(Wie) kann man mit Weinbloggen seinen Lebensunterhalt verdienen?

Heute geht es hier nicht um Wein; zum ersten Mal, seit es dieses Blog gibt. Es geht ums Bloggen an sich und um einige wirtschaftliche Zusammenhänge. Ich dokumentiere damit meine Session vom Vinocamp. Wen das nicht interessiert, dem bin ich nicht böse, der kommt einfach nächste Woche wieder.

Vorweg ein Hinweis: Ich arbeite in der e-commerce-Branche bin aber mit keinem der erwähnten Unternehmen wirtschaftlich verbunden. Ich gönne jedem Neugeschäft, verlinke aber trotzdem auf keine Firma oder Website. Man findet sie alle sehr leicht über Google. Und: ich blogge aus Spaß und folge selbst keinem der hier gegebenen Ratschläge. 

Doch nun zur Sache:

Kann man mit einem Weinblog seinen Lebensunterhalt verdienen?

Die Einnahmequellen aus einem Blog sind beschränkt: Werbung, Affiliate-Provisionen sowie SEO-Gelder aus dem Verkauf von Links. Mehr gibt es eigentlich nicht – wenn wir mal von Spenden absehen.

Werbung:

,Auf meinem Weinblog tummeln sich ganz viele Menschen mit viel Geld, die alle BMW fahren und Markenklamotten tragen. Das ist für Markenartikler doch hochgradig relevant. Die müssen eigentlich alle bei mir werben.‘ So lautet die gängige Vorstellung vieler Blogger. Relevanz ist Romantik, Reichweite ist King, das ist die Realität. Online Werbung ist ein Milliardenmarkt. Große Werbetreibende platzieren in einer Kampagne Millionenbeträge, in einem Flight (das ist eine zusammenhängende Werbeperiode) sind es meist noch über Hunderttausend Euro. Abgerechnet wird nach Tausendkontaktpreis (TKP), der irgendwo im einstelligen, manchmal niedrigen zweistelligen Bereich liegt. Angenommen ein Weinblog erzielt einige Hunderttausend Pageimpressions im Monat, dann kann es für einige Hundert Euro Werbung an einen Werbetreibenden verkaufen. Dieser macht sich aber nicht die Mühe seinen sechsstelligen Werbeetat auf etliche Hundert Werbeträger zu verteilen. Das ist viel zu mühsam und die Verwaltung kostet bald mehr als die Medialeistung. Reichweite in der falschen Zielgruppen ist auch nicht zielführend, aber es gibt ausreichend Plattformen mit Reichweite und hochwertiger Zielgruppe. Da kommen Blogger nicht mit, auch weil sie nicht die nötigen Daten für die Mediaplanung liefern können. Die werden von einer Organisation namens Agof erhoben und die Mitgliedschaft ist so teuer, dass es sich für kleinere Sites nicht lohnt. Bleibt also doch nur Werbung in der Weinbranche.

Affiliate-Provisionen:

Ein lukrativer Weg der Werbung, der nicht immer aussieht wie Werbung: der Blogger meldet sich bei einem Affiliate Netzwerk wie Zanox an und sucht sich die Kampagnen und Produkte selbst aus, die er bewerben will. Bei Weinen kann er sogar noch über die Weine schreiben und direkt im Artikel zum Shop verlinken. Am Link klebt hinten ein kleiner Zusatz, der sicherstellt, dass das Blog als Kundenwerber erkannt und entlohnt wird. So lässt sich teilweise recht ordentlich verdienen. Ein gutes Beispiel findet sich auf Michael Lieberts Blog, wenn man mal nach seinen diversen Artikeln über Weine des Internetversenders Wine in Black sucht.

Restplatznetzwerke etc.

Seine Werbeplätze in Netzwerke einzubinden und sich von dort auf Erfolgsbasis bezahlen zu lassen, klingt nach leicht verdientem Geld. Es bringt aber lediglich ein paar Euro und müllt die Seite mit teils anrüchiger Werbung zu.

SEO Gelder

Tragen auch ein wenig bei, sind aber bei einem einzelnen Blog ebenfalls sehr beschränkt. Warum das so ist, ist weiter unten ein Thema.

Fazit

Beim Zusammenstellen eines Geschäftsplans für ein Blog geht es nicht darum sich die schönste Kennzahl zu suchen, und dann an ihr festzuhalten, bis einen der Gerichtsvollzieher vom Gegenteil überzeugt. Die niedrigste Zahl zählt! Ein Beispiel: Wenn ich dem Weinhandel Werbung verkaufe und als erfolgreicher Blogger unfassbare 500.000 Seitenaufrufe im Monat produziere, könnte ich mir das folgendermaßen schönrechnen: Einen Banner oben mit einem TKP von 5€ einer an der Seite (2€) drei schicke Buttons in der dritten Spalte (je 1€) macht summasummarum 10€ pro tausend Impressions oder 5000€ im Monat. Klingt nach einem erfolgreichen Geschäftsplan.

Die Kennzahl, die ich dabei außer Acht lasse ist der ARPU oder Average Revenue Per User. Nehme ich realistisch an, dass ich 10.000 ständige Leser habe (die hochaktiv sind, weil meine Kommentarspalte von Einträgen nur so platzt), dann erlöse ich 0,5€ pro Nutzer und Monat. Ich muss davon ausgehen, dass meine Werbekunden alle mit dem Verkauf von Wein Ihr Geld verdienen und bereit sind zirka 10% ihres Umsatzes in Werbung zu stecken. Somit muss jeder meiner Leser jeden Monat über die bei mir gesehene Werbung für 5€ Wein kaufen. Wissend, dass ein Drittel zwar gerne mal mitliest, aber dann doch die günstigen Weine bei Jacques Weindepot kauft und von den verbleibenden mehr als die Hälfte Wein aus Vertrauensgründen nicht online kauft (die Email-Bestellung beim bekannten Weingut zählt nicht), lande ich schnell bei schwindelerregenden Transaktionsvolumen, die meine e-commerce-affinen Leser nicht einmal, sondern Monat für Monat über meine Seite anschieben müssen – keine Chance (ich hätte auch kürzer argumentieren können: Ein Weinblog mit einem höheren ARPU als facebook, das immerhin 15% der Onlinezeit seiner Nutzer abbekommt??? Eher unwahrscheinlich…). Ich will aber nicht abstreiten, dass man ein paar Händler und Weingüter zu niedrigeren Preisen in der Seite einbinden kann und damit vielleicht die Miete bezahlt ist.

Von einem Blog kann man nicht leben. Man kann in zwei Stunden täglich ein respektables Blog aufbauen, das vielleicht die Miete zahlt. Aber der Tag ist ja noch lang…

Kann man mit Weinbloggen seinen Lebensunterhalt verdienen?

Ganz einfach wird es, wenn man mit seinem eigentlichen Blog so viel Ruhm und Ehre erwirbt, dass man als eine Art Branchenprominenter seinen Namen versilbern kann. Das funktioniert aber höchsten zwei oder drei Mal pro Branche. Dirk Würtz war der erste, der diesen Status erreicht hat, er zeigt sein Gesicht für Stern.de, moderiert Veranstaltungen auf der Prowein und gibt seinen Namen für Amazon. Da klingelt die Kasse so laut, dass man davon leben kann. Planbar ist es nur bedingt. Wein ist gerade ein hippes Thema. Ein halbes Dutzend mit Risikokapital ausgestattete Internet-Unternehmen aus der Weinbranche will werben, die großen Medien heben das Thema in die Redaktionspläne (um genau diese Umfelder für die Werbetreibenden Startups zu schaffen). Das kann eine ganze Weile so weitergehen, muss es aber nicht. Der Weinkaiser ist der zweite, der sich anschickt, sich so als Marke zu positionieren, dass er mit der Vermarktung seiner Person die Einkommenslücke zwischen Anspruch und Wirklichleit des Weinbloggens schließt. Anders als Dirk Würtz ist Ralf Kaiser vor allem als Berater in Sachen Social Media unterwegs. Gerade Ralf, der nur alle paar Wochen einen Beitrag auf seinem Blog veröffentlicht, zeigt aber deutlich: mit Weinbloggen hat das nur wenig zu tun, das Geld stammt aus anderen Tätigkeiten.

Kann man den nun vom reinen echten Bloggen leben – und wenn ja wie?

Die wichtigste Eigenschaft einer Internetseite mit kommerziellem Hintergrund ist heutzutage die Auffindbarkeit über Google. Deswegen fließt ein immer größerer Teil der Werbegelder in die Suchmaschinenoptimierung. Früher war die suchmaschinenfreundliche Gestaltung der Seite ein wichtiger Aspekt dieser Disziplin, doch dieser wird immer weiter zurückgedrängt. Die perfekte Struktur und Befüllung einer Seite machen heute noch 10% des SEO (Search Engine Optimisation) Erfolges aus. 90% hängen von externen Links ab. Beispiel gefällig? Wer einmal nach dem Englischen Wort ,here‘ oder auch dem Deutschen ,hier‘ sucht, der wird auf Platz Eins oder Zwei der Resultate die Downloadseite des Adobe Acrobat finden, obwohl das Wort ,here‘ oder ,hier‘ auf den Seiten kein einziges Mal auftaucht. Aber Millionen von Links auf unzähligen Webseiten sind halt betitelt: ,Wenn Sie keinen Adobe Reader haben, können Sie ihn hier herunterladen‘.

Also schreiben wir für unser Projekt ,Vom Bloggen leben‘ zukünftig Artikel mit vielen relevanten Keywords und platzieren mitten hinein einen Link zu jemandem, der dringend auf den Ergebnisseiten von Google nach vorne klettern will und deswegen dafür bezahlt. Leider mag Google es nicht, wenn wir unser Blog mit externen Links zupflastern, das Verhältnis Text zu Links muss stimmen. Deswegen reicht ein Blog nicht. Neben unserer bürgerlichen Fassade des geistreichen Weinblogs erschaffen wir noch eine ganze Reihe weiterer Blogs, die ich einmal Zombieblogs nennen will (ich erhebe Anspruch auf Urheberschaft). Zombieblogs liefern allgemeine Texte zu Wein (das lässt sich auf beliebige andere Branchen übertragen) und haben einen griffigen Namen und URL (unbedingt mit Worten wie Rotwein, Weisswein oder einfach Wein). Leider mag Google keinen gespiegelten Content, also müssen wir die Texte immer wieder variieren (aber nicht gänzlich neu schreiben). Wenn wir das nicht selber machen wollen, können wir auch für 5€ pro Text selbige bei der Firma Textbroker oder einem ihrer Mitbewerber bestellen. Im Gegenzug können wir uns auch selber bei Textbroker als Autor verdingen. 5€ klingt zunächst nach Hungerlohn, aber wenn wir unsere Textbausteinbibliothek perfektioniert haben, sitzen wir auch nur noch 7 Minuten an so einem Text. Außer Google soll den ja niemand lesen.

Besonders viele Texte brauchen wir auch nicht. Zwei pro Blog und Woche reichen, um den Pagerank (Googles Maß für Relevanz) auf drei oder vier zu halten. Wenn wir unsere 20 Zombieblogs gepflegt haben, ist es an der Zeit fürs Mittagessen. Danach müssen wir unsere Links auch noch verkaufen. Wie gut, dass es rund ein halbes Dutzend Agenturen gibt, die das für uns machen, beispielsweise die Berliner eFamous (wunderschöner Name für das Geschäftsmodell, finde ich). Die wollen dafür eine Provision aber wir haben den Nachmittag frei. Den können wir mit weiteren vertrieblichen Aktiviäten füllen (damit auch wirklich alle Links verkauft werden), mit lustigen Weinveranstaltungen, zu denen man uns ob unseres einen seriösen Blogs vielleicht einlädt (und auf denen wir so tun, als ob wir von diesem Blog leben könnten) oder mit wirklich zielführenden Aktivitäten wie einer Umschulung auf einen vernünftigen Job. Aber wenn man will, kann man vom Weinbloggen seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Als ich zur Welt kam, dachten die Menschen, die galoppierende Technisierung unserer Gesellschaft würde einmal dazu führen, dass Maschinen selbständig Werke zu unserer Unterhaltung produzieren. Als ich Abitur machte, philosophierte Joe Weizenbaum darüber, dass den Menschen die Arbeit ausgehen könnte, weil Maschinen fast alles erledigen. Zwanzig Jahre später gebe ich Bloggern eine Anleitung, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie Texte zur Unterhaltung einer Maschine schreiben! Soylent Green ist Menschenfleisch…

3 Gedanken zu „(Wie) kann man mit Weinbloggen seinen Lebensunterhalt verdienen?“

  1. Vielen Dank für diesen offenen und ehrlichen Artikel am Sonntag-Morgen. Du bestätigst einiges über das ich mir schon geraume Zeit Gedanken mache. Ich komme zum gleich Achluss, auch wenn ich gerne etwas anderes hören würde… Großes Lob! DANKE!!!

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