Sommer anknipse(r)n (2)

Über mein frühsommerliches Ritual, die erste laue Nacht auf der Terrasse mit einem Glas des jeweils neuen Jahrgangs von Knipsers Sauvignon Blanc zu begehen, habe ich schon letztes Jahr berichtet. Dieses Jahr konnte ich den Zapfen ein paar Wochen früher aus der Flasche ziehen. Doch schätze ich, ich muss mir einen neuen Wein für diesen Brauch suchen.

Der Stil von Knipsers Sauvignon Blanc hat sich verändert, so zumindest interpretiere ich mein Erlebnis dieser Woche. Grasiger, internationaler ist er geworden, hat die etwas dropsige deutsche Gefälligkeit abgeschüttelt, die die meisten hiesigen Sauvignon Blancs und bisher auch den von Knipser gekennzeichnet hat. Damit hebt er sich noch mehr ab von vielen seiner Konkurrenten, ist ein Klassewein geworden, der mit nur 11,5% Alkohol die Aromatik wärmerer Gegenden mit der Leichtigkeit deutscher ‚cool climate‘ Weine verbindet. Ich vermute, dass er das einer bewusst frühen Ernte verdankt, anders kann ich mir solche Werte in 2009 nicht erklären. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass dies eine gewollte und (klimatische Möglicheit vorrausgesetzt) dauerhafte Entwicklung ist.

Knipser, Sauvignon Blanc QbA, 2009, Pfalz. Nase: sehr frisch und grün, grasig, Stachelbeere, Ingwer, ein bisschen kräutrig, Basilikum. Am Gaumen zeigt der Wein eine sehr pointierte Säure, viele grüne Noten, Stachelbeere, rote Johannisbeere, extrem grasig (aber nicht unreif), leicht aber ernsthaft, relativ trocken. Langer, fruchtiger aber auch etwas adstringierender Abgang. Hervorragender aber viel zu junger Wein.

Sein volles Potential nutzt der Wein wohl erst mit ein paar Monaten oder gar einem Jahr Flaschenreife. Während ich jetzt also einen Sauvignon Blanc im Keller habe, mit dem ich skeptische Freunde von der internationalen Konkurrenzfähigkeit deutscher Gewächse aus dieser Rebsorte überzeugen kann, muss ich mir einen neuen Sommer-Begrüßungs-Wein suchen. Vorschläge sind hochwillkommen.

Brüder im Geiste

Aus Zeitmangel habe ich eine ganze Weile keine Verkostungsnotizen in meinen Computer übertragen. Jetzt sitze ich gerade über meinem Notizbuch und finde zwei kurz hintereinander gemachte Einträge, zweier Weine, die ich zu verschiedenen Spargelgerichten getrunken habe. Die Ähnlichkeit der Notizen ist erheblich. Trotzdem würde man sie blind wohl nicht verwechseln, zu holzig der eine, zu mineralisch der andere. Was sie eint, ist vermutlich das Vorbild: Ein Pfälzer Chardonnay und ein Silvaner aus Rheinhessen versuchen Burgunder zu sein. Ist das noch Terroir? Egal, es ist zweimal fantastischer Wein.

Jakob Pfleger, Edition Curator, Chardonnay, 2006, Pfalz. In der Nase ausgesprochen typisch: Birne, Mandarine, Haselnuss und Butter. Am Gaumen beeindruckt der Wein mit saftiger, süßer Frucht und einer spürbaren Holznote, buttrigem Mundgefühl und großem Volumen. Dass das nicht fett, breit und beliebig wirkt, verdankt der Wein einer kräftigen Säure, die zusammen mit dem Holz auch den sehr langen, samtigen Abgang prägt. Ein idealer Essensbegleiter, den man dann mit Lust nach dem Essen solo weitertrinkt. 13,5% Alkohol sind gut integriert. 91 Punkte

Wittmann, Silvaner trocken -S-, 2007, Rheinhessen. In der Nase Joghurt, Haselnuss und Kernobst. Am Gaumen stoffig mit schöner Frucht (Birne und Mandarine), feiner Süße und einer kalkigen Mineralik. Diese kann nicht verhindern, dass der Wein ein ganz bisschen bonbonig daher kommt, sonst wäre er richtig groß. Langer Abgang bei perfekt integrierten 13 % Alkohol. Der Prototyp des Spargelpartners, wenn neben den weißen Stangen ein Stück helles Fleisch oder kräftiger Fisch liegt 90 Punkte

Das ist typisch deutsch

Als ich letztens darüber schrieb, dass ich mich immer wieder frage, was wohl typisch deutsch an einem deutschen Spätburgunder sein mag, hinterließ Leser Ralph einen Kommentar, den ich viel früher beantworten wollte. Aber besser spät als nie.

Etwas vereinfacht dargestellt bemängelte Ralph, dass Pinot-Fans mit typisch deutschen Noten negative Assoziationen verbänden, gleichzeitig aber Terroir-Weine verlangten. Deutsches Terroir könne aber eben auch nur deutsche Noten produzieren.

Ich finde, dass man sich dieser Logik nicht verschließen kann und trotzdem muss ich hier einen Einwand formulieren. Eine nicht zu vernachlässigende ‚deutsche Note‘ im Spätburgunder hat meines Erachtens nichts mit Terroir zu tun. Sie kommt vielmehr von Dorn- und Dunkelfelder, der in fünf- bis fünfzehnprozentiger Dosierung so manchem hiesigen Spätburgunder beigemengt wird – und ich bin überzeugt, dass das viel öfter geschieht als der gemeine Weinfreund sich ausmalt und auch von viel berühmteren Winzern, als man denkt. Das ist legal und muss auf dem Etikett nicht vermerkt werden, nicht nur hierzulande sondern fast überall auf der Welt. Aber nur bei uns dürfte die Rolle des Deckweins von Dornfelder und Kollegen übernommen werden.

Ich kenne nur wenige Winzer, die diese Art der Weinbereitung offensiv kommunizieren. Viele räumen es ein, wenn man bemerkt, der Wein schmecke aber, als ob Dornfelder drin sei und manche verneinen es kategorisch. In letzteren Fällen vertraue ich lieber dem Winzer als meinem Geschmack, obwohl ich glaube, dass ich zumindest Dornfelder recht zuverlässig erkenne (Dunkelfelder habe ich nur ein einziges Mal in  einem Leben reinsortig getrunken und das war schon einmal zu viel). Beim folgenden Wein habe ich keine Ahnung, ob er Pinot pur ist, habe den Winzer nicht gefragt und will deswegen nichts behaupten. Als ich ihn trank, fiel mir aber Ralphs Kommentar wieder ein, und dass ich endlich meine Antwort formulieren sollte. Irgendwoher wird die Assoziation wohl gekommen sein…

Jakob Pfleger, Pinot Noir Edition Curator, 2005, Pfalz. In der Nase rote Früchte, ganz viel Himbeere, etwas Kirsche und Johannisbeere, ein bisschen Erdbeermarmelade und dazu Holz und Rauch. Am Gaumen fruchtig, wieder Himbeere und Kirsche, aber auch etwas laktisch (Joghurt) mit gut passender Säure. Deutliche Noten vom Holzeinsatz aber nur zahmes Tannin. Füllig, mollig und rund, ohne alkoholisch zu sein. Langer Abgang ohne besondere Mineralik. Ein Holz-Frucht-Burgunder mit dieser Deutschen Note, die ich nicht unbedingt mit Terroir assoziiere.

Versuch macht kluch (2)

Rebsorten, die noch nicht offiziell für den Anbau zugelassen und daher als ‚Versuchsanbau‘ gekennzeichnet sind, üben eine große Faszination auf mich aus. Man kann nicht nur ganz neue Geschmackseindrücke sammeln, man kann auch trefflich mit seinen Mittrinkern diskutieren, ob die Welt diese Rebsorte in Deutschland braucht. Ich bin zwar keine maßgebliche Instanz für derlei Fragen, aber das soll mich nicht davon abhalten, mir eine Meinung zu bilden.

Während Jakob Pflegers Cabernet Franc mich neugierig auf weitere deutsche Ausgaben dieser Sorte machte, ist die Gemengelage beim heutigen Kandidaten etwas anders. Es gibt viel Für und Wider, beim Viognier aus der Pfalz vom Weingut Kuhn. Auf der Habenseite steht, dass Philipp Kuhn ein begnadeter Winzer ist und alles, was seinen Horizont erweitert, irgendwann positiven Einfluss auf seine vielen großartigen Weine haben dürfte. Auch kann man zustimmend vermerken, dass keine Zuchtanstalt mehr eine Kreuzung aus Sauvignon Blanc und Grünem Veltliner aus dem Reagenzglas zaubern muss, denn dieser Viognier aus der Pfalz schmeckt wie der Prototyp einer solchen Züchtung. Kritisch kann man fragen, ob man in Deutschland noch eine alkoholstarke Weißweinsorte benötigt, wo doch die diversen Burgundersorten immer öfter mit 14 Volumenprozent daherkommen. Und man kann zweifeln, dass die Welt auf die Vermählung von weißem Pfeffer und Katzenpisse gewartet hat. Denn diese Komponenten von Veltliner und Sauvignon Blanc treffen hier heftigst aufeinander.

Am Ende waren meine Gäste und ich uns einig: das ist ein spannendes Erlebnis, ein gut trinkbarer Wein, wohl investierte Zeit und ein Vergnügen – aber keine Ermunterung, ein neues Fach im Weinkeller für deutschen Viognier zu schaffen.

Philipp Kuhn, Viognier, Qualitätswein aus Versuchsanbau, 2009, Pfalz. In der Nase wirkt der Viognier wie ein besonders blumiger Sauvignon Blanc, Kiwi/Stachelbeere, Katzenpisse, Basilikum, Lavendel und gelbe Früchte. Am Gaumen ist der massive Alkohol recht ordentlich eingebunden, solange man den Wein ordentlich gekühlt genießt. Mit Luft und nur etwas wärme wird er schnell brandig. Der Wein betört mit süßer Frucht – Mandarine, Pfirsich, Grapefruit und Limette. Dazu gesellt sich ein heftiges Pfefferl, was nur mäßig harmonisch wirkt. Der sehr lange Abgang zeigt eine recht charmante, kalkige Mineralik. Für mich ist das ein pfeffriges Fruchtbonbon von hohem Unterhaltungswert. Vielleicht muss man der Schokolade-mit-Chili-Fraktion nahe stehen, um sich von Pfälzer Viognier richtig hinreißen lassen zu können.

Füllwein (14)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Franz Keller, Spätburgunder Selection, QbA, 2005, Baden. Ein relativ dunkler Vertreter, sowohl farblich als auch von den Aromen in der Nase: Kirsche aber vor allem Zeder, Waldboden und eher nicht ‚deutsch‘. Am Gaumen ist die Stilistik fast international, wenn nicht die dafür eher untypische kräftige Säure wäre: ziemlich viel Bumms, Aromen von Kirsche und Pflaume, Kakao, gar nicht mineralisch, noch deutliche Spuren vom Holz aber moderates Tannin, jetzt reif und voll da. Außerordentlich langer Abgang. Hervorragend und für Keller (Baden) eher untypisch: exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis.

Müller-Catoir, Gimmeldinger Mandelgarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase legt der Wein eine falsche Fährte: er riecht süß nach vollreifem Pfirsich sowie ein bisschen Banane und Marzipan. Am Gaumen ist er dann aber sehr trocken und bietet  viel Zitrus-Aroma, Grapefruit und eine stramme Säure. Er ist vollmundig und fast ein bisschen fett, was er überreifen Noten verdankt und nicht etwa seinem Restzucker, denn er kommt nur auf 4,7 Gramm bei 7,4 Promill Säure. 13,5% Alkohol sind spürbar, Mineralik eher weniger. Das klingt krass und mit diesem Adjektiv ist der Wein derzeit auch treffend beschrieben. Aber in zwei oder drei Jahren sieht das vermutlich anders (besser) aus.

Becker-Steinhauer, Veldenzer Kirchberg, Riesling Kabinett trocken, 2005, Mosel. Noch so ein staubtrockener Vertreter: Der Wein ist spontan vergoren und hat irgendwann den Turbo eingeschaltet. Bevor der Winzer Stopp sagen konnte, waren 13% Alkohol und nur noch drei Gramm Restzucker im Getränk. Das hat ganz zu Beginn auch noch mit einem Spontistinker geglänzt und gehörte ebenfalls in die Kategorie ‚krass‘. Drei Jahre Flaschenreife haben alles geordnet. In der Nase deutliche Reifenoten aber keine Firne, dazu Aprikose und Aloe Vera. Weder in der Nase noch am Gaumen kann der Wein seinen Alkohol verbergen, bewegt sich aber im erträglichen Rahmen. Am Gaumen straff mit vollem Mundgefühl, schöner Mineralik und etwas Pfirsichfrucht. Langer mineralischer Abgang. Extrem viel (toller) Wein für damals 5€!