Aus dem Handbuch der Winzerbeleidigungen, Kapitel Mosel, Abschnitt ‚vergiftetes Lob‘: ‚Ich wollte Ihr Weingut schon immer einmal besuchen, denn ich hab schon ganz oft gehört, dass Sie so tollen Spätburgunder machen’. Manchmal bringt mich mein Hang zur Wahrheit in Bedrängnis. Ich war im Weingut Später-Veit und hatte es gerade ausgesprochen, da fiel mir ein, dass das im Herzen der Riesling-Region Nummer 1 vielleicht ein etwas tollpatschiger Start in die Verkostung gewesen sein könnte. Glücklicherweise ist der Junior des Hauses ein tiefenentspannter Mensch. Ein unterdrücktes Zucken, ein etwas gequältes Lächeln und eine Bemerkung, die Rieslinge seien aber schon das Kerngeschäft und die müsste ich auch unbedingt probieren, dann ging es los.
Später-Veit stand schon lange auf meiner Liste der unbedingt zu besuchenden Moselweingüter und es war tatsächlich die vielfach kolportierte Qualität der Spätburgunder dafür verantwortlich. Doch schon der erste Riesling zeigte mir deutlich, dass diese Sicht zu einseitig wäre. Vater und Sohn Welter haben ein Händchen für beides. Als Geheimtipp kann man das Weingut nicht mehr bezeichnen, dazu fällt der Name zu oft in den letzten Jahren; was vermutlich aber weniger bekannt ist, die Weine von Später-Veit sind so preisgünstig, dass mir nur das verpönte Wort ‚spottbillig‘ einfällt.
Später-Veit: Riesling in Reinkultur und Spätburgunder mit ruppigen Rappen
Die Einstiegsdroge bei Später-Veit ist der Riesling ‚vom Schiefer‘, den gibt es in trocken und feinherb und er kostet 5 Euro. Ich hatte das Glück, noch 2012er probieren und kaufen zu können. Nichts gegen 2013, an der Mittelmosel durfte ich viele ordentliche Weine aus dem Jahrgang probieren, aber 2012 besitzt hier vielfach eine Strahlkraft, wie länger schon kein Jahrgang mehr – das zeigt sich vor allem jetzt mit einem Jahr Flaschenreife. Aus der Parzelle ‚Armes‘ keltern die Welters (Frau Welter ist eine geborene Später, das Gut ist in ununterbrochenem Familienbesitz) einen klassischen fruchtsüßen Mosel-Kabinett, die feinherben und trockenen Spätlesen stellen echte Preis-Leistungsgiganten dar. Unabhängig vom Jahrgang waren die Später-Veit Rieslinge mit einer Ausnahme von großer Klarheit und Brillanz – und diese Ausnahme war gewollt.
Denn da ist noch der Wein mit dem langen Namen. Piesporter Goldtröpfchen Riesling Spätlese trocken Reserve. Aktuell im Umlauf ist der 2011er, denn die Spätlese liegt ein Extra-Jahr im Fass. Dabei liegt der Wein nicht nur auf der Vollhefe, er wird auch nicht geschwefelt. Als logische Konsequenz gärt er immer weiter. Der 2011er hat um ein Gramm Restzucker, viel Körper und ein sehr stoffiges Mundgefühl. Die Brillanz der Später-Veit Rieslinge ersetzt hier eine cremige Fülle und so süße Frucht, dass man die analytischen Werte gar nicht glauben mag. Ein ‚gemachter‘ Riesling, bei dem althergebrachte Methoden der Weinbereitung zu einer sehr eigenständigen Interpretation der Rebsorte führen. Ich finde es großartig, wenn Winzer ein Geschmacksbild im Kopf haben, im Keller mit klassischen Verfahren darauf hinarbeiten und hinterher auch darüber reden mögen, welchen Anteil der Winzer am Wein hat.
Bei den Spätburgundern sieht es ganz ähnlich aus. Welters mögen kantige Pinots mit kräftigem Tannin: Weine, die lange liegen müssen. Also geben sie selektierte Rappen zur Maische, sind beim Holzeinsatz aber zurückhaltend. Hübsches Zitat von Welter Junior: ‚Wir nehmen die Gerbstoffe lieber aus dem Berg als aus dem Fass‘. Und Zeit lassen sie sich mit den Burgundern. Aktuell ist noch der 2008er im Verkauf. Die besten Trauben wandern in den Spätburgunder No. I und in besonders guten Jahren dessen bestes Fass in die Privatselection. Den 2009er Privatselection konnte ich kosten (und kaufen): Ein Spätburgunder für die Erste Liga – und mit 33 Euro der einzige Wein, der ansatzweise das kostet, was man ob der großartigen Qualität bei Später-Veit erwarten würde.
Später-Veit, Riesling trocken ‚vom Schiefer‘, 2012, Mosel. In der Nase klar und straff, grüner Apfel, etwas Aprikose und Zitrus, kleiner würziger Unterton und auch etwas riechbare Säure. Am Gaumen mittlerer Körper, saftig, kräftige Säure und ein leichter Bitterton, gepuffert von etwas Süße; moderate Frucht und gutes Spiel. Nicht besonders tief, aber im Kontext eines Gutsrieslings sehr angenehm. Die spürbare Mineralik/Phenolik überwiegt, der Alkohol von 12% ist kaum wahrnehmbar. Der Wein ist einfach eine runde Sache, zeigt Moseltypizität, einen mittellangen Abgang und erinnert daran, dass 2012 vermutlich wirklich der beste Jahrgang in den letzen 5 Jahren war.
Später-Veit, Piesporter Goldtröpfchen Spätlese tr. Reserve, 2011, Mosel. In der Nase viel reife Aprikose, Aloe Vera und etwas Hefe. Bis auf diese leicht cremige Note ist das eine ganz klassische Riesling-Nase ohne Firlefanz. Am Gaumen körperreich, sehr viel süße Frucht, mürber Apfel und Aprikose, die Säure ist präsent aber reif, gibt Struktur und lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es sich um Riesling handelt, ist aber nicht beißend, eigentlich noch nicht einmal kräftig zu nennen; die völlige Abwesenheit von Zucker passt jedoch perfekt zu dieser Säure, so dass die süße (zuckerfreie) Frucht mit der reifen Säure ein perfektes Spiel produziert. Meine (sehr viel) bessere Hälfte, die Moselrieslinge nur in feinherb oder süßer trinkt, ist begeistert. Mineralik/Phenolik ist zwar spürbar, die häufig in solchen Rieslingen zu findende beißende Schiefermineralik verschwindet aber unter dem Hefelager wie unter einer dicken Daunendecke – aber das ist nicht schlechter, sonder nur anders als beim klassischen Moselriesling, denn Tiefe, Würze und Intensität sind die drei Komponenten dieser Daunendecke. Sehr langer Abgang, sehr großes Vergnügen bei unauffälligen 12,5% Alkohol.