Nennt mich Sisyphos!

Ich habe mir einen Ruck gegeben und eine Weinliste angelegt. Als vierter Reiter oben in der Navigation soll sie all denjenigen helfen, die einen bestimmten Wein in diesem Blog suchen. Es war eine viehische Arbeit, die 150 Links händisch zu setzen, aber je länger ich damit gewartet hätte, desto mühsamer wäre es geworden. Zu dieser zeitraubenden aber recht einfachen Arbeit gab es auch etwas zu trinken: einen angemessenen Arbeitswein, wie sich herausstellen sollte.

Salwey, Eichberg ‚R‘, Spätburgunder, 2005, Baden. In der Nase vor allem Holz, dazu Himbeere und etwas Erdbeere. Am Gaumen mollig, warm und ebenfalls mit vielen Holz- und Röstaromen. Der Wein hat eine kräftige Säure, schönes Kirsch- und Beerenaroma, ist aber insgesamt ziemlich rustikal. Der Abgang ist lang und verhalten mineralisch. So, wie das Holz vielleicht etwas dominant ist, ist der Alkohol mit nur 13% erfreulich unauffällig. Insgesamt ein sehr schöner, wenngleich kein großer Wein.

Simple Genüsse (2)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Spätburgunder, 2009, Mosel. (Über einen Zeitraum von mehreren Tagen getrunken) In der Nase zunächst diffus, laktisch, Erdbeere und Kirsche, etwas Holz; am vierten Tag etwas ernsthafter: Leder, Kirsche und Pflaume, wenig Rauch und Holz. Am Gaumen ist dieser Pinot zunächst gefällig und etwas beliebig mit schmeichlerischen cremigen Noten, nach ein paar Tagen fand ich ihn klarer konturiert: Kirsche, gekochte Erdbeere, Bleistift, etwas Teer, leicht mineralisch, wenig Holz, gut integrierter Alkohol und reifes Tannin; das alles mündet in einem langen Nachhall. Macht mit viel Luft jetzt schon Spaß und lässt mich für die Zukunft hoffen: ich mache die nächste Flasche in einem Jahr auf.

Earrazuriz, La Escultura Estate, Sauvignon Blanc from a single Vinyard, DO Vale de Casablanca, 2009, Chile. Der Wein hat einen ganz feinen Duft, trotz der nicht zu leugnenden sortentypischen Katzenpisse-Note, denn er zeigt auch florale Noten wie Lavendel und riecht angenehm herb. Am Gaumen ist der Chilene ein ziemlicher Brummer, ein Wein zum Kauen, so dicht präsentiert er sich. Orangenschale samt leichter Bitternote und Zitrus sind vorherrschende Aromen in einem massiven Wein, der 13,5% Alkohol locker integriert. Sehr langer Abgang. Für mich ein Wahnsinns-Stoff für gerade über zehn Euro.

Knipser, Blauer Spätburgunder, 2005, Pfalz. In der Nase Kirsche hoch vier mit einer ordentlichen Portion Holz, dazu etwas Kräuterwürze wie zum Beispiel Thymian. Am Gaumen ist der Wein dann weniger fruchtig als erhofft, ein wenig Kirsche und Blaubeere werden von Holz begleitet aber das ganze wird sehr von Säure dominiert. Auch wenn der Wein seine 13,5% Alkohol gut integriert und über schönes Tannin verfügt, ist er meines Erachtens letztlich für so viel Säure etwas zu schwachbrüstig. Ein ordentlicher Wein von einem Winzer für den ein ‚guter‘ Wein schon einen qualitativen Ausreißer nach unten bedeutet.

Simple Genüsse (1)

Eine kleine Neuerung im neuen Jahr. Die Artikel, die bisher ‚Füllwein‘ übertitelt waren, haben eine neue Überschrift. Ansonsten gilt auch für die simplen Genüsse: Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Chateau La Rousselle, 2005, Fronsac, Bordeaux. In der Nase sehr fruchtig mit Cassis, Brombeere und Himbeere, dazu Leder, Kaffee und deutlicher Alkohol. Am Gaumen ebenfalls sehr fruchtig mit reifen Beeren, Kirsche und wiederum Kaffee und Bitterschokolade. Der relativ kräftige Holzeinsatz ist schmeckbar, eine leichte Teer-Note gesellt sich zu kräftigem aber nicht unangenehmem Tannin. Der Wein ist von mittlerem Volumen, kräftig aber nicht breit, trotzdem könnte die Säure akzentuierter und der Alkohol (13,5%) zurückhaltender sein. Der Abgang ist sehr lang aber etwas holzig. Insgesamt ein sehr guter Wein, der mir in ein paar Jahren vielleicht mal richtig großartig schmecken wird. Verträgt derzeit etliche Stunden Luft.

Lothar Kettern, Piesporter Spätburgunder trocken ‚Barrique‘, 2007, Mosel. In der Nase zeigt der Wein sehr viel Holz, daneben verblassen die anderen Eindrücke von Erdbeere, Grenadine und Blut fast. Am Gaumen ist der Wein mitteldick und mittelmäßig druckvoll. Er kombiniert eine straffe Säure mit viel Frucht: Kirsche, Himbeere, (gekochte) Erdbeere. Der Wein ist leicht mineralisch, wird mit Wärme etwas cremig und zeigt eine deutlich rauchige Holznote. Der Alkohol von 13,5% tritt dezent auf, der Abgang ist lang. Vom ganzen Typus ist dieser Wein so etwas wie der kleine Bruder von diesem hier.

Günther Steinmetz, Kestener Paulinsberg, Riesling Kabinett trocken, 2007, Mosel. In der Nase eine Stinkbombe. Man kann versuchen, es höflich als ‚Spontangärungsnote‘ zu umschreiben, aber ich will das Kind beim Namen nennen: der Wein riecht nach faulen Eiern – und zwar so heftig, dass für manch Weinfreund hier schon Schluss ist. Mir macht der Geruch weniger aus (wenngleich er meine Schmerzgrenze touchiert), und so kann ich auch etwas zum Gaumen schreiben: ein sehr trockener, gelbfruchtiger und recht mineralischer Kabinett mit schöner schlanker Struktur und krasser Säure (auch die flirtet mit meinem persönlichen Grenzwert). Vier Tage nach dem Öffnen hat sich die Stinkbombe kaum verzogen, es sind jedoch erste Aprikosennoten darunter zu erahnen. 12% Alkohol sind vollständig integriert. Ich glaube, das wird noch mal ein ganz toller trockener Kabi. Der Wein zeigt eine solche Frische, dass ich ihm die ewige Haltbarkeit unterstellen möchte, die viele dieser ‚Extrem-Spontis‘ an den Tag legen.

Stellungskrieg am Höllenberg

Speisen und Wein zu kombinieren, ist eine hohe und wichtige Kunst. Es ist so schade, wenn einer filigranen Speise ein rumpeliger Wein beigeordnet ist oder umgekehrt. Was aber tut man eigentlich, wenn man als Gast bei Tisch einen zwar unpassenden aber außergewöhnlich teuren und seltenen Wein angeboten bekommt? Dankend ablehnen und die angebotene Allerweltsalternative schlabbern? Bin ich bekloppt?

Konkret sah ich mich mit dieser Frage kürzlich konfrontiert. Es erwartete uns ein frugales Mahl aus allerlei türkischen Dips und Kleinigkeiten, die von Knoblauch nur so strotzten und mein Gastgeber hob an: ‚Ich hab‘ da noch einen Höllenberg von Kesseler in Keller, der müsste mal weg…‘

Rein aus persönlicher Erfahrung behaupte ich, dass Knoblauch und Pinot keine Freunde sind, zumindest auf meiner Zunge wollten sie bisher so recht kein Tänzchen zeigen – eher einen erbitterten Stellungskrieg mit schmutzigen Bomben. Insofern tut man beiden Unrecht, wenn man sie zueinander zwingt.

Aber was soll‘s, nennen wir das Kind ruhig beim Namen: Gier! Ich liebe deutschen Spätburgunder. Und hier war eine der Ikonen Deutschen Pinots im Angebot. Also her damit! Und da alle anderen es besser wussten, war ich bald der einzige, der sich mit diesem Wein vergnügte, der Rest wandte sich einer italienischen Trinkmarmelade zu (wer braucht schon Brunello?).

August Kesseler, Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder QbA 2002, Rheingau. Eine typische deutsche Spätburgundernase mit Himbeere und Erdbeere, dazu Rauch, Blut und nur etwas Holz. Insgesamt wirkt die Nase noch sehr vital. Am Gaumen ist der Höllenberg mitteldick aber sehr tief. Viel Frucht (Kirsche und Pflaume), rohes Fleisch und Räucherspeck treffen auf eine schöne mineralische Note; der Alkohol (14%) und das Holz sind perfekt integriert. Das ist die Sorte Spätburgunder, die trotz aller Konzentration nicht in die Breite geht, sondern einen bemerkenswerten ‚Zug zum Tor‘ hat. Mir macht das unendlich viel Freude (93 Punkte) aber ich weiß, dass ich mit dieser Vorliebe einer Minderheit angehöre.

Prädikatsmarmelade

Ich bin ein großer Fan von deutlichen Ausdrücken in der Weinsprache. Wenn ein Wein so richtig schwach ist, darf man ihn in meiner Gegenwart gerne als Plörre bezeichnen, auch wenn das in weiten Teilen der Weinszene verpönt ist. Und so mag ich auch den Ausdruck ‚Trinkmarmelade‘ für heftigst fruchtige, übertrieben opulente und dabei schwere, alkoholstarke Weine. Dieses selten schmeichelhaft gemeinte Attribut wird in meinem Bekanntenkreis gerne Weinen aus Übersee angehängt, dabei bin ich der Meinung, dass etliche südfranzösische Winzer sich hervorragend auf die Produktion von Trinkmarmelade verstehen und auch in Deutschland die eine oder andere Marmeladenfabrik steht.

Ich trank diese Woche genau drei Weine und mehr oder weniger zufällig, waren alle drei ziemlich wuchtig, opulent und süß – Kandidaten für das Marmeladenattribut. Vielleicht liegt es am Kälteeinbruch, dass ich sie alle drei gerne mochte, lediglich der erste konnte mit seinem Zuviel an Alkohol nur bedingt punkten, die anderen beiden haben mir richtig gut gefallen.

Künstler, Hochheimer Reichestal Spätburgunder R, 2005, Rheingau. In der Nase sehr vegetabil (um dieses bescheuerte Wort wenigstens einmal in diesem Blog zu verwenden), was höflich umschreiben soll, dass die Nase eher an Gemüsesud, Sellerie und Sauerkraut erinnert denn an Wein. Am Gaumen ist der Wein nur verhalten fruchtig, vor allem Kirsche und ein wenig Waldbeeren sind zu schmecken; die Frucht ist sehr reif aber nicht überextrahiert. Recht deutliche Rauch- und Holznoten erreichen den Gaumen noch, bevor 14,5% Alkohol aus allen Rohren feuern und andere Sinneseindrücke platt machen. Im langen Abgang taucht noch etwas Mineralik auf. Das ist solo getrunken ein rechter Branntwein, zu einem sehr feurig gewürzten Gulasch dreht der Reichestal jedoch auf. Dann harmoniert‘s prächtig und der Alkohol fällt nicht weiter auf. Als Gesamtpaket sind das für mich 86 oder 87 Punkte zusammengesetzt aus einer eher abschreckenden Aperitif-Erfahrung und einer sehr gelungenen Speisenkombination. Eher Alkoholmonster als Trinkmarmelade.

Johannishof (Eser), Rüdesheimer Berg Rottland, Riesling Erstes Gewächs, 2005, Rheingau. In der Nase Bratapfel, (über)reifer Pfirsich, etwas rosinig, etwas spritig, würzige Reifenoten und Malz. Am Gaumen ist der Wein richtig voluminös und dick, süße Frucht, Aprikose, Apfel, Mandarine und Kemmsche Kuchen; dazu kommt eine rauchige Mineralik. Der Alkohol von 13,5% ist mittlerweile halbwegs integriert, was vor einigen Jahren noch überhaupt nicht der Fall war. Der Wein zeigt Tiefe und Länge, ist aber so überkonzentriert, fruchtig, alkoholisch und fast halbtrocken, dass man ihn getrost als ‚weiße Trinkmarmelade‘ bezeichnen darf. Bestimmt nicht jedermanns Sache aber ich finde ihn richtig großartig und sehe ihn nördlich von 90 Punkten.

Vina Errazuriz, Don Maximiano Founder’s Reserve, Cabernet Sauvignon, 2000, Aconcagua Valley, Chile. In der Nase eine Beeren-Orgie: vor allem Brombeere und Himbeere dominieren das Bukett, aber es scheinen auch Cassis und Blaubeere durch. Dazu gesellt sich eine Reihe von irdenen Aromen: etwas Lakritz, etwas Holz und Leder, am zweiten Tag kommt eine leichte Joghurt-Note dazu. Am Gaumen ist der Wein ebenfalls sehr fruchtig, mit ein wenig Luft wird er aber kantiger und der überbordenden Beeren-Frucht stehen Holz und Tannin in vernünftigem Maß gegenüber. Während er am ersten Abend vor allem niedere Instinkte bedient (SCHENK! MIR! EIN!), erscheint er tags drauf hervorragend strukturiert und tiefgründig – der Wein spricht mit mir. Allerdings spricht er Spanisch mit südamerikanischem Akzent: ein üppiger Cabernet aus Übersee, der aus sehr reifen Trauben gewonnen und mit 14% Alkohol alles andere als bescheiden ist. Der Don Max ist aber gesitteter als die beiden oben beschriebenen Weine. Er harmonierte mit Rinderrouladen und trank sich gut solo. Der Abgang währt sehr lang. 92 Punkte.