Blick zurück im Zorn

Der Dezember ist der Monat der Jahresrückschauen. Hier also mal eine von mir.

Schubert, Pinot Noir ‚Block B‘ 2004. Ziereisen Spätburgunder ‚Tschuppen‘ 2005. Philipps-Eckstein Riesling Kabinett ‚Alte Reben‘ 2006. Tinhorn Creek, Merlot 2002. Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Auslese** trocken 2001. Rebenhof, Ürziger Würzgarten Riesling Spätlese trocken 2006. Künstler, Riesling ‚Kirchenstück‘ 2004. Pirramimma, Shiraz ‚White Label‘ 2001. Rosch, Riesling ‚JR Junior‘ 2007. Molitor, Zeltinger Sonnenuhr Riesling Spätlese* trocken 2004. Mosbacher, Forster Pechstein Riesling Großes Gewächs 2004.

Alle Weine zerstört, alle in diesem Jahr, alle durch einen fehlerhaften (TCA-verseuchten) Korken.

Wer jetzt sagt: ‚das sind aber wenige für ein ganzes Jahr‘, dem sei gesagt, dass das nur die Weine aus meinem Keller waren. Auf Proben und bei Freunden habe ich noch weitere Korker erlebt, die teilweise richtig weh taten (weil richtig teure Weine betroffen waren).

Es war ein gutes Jahr, die vermaledeite Rinde hat mich nur rund 160€ gekostet. Weniger als in den Jahren zuvor. Das liegt allerdings nicht an der angeblich global verbesserten Korkenqualität. Die Fehlerquote ist unverändert – der Anteil alternativ verschlossener Weine steigt bei mir. Weniger mit Korken verschlossene Weine bedingen geringere Verluste. Und dann hat es dieses Jahr durch Zufall vor allem preisgünstige Weine erwischt.

Wer dieses Blog regelmäßig liest, wird etliche Namen kennen: es waren fast ausschließlich Weine betroffen, die ich mehrfach im Keller hatte. Ich konnte also eine Konterflasche öffnen und musste mich lediglich ärgern, dass der Weingenuss doppelt so teuer wie ursprünglich geplant war.

Einer hat richtig weh getan, der letzte: Von Mosbachers Pechstein hatte ich im Herbst 2005 nur eine Einzelflasche erwischt. Die lag seitdem in meinem Keller, ich hatte sie schon mehrfach in der Hand aber immer wieder zurückgelegt: ‚Den lasse ich reifen‘. Tja, da war er dann: gereift und kaputt. Total frustriert zog ich einen Lagennachbarn aus 2005 auf. Der war ein großer Trost. Ich musste meine Verkostungsnotiz ein paarmal überarbeiten, damit sie nicht in einer ‚jetzt erst recht‘ Trotzreaktion zu euphorisch ausfällt.

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling Großes Gewächs, 2005, Pfalz. In der Nase Aprikose, Muskatnuss, getrocknete Kräuter; am Gaumen Pfälzer Barock, voll und saftig aber nicht zu fett oder breit. Der Wein zeigt Aromen von Aprikose, Mango, Kemmschen Kuchen, leidet ein ganz bisschen unter seinen 13% Alkohol, zeigt aber schönes Spiel aus Säure und süßer Frucht, bietet ein echtes ‚Maul voll Wein‘. Nach hinten raus ist der Wein prickelnd mineralisch und etwas pfeffrig. Der Abgang ist sehr lang. Viel Freude für einen im GG-Kontext moderaten Preis. (Ich konnte gerade noch widerstehen, ihm im Geiste die 21€ für den Mosbacher zuzuschlagen.)

Ich steh auf Schraubverschlüsse!

Mein Bewertungssystem

Es gibt einen einfachen Grund, warum dieses Blog viele Tage ohne standardisiertes Bewertungsschema auskommen musste: ich schreibe lieber über Wein als über mich. Andererseits ist es vermutlich ganz sinnvoll, einmal aufzuschreiben, was ich mir denke, wenn ich einem Wein eine Punktzahl gebe. Nun denn, so bringe ich es hinter mich. Mein Bewertungssystem weiterlesen

Bullerei, Hamburg – Tim Mälzers neues Restaurant

Eines gleich vorweg: von Restaurantkritik habe ich noch weniger Ahnung als von Wein. Diese Notiz hat also keinen anderen Anspruch als den, meine gestrige Erfahrung zu beschreiben.

Ich durfte gestern im Hamburger Schanzenviertel Platz nehmen – an einem Tisch in Tim Mälzers Restaurant ‚Bullerei’. Das war ein sehr lohnender Ausflug. Wir bestellten das Vier-Gang-Überraschungsmenü. Mit 44 Euro ist das in meinen Augen zurückhaltend bepreist. Es bestand aus einem gebackenen Ziegenfrischkäse mit Garnele auf Babyspinatsalat, einem Brombeer-Pfifferling-Risotto, Lammrücken im Kräutermantel mit einem gebratenen Kräutergnocchi und einer leckeren Nachspeise mit einer Ziegenkäseschnitte, Mohneis und marinierten Beeren. Keine überedlen Rohstoffe aber ein sehr ordentliches Preisleistungsverhältnis. Herr Mälzer wirbelt durch Küche und Gastraum und versucht überall mit anzupacken. Einen der vier Gänge servierte der Meister persönlich.

Das Interieur des Hauses muss jeder selber beurteilen. Mir hat es gefallen, manchem mag es zu schedderig daher kommen, um mal ein Wort aus der Sprache der Einheimischen zu verwenden. Das wichtigste zum Essen in zwei Worten: Es schmeckt! Natürlich kann man hier und da etwas kritisieren, aber im großen und ganzen ist das Essen so gut, wie man es ob der vielen positiven Meldungen zum Start des Restaurants erwarten durfte.

Und nun das für dieses Blog wichtigste: Die Weinkarte! Offene Weine werden in 0,15l-Portionen ausgeschenkt, was ich persönlich klasse finde. 0,1l ist mir oft zu wenig, bei 0,2l wäre ich nach vier Gängen hinüber. Sinnvolle Ausnahme ist der Dessertwein, den es in 0,1l gibt. Ich hatte einen sehr süffigen Grauburgunder von Alexander Laible (mit zwei Sternen, um genau zu sein), dann den Saar Riesling von van Volxem, den ich eigentlich nicht haben muss, aber es gab keinen anderen offenen Riesling und einen offenen 2007er Spätburgunder von Holger Koch (wollte ich schon immer mal probieren, wirkte gestern etwas sehr rustikal für mich). Gekrönt wurde der Abend dann mit einem Glas Monzinger Halenberg Riesling Auslese 2007 von Emrich-Schönleber. Der ist auch so jung schon eine Wonne. Die Preise für den offenen Wein sind ambitiniert (ab 5€ für 0,15l) aber noch im Rahmen, die Auslese haut mit 9 Euro ziemlich rein. Die Flaschenpreise sind okay aber vor allem ist die Auswahl so zusammengestellt, dass nicht der Eindruck des abgehobenen entsteht. Es sind eher Basis- und Mittelsegmentweine, die dann auch mit Gastroaufschlag noch zweistellig bepreist sind.

Im Gesamtpaket Essen/Wein kommt man auf einen sehr guten Gegenwert für das Geld, hat Spaß an der Örtlichkeit und kann einen rundum schönen Abend verbringen.

Ich möchte die Bullerei uneingeschränkt empfehlen.

P.S. Da dieser Artikel mittlerweile um die 500 Leser durch Suchmaschinen gefunden hat, möchte ich eine Bitte äußern: Ich freue mich über Kommentare mit Erfahrungsberichten von allen, die die Bullerei ebenfalls besucht haben…

Moscow Mule

Ich war am Freitag in einer Szene-Bar, was eher selten vorkommt. Ich trank einen Szene-Drink, was noch viel seltener vorkommt. Genauer gesagt reichte man mir in der Tausend Bar einen Moscow Mule. Das ist ein Drink mit Wodka, Limettensaft und Ingwerbier, serviert mit einigen Scheiben grüner Gurke. Zunächst dachte ich, Ingwerbier sei nur eine Hipsterumschreibung für Ginger Ale – aber das stimmt nicht. Es schmeckt nicht nur anders, es ist tatsächlich was anderes. Beim Nachschlagen lernte ich auch, dass der diesjährige Hauptstadt-Kult-Cocktail bereits seit 1941 existiert. Irgendwie ganz schön retro, aber lecker und verdient der Mottenkiste entrissen.

Demnächst aber wieder mehr zum Thema Wein…

Majestätische Parität

Wenn ich mit Freunden in verkostender Runde über Weine spreche, benutze ich gelegentlich das Wort ‚Mineralität’ für die Beschreibung einer gewissen Geschmacksklasse in Weinen. Das Wort klingt für mich besser als das Wort ‚Mineralik’, welches ich hier im Blog für gleiches verwende, weil mein Sprachgefühl mir sagt, es sei das richtige.

Mein Problem ist, dass ich zwar gerne mit der Deutschen Sprache hantiere, mir jedoch der theoretische Unterbau fehlt. Ich kenne die Regeln nicht und muss daher aus dem Bauch entscheiden oder Vergleiche heranziehen. Der Wein schmeckt, da kenne ich nur eine Formulierung, ‚mineralisch’, so er denn diese Geschmacksklasse bedient. Ich habe noch nie gehört, dass jemand einem Wein bescheinigt, er schmecke ‚mineralitätisch’. Google liefert auch Null Treffer zu diesem Wort.

Wenn jemand eine Majestät ist, benimmt er sich hoffentlich majestätisch. Gelingt ihm dies in jeder Sekunde seines Daseins, so wäre das ein Zeichen von Genialität, die Majestät mithin genial (und nicht genialitätisch). Substantive mit der Endung –(i)tät scheinen mir adjektivisch als –tätisch oder ganz nackt aufzutreten. Sollte dieses im Verhältnis 50 zu 50, also paritätisch (sic!), geschehen, wäre das wohl nur intimen Kennern der Deutschen Sprache bekannt, auf keinen Fall intimitätischen.

Adjektive wie majestisch, intimisch, oder genialisch sind unbekannt, sozusagen anonym (aber nicht anonymisch oder anonymitätisch). Daher schließe ich, dass zu mineralisch als Adjektiv das Substantiv Mineralität nicht passen mag. Vielleicht weiß ein Leser hier mit einer Regel auszuhelfen? Wahrscheinlich aber liest das hier kaum ein Mensch.

 

Ist mir doch egalitätisch…