Einkaufsstrategie 2010 v 2.0

Sollte ich durch meinen vorletzten Artikel den Eindruck erweckt haben, ich hätte meinen Frieden mit dem von mir früh abgeschriebenen Jahrgang 2010 gemacht, so muss ich dies korrigieren. Ich habe zwischenzeitlich einige Weine probiert und kann dem Jahrgang immer noch nicht die Klasse attestieren, die ihm vielfach mittlerweile zugestanden wird.

Zugegeben: gemessen an den Launen der Natur, denen sich Deutschlands Winzer 2010 ausgesetzt sahen, haben sie erstaunliches zuwege gebracht. Aber was bedeutet das? Gemessen an ihrem Alter, sind die Fingerfarbenbilder meiner Tochter wunderschön…

Die Säure vieler 2010er schmeckt milder als beispielsweise die etlicher 2008er. Allein, was nützt es mir, wenn zehn Promill Säure schmecken wie acht, wo mir sieben vollkommen langen? Das ist überspitzt formuliert, etliche Weine kommen mit weniger Säure daher und auch unter den Säuremonstern sind einige Weine, die balanciert wirken. Aber insgesamt kam bei mir bisher bei Weingutsbesuchen keine echte Begeisterung auf. Die Betonung liegt auf ‚mir‘, denn dies ist ein privates Weinblog, kein Manifest des wahren Geschmacks.

Mein ursprünglicher Plan war, nur meine ewigen Klassiker zu kaufen und vorhandene Vertikalen zu vervollständigen. Jetzt ist es noch viel weniger geworden. Etliche Serien reißen in meinem Keller mit dem Jahrgang 2010. Gerade einmal Emrich-Schönlebers GGs sind bestellt. Da meine Freunde die gleichen Weine sammeln, muss in ferner Zukunft, wenn wir es denn je schaffen, zehn Jahrgänge Dellchen oder Uhlen zu verkosten, jemand anderes diesen Jahrgang beisteuern.

Um eine Serie tat es mir dann aber doch leid: den Artikel ‚Sommer anknipse(r)n‘ (hier und hier) musste ich mangels 2010er Sauvignon Blanc von Knipser ausfallen lassen. Dafür arbeite ich dieser Tage ältere Flaschen aus der Region auf.

Knipser, Sauvignon Blanc, 2009, Pfalz. Ein Jahr nach der letzten Begegnung hat sich der Wein kaum verändert. In der Nase nachwievor grasig, frisch mit Stachelbeere und Ingwer. Am Gaumen ist der Sauvignon Blanc ‚kratzig‘, wie es neulich von Dirk Würtz in einer facebook Diskussion so schön genannt wurde. Viele grüne Noten, dazu schlank und stahlig aber alles andere als dünn. Der Wein wirkt jetzt trockener als vor einem Jahr, jung ist er allerdings immer noch. Ein schöner Sommerwein mit Tiefgang.

Philipp Kuhn, Sauvignon Blanc, 2009, Pfalz. Ein Haus weiter ist die Herkunft des nächsten Weines. Ich sag es ganz offen: ich finde ihn lediglich in Ordnung. In der Nase sehr schön, leicht grasig aber insgesamt weicher, mit Stachelbeere und Birne. Am Gaumen zeigt er ein schönes cremiges Mundgefühl trotz kantiger Säure. Der Wein ist recht typisch und leicht mineralisch, durch einen etwas übertriebenen Restzucker wirkt er aber auch etwas fett. Im Abgang ein leichter Bitterton, der ganz animierend, auf Dauer aber unangenehm wirkt.

Knipser, Laumersheimer Kapellenberg, Riesling Kabinett trocken, 2007, Pfalz. Zurück zu den Knipsers, diesmal mit Riesling. Ich finde er schmeckt, als wären zehn Prozent Sauvignon Blanc drin (das ist aber sicher Einbildung). In der Nase cremig mit Aloe Vera, Rhabarber und Stachelbeere. Am Gaumen ebenfalls spürbarer Restzucker, der dem Riesling aber besser steht; viele Früchte: Apfel, Mango, Grapefruit und sogar Erdbeere, sehr mineralisch und mit etwas Gerbstoff (zu sagen, er kratzt, wäre übertrieben). Der Alkohol ist unauffällig, die Säure kräftig. Erste Reifenoten runden den Wein ab. Der Abgang ist lang und säurebetont mit spürbaren Gerbstoffen. Ein rundum stimmiges Gesamtpaket.

Simple Genüsse (5) – Riesling

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Alexander Laible, Riesling ‚Alte Reben‘ trocken ***, 2007, Baden. In der Nase Blüten, Malz, Bratapfel, aufregende Mischung mit einem Hauch von Hefe. Am Gaumen ausgesprochen mineralisch, frisch, mit kräftiger Säure, trocken, leicht schmelzig, Apfel, Nashi-Birne. Der Riesling wirkt etwas verschlossen, deutet aber an, dass da noch einige kommen könnte (man kann das auch ‚Tiefe‘ nennen, wenn man mag). Der Abgang ist sehr lang, der Wein ist hervorragend.

Koehler-Ruprecht, Kallstadter Saumagen, Riesling Kabinett trocken, 2007, Pfalz. In der Nase sehr von reifer Frucht geprägt: Aprikose, Apfel und Quitte, dazu etwas Aloe Vera und Malz. Das wirkt ungemein opulent. Am Gaumen ist der Wein dann aber unaufdringlich. Saumagenrieslinge sind gerne mal kompliziert, dieser hier ist ganz einfach und klar: Aprikose und Apfel, eine sehr balancierte Säure, nicht sehr üppig, nicht sehr druckvoll, ziemlich trocken. Leicht zu trinken und leicht zu verstehen, auch wenn die spürbare Mineralik einen Tick Exklusivität verströmt. Der Abgang ist mittellang. Es gibt Tage, da ist sowas das schönste, was ich mir vorstellen kann. Glücklicherweise hatte ich ihn an genau so einem Tag im Glas.

Josef Rosch, Klüsserather Bruderschaft, Riesling Spätlese feinherb, 2009, Mosel. Ich hielt die Nase ins Glas und dachte: ‚mollig warm‘. Der Wein war kalt, aber die Assoziationen nicht. Das lag vermutlich an der kräftigen Marzipanaromatik, die sich zu Aprikose und Quitte gesellte. Am Gaumen war der Riesling ziemlich süß, die Säure eine Spur zu zurückhaltend. Malz, Aprikose eine mäßige Mineralik – das wirkte alles eine Spur fett und ich würde nicht wetten wollen, dass der Wein frei von Botrytis ist. Die noch prägende Kohlensäure heitert den Wein etwas auf, der Abgang war lang. Guter Riesling – aber ich habe von Rosch gerade in dieser Kategorie schon größere Weine aus kleineren Jahrgängen getrunken.

Es bleibt in der Familie

Die beiden ersten ernsthafte Flaschen meiner Weinkarriere waren ein Geschenk meines Vaters: ein Achat von Laible und eine trockene ‚S‘-Klasse vom Karthäuserhof. Eine würdigere Inauguration in die Rieslingwelt Es bleibt in der Familie weiterlesen

B wie Brot&Butter

Das Thema dieser Ausgabe der Weinrallye, vom Weinreich-Blog ausgetragen, ist für mich eigentlich eines zum Pausieren: In meinem Keller finden sich vermutlich so viele Brot-und-Butter-Weine wie Trachtenjanker in der Technodisko. Ich bin bei den Winzern eher für die Wurst zuständig.

Von einigen Moselwinzern wie Jörg Thanisch oder Stefan Steinmetz habe ich das ganze Sortiment im Keller. Doch sind das klassische Kollektionen: Kabinett, Spätlese, Auslese. Da müsste ich den Brot-und-Butter-Wein erst recherchieren. Ich stelle mir das spannend vor. Anruf im Weingut: Guten Tag Herr Thanisch, können wir kurz über den Deckungsbeitrag Ihres Kabinetts sprechen, ich möchte da was im Internet veröffentlichen…

Also bleibt wieder nur der Spätburgunder, bei dem ich mich ja erst kürzlich als Liebhaber des Einfachen geoutet habe. Im Rotwein-Kellerbuch fand ich denn auch den geeigneten Kandidaten: den Spätburgunder ‚B‘, weithin verfügbarer, gehobener Einstiegswein von Pinot-Papst Friedrich Becker. Dass er ‚B‘ heißt, wie Becker oder Burgunder, hatte ich immer als etwas plump empfunden. Aber jetzt hab sogar ich es begriffen: das ‚B‘ steht in Wahrheit natürlich für Brot und Butter. Ich Dummerchen…

Friedrich Becker, Spätburgunder ‚B‘, 2007, Pfalz. In der Nase ist der Wein sehr Deutsch (auch wenn ein Teil der Trauben aus Frankreich stammt): Holz, Kirsche, Pflaume, gekochte Beeren und Rauch. Ein Jahr lag der Wein in kleinen Holzfässern aber ich möchte wetten, dass das weitgehend als Nachmieter geschah, denn am Gaumen halten sich Frucht und Holz die Balance. Es sind durchaus ein paar dunkle Teer-Aromen vorhanden (nicht dass ich schon mal in Teer gebissen hätte, aber wer je einen ‚dunklen‘ Spätburgunder oder Barolo getrunken hat, erahnt, was ich meine) aber es steht dem einiges an Frucht gegenüber: Kirsche und Himbeere, gepaart mit einer feinen Säure. Der Abgang ist lang. Mineralisch fand ich den Wein eher nicht aber Hey, das ist auch nur der Brot-und-Butter-Wein. Dafür ist der ‚B‘ schon ziemlich großes Kino.

Virales Marketing mal anders

Es gibt Menschen, die sind bestens vernetzt mit den bekanntesten Winzer und Weinhändlern, mit vielen gar per Du und immer auf dem neuesten Stand. Als Insider hören sie manches, was der Normalsterbliche via Gault Millau und Vinum erst erfährt, wenn es zu spät (weil der betreffende Wein längst ausverkauft) ist. Freundlicherweise teilen manche dieser Insider ihre Informationen aber im intimen Kreis des Internets mit ein paar tausend Freunden, zum Beispiel in Weinforen.

Eines Tages gab einer, der einen direkten Draht irgendwohin hatte (ob Händler oder Weingut erinnere ich nicht) die Information preis, dass im Weingut Rebholz ein weiteres ‚Großes Gewächs‘ im Entstehen begriffen sei und das der entsprechende Wein im Jahr 2007 ausnahmsweise und letztmalig als Spätlese gefüllt worden wäre. Da gäbe es ein echtes Schnäppchen zu machen, ein wahres GG für 18€.

Mit Rebholz habe ich so meine Probleme, denn eigentlich finde ich sein Basis- und Mittelsegment meist enttäuschend, ebenso wie die Roten – es begeistern mich einzig die weißen GGs aus Riesling und Weißburgunder. Also musste ich bei diesem Schnäppchen zuschlagen. Bei meiner regulären GG-Bestellung bei einem Händler, der Rebholz im Programm hat, landeten auch zwei Flaschen der Spätlese trocken ‚vom Muschelkalk‘ auf dem Einkaufszettel.

Dieser Tage war es dann soweit. Ich zog einen der Weine auf und ob des Eintrags ‚Ab nächstem Jahr GG?‘ der exakt so in der ‚Bemerkungen‘-Spalte meines Kellerbuches stand, fiel mir die Geschichte wieder ein. Der Wein allerdings war so gar kein GG, eher eine schöne aber zu teure Spätlese. Da musste ich doch mal nachschauen. Laut Internet gibt es ihn immer noch, den Riesling ‚vom Muschelkalk‘, seit dem Jahrgang 2008 ist er mit einem angehängten ‚S‘ bekleidet, was wohl daran liegt, dass VDP-Betriebe das Prädikat Spätlese nur noch für süße Rieslinge verwenden. Ob ich Opfer eines Wichtigtuers geworden bin, oder der notorische ‚Whistleblower‘ auf einen des viralen Marketings mächtigen Winzer oder Händler hereinfiel, werde ich nie herausfinden. Der Schaden hält sich aber in Grenzen, schlechte Weine schmecken schließlich anders.

Ökonomierat Rebholz,‚vom Muschelkalk‘, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase etwas Thymian, Aprikose und ganz viel Grüner-Apfel-Shampoo. Am Gaumen ist der Wein balanciert, saftig mit zurückhaltender Säure und Aromen von Apfel, etwas würzig und mit leicht prickelnder Mineralik. Er ist aber auch auf eine nicht ganz passende Art cremig/laktisch und lässt Frische vermissen. Der Abgang ist recht lang aber der Wein nicht der große Wurf. Sehr ordentlich aber nicht begeisternd.