ein fürchterlich misstrauisches Volk seien. Neuankömmlinge würden erstmal argwöhnisch beäugt, an eigenen Maßstäben gemessen und nur zurückhaltend eingemeindet. Recht hat er. Dabei sollte jeder neue Blogger eine, ich gestatte mir die direkte Sprache, willkommene Sau sein, die jeder alte für ein paar Stunden durchs digitale Dorf treibt. Die ersten Tausend Leser sollten die Morgengabe der Altvorderen sein. Das motiviert zum Weitermachen und wenn die Qualität nicht stimmt, dann ist das Blog eh schnell Geschichte.

Vorgestern bin ich über so einen Neublogger gestolpert. Max schreibt unter dem Titel ,Gustumas/Sinneswelten‘ über das Verkosten. Interessante Fakten mischt er mit fundierter Meinung. Das sollten Sie sich mal anschauen. Leider hat er keine Kommentarfunktion, denn auf seine gut begründete These, dass Verkostungsnotizen, die vorwiegend aus Aromen bestünden, sinnlos seien, hätte ich ihm gerne einen protestierenden Kommentar hinterlassen. Dann also hier (ohne dass ich das von ihm gesetzte Thema klauen will). Aber bevor Sie weiterlesen gehen Sie erst mal hier hin und lesen Sie, worauf ich mich überhaupt beziehe (Husch Husch, zu Tausenden bitte).

Neues Blog zum Thema SensorikIch halte Weinbeschreibungen mit Aneinanderreihungen von exotischen Aromen auch für Zeitverschwendung, doch gerade der Riesling ist zum Beispiel ein Wein, den man gut über ein paar Schlüssel-Aromen klassifizieren kann. Es gibt die molligen, siehe oben, die haben immer was von reifem Pfirsich und Dörraprikose, gern gepaart mit Malz, es gibt die strengeren, die oft duftig daher kommen, zum Beispiel dieser hier:

Jos. Rosch, Selection J.R., Riesling Spätlese trocken, 2007, Mosel. In der Nase leicht kräutrig, dazu Pistazie, Aloe Vera, verhalten fruchtig mit Aprikose, leicht blumig. Die obendrein mit einem kleinen Spontistinker aufwartende Nase empfinde ich zwar als typisch für einen Riesling aber eher auf der kargen Seite. Am Gaumen ist der Wein von mittlerem Volumen aber großer Intensität mit deutlicher Säure, ziemlich wenig Restzucker und viel Mineralik. Dabei glänzt der Selection J.R. mit unaufdringlichen 12,5% Alkohol und einem sehr langen Nachhall. Ich finde wiederum Pistazie, etwas Birne aber insgesamt wenig Frucht. Ein leicht cremiges Mundgefühl passt – sonst wäre mir das Spektakel am Gaumen zu fruchtlos. So ist es ein Wein von enormer mineralischer Dichte, den auch trinken kann, wer‘s nicht so mit den kratzigen Rieslingen hat. Für Liebhaber letzterer ist er jedoch großes Kino.

Es gibt auch noch ein oder zwei andere Typen trockenen Rieslings. Pistazie, Aloe Vera, Dörraprikose, blumig (meinetwegen auch Blüten oder Blumenwiese), reifer Pfirsich, Kemm‘sche Kuchen und zwei oder drei weitere reichen als Aromen vollkommen aus, um mir eine Ahnung zu verschaffen, ob ein Riesling vom Typ her eher auf den Punkt gelesen ist oder im April des übernächsten Jahres geerntet á la Molitor und Löwenstein, ob er vollreif oder strahlend ist oder wie immer man die Typisierung betreiben will. Deswegen freue ich mich über Aromen in Weinbeschreibungen. Dazu habe ich gelernt, dass Banane ein Jungweinaroma ist, Vorhandensein oder Abwesenheit sagt bei deutschen Weißweinen einiges über den Entwicklungsstand, Haselnuss und Vanille vermitteln einen Eindruck von der Wirkung eines möglichen Holzfassausbaus aus und und und. Max‘ Grundbedenken, dass ob unterschiedlicher Empfindlichkeiten Aromenbeschreibungen eingeschränkt aussagekräftig sind, ist allerdings auch nicht von der Hand zu weisen.

Nachdem ich im vergangenen Jahr endgültig den Punkten abgeschworen habe, werde ich 2013 also versuchen, die Aromen in den Griff zu kriegen. Ab 2017 bin ich dann perfekt und nehme Eintritt von denjenigen, die mir beim Weintrinken zusehen wollen. Max bekommt Rabatt – aber nur, wenn er dann noch bloggt.

M-Commerce

In meiner Branche, die besonders gerne mit altdeutschen Bezeichnungen arbeitet, gibt es den wunderbaren Begriff ,Elevator Pitch‘. Dieser Terminus beschreibt eine Situation, in der jemand, der eine Idee verkaufen möchte, seine Argumente derart verdichtet, dass die Dauer einer Fahrstuhlfahrt ausreicht, um seinem Gegenüber ein erfolgreiches Angebot zu machen. Zugegeben, der Begriff hat seinen Ursprung in einem Land, in dem Fahrstuhlfahrten über 40 Stockwerke auch mal einige Minuten in Anspruch nehmen können, aber das Prinzip sollte klar sein.

Den überzeugendsten – und kürzesten – Elevator Pitch meines Lebens bekam ich neulich in einer Situation präsentiert, in der ich ihn nicht erwartet hätte. Ich war nach einer VDP-Veranstaltung in der Gemäldegalerie noch mit einigen Weinfreunden im Berliner Weinchinesen ,Hot Spot‘ zum Essen eingekehrt und dort auf einige Winzer getroffen (was bei solchen Anlässen keine Überraschung ist, die trinken da regelmäßig die J.J.Prüm- und Egon-Müller-Vorräte weg). Zur Truppe gehörte auch Désirée Eser vom Weingut August Eser, die ich bei meiner Pinot Probe auf dem Vinocamp kennengelernt habe. Dort hatte sie einen phenomenalen Wein präsentiert (genaueres findet sich hier).

Am Ende des Abends teilten sich diejenigen, die in Berlins Osten beheimatet oder einquartiert waren, ein Taxi in eben diese Richtung. Als derjenige, der den weitesten Weg hatte, nahm ich vorne Platz. Und kaum waren wir losgefahren, kam der kürzeste Elevator Pitch von allen. ,Du hast noch nie Wein bei mir gekauft‘ klang es eher verwundert als vorwurfsvoll aus dem Rückraum. Da gab es kein Gegenargument. Was ich von Désirée bisher getrunken habe, verlangte sowieso nach genauerer Begutachtung. So schnell habe ich noch nie ein Weinpaket gekauft.

Selbiges Bestand aus dem Nachfolger des erwähnten Spätburgunders, dem ersten Gewächs aus dem Oestricher Lenchen sowie den Mittelgewichten aus Nussbrunnen und Rothenberg. Die beiden letzteren habe ich dann bald nach dem Eintreffen der Weine in aller Ruhe genossen. Vier Tage (mit einem Tag Pause zwischendrin) hatte ich die beiden Rieslinge im Glas. Dabei ging es mir nicht darum, die Weine zu sezieren. Ich trinke an einer Flasche drei Abende und wenn ich zwei parallel offen habe, dauert es ein bisschen länger. Zudem wollte an den ersten beiden Abenden kein rechter Trinkfluß entstehen. Denn diese Rieslinge sind urwüchsig – im positiven Sinne. Acht Promill Säure aber keinerlei grüne (unreife) Noten, zum Abpuffern zehn Gramm Restzucker und fast 14% Alkohol (die aber – da wette ich – absolut niemand jemals erahnen wird) zeichnen ein Bild: hier hat jemand der Natur ihren Lauf gelassen, genommen was aus dem Weinberg kam und zwei ungewöhnliche Weine gemacht. In früher Jugend schmeckt sowas nach Nummer 55 vom ,Hot Spot‘ (Hühnchen Süss-Sauer), mit einigen Jahren Reife oder auch mit drei Tagen Luft ist das spannungsgeladener Riesling mit viel Volumen und Spiel:

Spannendes aus dem RheingauAugust Eser, Hattenheimer Nussbrunnen, Riesling Spätlese trocken, 2011, Rheingau. In der Nase noch etwas von der Hefe geprägt, dazu Kemm‘sche Kuchen, Apfel, Aprikose und auch etwas Mandarine. Am Gaumen ist der Wein voll, mit sehr kräftiger Säure, die den Wein etwas leichter erscheinen läßt, als er mit 9 Gramm Restzucker und 13,5% Alkohol eigentlich ist. Er zeigt ordentliches Spiel, saftige Frucht (Ananas, Aprikose), Anklänge von Karamell und eine tolle Mineralik, die dem Wein Tiefe verleiht. Der Abgang ist sehr lang. Das ist ein dicker Brummer, dem man am besten mit mehreren Leuten zu Laibe rückt – für kleines Geld ein großes Vergnügen.

August Eser, Rauenthaler Rothenberg, Riesling Steillage, Spätlese trocken, 2011, Rheingau. In der Nase noch extrem von der Hefe geprägt, darunter diffuse Frucht (Aprikose, Apfel) und etwas Aloe Vera. Am Gaumen sehr voll, ziemlich süß, malzig, wahnsinnig mineralisch, saftig, mit einem leichten Bitterton, der animierend ist und dem Wein gut tut. Fast 14% Alkohol fallen überhaupt nicht negativ auf. Der Abgang ist extrem lang und lässt einem das Wasser im Munde zusammen laufen. Allerdings machen sich die 8 Promill Säure bei mir irgendwann in der Magengegend bemerkbar.

Das schreit nach einem Elevator Pitch: Kaufen Sie diese Rieslinge, wenn sie Freunde überraschen wollen, was der Rheingau zu bieten hat, wenn Sie jemanden bekehren wollen, der sagt, er würde niemals Rieslinge mit mehr als 13% Alkohol trinken oder wenn Sie in einer Blindprobe all jene bloßstellen wollen, die behaupten, 2011 habe zu wenig Säure. Das Weingut Eser verkauft bevorzugt an Privatkunden. Sie erreichen es per Mail, Fax, Webseite und Telefon.

Oder einfach mal spätabends in Berlin Taxi fahren…

Meister der Herzen (2)

Wie früher schon beschrieben, genieße ich die Zeit um die Veröffentlichung der Großen und Ersten Gewächse gründlich. Wo möglich besuche ich Veranstaltungen, probiere selbst und lese alles, was in den sozialen Medien und auf Blogs veröffentlicht wird. Dabei kristallisieren sich Geheimtipps heraus, die ich mir besorge, wenn sie noch nicht auf der Einkaufsliste standen.

Ein Wein, der dieser Tage in vielen Berichten auftaucht, ist der Berg Rottland vom Weingut Balthasar Ress. Der ist ,nur‘ ein Riesling QbA, was daran liegt, dass er durch die sensorische Prüfung gefallen und vom Rheingauer Weinbauverband nicht als Erstes Gewäch zugelassen ist. Ich konnte den Wein zum ersten Mal im Frühjahr als Fassprobe am Rande des Vinocamps probieren und fand ihn bemerkenswert. Danach durfte ich ihn gemeinsam mit dem Ress‘schen Betriebsleiter Dirk Würtz bei einer Zusammenkunft in Berlin trinken. An jenem Wochenende bekam ich vom Würtz auch eine Flasche geschenkt, an der ich mich die letzten drei Tage gelabt habe.

Wie bei Thomas Günther zu lesen ist, sind dieses Jahr fast die Hälfte der angestellten Weine durch die EG-Prüfung gefallen. Der Rottland war mehrfach angestellt, um ihm die hohen Weihen zu verschaffen. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie die Prüfer vor diesem monumentalen Wein gesessen haben. ,Warum Ich? Warum hat den nicht die Kommission im Nebenzimmer auf die Verkostungsliste bekommen?‘ mögen sich die Prüfer gefragt haben. Denn dieser Brocken von Wein ist unzweifelhaft großartig. Er ist aber auch die Quintessenz der diesjährigen Ress-Kollektion, die unter dem Motto ,Wir machen keine Gefangenen‘ stehend eine Phalanx von aufregenden aber anspruchsvollen Weinen darstellt. Schon der Basiswein kommt mit einem heftigen Spontistinker daher. Der Rottland riecht dezenter, dafür hat er andere Kanten:

Balthasar Ress, Rüdesheim Berg Rottland, Riesling tr., 2011, Rheingau. Am ersten Tag in der Nase ohne jede Frucht, mit viel getrockneten Kräutern (Thymian und Oregano), einem sehr dezenten Spontanstinker und – sehr außergewöhnlich – einer Spur Blut. Ich glaube, wenn man diesen Wein zehn Weinfreunden aus einem schwarzen Glas nur zum beschnuppern gäbe, tippte höchstens einer auf Riesling aber mindesetens zwei auf Spätburgunder – zumindest kurz nach dem Entkorken. Nach einigen Stunden an der Luft taucht schwer definierbare Frucht auf, vielleicht ein bisschen Aprikose aber eigentlich mehr Apfel, Quitte, Birne. Am Zweiten Tag duftet der Wein nach gärenden Äpfeln (wer einen Apfelbaum im Garten hat und regelmäßig zu faul ist, das Fallobst zu entsorgen, weiß wie gut das duften kann). Am dritten Tag übernimmt wieder der Fruchtmix und die Spontinote. Am Gaumen ist der Wein zunächst ebenfalls arm an Frucht, knochentrocken, fest und kräftig, mundfüllend und mit gut balancierter Säure, auch leicht adstringierend. Später fächert er aromatisch etwas auf, Birne, Aprikose, Mandarine aber eigentlich spielt das über drei Tage alles nur die zweite Geige neben einer wahnsinnig spannenden Mineralik. Ich bin kein Fan von dem ,flüssigen Stein‘-Gebrabbel. Ich finde das affektiert. Aber wenn ich es denn nutzen müsste, hier fände es Anwendung. Der Abgang ist ausgesprochen lang und (noch) ein wenig austrocknend.

Ich bin ehrlich: ich kann den Rheingauer Weinbauverband verstehen. Ich hätte den auch abgelehnt. Wenn das Ziel der Rheingauer ist, über verlässliche Qualität eines berechenbaren Produktes mit klarem Profil wieder in die Spitze zu kommen, dann muss man den Rottland ablehnen. Wenn das nicht das erklärte Ziel ist, waren bei der Prüfung allerdings Idioten am Werk. Der Wein ist Avant Garde. Damit kriegt man viel Aufmerksamkeit und gewinnt die Herzen ambitionierter Weintrinker. Wer den unvorbereitet genießt, wähnt sich schnell im falschen Film.

Nun haftet diesem tollen Riesling also der Makel an, durch eine Prüfung gefallen zu sein. Da muss das Gut Marketingaufwand betreiben, um ihn ohne Preisabschlag im Markt zu platzieren. Bei den Talenten der Herren Ress und Würtz sollte das kein Problem darstellen. Wenn doch, biete ich hiermit meine Hilfe an. Starten wir klassisch: Eine beliebte Methode, die Tonalität einer Marketingkampagne zu finden, ist es, frei zu assoziieren und dabei das zu bewerbende Produkt als Person zu beschreiben. ,Wenn dieses Produkt/diese Marke ein Mensch wäre, wie wäre der?‘ Ich versuch‘s mal: Der Berg Rottland wäre ein zwei Meter großer Ex-Türsteher mit verwaschenem Käppi, losem Mundwerk und David-Bowie-T-Shirt (letzteres aber gebügelt!)

Keine Ahnung, wie ich darauf komme…

Arroganter Sack

Stellen Sie sich vor, Sie laden einen Menschen, den Sie nur wenig kennen, zu sich nach Hause ein und dieser überreicht Ihnen sein Gastgeschenk mit den Worten ‚google mich, dann weißt Du, was das ist‘. Was würden Sie denken? ‚Arroganter Sack‘? Also ich würde denken: ‚Arroganter Sack‘!

Neulich ist mir genau das passiert, natürlich – Sie werden es erraten – in der Weinwelt. Aber ich dachte von meinem Gast nicht, dass er ein arroganter Sack wäre, dazu ist er nicht der Typ. Weinbegeistert, voller Wissen und Erfahrung und daher selbstbewusst – aber arrogant ist er nicht. Und dass er mir sein Geschenk, eine Flasche Sekt, so überreichte, hat auch damit zu tun, dass dieser nicht etikettiert war. Peter hieß  der Gast und der Sekt war von ihm, genauer gesagt vom Weingut Geschwister Bibo aber aus der Zeit, als er dort verantwortlich war.

Der Sekt ist etwas besonderes, denn wenn man Peter und seinen Sekt googlet, dann stößt man auf teils ekstatische Resonanz von Weinfreunden (und damit das so bleibt und nicht die Headline ‚Arroganter Sack‘ auf Platz eins der Suchergebnisse erscheint, habe ich seinen Nachnamen aus diesem Artikel entfernt). Insofern war die Ansage mit Google geradezu bescheiden, hätte er die Flasche doch auch mit den Worten überreichen können: Hier, der Blubber von dem der Würtz sagt, ‚…dieser Sekt ist der Wahnsinn! Ich will den trinken…JETZT!!!‘ oder dergleichen mehr. Hier findet man eine Auswahl begeisterter Statements.

Das nenne ich Farbe...Die meisten Weine, die ich hier beschreibe, habe ich über mehrere Tage getrunken, immer aber mindestens mehr als ein Glas. Dieses Prinzip kann ich dieses mal nicht einhalten, denn so schicke Sekte schenke ich doch lieber Gästen aus und dann bleibt halt nur ein Glas. Zum Glück sind die Gäste vom Fach und so ist die folgende Notiz mit Input von Julia von den Weinvibes, Paul von Drunkenmonday und Charlie von weinlagen.info entstanden.

Weingut Geschwister Bibo, ,Torheit‘ Rieslingsekt, degorgiert 2009, Rheingau. In der Nase erstaunlich fruchtig, es fehlen die typischen Hefe- oder Brioche-Noten und der Sekt riecht wie ein Stillwein, allerdings nicht unbedingt wie ein Riesling. Aprikose ist zwar da, aber er ist irgendwie zu mächtig für einen typischen Vertreter. Am Gaumen ist er sehr frisch, ausgesprochen mineralisch aber vor allem fruchtig und süß. ,Ziemlich viel Zucker‘ war ein Kommentar, der in die falsche Richtung lief (weil der Sekt ,zero dosage‘ mithin furztrocken ist) aber andererseits berechtigt scheint, denn dieser Sekt ist so voll, wie es gemeinhin nicht ganz trockene Vertreter sind. ,Der ist nicht aus Deutschland, das ist ein Chenin Blanc‘ war ein anderer Kommentar, der vollkommen richtig (aber leider total falsch) war, denn eigentlich kann nur Chenin so süß-fruchtig sein, während er doch gar keinen Restzucker aufweist. Ich fand ihn auch ein wenig rauchig, was zur üppigen Frucht passt. Feine Perlage, nussige Reife, man könnte so viel über diesen spektakulären Sekt sagen… Einer brachte es auf den Punkt: Der ist ausgesprochen gelungen – jep!

Stimmt also. Ist wahrhaft genialer Stoff  und ein tolles Geschenk. Vielen Dank dafür, aber Peter, solltest Du das hier lesen: Lass es Dir nicht zu Kopfe steigen, sonst wirst Du am Ende noch ein arroganter Sack.

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (5)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Ich gebe zu, dass es mir unmöglich ist vorurteilsfrei an einen Christmann-Riesling heranzugehen. Ich habe so selten – vielleicht auch noch gar nicht – einen Riesling von diesem Gut getrunken, der mir verständlich machte, warum es über so großes Renommee verfügt (beim Spätburgunder bin ich bekehrt). Aber dieser Wein ist ein Anfang. Ich finde ihn besser als das Riesling GG aus dem IDIG aus gleichem Jahrgang und er ist gemessen am Spass im Glas vernünftig bepreist.

Riesling Mandelgarten GG 2005Christmann, Riesling Mandelgarten GG, 2005, Pfalz. In der Nase ganz klassisch und jahrgangstypisch: reife Aprikose, Pistazie, süßlich und etwas breit aber verführerisch und mit einem Hauch Petrol. Am Gaumen ein sattes Pfund, das aber nicht übertrieben daher kommt: wieder reife Frucht von Apfel und süßer Aprikose. Der Wein ist barock und ausladend. Da er aber auch extrem mineralisch, fast kreidig ausklingt und die Säure immer noch akzentuiert ist, finde ich ihn sehr harmonisch. 13 % Alkohol sind prägend aber nicht dominant. Der Mandelgarten kleidet den Mund aus, ist gereift und würzig aber nicht zu schwer. Im Kontext ,Pfalz 2005‘ ist er ein feiner und sehr gut gelungener Riesling, der mit seinem ewig langen Abgang zusätzliche Punkte sammelt.

Und noch ein Wein, dessen Etikett mich nicht unberührt lässt: über Chat Sauvage ist schon viel geschrieben worden, in der Presse überwiegend positiv, in Blogs und auf Facebook eher verhalten. Ersteres mag an den tiefen Taschen des Inhabers, eines Bauunternehmers aus Hamburg, liegen, die manch Verleger Hoffnung auf bezahlte Anzeigen machen (da sollte die Berichterstattung nicht allzu kritisch sein), letzteres vielleicht an Neid und Missgunst, der erfolgreichen Menschen hierzulande viel zu häufig entgegenschlägt. Allerdings darf sich Chat Sauvage Eigner Schulz nicht wundern, dass sich manch Winzer der 11. Generation ein wenig angepinkelt fühlt, wenn er in der Zeitung lesen darf, sein neuer Nachbar würde mal eben das ,Deutsche Romanée-Conti‘ aufbauen, nachdem er die ersten 50 Jahre seines Lebens Kalk nur als Baustoff kannte. Mir soll‘s egal sein, ich trinke nur Wein – und dieser hier hat den Wow-Faktor.

Chat Sauvage, Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder Erstes Gewächs, 2006, Rheingau. In der Nase Rauch, Speck, Himbeere, Brombeere, Kirsche sowie ein bisschen Sauerkraut, jedoch unter der Grenze zum Unangenehmen. Am Gaumen von mittlerem Volumen und mit einer tollen Mischung aus süßer Frucht (Kirsche und Himbeere), kräftiger Säure und sehr geschmeidigem Tannin – das ergibt diese Saftigkeit, bei der ich mich immer in Acht nehmen muss, nicht die ganze Flasche an einem Abend zu leeren. Das Holz und der Alkohol tun das, was sie sollen: dem Wein etwas Kontur verleihen ohne sich in den Vordergrund zu spielen. 13 % Alkohol sind zudem sehr verträglich. Der Abgang ist sehr lang und verhalten mineralisch. Um groß zu sein, mangelt es dem Spätburgunder an Tiefe, ein großes Vergnügen ist er auf jeden Fall.

Den folgenden Wein hatte ich – Etikett hin oder her – abgeschrieben und weil für 23 Jahre alte Tropfen gilt, dass jede Flasche unterschiedlich schmeckt, einfach beschlossen ihn nicht weiter zu erwähnen. Das war um so bedauerlicher, weil er von Bernhard Fiedler stammt – genau genommen von Bernhards Herrn Papa, denn ich vermute, als der `89er entstand, hat Bernhard noch am Abi gebastelt (Oh verzeihen‘s Herr Geheimrat, Matura natürlich!). Doch nach schlappen 6 Tagen im Kühlschrank (offene Flasche) trat eine Wandlung zum (sehr) Guten ein, die es wert ist, beschrieben zu werden.

Grenzhof Fiedler, Neuburger Ausbruch, 1989, Neusiedlersee/Hügelland, Österreich. In der Nase Aceton, Kaffee, Karamell, keine Frucht, stattdessen jede Menge Würze. Am Gaumen Kaffee, Toffee, Karamell, etwas Apfel und Aprikose, sehr süß wenngleich immer noch mit schöner Säure. Insgesamt etwas klebrig, im Abgang wenigstens würzig – dieser Abgang ist für einen ,Ausbruch‘ jedoch etwas kurz. Ziemlich lecker aber jetzt auch über den Zenit – soweit mein Eindruck am ersten Tag. Der Rest stand 6 Tage im Kühlschrank (zum Wegschütten zu schade, zum Unter-der-Woche-trinken nicht spektakulär genug), bevor ich ihn wieder probierte. Und der Wein roch plötzlich intensiv nach Honig, am Gaumen zeigt sich rosinige Frucht, die Süße ist nicht mehr klebrig, Toffee und Kaffee sind immer noch dabei, Madeira lässt grüßen. Der Wein ist alles andere als über den Zenit – eher ein vergleichsweise frisches Altweinvergnügen – alte Weine muss man allerdings mögen, um sich an dieses Cola-farbene Getränk zu wagen.