Ich wollte Weinblogger sein…

…als ich mich heute vor einem Jahr ziemlich spontan bei WordPress anmeldete und ein Blog mit dem Namen ‚Der Schnutentunker‘ einrichtete. Ideen hatte ich einige und irgendwie war die Diskussion der Rebsorten, die mich am meisten interessieren, im Deutschen Teil des Internets erlahmt. Warum also nicht meine Gedanken und Notizen in einem eigenen Blog präsentieren?

365 Tage und gut 120 Beiträge später hat sich das Bild ein bisschen gewandelt. Ein richtiger Weinblogger bin ich nicht geworden. Ich recherchiere nicht, ich greife keine Themen auf, die aktuell die Wein-Web-Gemeinde umtreiben, ich habe keinen Anspruch auf Aktualität und ich begreife mein Blog nicht als ein Weinmedium. Meine Vernetzung lässt zu wünschen übrig.

Um das (im Moment) endgültige Credo des Blogs ‚Der Schnutentunker‘ zu finden, habe ich gut sechs Monate gebraucht. Zirka seit dem Jahreswechsel gibt es ein einfaches Grundprinzip: Ich trinke, wozu ich gerade Lust oder Anlass habe und wenn mir dazu eine Geschichte einfällt (irgendeine Anekdote oder ein Gedanke, mit dem ich schon eine Weile schwanger gehe), dann gibt es eine Geschichte – wenn nicht, dann nicht. Was trotzdem erwähnt werden muss, landet in der mit ‚Füllwein‘ überschriebenen Artikelserie; ganz selten gibt es eine rahmenlose Verkostungsnotiz eines besonderen Weines als Einzelartikel. Und die monatliche Weinrallye kann mich dazu animieren, einen Wein extra für eine Geschichte aufzuziehen.

Zwei Aspekte genieße ich an diesem Dasein: Mein Zugang zu Wein vor dem Hintergrund der Frage, (was) würde ich über diesen Tropfen schreiben wollen, ist ein anderer als das bloße Wegsüppeln vergangener Tage. Die Beschäftigung mit Sprache – ich kann es auch ‚die Lust am Fabulieren‘ nennen – ist die andere Motivation den Schnutentunker zu schreiben. Ein bisschen pointiert soll es ein, von mir aus auch mal albern, ich gebe dem Kalauer den Vorzug vor der Seriosität. ‚Der Schnutentunker‘ ist heute mehr denn je das ‚Tagebuch eines ahnungslosen Enthusiasten‘, als das ich es von Anfang an untertitelt habe.

Durchschnittlich 15 bis 25 Menschen besuchen mein Blog am Tag, Tendenz stagnierend. Es könnten mehr sein, würde ich weniger Wert auf Überschriften und Textvariationen legen, denn Google mag es monoton – nur mir verginge dann der Spaß.

So kommt ein Viertel der Besucher über Genussblogs.net, ein Viertel über Blogrolls, wobei der Eintrag in Bernhard Fiedlers Blogroll ungefähr doppelt so viel ausmacht, wie alle anderen zu mir verlinkenden Blogs zusammen! Weitere Leser finden mich über die WordPress-Twitter-Bridge oder haben ein Bookmark gesetzt – Google ist ein verblüffend kleiner Traffic-Lieferant.

Ich wende kaum mehr als vier Stunden pro Woche für den Schnutentunker auf, mehr erlaubt das Familienleben nicht. Daher freut mich das Ergebnis des ersten Jahres. Einen besonderen Wein muss ich zum Jubiläum nicht trinken. Der erste hier erwähnte Wein war Kerpens trockene Spätlese aus der Wehlener Sonnenuhr von 2006. Ein Jahr weiser und eine Entwicklungsstufe weiter bietet sich dieser hier an:

Kerpen, Wehlener Sonnenuhr, Riesling Spätlese trocken ‚Alte Reben‘, 2006, Mosel. Der Wein ist in der Nase jahrgangstypisch. Man kann das ‚unsauber‘ nennen oder würzig, ich finde es interessant – zumindest gelegentlich. Frucht in Form von Apfel ist noch da sowie etwas Liebstöckel. Am Gaumen ist der Wein recht wuchtig, mit massiver Mineralik aber auch wahnsinnig reif, kräuterig und würzig. Aromen von Dörraprikose und eine spürbare Säure erinnern entfernt an Riesling. Der Abgang ist lang und etwas brandig, der Wein erinnert im Abgang eher an Cognac denn an Riesling. Es ist die letzte Flasche. Die anderen beiden habe ich in ihrer Jugend genossen und da war der Wein hervorragend.

Ich danke allen Lesern. Bleibt mir gewogen!

Füllwein (15)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Battenfeld Spanier, Weissburgunder QbA, 2007, Rheinhessen. Der Basiswein ist einer der dichtesten und fettesten Basisweine aus dieser Rebsorte, die ich je getrunken habe. Er hält locker mit so mancher Spätlese guter Erzeuger mit. Allerdings ist er trotz Schraubverschluss schon ziemlich reif und ich werde zukünftige Jahrgänge jünger trinken. In der Nase Apfel, Birne, Quitte, eine leichte florale Note aber auch erste Reifetöne. Am Gaumen ebenfalls Kernobst und eine recht deutliche Bratapfelnote, die der Wein in der Jugend vermutlich noch nicht hatte. Sehr viel Kraft, dicht und stoffig trotz dem der Wein im Alkohol mit 12,5% recht bescheiden ist. Der Wein ist mild in der Säure, der Abgang sehr lang.

Agritiushof, Riesling ‚Selection‘ (Oberemmeler Karlsberg), QbA, 2005, Mosel (Saar). Die sehr dunkle Farbe fällt sofort auf, und man erwartet instinktiv einen reifen Wein. In der Nase präsentiert sich der Wein auch vollreif mit Noten von Orangeat und gelben Früchten, doch er hat auch etwas duftig Blumiges. Am Gaumen ist er nicht sehr druckvoll, eher mittelkräftig mit feiner Säure und Aromen von Grapefruit und Mandarine. Mäßige Mineralik und ordentliches Spiel münden in einem langen Abgang, der beim ersten Glas etwas adstringierend am zweiten Tag jedoch vollkommen harmonisch ist. Der Wein ist ein schönes Beispiel, wie der Reifeprozess einen Moselriesling harmonisieren kann: acht Promill Säure und fast elf Gramm Restzucker haben sich zu einem harmonisch trockenen Gesamtbild vermählt.

Heymann-Löwenstein, Riesling ‚Schieferterrassen‘, 2007, Mosel. Sehr saubere Nase: Klare Pfirsichfrucht, Rhabarber, Aloe Vera. Am Gaumen mitteldick, halbtrockenes Geschmacksbild, schöne Frucht von Apfel und Pfirsich, etwas Mineralik, insgesamt schön aber nicht übermäßig komplex. Im langen Abgang ein leichter Gerbstoff/Bitterton, der zu ‚Abzügen in der B-Note‘ führt. Dieser Ton kann sich mit der Zeit integrieren – oder auch nicht. Ich habe beides schon erlebt und wage keine Prognose. Alles in allem ein sehr schöner Wein, der aber im Kontext von Winzer und Jahrgang etwas hinter meinen Erwartungen zurück bleibt.

Ostzonales Burgunderwunder

Viel ist schon geschrieben worden über die Renaissance des Weinbaus in den Anbaugebieten der ehemaligen DDR. Dabei beschränken sich die Geschichten oft auf drei griffige Aspekte: Rieslinge aus Sachsen (inklusive Goldriesling), den Elbling (inklusive seiner Versektung) und das Weingut Schloss Proschwitz (samt adeligen Spätrücksiedler). Riesling aus Sachsen ist mir zu teuer (ein Soli reicht), Elblingsekt von der Mosel schmeckt oft viel besser und die Weine von Schloss Proschwitz finde ich so lala – mit Ausnahme der Weißburgunder (bei denen ich das GG, den ‚Drei Musketiere‘ und die normalen Prädikatsweine allesamt spitze finde).

Überhaupt gibt es aus Neufünfland einige wirklich bemerkenswerte Weißburgunder. Das Weingut Pawis von der Saale hält mit Proschwitz mit. Während meine erste Begegnung mit Pawis‘ frisch gefülltem GG vom Weißburgunder vor Jahren eher gemischte Gefühle weckte (weil der Wein vor Kraft kaum laufen konnte), hat mich die gereifte Version dieser Tage schier vom Hocker gehauen. Die ist wie immer mit dem Vorbehalt zu lesen, dass mich krasser Holzeinsatz bei weißen Burgundern nicht stört, solange diese genügend Fleisch auf den Rippen haben.

Pawis, Freyburger Edelacker, Weißer Burgunder GG (Spätlese trocken), 2005, Saale/Unstrut. In der Nase erinnert der Wein stark an einen Chardonnay mit Butter, Haselnuss, Mandarine und Holz – sehr viel Holz. Das ist Geschmackssache, aber meinen Geschmack trifft es. Am Gaumen Honigmelone, Mandarine, Kokos und Vanille vom Holzausbau. Der Wein ist stoffig, cremig, voll und sehr harmonisch. Dabei ist er so fett, dass er auch 14% Alkohol integriert. Erst ganz am Ende des sehr langen Abgangs machen sich diese bemerkbar.

Von wegen Einheit, das ist ein Spalter. Meine bessere Hälfte mochte nicht mal ein halbes Glas davon trinken. Für mich liegt er irgendwo bei 92 oder mehr Punkten. Toller Essensbegleiter (in diesem Fall zu Lachs vom Holzkohlegrill).

Sommer anknipse(r)n (2)

Über mein frühsommerliches Ritual, die erste laue Nacht auf der Terrasse mit einem Glas des jeweils neuen Jahrgangs von Knipsers Sauvignon Blanc zu begehen, habe ich schon letztes Jahr berichtet. Dieses Jahr konnte ich den Zapfen ein paar Wochen früher aus der Flasche ziehen. Doch schätze ich, ich muss mir einen neuen Wein für diesen Brauch suchen.

Der Stil von Knipsers Sauvignon Blanc hat sich verändert, so zumindest interpretiere ich mein Erlebnis dieser Woche. Grasiger, internationaler ist er geworden, hat die etwas dropsige deutsche Gefälligkeit abgeschüttelt, die die meisten hiesigen Sauvignon Blancs und bisher auch den von Knipser gekennzeichnet hat. Damit hebt er sich noch mehr ab von vielen seiner Konkurrenten, ist ein Klassewein geworden, der mit nur 11,5% Alkohol die Aromatik wärmerer Gegenden mit der Leichtigkeit deutscher ‚cool climate‘ Weine verbindet. Ich vermute, dass er das einer bewusst frühen Ernte verdankt, anders kann ich mir solche Werte in 2009 nicht erklären. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass dies eine gewollte und (klimatische Möglicheit vorrausgesetzt) dauerhafte Entwicklung ist.

Knipser, Sauvignon Blanc QbA, 2009, Pfalz. Nase: sehr frisch und grün, grasig, Stachelbeere, Ingwer, ein bisschen kräutrig, Basilikum. Am Gaumen zeigt der Wein eine sehr pointierte Säure, viele grüne Noten, Stachelbeere, rote Johannisbeere, extrem grasig (aber nicht unreif), leicht aber ernsthaft, relativ trocken. Langer, fruchtiger aber auch etwas adstringierender Abgang. Hervorragender aber viel zu junger Wein.

Sein volles Potential nutzt der Wein wohl erst mit ein paar Monaten oder gar einem Jahr Flaschenreife. Während ich jetzt also einen Sauvignon Blanc im Keller habe, mit dem ich skeptische Freunde von der internationalen Konkurrenzfähigkeit deutscher Gewächse aus dieser Rebsorte überzeugen kann, muss ich mir einen neuen Sommer-Begrüßungs-Wein suchen. Vorschläge sind hochwillkommen.

Brüder im Geiste

Aus Zeitmangel habe ich eine ganze Weile keine Verkostungsnotizen in meinen Computer übertragen. Jetzt sitze ich gerade über meinem Notizbuch und finde zwei kurz hintereinander gemachte Einträge, zweier Weine, die ich zu verschiedenen Spargelgerichten getrunken habe. Die Ähnlichkeit der Notizen ist erheblich. Trotzdem würde man sie blind wohl nicht verwechseln, zu holzig der eine, zu mineralisch der andere. Was sie eint, ist vermutlich das Vorbild: Ein Pfälzer Chardonnay und ein Silvaner aus Rheinhessen versuchen Burgunder zu sein. Ist das noch Terroir? Egal, es ist zweimal fantastischer Wein.

Jakob Pfleger, Edition Curator, Chardonnay, 2006, Pfalz. In der Nase ausgesprochen typisch: Birne, Mandarine, Haselnuss und Butter. Am Gaumen beeindruckt der Wein mit saftiger, süßer Frucht und einer spürbaren Holznote, buttrigem Mundgefühl und großem Volumen. Dass das nicht fett, breit und beliebig wirkt, verdankt der Wein einer kräftigen Säure, die zusammen mit dem Holz auch den sehr langen, samtigen Abgang prägt. Ein idealer Essensbegleiter, den man dann mit Lust nach dem Essen solo weitertrinkt. 13,5% Alkohol sind gut integriert. 91 Punkte

Wittmann, Silvaner trocken -S-, 2007, Rheinhessen. In der Nase Joghurt, Haselnuss und Kernobst. Am Gaumen stoffig mit schöner Frucht (Birne und Mandarine), feiner Süße und einer kalkigen Mineralik. Diese kann nicht verhindern, dass der Wein ein ganz bisschen bonbonig daher kommt, sonst wäre er richtig groß. Langer Abgang bei perfekt integrierten 13 % Alkohol. Der Prototyp des Spargelpartners, wenn neben den weißen Stangen ein Stück helles Fleisch oder kräftiger Fisch liegt 90 Punkte