Exportschlager

Zu Zeiten zweier Deutscher Staaten gehörte ich zu der Gruppe Westdeutscher, die keinerlei Ostverwandschaft hatte. Meine einzige Informationsquelle über die sozialistische Lebensrealität (neben Radio und Fernsehen) war mein Klassenlehrer, der Schwiegereltern ‚drüben‘ hatte. Jedes Mal wenn diese, als Rentner Reisefreiheit genießend, ihn besucht hatten, versorgte er uns anschließend mit Anekdoten, denen wir schon deswegen gespannt lauschten, weil sie uns Deutschunterricht ersparten. Eines Tages erzählte er eine Geschichte, wie seine Schwiegereltern Wandfliesen zur Verschönerung ihres Badezimmers bestellt hatten und nach 8 Monaten Wartezeit auf eine Palette blaue Kacheln lediglich eine halbe Palette gelbe Kacheln geliefert bekamen. Nach erneutem Antrag und entsprechender Wartezeit kam dann noch einmal eine halbe Palette grüner Kacheln dazu.

Also ging man bei ihrem nächsten West-Besuch gemeinsam in einen Fliesenmarkt, um das Problem durch den Erwerb einer ausreichenden Menge passender Kacheln zu lösen. Reihe um Reihe schritt die Familie das Sortiment ab, doch die beiden Ruheständler murmelten die ganze Zeit nur, wie teuer das doch alles sei – bis ein sichtlich genervter Verkäufer sie indigniert wissen ließ: ‚Also wenn ihnen sogar diese günstigen Kacheln noch zu teuer sind, dann müssen wir da rüber gehen, da steht der billige Schrott aus der DDR!‘

Was das mit Wein zu tun hat? Vor kurzem hatte ich einige Arbeitskollegen zu einer kleinen Party eingeladen. Diesen blieb mein Weinvorrat nicht verborgen und ein junger Kollege aus Rumänien berichtete seinen Eltern in der Heimat von einem netten Abend und meinem für ihn beeindruckenden Weinvorrat. Die Eltern wollten ihrem Sohn (und mir) etwas Gutes tun und nahmen bei ihrem bald darauf erfolgtem Besuch extra zwei Flaschen besten rumänischen Weins mit auf eine 2500 Kilometer lange Autofahrt, auf dass er sie mir bei unserer nächsten Begegnung als Geschenk überreiche. Ich finde es wahnsinnig nett, wenn Menschen sich so viel Mühe machen, um mir eine Freude zu bereiten und konnte mein rumänisches Testtrinken kaum erwarten.

Wenn es um Weinpräsente geht, ignoriere ich meine Kinderstube regelmäßig und bemühe Tante Google, um mehr über Herkunft und – mea culpa – Preis des geschenkten zu erfahren. Und da kam mir die alte Geschichte meines Klassenlehrers in Erinnerung. Denn diese mit Holographie-Aufklebern als echt zertifizierten Ergebnisse rumänische Weinbaus kann man auch in Deutschland erwerben: als Bückware in Spätaussiedlermärkten für zwei Euro neunundneunzig.

Zwar müssen Rumänen für die Weine nicht mehr Schlange stehen, meinem Fairnessgefühl versetzte diese Erkenntnis trotzdem einen heftigen Tritt. Es ist mir daher ein Vergnügen, (zumindest ein bisschen) etwas zur Ehrenrettung des rumänischen Weines beizutragen.

Jidvei, Dry Muscat, demi-sec, 2010, Rumänien. In der Nase zeigt sich ein typischer Muskat, sehr blumig und mit Zitronenschale. Am Gaumen überrascht mich der Wein mit seiner trockenen Art, unter demi-sec hatte ich mir einen zumindest leicht süßen Vertreter vorgestellt. Der Wein ist etwas laktisch, was ganz gut mit der strengen Säure harmoniert. Aromen von Marzipan und Mandarine treffen auf einen leichten, angenehmen Bitterton. Leider ist der Abgang etwas kurz und der Wein insgesamt ein wenig muffig. Aber ein Glas als leichter (12% Alkohol) Aperitif gefällt mir gut. Zu mehr reicht es vielleicht auch aufgrund der Rebsorte nicht. Meine zurückhaltende Einstellung zu Muskat habe ich bereits beschrieben.

Recas, Feteasca Neagra/Merlot, halbtrocken, 2010, Rumänien.Eine Cuvée aus Merlot und der berühmt-berüchtigten Schwarzen Mädchentraube. Der Wein ist in der Nase von grünen Noten dominiert (Tomatenpflanze), als ob das Lesegut nicht nur aus reifen Trauben bestand, darunter scheinen Pflaume und Kirsche durch. Am Gaumen gefällt er mir deutlich besser: Rote Beeren, ordentliche Säure, sehr saftig und eher trocken – das rumänische Weingesetz scheint sehr streng in Bezug auf den Zuckergehalt zu sein, in Deutschland ginge sowas sicher als trockener Wein durch. Das Tannin ist leicht rau, der Alkohol (13%) spürbar aber nicht dominant, insgesamt gefällt der Wein durch eine gute Struktur von Frucht, Säure und Tannin. Der Abgang ist leider nur mittellang. Ein vorsichtshalber bereitgehaltener Spätburgunder kommt an diesem Abend nicht zum Einsatz – ein sehr akzeptabler Wein.

Ein akademisches Vergnügen

Als ich vor kurzem schrieb, dass es mir einerlei sei, wie ein Winzer seinen Wein vergärt, ob spontan oder mit selektierten Hefen, ging es allein um meine Präferenzen. Ich bin nicht der Meinung, dass es keinen Unterschied macht. Meine geschmacklichen Vorlieben tendieren nur nicht in eine Richtung. Beide Weinstile sind in meinem Keller gleichberechtigt vertreten und machen mir Freude. Ein akademisches Vergnügen weiterlesen

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (3)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte

Im Jahr 2006 befanden sich die VDP-Regionalverbände noch in der Findungsphase, was die Kennzeichnung der Großen Gewächse anging. Die 2005er wurden teils mit, teils ohne Prädikatsangaben vermarktet und auch die Verwendung der Bezeichnung GG war nicht einheitlich geregelt. Bei Knipsers kam es zu völliger Verwirrung denn der folgende Wein hat keinerlei Hinwies auf den Status des GG auf Vorder- oder Rückenetikett. Lediglich die GG Flasche mit der ‚Trauben-1’identifiziert ihn als solches. Den Kollegen von NEPV begegnete derselbe Wein allerdings auch schon in einer normalen Flasche ohne das GG Signet.

An der Trauben-1 sollt Ihr sie erkennen...

Knipser, ‚Steinbuckel‘ Großes Gewächs, Laumersheimer Mandelberg, Riesling Spätlese trocken, 2005, Pfalz. In der etwas verhaltenen Nase Aprikose, Mirabelle, Quitte und Apfel sowie die Würze von 5 Jahren Flaschenreife und etwas Aloe Vera. Am Gaumen zeigt sich reife Frucht (Apfel und Aprikose) und etwas Malz. Der Riesling ist ziemlich trocken, die Säure fein, und zusammen mit einer kalkigen Mineralik entwickelt sich schönes Spiel. Nur 12% Alkohol machen den Steinbuckel angenehm leicht. Vielleicht etwas zu leicht, denn trotz eines sehr mineralischen langen Abgangs fehlt dem Wein nach meinem Dafürhalten der letzte Kick.

Selbst im guten Jahrgang 2005 wachsen die GGs vom Riesling nicht allenthalben in den Himmel. Noch eine Spur kürzer gewachsen ist der folgende, wenngleich er – wie auch der Knipser – preislich im unteren Drittel der GG liegt und damit im Preis-Genuss-Verhältnis noch zu befriedigen vermag.

St. Antony, Nierstein Orbel, Riesling GG, 2005, Rheinhessen. Die Nase wirkt dünn, wie Weinschorle, Grapefruit, Limone und etwas Muskat. Am Gaumen vollreife Aprikose, Karamell und Malz aber der Wein ist etwas lasch, obwohl sich 13,5% Alkohol leicht brandig bemerkbar machen, fehlt es ein wenig an Druck. Der Abgang ist relativ lang und mineralisch.

Besser gemacht hat es Christmann, dem ein standesgemäßes, leicht barockes, Pfälzer Riesling GG gelungen ist:

Christmann, IDIG, Riesling GG, 2005, Pfalz. In der Nase wirkt der Wein weich und warm mit Boskop, Aprikose und Pistazie. Am Gaumen ist der IDIG voll, ziemlich mollig und nicht sehr trocken. Mit seinem Aroma von vollreifer Aprikose wirkt er ein bisschen mastig, kriegt aber aufgrund der sehr griffigen Mineralik und feinen Säure noch die Kurve. Auch der Alkohol ist vernünftig eingebunden. Der Abgang ist sehr lang und etwas breit aber ich mag sie ja, die Wonneproppen – und dieser hier ist besonders gut.

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Der beste Weißburgunder der Welt

Ich plagiiere! Die Überschrift dieses Artikels stand so auch vor einigen Jahren in der Zeitschrift Weinwelt und ich fand sie ziemlich doof. Die besten Weine der Welt zu suchen, ist ein aussichtsloses Unterfangen, sie zu küren Anmaßung. Doch ich kam ins Grübeln: Dem Weißburgunder wird nur in Deutschland ein so großer Stellenwert eingeräumt, dass er als GG zugelassen ist, in eigenen Wettbewerben prämiert wird und preislich an die trockenen Spitzen unserer Hauptrebsorte, des Rieslings, heranreicht. Dort wo er als Pinot Blanc oder Bianco wächst, steht er meist im Schatten des Chardonnay und wird bestenfalls als anspruchsvoller Tischwein gekeltert. Der beste Weißburgunder der Welt weiterlesen

Nachgetankt: Neumond

Unter den mittlerweile recht zahlreichen Kommentaren zu meinem Bericht über den neuesten Entdeckerwein befindet sich auch einer mit der Frage, wie es denn derzeit um den letztjährigen Tropfen der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft bestellt ist. Den nahm ich zum Anlass, den ohnehin bereitstehenden Riesling ‚Neumond‘ einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Mein Fazit: Er entwickelt sich ähnlich wie andere gehaltvolle Rieslinge aus dem Jahrgang. Man kann ihn jetzt trinken, sollte ihn aber nicht zu lang belüften. Meine Empfehlung für alle, die jetzt einen Neumond aufziehen wollen, lautet nach drei Tagen der Beobachtung: gut kühlen, Korken raus und frisch eingeschenkt. Ein erstes Glas zum schwelgen, ein zweites Glas zum diskutieren – mehrere Mittrinker sind von Vorteil. Seinen Höhepunkt hat der Riesling aber noch lange nicht erreicht.

Riesling 'Neumond' von Keller und der DWEG
Entdecker-Riesling neu betrachtet

K. P. Keller (und Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft), Riesling QbA ‚Neumond‘, 2009 (kein Jahrgang auf dem Etikett), Rheinhessen. In der Nase ist der Wein schwelgerisch und opulent, mit klassischen Rieslingaromen wie Aprikose und Aloe Vera, er zeigt aber auch eine feine Kräuterwürze mit Minze und Rosmarin. Am Gaumen ist der Neumond ebenfalls wuchtig mit Aprikose und Grapefruit, ordentlicher Säure aber auch einer gehörigen Portion Süße, dazu ist er ausgesprochen mineralisch und kommt mit einigen animierenden Gerbstoffen daher. Das ergibt einen reuelosen Genuss. Nach ungefähr 45 Minuten ändert sich das Bild: der Wein wird etwas kompakter, die Nase ist nicht mehr so üppig, am Gaumen wird er fester, mit weniger Frucht und dominanter Mineralik. Er schmeckt jetzt deutlich trockener – ein Wein zum Sinnieren. So bleibt er auch am zweiten Tag. Der Abgang ist zu jedem Zeitpunkt außerordentlich lang.

Der Neumond ist ein hervorragender Wein auf dem Niveau eines gelungenen ‚Grossen Gewächses‘ aus dem tollen Jahr 2009. Ich denke er wird sich auch analog diesen Entwickeln.