Der dritte Teil meiner Berichterstattung widmet sich wie angekündigt dem Spätburgunder. Während meine Erwartungen an die Rieslinge aus 2013 eher verhalten waren, mich dann die erreichte Qualität oft positiv überraschte, war es beim Spätburgunder anders herum. Wenn Petrus die Winzer nicht mit der Regenpeitsche zur Ernte treibt, scheinen es sich etliche auf dem Sofa bequem zu machen und zu denken: ach, wird das alles herrlich reif. VDP Großes Gewächs Präsentation Wiesbaden (3) weiterlesen
Kategorie: Spätburgunder
Nachwuchsförderung
Ich bin seit einiger Zeit als Ausbilder unterwegs, das erwähnte ich schon gelegentlich. Die Webweinschule ist mein Projekt für Anfänger und deswegen spielt es im Schnutentunker nur eine untergeordnete Rolle – meine Leser kennen sich allesamt mit Wein sehr gut aus. Also stelle ich hier nicht jede neue Folge vor, sondern belasse es bei ein paar Links. Nun habe ich im Rahmen der Weinschule allerdings ein kleines Projekt fertig gestellt, dass ich meinen Leser unbedingt präsentieren will. Ich habe ein Buch geschrieben, ein Weinbuch. Nachwuchsförderung weiterlesen
Gekühlte Zicke
Manche Themen beschäftigen mich so sehr, dass ich sie mit einem Blogpost alleine nicht abarbeiten kann. So auch die im letzten Bericht angeklungene Thematik der Preise guter und sehr guter Rotweine aus der Spätburgundertraube. Dazu habe ich die Angewohnheit beim ersten Kälterückschlag des Frühjahres – und der kommt in Berlin so sicher wie das Amen in der Kirche – einen unbändigen Heißhunger auf Pinot zu entwickeln. Und dann war da noch die zum X-ten Male aufgetauchte Diskussion um die Preise deutscher Premiumweine, die auf Mario Scheuermanns hier zu findenden Versuch einer Grand-Cru-Klassifikation hiesiger Spitzengewächse auf Preisbasis folgte. Beim Griff zu einem Spätburgunder GG aus dem Hause Knipser war also viel Unterbewusstsein im Spiel.
Die Knipsers gehören zu den bezahlbaren Produzenten der ersten Liga deutschen Pinots. Sie können sich vor positiver Presse kaum retten. Ihr Kirschgarten GG hat auch international schon häufig für Furore gesorgt, weswegen es wohl in einer Liste deutscher Grand Crus, die nicht lediglich Verkaufspreise zugrunde legte, einen gesicherten Platz hätte. In meinem Freundeskreis stoßen ihre Weine aber nicht nur auf Begeisterung und bei einigen Blindproben der jüngeren Vergangenheit landete das eine oder andere Knipser GG lediglich im Mittelfeld, Tenor jeweils: das ist ein bisschen viel des Guten. Und das ging mir auch beim Mergelweg GG aus 2005 durch den Kopf, als ich einen ersten Schluck aus der frisch geöffneten Flasche nahm. ‚Hui, das ist sehr viel Kraft, sehr viel Holz, sehr viel Alkohol!‘
Studieren geht über probieren
Nun trinke ich zuhause meine Weine und probiere nicht nur und sie reichen meistens mehr als einen Abend. Der Mergelweg machte schon nach zwei Stunden deutlich mehr Spaß und am zweiten Abend ergab es sich dann, dass ich den Wein – der die Zwischenzeit im Kühlschrank verbracht hatte – deutlich zu kalt einschenkte. Beim langsamen Erwärmen zeigte sich, dass das GG bei immer noch leicht kühlen 14 oder 15 Grad seinen alkoholischen Schrecken verlor. Das Holz – sonst bei leicht gekühltem Rotwein eher unangenehm – hatte sich zwischenzeitlich veratmet. Was übrig blieb war ein absolut wunderbares Erlebnis. Dass der Wein nach acht Jahren über 24 Stunden in der Flasche noch zulegt, empfinde ich dabei als Qualitätsmerkmal.
Also ist eigentlich wieder alles beim Alten: Spätburgunder ist eine Zicke, wer ihn mit einem Zeitplan im Kopf aufmacht, wird meist enttäuscht, wer ihn öffnet und bereit ist stundenlang auf den optimalen Trinkzeitpunkt zu warten, mit Luft und Temperatur zu experimentieren und auch dann nicht weint, wenn all das nicht hilft, der hat ihn sich redlich verdient: den wundervollen Pinot-Moment.
Knipser, Mergelweg GG, Spätburgunder, 2005, Pfalz. In der Nase unmittelbar nach dem Öffnen viel Holz, rote Früchte, Blut, Leder und Schuhcreme. Das ist eigentlich der Mix, der mich in Verzückung versetzt und an der Nase gibt es auch zu keiner Zeit etwas auszusetzen. Mit der Zeit tritt das Holz etwas in den Hintergrund und wäre nicht ein bisschen Alkohol im Spiel, wäre es eine Weltklasse-Nase. Am Gaumen erst sehr voll, später deutlich eleganter, süße Frucht, Kirsche und dunkle Beeren, spürbare Säure, die den Wein herrlich strukturiert, zunächst etwas brandig und zu konzentriert, mit Luft klassischer und leicht gekühlt dann großartig. Sehr seidiges Tannin, deutliche Röstaromen, sehr saftiger, langer Abgang.
Beobachtungen von den billigen Plätzen
Ich war zu einer Weinprobe eingeladen. Es ging um mein Lieblingsthema: Pinot Noir, oder Spätburgunder. Der Riesling ist mir zwar die liebere Rebsorte, doch als Probenobjekt eignet sich nichts besser als Pinot. So viele Vorurteile, so viele Glaubenskriege (im friedlichsten aller möglichen Sinne dieses eigentlich tragischen Wortes), so viele Behauptungen, denen nie Beweise folgen – Pinotproben sind kultivierte Schlägereien unter Weinfreunden. Ich liebe sie. Beobachtungen von den billigen Plätzen weiterlesen
A Night to Remember
Der Tiefpunkt meiner Karriere als Organisator von Weinreisen war an einem Samstagabend um neun erreicht, im Herbst des Jahres 2007. Wir hatten gerade einen Weiß- und Grauburgunder von Stefan Steinmetz probiert und sechs Augenpaare richteten sich auf mich. Blicke sprachen Bände und die Nachricht war eindeutig: Wo hast Du uns hier hingeschleppt? Glücklicherweise konnte mich der sympathische Winzer in den folgenden Stunden rehabilitieren – aber der Reihe nach.
Meine frühen Schritte in der Weinwelt tätigte ich im Kreis einer fröhlichen Runde in Hamburg. Viele Proben und Messebesuche bestritten wir zusammen und so war es nur logisch, dass die Idee einer gemeinsamen Weinreise entstand. An die Mosel sollte diese führen und mir fiel die Organisation zu. Als Herausforderung entpuppte sich der Samstagabend. Welcher Winzer würde ‚Wetten, dass..?‘ gegen eine Weinprobe mit Privatkunden eintauschen? Einer fiel mir ein: Jörg Thanisch vom Weingut Ludwig Thanisch und Sohn. Leider hatten aber alle die 2006er Kollektion bereits probiert und im Keller, weswegen der Vorschlag keinen Anklang fand.
Also rief ich Thanisch an, um ihm erstens zu erklären, dass wir zwar eine Moselreise planten, auf dieser aber nicht bei ihm Station machen würden und zweitens zu fragen, ob er nicht einen Kollegen für eine samstagabendliche Soiree empfehlen könne. Der Mann ist unkompliziert, war nicht beleidigt, sondern lieferte wie aus der Pistole geschossen einen Namen und eine Handy-Nummer: Stefan Steinmetz vom Weingut Günther Steinmetz in Brauneberg. Als ich diesen anrief, stand er gerade mitten im Weinberg, hatte keinen Kalender dabei, sagte aber sofort zu.

Wir fielen pünktlich um halb neun am verabredeten Abend bei ihm ein. Das Weingut ist ein kleiner Betrieb, ohne jedes Chichi aber mit etwas Patina. Guido, ein Mitreisender, fasste es wunderbar zusammen: ‚Die Probierstube machte einen prototypischen Eindruck für diese Art von Familienbetrieben, bei denen man immer den Eindruck hat, sich ein bisschen weiter in die Privatsphäre der Winzerfamilie zu begeben, als dies für Erstbesucher angemessen wäre.‘
Er habe Zeit und er würde sich freuen, wenn wir die ganze Kollektion probierten. Da diese auch einige Schatzkammerweine enthalte, gereifte Beerenauslesen und TBAs, schlage er vor, wir zögen die Rotweine vor, da nach einer TBA der Gaumen jungen Rotwein nicht mehr beurteilen könne. Diese Regel kannte ich nicht, befolge sie seitdem aber auch bei anderen Proben, denn der Mann hat Recht.
Starten wolle er aber mit seinen beiden weißen Burgundern. Er schenkte uns die Weine mit dem Hinweis ein, bei Weiß- und Grauburgunder durchlaufe er einen Entwicklungsprozess. Er sei mit dem Ergebnis noch nicht hundertprozentig zufrieden. Das war zwar von entwaffnender Ehrlichkeit, machte die Weine aber nicht besser. Sie waren recht alkoholisch, zu süß und insgesamt mastig. Es folgten die angespannten Blicke der Kollegen.
Doch dann ging es Schlag auf Schlag. der Winzer präsentierte uns seinen Schwarzriesling, den Pinot Meunier * ‚im Barrique gereift‘. Das war eine Ansage, nicht nur weil es in Deutschland so wenig guten Wein aus der Müllerrebe gibt, sondern auch weil er für diesen eleganten Wein sechs Euro pro Flasche aufrief. Es folgte Merlot:, Steinmetz hat ihn in der Steillage stehen und beweist seit Jahren, dass das sinnvoll ist. Eine 2005er Auslese, geerntet mit 115 Grad Oechsle ohne jede Fäulnis war das beste, was ich bis dahin an deutschem Merlot getrunken hatte (und vielleicht bis heute habe) – zum Preis von achteinhalb Euro. Ich will nicht jeden Wein aufzählen, finden sich die Spätburgunder doch an anderer Stelle in diesem Blog. Die Runde war begeistert, lediglich einer maulte die ganze Zeit, er sei vor einer Woche an der Ahr gewesen und habe bei einem Spitzenbetrieb für vergleichbare Qualitäten das fünf bis achtfache bezahlt.
Es folgten die Rieslinge und auch die fand ich sehr ordentlich. Bis heute reißen die Steinmetz’schen Rieslinge mich nicht zu Begeisterungsstürmen hin, was nicht heißt, dass sie nicht sehr gut sind, sie sind nur nicht meine Favoriten. Die Mehrheit der Runde war enthusiastisch. Gegen Mitternacht gaben wir noch Bestellungen ab, die wir am nächsten Tag abholen wollten, da der Winzer nicht mehr packen und wir nicht mehr fahren konnten. Dass wir über tausend Euro auf die Zettel bekamen klingt unbedeutender als es ist – bei durchgängig einstelligen Flaschenpreisen.
Spannend zu beobachten waren die Spätfolgen dieses Besuchs. Die Reisegruppe bestand aus dem, was man im Zeitalter der sozialen Netze als ‚Influencer‘ bezeichnet. Michael schrieb zwar noch nicht für den Weinwisser, war aber schon ein Vielreisender in Sachen Weinproben und brachte seine Steinmetz-Erfahrung nach Frankfurt, Düsseldorf und Berlin, Guido war als Nutzer ‚Einzelflaschenfreund’ in diversen Weinforen aktiv, Ole war und ist ein blendend vernetzter Weinprobengastgeber, Joachim, den alle nur Pasta nannten (und heute Jacob Ashley Schmalz, aber das führte jetzt zu weit), gehörte unter anderem zu den Juroren der ersten Twitter Wine Awards und meine Wenigkeit bloggt immerhin seit 2009 über die Weine des Gutes. So manche huldigende Erwähnung des Betriebes in der Internet-Weinszene lassen sich mit nur kleinen Umwegen zu diesem Abend zurückverfolgen.
Dass David Schildknecht kurze Zeit später Steinmetz das erste mal im Wine Advocat erwähnte und einige Jahre darauf die erste und dann weitere Trauben im Gault Millau kamen – geschenkt. Und natürlich ist herausragende Weinqualität die wichtigste Vorraussetzung für den Erfolg eines Winzers. Die Bereitschaft sich den Samstagabend mit ein paar Bekloppten um die Ohren zu schlagen, sollte man als Erfolgsstrategie in der Weingutsführung aber auf gar keinen Fall unterschätzen …
Günther Steinmetz, Graacher Himmelreich, Spätburgunder Auslese * trocken, 2007, Mosel. In der Nase ein erdiger Ton mit einigem Holz, dazu Himbeere und Vanille. Am Gaumen ist das Holz dezenter, ein paar Röstaromen, Lakritze aber auch viel Frucht: Kirsche und Himbeere. Der Alkohol von 13,5% ist spürbar und das ist angenehm. Was den Wein aber eigentlich auszeichnet ist seine Struktur: perfekte, leicht pikante Säure, feines Tannin, süße Frucht, mittleres Volumen aber einiges an Druck und enorme Länge. Ich muss bei einem Wein mit diesen Eigenschaften immer an Fußball denken: der hat Zug zum Tor. Grandioser Stoff.