Nachwuchsförderung

Ich bin seit einiger Zeit als Ausbilder unterwegs, das erwähnte ich schon gelegentlich. Die Webweinschule ist mein Projekt für Anfänger und deswegen spielt es im Schnutentunker nur eine untergeordnete Rolle – meine Leser kennen sich allesamt mit Wein sehr gut aus. Also stelle ich hier nicht jede neue Folge vor, sondern belasse es bei ein paar Links. Nun habe ich im Rahmen der Weinschule allerdings ein kleines Projekt fertig gestellt, dass ich meinen Leser unbedingt präsentieren will. Ich habe ein Buch geschrieben, ein Weinbuch. Nachwuchsförderung weiterlesen

Beobachtungen von den billigen Plätzen

Ich war zu einer Weinprobe eingeladen. Es ging um mein Lieblingsthema: Pinot Noir, oder Spätburgunder. Der Riesling ist mir zwar die liebere Rebsorte, doch als Probenobjekt eignet sich nichts besser als Pinot. So viele Vorurteile, so viele Glaubenskriege (im friedlichsten aller möglichen Sinne dieses eigentlich tragischen Wortes), so viele Behauptungen, denen nie Beweise folgen – Pinotproben sind kultivierte Schlägereien unter Weinfreunden. Ich liebe sie. Beobachtungen von den billigen Plätzen weiterlesen

In Sack und Flasche

Ich finde Bocksbeutel doof, jene altdeutsche Flaschenart, in der traditionsbewusste Franken ihren Wein füllen. Bocksbeutel kann man nicht stapeln, Bocksbeutel nehmen in der Kühlschranktür den Platz von zwei Flaschen ein, Bocksbeutel kreiseln wie beim Flaschendrehen, will man sie liegend lagern und Bocksbeutel dienen viel zu vielen Winzern als Ausrede weiter auf Korken zu setzen (dabei gibt es ihn mit Schraubgewinde und Glasverschluss). In Sack und Flasche weiterlesen

Weinentdeckungsgesellschaft: Liebesheirat

Der neue Entdeckerwein ist da. Carsten Henn veröffentlicht einmal im Jahr einen Wein, der neue Erkenntnisse bringen soll. Diese Nochniedagewesenen sind immer ein besonderes Vergnügen. Wer mehr zum Projekt wissen will, der findet hier eine Erklärung, in der Weinliste finden sich unter W (wie Weinentdeckungsgesellschaft) alle bisherigen Entdeckerweine.

Dieses Jahr geht es um den Müller-Thurgau und den Versuch, den besten je produzierten auf die Flasche zu bringen. Wenn man Erbsen zählt, kann man bemängeln, dass es diese Idee schon gab. Der Weinkritiker Stuart Pigott hat bereits einen Müller-Thurgau (auch Rivaner genannt) mit der Sorgfalt eines Großen Gewächses ausgebaut. Den gab es nicht zu kaufen und ich habe ihn nie getrunken. Die ihn getrunken haben und mir davon berichten mochten, haben alle die Worte ‚Monster‘ und ‚Frankenstein‘ in den Mund genommen, wenn sie von Pigotts Rivaner sprachen. Das Experiment ist wohl nicht so erfolgreich gewesen.

Jetzt also die Entdeckungsgesellschaft in Kollaboration mit dem Weingut Huber: Viel Mühe haben sie sich gegeben aber den Rivaner Rivaner sein lassen – also keine extrem späte Ernte und Überreife. 40 Jahre alte Reben, im Ertrag reduziert und durch Traubenteilung noch ein paar Grad Öchsle mehr raus gekitzelt aber nicht in Rieslingdimensionen gepeitscht. Im September gelesen und in drei Partien ausgebaut. Ein neues Barrique war mit im Spiel, dazu ein gebrauchtes und ein Stahltank. Im Holz wurde der Müller-Thurgau wie ein dicker Chardonnay behandelt, mit Hefe aufrühren und allem, was dazu gehört. Im Stahltank durfte der Rivaner er selber sein, mit Säure und Kohlensäure. Huber und Henn haben auf Zucker verzichtet, sowohl beim Most wie auch beim Wein: nicht angereichert und durchgegoren auf vier Gramm Restzucker. Dann wurde vermählt und ein bisschen gedopt, mit einem Schuss Chardonnay und Muskateller.

Der Wein besitzt die Textur eines großen Weines aber nicht seine aromatische Tiefe. Landauf landab wird in den nächsten Wochen der Ruf erschallen: ‚Das ist Müller-Thurgau? So viel kann man aus dieser Rebsorte rausholen?‘ Doch ich vermute, keiner wird sagen: was für ein Schnäppchen. Oder anders gesagt: für einen Müller-Thurgau ist das ein Hammer, für einen 24-Euro-Wein nicht unbedingt. Dazu fehlt die Vielschichtigkeit. Da stößt das Experiment an seine Grenzen. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel für den Müller-Thurgau. Wie weit sie wachsen können, das wollte ich schon immer wissen und jetzt durfte ich es entdecken. Dafür ist die Weinentdeckungsgesellschaft da. Mission accomplished.

Weinentdeckungsgesellschaft_LiebesheiratWeingut Huber & Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft, ‚Liebesheirat’, Müller-Thurgau, 2012, Baden. Farbe ist für mich kein Qualitätskriterium, trotzdem finde ich die Farbe des Weines erwähnenswert, er ist fast farblos. Die Nase ist sehr angenehm: die duftige Blumigkeit des Müller-Thurgau ist da, die Muskatnote eher nicht, da ist das Holz vor, das aber auch nur dezent durchscheint., Frucht ist da aber nicht leicht zu benennen, Apfel, Birne, sucht Euch was aus, Kräuter tauchen auch noch auf. Am Gaumen unmittelbar nach dem Öffnen ein echter Rivaner, Leichtwein, süffig, schlotzig. Mit zwei Stunden Luft wird es sehr viel spannender, da kommt eine starke, süße Frucht durch, dazu Nuss, etwas Holz, Nougat. Schöne Textur und Mineralik/Phenolik, plus Gärkohlensäure, plus Frische, plus etwas Gerbstoff – das ergibt enorm viel Volumen im Mund, das weder von Alkohol, noch von Zucker stammt. Das ist hochspannend und gleichzeitig einfach zu trinken. Was auffällt ist der extrem lange Abgang.

Und weil in den letzten Jahren in den Kommentaren zu den WEG-Artikeln immer Fragen kamen, hier die Gebrauchsanweisung: Wer jetzt einen aufmachen will, sollte ihm zwei Stunden Luft gönnen, einfach ein kleines Glas nach dem Öffnen einschenken und probieren, den Rest für zwei Stunden zurück in den Kühlschrank. Ich habe die angebrochene Flasche mit auf Reisen genommen. Dabei wurde die gesamte Kohlensäure aus dem Wein geschüttelt. Das hat ihm gar nicht gut getan. Also verzichten Sie auf die Karaffe. Der Wein benötigt keine weitere Flaschenreife, sondern präsentiert sich jetzt so, wie er vermutlich gedacht ist. Wer nur eine Flasche hat, sollte sie nicht ewig liegen lassen.

Vorfreude auf Geisenheim

In etwas mehr als einer Woche ist es wieder Zeit für das Vinocamp. Zum dritten Mal treffen sich Menschen, die sich für Wein privat oder beruflich begeistern und die diese Begeisterung miteinander über die ,sozialen Medien‘ wie Blogs, Twitter, Facebook und so altmodische Einrichtungen wie Weinforen teilen. Zum zweiten Mal werde ich teilnehmen und da noch einige wenige Plätze frei sind, will ich die Werbetrommel rühren.

Was ein Barcamp ist, habe ich schon in der Rückschau zum letzten Camp beschrieben. Ob es noch eine zeitgemäße Organisationsform ist, ziehen die ersten in Zweifel, für einen dritten Durchgang wird es allemal gut sein. Die Themen, die es am 29. und 30.6. in der Fachhochschule Geisenheim auf die Agenda schaffen, werden so bunt wie die Teilnehmerschar. Wo Blogger auf Winzer treffen und sich Händler, PR-Manager und Verbandsfunktionäre dazu gesellen, besteht die Gefahr, dass alle auf einmal und fröhlich aneinander vorbei reden. Das Barcamp mit seinen ,Sessions‘ genannten Untergruppen stellt ein gutes Werkzeug zur Strukturierung zur Verfügung.

Viel wichtiger als die Ergebnisse einzelner Sessions ist meiner Meinung nach die Botschaft, die vom Camp insgesamt ausgeht. Die sozialen Medien sind für Wein ähnlich revolutionär wie für das Theater die ersten Inszenierungen, die Spiel und Handlung in den Zuschauerraum verlagerten, Logen mit einbezogen, dem Publikum den Eindruck vermittelten: ,Ich bin ein Teil der Aufführung‘. Dass bei diesem Paradigmenwechsel mal was schief geht, Amateure vorlaut werden oder die Einladung zur Teilhabe mit der Beförderung auf den Regiestuhl verwechseln, kritisieren nur die Protagonisten der alten Schule, die gerne auch heute noch als Hamlet in historischem Kostüm auf der Bühne stehen, mit dem Schädel in der Hand ,Wein oder nicht Wein‘ murmeln und dem Publikum die Tradition in den dunklen Saal schleudern wollen, um am Ende Ovationen entgegenzunehmen und Interaktion zu verweigern. Es sind erstaunlich viele ältere Winzer unter diesen Verweigerern, während die Medienschaffenden immer zahlreicher die neuen Umstände umarmen.

Neben der Vermengung von Profis und Laien, Produzenten und Konsumenten, Händlern und Kunden gefällt mir die Tatsache, dass man beim Vinocamp auch Menschen trifft, die Wein nur am Rande zum Thema haben: Foodblogger, Whiskeyfans und andere Genussmenschen. Von denen kann man einiges Lernen. Das hebt die Lebensqualität. Beispiel gefällig?

Bis vor kurzem war Pfeffer für mich etwas getrocknetes, das aus der Tüte kommt: Schwarz, bunt und seltener weiß – in Ausnahmen auch mal feucht und grün. Dass man aus Pfeffer eine Wissenschaft machen kann, war mir unbekannt. Und hätte es jemand erwähnt: linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. Dann traf ich auf dem Vinocamp Ehepaar Uhlenbusch, die Feinkosthändler. Und weil so ein netter Kontakt entstand, besuchten uns die Uhlenbuschs, als sie beruflich zur Grünen Woche mussten, im Gepäck ein Fresskorb und darin in Meersalz fermentierter ostasiatischer Pfeffer der Luxusklasse.

Eine Gebrauchsanweisung gab‘s mündlich dazu: Mit dem Messer fein hacken und nach dem Braten/Grillen über Fisch oder Fleisch geben. Ich habe es ausprobiert. Es ist unglaublich. Ich grille gern und viel und ich mariniere, beize, smoke, was das Zeug hält. Doch seit dem Besuch der Uhlenbuschs kommt immer auch ein ungewürztes Stückchen Fleisch auf den Grill. Das wird nur nach dem Garen gesalzen und mit frisch gehacktem, in Meersalz fermentierten Pfeffer bestreut. Geschmacksexplosion! Ich trinke dazu dann Spätburgunder. Diesen hier zum Beispiel.

R.&C. Schneider, Spätburgunder ,R‘, 2005, Baden. In der Nase Blut und Holz, nur wenig Frucht, etwas Lakritz. Am Gaumen sehnig, schlank, mit kräftiger Säure, reichlich Holz, feinem Tannin und schöner Mineralik, wieder nur wenig Frucht (Himbeere) rohem Fleisch und ziemlich viel Tiefgang. Der Abgang ist lang und harmonisch. Das ist ein feiner Wein, den man vermutlich ,burgundisch‘ nennen darf. Unter den vielen Schneider-Rotweinen, die ich schon trinken durfte, ist er nur durchschnitt, als Grill- und Pfefferbegleiter aber ein großes Vergnügen.

Das Vinocamp ist Bildungsurlaub mit interessanten Mitstreitern – immer auch für eine Anekdote gut. Es sind noch einige wenige Plätze frei: http://vinocamp-deutschland.net/