2011 wird frischer

Wie jedes Jahr beginnt mein Weinjahr mit einer kleinen Kellerinventur, einer Rückschau auf das abgelaufene Jahr und ‚guten Vorsätzen‘, wie ich das kommende Jahr hinsichtlich meines Weinkonsums gestalten will. Während ich letztes Jahr im Januar etwas weinerlich feststellen musste, dass ich ab sofort ein ‚Muss-Weg-Regal‘ in meinem Keller brauche, bin ich heuer geneigt, es wieder außer Dienst zu stellen. Die Zahl der 2005er GGs ist immer noch ziemlich groß aber bei denen kommt es auf ein Jahr mehr oder weniger wohl nicht an. Alle anderen zum Verzehr bereitgelegten Weine sind vertilgt.

Während die Kellerinventur keinen Anlass zu Vorsätzen gibt, tut es aber die Geschmackslage. Ich stelle fest, dass ich im Moment ein Bedürfnis nach Frische habe. 2010 war ein Jahr, in dem ich für meinen Geschmack ein bisschen zu viele gereifte Weine, vor allem gereifte dicke Brummer getrunken habe. Als ich dieser Tage einen frischen ‚einfachen‘ Lagenwein (also kein Großes Gewächs) eines VDP Winzers aus 2009 aufzog, hatte ich spontan das Gefühl: ‚das mach ich viel zu selten‘. Allerdings besitze ich aufgrund gesteigerter Einkaufsdisziplin nicht viele Weine dieser Art aus den letzten beiden Jahren. Die vorhandenen Exemplare dürften dieses Jahr nicht überleben.

Schäfer-Fröhlich, (Schlossböckelheimer) Felsenberg, Riesling trocken, 2009, Nahe. In der Nase Aloe Vera und Aprikose, sehr rein und sehr reif (nicht der Wein, der ist jung; es ist der Eindruck von ganz reifem und gesunden Lesegut, der sich einstellt). Am Gaumen ein Ausbund von Saftigkeit, ganz rein und klar, mäßig trocken, mit zurückhaltender Säure, nur leicht kalkig mineralisch, etwas blumige Aromen, dazu Pistazie und Aprikose. Der Alkohol von 13% ist sehr gut eingebunden. Sehr langer Abgang. 89 Punkte.

Wenn man unbedingt etwas kritisieren möchte, kann man die Typizität vermissen. Der Wein könnte von fast überallher stammen, sein Ursprungsgebiet springt mir nicht gerade ins Gesicht.

Stellungskrieg am Höllenberg

Speisen und Wein zu kombinieren, ist eine hohe und wichtige Kunst. Es ist so schade, wenn einer filigranen Speise ein rumpeliger Wein beigeordnet ist oder umgekehrt. Was aber tut man eigentlich, wenn man als Gast bei Tisch einen zwar unpassenden aber außergewöhnlich teuren und seltenen Wein angeboten bekommt? Dankend ablehnen und die angebotene Allerweltsalternative schlabbern? Bin ich bekloppt?

Konkret sah ich mich mit dieser Frage kürzlich konfrontiert. Es erwartete uns ein frugales Mahl aus allerlei türkischen Dips und Kleinigkeiten, die von Knoblauch nur so strotzten und mein Gastgeber hob an: ‚Ich hab‘ da noch einen Höllenberg von Kesseler in Keller, der müsste mal weg…‘

Rein aus persönlicher Erfahrung behaupte ich, dass Knoblauch und Pinot keine Freunde sind, zumindest auf meiner Zunge wollten sie bisher so recht kein Tänzchen zeigen – eher einen erbitterten Stellungskrieg mit schmutzigen Bomben. Insofern tut man beiden Unrecht, wenn man sie zueinander zwingt.

Aber was soll‘s, nennen wir das Kind ruhig beim Namen: Gier! Ich liebe deutschen Spätburgunder. Und hier war eine der Ikonen Deutschen Pinots im Angebot. Also her damit! Und da alle anderen es besser wussten, war ich bald der einzige, der sich mit diesem Wein vergnügte, der Rest wandte sich einer italienischen Trinkmarmelade zu (wer braucht schon Brunello?).

August Kesseler, Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder QbA 2002, Rheingau. Eine typische deutsche Spätburgundernase mit Himbeere und Erdbeere, dazu Rauch, Blut und nur etwas Holz. Insgesamt wirkt die Nase noch sehr vital. Am Gaumen ist der Höllenberg mitteldick aber sehr tief. Viel Frucht (Kirsche und Pflaume), rohes Fleisch und Räucherspeck treffen auf eine schöne mineralische Note; der Alkohol (14%) und das Holz sind perfekt integriert. Das ist die Sorte Spätburgunder, die trotz aller Konzentration nicht in die Breite geht, sondern einen bemerkenswerten ‚Zug zum Tor‘ hat. Mir macht das unendlich viel Freude (93 Punkte) aber ich weiß, dass ich mit dieser Vorliebe einer Minderheit angehöre.

Die Passion des Patrons

Die Assoziation von Rotwein mit Schokolade ist keine besonders ungewöhnliche. Etliche Weine haben Kakao oder Bitterschokolade im Bukett oder schmecken sogar danach – ein südafrikanischer Blockbuster von Boekenhoutskloof ist so von Schoko-Aromen geprägt, dass er gleich als ‚The Chocolate Block‘ vermarktet wird (toller Wein, nebenbei bemerkt).

Umgekehrt geht es bei mir derzeit auch. Wenn ich im Supermarkt vor einem Ü-Ei stehe, mir die Packung Rocher im Kühlschrank entgegenfällt oder meine Frau einen Kinderriegel vertilgt, kam mir letze Woche immer eines in den Sinn: Barbaresco.

Der Grund ist einfach. Wir haben Sylvester mit Freunden verbracht, von denen einer einige Jahre im Management von Ferrero tätig war. Und der spendierte zwei Flaschen eines 1997er Barbarescos von Michele Ferrero, dem Patron des Süßwarenimperiums (und reichsten Mann Italiens). Der hat irgendwann zur Entspannung angefangen, Wein im Piemont zu erzeugen. Und weil Wein zu machen Freude bringt, Wein zu verkaufen jedoch Arbeit macht, verschenkt der Milliardär die Weine zu Weihnachten an sein Management (und die denken sich vermutlich: besser als Ü-Eier).

Ferrero Michele (Cantina Montersino), Barbaresco DOCG, 1997, Piemont. In der Nase Kirsche, Tabak, Vanille, Holz und Leder sowie ein Hauch Pferdestall (aber ganz bestimmt keine Schokolade). Am Gaumen zeigt der Wein große Dichte und ist wunderbar weich, perfekt gereiftes Tannin, weiche aber tragende Säure, wahnsinnig viel Kirschfrucht und dazu eine mineralische Note (schon mal als Kind an einem Bleistift gelutscht?) aber wieder keine Schokolade. 13,5% Alkohol spielen keine Hauptrolle. Der Abgang ist voll und sehr lang. Das waren für mich 92 Punkte (aus der zweiten Flasche, die erste war etwas schwächer).

Ich habe dieses Sylvestererlebnis auch als ein Zeichen gedeutet: Die Anekdoten für ein Weinblog lauern überall.

Allen Lesern wünsche ich ein frohes neues Jahr.

Bruders Blubber

Wenn man im Freundeskreis erst einmal im Verdacht steht, ein Weinkenner zu sein, dann ist man regelmäßig auch Versuchskaninchen. Weniger sachkundige Freunde führen einem begeistert ihre superleckeren aber erstaunlich günstigen Entdeckungen vor und schauen einen mit großen Augen an: ‚Und, ist das nicht ein superTropfen?‘ lautet die gespannt Frage, der man sich gegenüber sieht, während der Probeschluck des derzeitigen Hausweins über den Gaumen rollt. Manchmal ist der gereichte Wein wirklich passabel, manchmal eine Katastrophe und selten gibt es richtig tollen Stoff. Ich bin ein höflicher Mensch und finde diese Weine immer ausnahmslos gut. Koste es, was es wolle.

Nicht nur aus diesem Grunde bin ich relativ gut darin, meiner Umwelt mit meinem Weinfimmel nicht auf die Nerven zu gehen. Mein unmittelbarer Freundeskreis ist nur teilweise über den Inhalt meines Kellers informiert. Über meine Bloggerei rede ich so gut wie gar nicht. Höchstens zwei oder drei private Kontakte lesen meinen Schnutentunker. Umso erstaunter war ich, als mir mein Bruder kürzlich erzählte, er lese hier gelegentlich mit.

Mein Bruder ist gemessen am Durchschnittsdeutschen ein Weinkenner: Er kauft seinen Wein im Fachhandel und gibt auch zweistellige Beträge für eine Flasche aus. Auf einer gemeinsamen Reise durch das Moseltal lernte er die Vorzüge nicht-trockenen Rieslings kennen, ansonsten bezeichnet er sich selbst als ‚Fruchtbomben-Trinker‘ mit einem Faible für Rotweine aus der neuen Welt. Gerne ruft er mich gelegentlich an, wenn er einen tollen Wein im Glas hat und fragt mich: ‚Kennst Du eigentlich XYZ?‘ und dann kommt ein spanischer oder englischer Weinname, der mich ratlos lässt, da das eher nicht meine Baustelle ist. Mit Probeschlucken bei den viel zu seltenen Besuchen hält er sich zurück.

Neulich allerdings rief er an, um mich nach einem Weingut zu fragen, von dem er gerade einen sensationellen Sekt im Glas habe. Und dann kam ein Name, der mir mehr sagen hätte sollen als bloß: ‚Hmm, Mosel, glaube ich.‘ Es war das Weingut F.J.Regnery und der Sekt hatte es ihm wahrhaft angetan. So sehr, dass er mir den unbedingt vorführen wollte. Er brachte eine Flasche zum Anstoßen zum 2. Weihnachtstag mit und war sich seiner Sache so sicher, dass eine weitere als Geschenk für mich bestimmt war. Glücklicherweise fand ich diesen Sekt nicht koste-es-was-es-wolle-gut sondern ganz ohne Bruderbonus großartig. So großartig, dass ich meine als Geschenk erhaltene Flasche zu Silvester aufziehen werde.

Da alle Anwesenden von meinem Fimmel wussten, hatte ich keine Scheu, mir Notizen zu machen.

F.J.Regnery, Spätburgunder Sekt ‚Blanc de Noir‘ brut (Klüsserather Bruderschaft), 2008, Mosel. In der Nase die typische Brioche-Note von der Flaschengärung, dazu Himbeere und eine angenehm würzige Note (Liebstöckel etc.). Am Gaumen feine Perlage, relativ cremiges Mundgefühl, voll aber auch sehr saftig mit schönem Spiel. Neben fruchtigen Noten von Erd- und Himbeere punktet der Sekt mit einem feinen würzigen Ton: leicht malzig, leicht toastig (mir drängt sich das Bild einer schönen Brotkruste auf), der auch im sehr langen Abgang mitklingt. Ein ganz toller Sekt.

 

Guten Rutsch ins neue Jahr.

Wichtelwein

Vorgestern war ich auf einer sehr spaßigen Veranstaltung: Ein weihnachtliches Weinwichteln. Dabei trifft sich ein Haufen Verrückter an einem geeigneten Ort und jeder bringt eine beliebige Magnum-Flasche Wein mit. Dann schenkt man den Anwesenden von seinem Wein ein und lässt sich selbst von den Mitstreitern deren Weine präsentieren. Das führt dann zu einem tollen Abend voller unterschiedlicher Weine und Weingespräche. Wenn man nicht aufpasst, führt das auch zu einem mordsmäßigen Kater, da jeder Teilnehmer am Ende theoretisch eine Magnum getrunken hat.

Ich habe dabei viele gute Weine getrunken aber selbstverständlich keine Verkostungsnotizen angefertigt. Dazu war ich zu sehr in Gespräche vertieft (und damit beschäftigt, dem Kater zu entgehen). Nur eine Notiz habe ich in einer ruhigen Minute niedergeschrieben, die von dem Wein, den ich selber mitbrachte.

Emrich-Schönleber, Monzinger Halenberg Riesling GG (Magnumflasche), 2006, Nahe. In der Nase ist der Wein üppig: kandierte Früchte, Honig, Kemmsche Kuchen und jede Menge Kräuterwürze – ein sehr reifer Riesling. Am Gaumen zeigt sich der Halenberg ebenfalls schon sehr reif: Aromen von Quitte und Melone, mitteldick mit sehr schönem Spiel, ziemlich trockenem Geschmacksbild und perfekt eingebundenem Alkohol (13%). Reife Noten von Malz und die ‚typische‘ rauchige Mineralik prägen den sehr langen Abgang. Ein Riesling für die kalte Jahreszeit.

Ich wünsche allen Lesern schöne Weihnachtsfeiertage – mit oder ohne Wein.