Der kälteste Weinberg Afrikas

Südafrika ist ein Weinland, dem ich mich seit Jahren widmen wollte, allein mir fehlte die Zeit. Ich war einmal dort und habe auch zwei Weingüter besucht, aber intensive Beschäftigung sieht anders aus. Nun hatte ich die Gelegenheit zwei ganze Tage Weine vom Kap zu probieren und ihre Macher zu interviewen. Ich war zu einer Fachmesse der Weinbauverbände von Südafrika, Chile und Argentinien in London eingeladen. Mein Fokus lag auf der Verkostung südafrikanischer Weine, da mir das vor der Reise vom südafrikanischen Verband zugesandte Material eine gute Vorbereitung ermöglichte – und eine solide Vorbereitung auch anhand des Südafrika-Weinführers ,Platter‘ erschien mir dringend erforderlich.

Die Bezeichnung der Weine Südafrikas ist erstaunlich uniform: viele Weingüter machen einen Sauvignon Blanc (=Stahltank), einen Sauvignon Blanc Reserve (=mit ein bisschen Holz), einen Chardonnay ,unoaked‘ (=Stahltank), ,Barrel Fermented‘ (Mischung aus altem und neuen Holz), ,Reserve‘ (=mehr Holz) und oben drüber einen ,Single Vineyard‘ (=richtig viel Holz). Ulkigerweise wird der Single Vineyard zwingend aus einer einzelnen Lage gelesen, der Name der Lage aber oft nicht erwähnt. Analog zum Chardonnay erscheint auch der Chenin Blanc in bis zu vier Variationen. Manche Weingüter machen dann noch eine weiße Cuvée aus den drei Rebsorten, die häufig einfach den Weingutsnamen mit dem Zusatz ,White‘ trägt. Dazu heißt jeder dritte Winzer Finlayson oder die Weingüter tragen Adjektive wie kleine oder groote im Namen. Erstmals konnte ich mir vorstellen, wie sich ein Ausländer beim Versuch die Mosel zu durchdringen vorkommen muss: Tausend Spätlesen aus irgendwelchen Sonnenuhren und die Winzer heißen entweder Thanisch (Witwe, Erben, Ludwig etc.) oder Prüm (J.J., Studert-, Christoffel-, S.A. etc.).

Chris Alheit: Ein Jungwinzer mit Vollenweider als Vorbild
Chris Alheit: Ein Jungwinzer mit Vollenweider als Vorbild

Dies war meine erste Weinmesse im Ausland und ich war gespannt, was mich erwarten würde. Beeindruckend war, dass die meisten Weingüter 10.000 Kilometer fern der Heimat durch ihre Gutsverwalter oder Kellermeister persönlich repräsentiert wurden (oft auch im Doppelpack). Da die Verkostung für Fachpublikum und nicht überlaufen war, konnte ich mich in Ruhe mit Menschen wie Ken Forrester vom gleichnamigen Weingut unterhalten, der mir einiges über Südafrika und seine Weinstile erzählen mochte. Spannend auch ein Gespräch mit Chris Alheit, einem jungen Winzer, der in seinem vor zwei Jahren gegründeten Weingut Erkenntnisse umsetzt, die er in seinem Jahr bei Daniel Vollenweider an der Mosel gesammelt hat. Es war überhaupt erfrischend zu erleben, wie etliche Winzer anfingen von der Mosel und ihren Rieslingen zu schwärmen, sobald sie hörten, dass ihr gegenüber aus Deutschland kam.

Eine Erkenntnis gewann ich schon nach wenigen Gesprächen: Winzerlatein ist auch für Südafrikaner keine Fremdsprache. Der meist gehörte Satz der Show war: ,unsere Weinberge sind besonders kühl‘ gefolgt von Erläuterungen, dass dies wahlweise der Frische, der Mineralik oder dem Säuregerüst zugute käme. Die Bemerkung kam so gebetsmühlenartig und wurde dermaßen betont, dass vor meinem geistigen Auge Legionen farbiger Erntehelfer in Rentierpullovern durch Stellenboschs Weingärten zogen. Dabei war ich selber schon einmal im Spätsommer vor Ort und konnte beobachten, wie die gnadenlose Sonne so manche Traube noch am Stock zu Marmelade verkocht.

Die Verkostung Dutzender Weine in kurzer Zeit ist eine Herausforderung, der ich mich mit gemischten Gefühlen stelle. Insbesondere die Weine aus der Sauvignon Blanc Traube im klassischen Neue-Welt-Stil mit aus dem Glas springenden Fruchtaromen, gepaart mit grün-grasiger-Frische schmecken für mich nach dem vierten Wein alle gleich. Auch der Chardonnay ,unoaked‘ bietet mir wenig Differenzierungsmöglichkeiten. Beim Holz haben die Südafrikaner keine Berührungsängste. Mein Bibergebiss kam bei den ,Reserves‘ vom Chardonnays und auch bei etlichen Chenin Blancs voll auf seine Kosten. Nicht selten ist das für zarter besaitete Gaumen aber deutlich zu viel Barrique.

The FMC: Spitzen-Chenin mit internationaler Fangemeinde
The FMC: Spitzen-Chenin mit internationaler Fangemeinde

Die spannendsten Weißweine der Show waren für mich allesamt Chenin Blancs. Diese Traube ist eine heimliche Liebe von mir, seit ich einmal einen gereiften Vouvray in Bestform erleben durfte. Chenin kann ganz trocken sein oder auch feinherb, mit gar keinem bis viel Holz, jung oder zehn Jahre gereift und – das kann er besser als der Riesling – er kann auch Holz und Restsüße miteinander kombinieren und dabei altern. Ein zehn Jahre alter halbtrockener Riesling mit 50% neuem Holz ist für mich eine Drohung, das Gleiche vom Chenin ist eine Offenbarung. Leider sind die Südafrikaner feige, was Restzucker angeht, die Weine sind fast alle sehr trocken. Einzig der bereits erwähnte Ken Forrester schenkte mir einen Wein mit 15 Gramm Restzucker und viel neuem Holz ein: Sein Premiumwein ,FMC‘ ist große Winzerkunst für einen, wie er mit breitem Grinsen zu Protokoll gibt, kleinen Käuferkreis. ,Wer ihn nicht versteht, der soll ihn nicht kaufen‘ lautet sein Credo.

Der trockene Chenin Blanc von Botanica ist für mich ein weiterer Ausnahmewein. 50% des Mostes sind im Stahltank ausgebaut und auf Klarheit und Frucht (ganz viel Limone) getrimmt, während die andere Hälfte in alten und neuen Fässern vergärt. Die Mischung ist nachher ein Best-of beider Weinstile, die so miteinander harmonieren, dass ich versucht war, die Probeflasche zu klauen.

Mit südafrikanischen Rotweinen tue ich mich schwerer. Pinotage erinnert mich zu sehr an Dornfelder, außer er kommt als so unglaublich guter Wein daher wie der Greywacke von Chamonix – die einen Teil der Trauben nach dem Ripasso-Verfahren ausbauen, weswegen der Wein auch nicht mehr sortentypisch schmeckt. Die mächtigen Höher-Schneller-Weiter-Bordeaux-Cuvées, die vor Kraft kaum laufen können, sind nichts für mich. Unglaublich elegant und im Alkohol vergleichsweise zurückhaltend sind hier die Weine von Vergelegen, auch Mullineux oder Tokara sah ich eher auf der eleganten Seite. Meine geliebten Spätburgunder gelingen in Teilen Südafrikas auch sehr gut, zum Beispiel im ,eiskalten‘ Elgin Tal, aus dem ich mit dem Rockview Ridge von Shannon Vineyards einen Vertreter mit nur 13% Alkohol und nobler Eleganz fand.

Vergelegen: Rot oder weiß, Eleganz auf breiter Front
Vergelegen: Rot oder weiß, Eleganz auf breiter Front

Experimentalweine, die Europa derzeit so beschäftigen, sind des Südafrikaners Sache nicht. Ein einziger ungeschwefelter Zurück-zu-den-Wurzeln-Wein schwappte mir ins Glas. ,Nudity‘ heißt der Syrah vielsagend und stammt von der Winery of Good Hope (aus deren Radford Dale Serie). Er vereint bei nur 13% Alkohol eine gewisse Wildheit mit viel Frucht und Eleganz. Die 1900 produzierten Flaschen reichen aber gerade einmal für den Inlandsbedarf und ein paar internationale Weinshows.

Das tolle an Südafrikas Weinszene ist, dass sie nur 500 Winzer zählt (auf einer Rebfläche von ähnlichem Ausmaß wie die Deutsche). Der Rest macht Fassweine. Da könnte man sich mit vertretbarem Aufwand zum Experten fortbilden, wenn die guten Winzer denn einen deutschen Importeur hätten. Doch leider ist genau dies das Problem: Die Hälfte der hier erwähnten Weine sind in Deutschland nicht erhältlich. What a shame!

Und hier geht es zum Bericht des mitgereisten Direttore Breitenfeld

Schammes für dreifuffzich

Ich war im Urlaub. Deswegen gab es eine Weile keinen neuen Artikel. Ich wollte einmal Pause machen vom Bloggen und den täglichen Social Media Diskussionen. Keine künstliche Askese, ich habe gelegentlich bei Facebook hineingeschaut, die Frequenz war nur sehr bescheiden. Eine Diskussion in meiner Lieblingsfacebookgruppe ,Hauptsache Wein‘ habe ich am Rande mitbekommen: die handelte davon, dass Spaniens Weinwirtschaft in der Krise (vorsichtig ausgedrückt) steckt. Daran musste ich denken, als ich mir Wein kaufte, denn Spanien war mein Aufenthaltsort in diesem Urlaub. Schammes für dreifuffzich weiterlesen

Selber fälschen

In meinem linkskonservativen Facebook-Freundeskreis herrscht in politischen Dingen große Einigkeit. Nur eine Frage spaltet die Gemeinde: wer eher den Ehrenplatz in der Hölle verdient, Lobbyisten oder FDP-Wähler. Ich sehe das anders. In meinen Augen hat alles seine Berechtigung, Freidemokraten ebenso wie Lobbyisten – und die Hölle sowieso.

Lobbyisten sind es allerdings, die einen großen Teil der Diskussionen prägen, die meine Freunde rund um Wein betreiben. Es geht um die Geiz-ist-Geil-Mentalität und die Tatsache, dass deutsche Konsumenten jede zweite Flasche Wein beim Discounter kaufen. Ich glaube an den mündigen Verbraucher und ich konnte mir nie vorstellen, dass wir wirklich ein Volk von Weinbanausen sind. Also habe ich etwas getan, was ich eigentlich nie tue: ich habe recherchiert.

Ich habe keinen journalistischen Anspruch und schaue mir im Internet lieber Weindiskussionen an, als mich auf Faktensuche zu begeben. Da traf es sich gut, dass Recherche zum deutschen Weinmarkt kein komplexes Unterfangen ist. Das Deutsche Wein Institut (DWI) veröffentlicht regelmäßig Informationen. Die Statistik 2012-2013 steht als PDF bereit. Und siehe da: auf Seite 31 stehen Zahlen. Knapp 2 Milliarden Liter Wein kaufen die Deutschen jedes Jahr, 550 Millionen davon beim Discounter. Das ist weit weg von ,jede zweite Flasche‘. Surft man durchs Netz findet man den Fehler. Von den 1,17 Milliarden Litern, die der Deutsche im Handel kauft, sind die 550 Millionen Lidl-Liter tatsächlich fast die Hälfte. Da hat dann einer vom anderen abgeschrieben und langsam verflüchtigten sich die Spezifizierungen, bis aus jeder zweiten Handelsflasche jede zweite Flasche wurde.

Wir Weinfreaks repräsentierten gerade einmal 2% des Marktes, heißt es immer wieder in Diskussionen. Auch dazu finden sich Zahlen. 260 Millionen Liter kaufen die Deutschen direkt bei Winzern und Genossenschaften. Das sind 18%. Nimmt man den Fachhandel mit seinen 120 Millionen Litern dazu, fließt sogar ein Viertel des daheim genossenen Weines durch die Kehlen von Liebhabern. Das ist eine erhebliche Größe.

Wieso reden dann alle nur über Discounterweine? Wieso kommt keine öffentlich-rechtliche Magazinsendung mehr ohne Discounterwein-Blindverkostung aus? Der Grund ist einfach: die Lobbyisten vom DWI. Tatsächlich kostet Wein unendlich wenig Geld. Nur Bier ist – gemessen am Preis pro Gramm enthaltenen Alkohols – marginal billiger. Das billigste Bier kostet rund 50 cent pro Liter und enthält 5 % Alkohol. Der billigste Liter Wein mit etwas über 10% kostet 1,29 Euro – im Tetra Pak. Man kann in Deutschland ein Leben im permanenten Vollrausch für weniger als Hundert Euro pro Monat führen, vorausgesetzt man hält sich an Bier und Wein. Schnaps ist erheblich teurer.

Bier und Wein müssen teurer werden, notfalls über steuerliche Maßnahmen, schrieb denn auch die damalige Drogenbeauftragte Sabine Bätzing 2008 in ihr nationales Aktionsprogramm gegen Alkoholmissbrauch. Zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig, etwa genau so viele Personen betreiben Alkoholmissbrauch, ohne im medizinischen Sinne abhängig zu sein. Zehn Prozent der trinkfähigen Bevölkerung kippen sich mehr als die Hälfte des hierzulande verkauften Alkohols hinter die Binde. 200 Millionen Liter Wein wechseln im Tetra Pak den Besitzer, 100 Millionen davon bei Aldi und Co, schrieb die WELT in einem Artikel von 2007. Und auch die Flasche 1,39 Euro Pinot Grigio von Netto dürfte zur ,Grundversorgung für Vieltrinker‘ zählen, wie Michael Willkomm, Chef der Großkellerei Peter Mertes im Gespräch mit der Welt einen Teil seiner Produktion nennt.

Um zu verhindern, dass der Bodensatz der weintrinkenden Gesellschaft zum Argument für Extra-Steuern auf Wein wird, eignet sich ein Mittel besonders gut: die Bildung des Durchschnitts. Also gibt der Deutsche ,im Schnitt‘ 2,50 Euro für einen Liter Wein beim Discounter aus. Das hämmert die Lobby-Organisation DWI seit einigen Jahren der deutschen Öffentlichkeit ins Hirn. Es wird vom Verbraucher und Weinliebhaber geredet. Doch wer die bedauernswerten Geschöpfe, die sich hektoliterweise Frankentaler einflößen, ,Weinliebhaber‘ nennt, der hält Sodomisten auch für Tierfreunde.

Quelle: DWI
Quelle: DWI

Mehr als die Hälfte der im LEH und Discount abgesetzten Flaschenweine kostet laut WELT weniger als 1,50 Euro (zugegeben, die Zahl ist von 2007), da bleibt für die restlichen Flaschen 2,99 Euro: Mutti trinkt Blanchet oder Gallo und das ist kein deutsches Phänomen. Ich mag mich irren aber mir bietet sich ein einfaches Bild: Viele Deutsche trinken günstige Markenweine, einige trinken etwas teurere Markenweine und noch weniger – aber eben keine verschwindend geringe Zahl – trinken Winzerweine. Wir haben eine ganz normale Weinkultur. Leider haben wir als Volk ein Alkoholproblem. Dank der Durchschnittbilderitis einer Lobby-Organisation entsteht aus diesen beiden Polen des Weinmarktes ein Zerrbild. Im Ergebnis wird der unentschlossene Wein-Neuling von den Medien mit der Botschaft bombardiert, billiger Wein sei prima. Die ist Ausfluss einer Schutzstrategie für Großkellereien, finanziert mit den Marketinggeldern auch der handwerklichen Erzeuger. Wenn ich Qualitätswinzer wäre, ich käme aus dem Fluchen gar nicht mehr raus.

Da ich mich aber nicht zu ärgern brauche, genieße ich lieber einen handwerklichen Wein. Einen, der in jeder Hinsicht die Statistiken manipuliert: Er ist ein Exot und sauteuer (verglichen mit dem Durchschnitt). Mein erster Sauvignon Gris hat mächtig Spass gemacht. Weinkultur eben.

Knipser, Sauvignon Gris, 2005, Pfalz. In der Nase würzig mit etwas Holz, blondem Tabak, sehr reifer Birne, Quitte und Johannisbeere. Am Gaumen wieder Holz und Rauch,die Säure ist sehr präsent, Apfel und dann Pfeffer hoch drei, Der Wein hat Zug zum Tor, mittleres Volumen, unauffällige 12,5 % Alkohol und einen sehr langen Abgang mit viel Pfeffer aber ohne Veltliner-Verwechslungsgefahr. Hat mir ausnehmend gut gefallen.

Hirn aus!

Manchmal kann es ganz schön nerven, ein Weinblogger zu sein. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema steht dem Genuss schon gelegentlich im Weg. Mache ich mir nach sieben Jahren Teilnahme an Internetdiskussionen heute einen Wein auf, dann läuft ganz ohne mein Zutun eine kleine Checkliste durch meinen Kopf. Diskussionen der Vergangenheit erzwingen die Fragestellungen der Gegenwart. Trinke ich ein Großes Gewächs, sieht die Checkliste beispielsweise so aus:

  • Ist dieser Wein mastig, auf Show getrimmt, nur für Verkostungen und Etikettentrinker – oder kann man den auch gemütlich süppeln?
  • Wäre eine trockene Spätlese nicht die bessere Alternative?
  • Ist der vergleichsweise hohe Preis gerechtfertigt?
  • Wie ist er vergoren (oder zumindest: wonach schmeckt und riecht das)?

Dazu kommen dann die jahrgangsspezifischen Fragen wie ,Schmeckt man die fehlende Säure?‘ (2009, 20011) oder ,Bestätigt er das Vorurteil, der Jahrgang reife schlechter als erwartet?‘ (2007). Auch Fragen nach der Herkunft programmieren sich von selbst. Manchmal möchte ich in solchen Situationen mein Hirn ausschalten oder wünsche mir einen Mann mit schwarzem Anzug und einem ,Blitzdings‘.

Zwei Mittel zur Abhilfe gibt es für mich. Entweder ich trinke einen Wein, über den ich schon gebloggt habe. Dann ist alles gesagt, das Hirn macht Pause und ich genieße reuelos. Oder ich mache mir etwas auf, wozu ich absolut keine Meinung habe – einen Österreicher zum Beispiel. Ich bin mir zwar bewusst, dass auch in Österreich darüber diskutiert wird, ob Smaragde zu dick sind, die Wachau auf einem Irrweg wandelt, der Grüne Veltliner schwer sein darf oder Botrytis im trockenen Riesling in dem Himmel oder die Hölle führt – allein: es ist mir völlig Schnuppe. Und es ist mir dann auch völlig egal, ob ich gerade einen Wein liebe, der in unserem Nachbarland als Beispiel des Niedergangs der Weinkultur gilt oder etwas nur passabel finde, wofür sie in Österreich die Gebetsteppiche ausrollen. Ich denke, man muss sich nie dafür schämen, was einem schmeckt.

Ein lecker ÖsiNeulich war es mal wieder so weit. Nach einer Woche voller Meinungen musste ich das Hirn abschalten, die Gurgel in den reinen Konsumentenmodus schalten und etwas trinken, wovon ich keine Ahnung habe. Ich hatte den Wein auf ebay ersteigert und weiß noch nicht mal ob der gezahlte Preis teuer, angemessen oder günstig war. Aber ich fand ihn so gut, dass ich am zweiten Tag, als der Forscherdrang wieder erstarkte, Stift und Zettel holen und ein paar Notizen machen musste.

Domäne Wachau, Terrassen, Grüner Veltliner Smaragd, 2007, Wachau, Österreich. In der Nase sehr angenehm, ziemlich reif mit Birne, Melone und Krokant. Am Gaumen relativ wuchtig, cremig aber auch mit frischer Säure, schöner Struktur, eher wenig Frucht (Apfel, Quitte) und reichlich weißem Pfeffer. Der Wein ist ziemlich trocken, mineralisch und intensiv in seiner Aromatik – ein Maul voll Wein. Der Abgang ist sehr lang und harmonisch, 13% Alkohol verleihen Kraft, ohne unangenehm aufzufallen. Macht enorm viel Spaß.

Käufliche Liebe (2)

Es gibt Geschichten, die sind so unwahrscheinlich, dass sie wahr sein müssen. Es war genau ein Tag vergangen seit dem Erscheinen meines Artikels über den ersten Wein, den ich je in einer Verlosung gewonnen hatte, da erhielt ich die Nachricht, die Glücksfee sei mir schon wieder gewogen gewesen. Gleich ein ganzes Weinpaket sollte den Postweg zu mir antreten. Das klingt, als habe da jemand die Verlosung manipuliert, um Weine an einen Blogger zu schicken, der tatsächlich drüber schreibt.

Das war auch dem Überbringer der Botschaft klar. Also schrieb mir Ralf Kaiser, der die facebook-Seite von ,Weine der Loire‘ betreut fast peinlich berührt, dies sei wirklich nur ein Gewinn und niemand erwarte, dass ich etwas darüber schriebe – und Zufall sei es sowieso. Wer das Vergnügen hatte, Ralf einmal kennenzulernen – so wie ich beim Vinocamp 2012 –, hat keine Veranlassung an der Wahrheit seiner Worte zu zweifeln.

Drei Flaschen von der Loire sollten es also sein und ich durfte sogar Wünsche äußern. Das tat ich nach kurzer Überlegung.

Denk ich an die Loire, fällt mir zuerst Sauvignon Blanc ein (habe ich schon erwähnt, dass ich ein ziemlich durchschnittlicher Weinkonsument bin?). Der gefällt mir manchmal gut und manchmal (wenn er richtig kratzt) nicht ganz so gut. Wollte ich also nicht. Dann fällt mir Muscadet-Sèvre et Maine ein, dem ich wünsche, die EU erlasse dereinst eine Verordnung, dass man zu Austern nichts anderes trinken darf. Den liebe ich, habe aber noch ein paar Flaschen – und Austernzeit war auch gerade nicht. Als nächstes denke ich an die Cabernet Francs, die Freaks die Tränen in die Augen treiben ob ihrer Finesse bei gleichzeitig kleinem Preis – bin kein Freak und trinke rot fast nur noch Pinot. Den wollte ich auch nicht. Natürlich habe ich auch schon Erfahrungen mit den Cremants aus der Gegend gemacht (wir erinnern uns: Durchschnittskonsument). Das wäre doch mal spannend. Und zu guter letzt fällt mir Vouvray ein. Davon habe ich genau einmal in meinem Leben eine Flasche getrunken und die war so spannend, dass ich immer mehr über diese Weine wissen wollte. Das sollte es auch sein. Also orderte ich ,Vouvray und Blubber bitte‘.

Es kam ein Paket, und schon das Auspacken geriet zur Fortbildung. Eine Flasche Vouvray sec und zwei Flaschen Blubber – aus Vouvray. Ich dachte, es gäbe schäumend nur den Cremant de Loire, es gibt tatsächlich aber eine Breite Palette an Sekten aus Vouvray.

Ich fing mit einem Sekt an.

Dom. Sylvain Goudron, Vouvray Brut, Appellation Vouvray Controlée, ohne Jahrgang, Loire/Frankreich. In der Nase viel Zitrusfrucht, wenig Hefe, etwas Quitte und Muskat. Am Gaumen ist das ein ganz gefährlicher Stoff, denn er strotzt von süßer Frucht: Birne, Quitte,  Orange, dazu Muskat. Die Perlage ist nicht besonders fein, der Wein sehr voll, 12,5% Alkohol treten nicht weiter in Erscheinung. Spritzige Säure, stoffige Konsistenz, leicht minerlischer, mittellanger Abgang – das ist ,easy drinking‘ mit Anspruch. Zum hineinlegen!

Mein erster Vouvray-Sekt war ein voller Erfolg. Also probierte ich es einige Zeit später mit dem Stillwein. Er ist – wie auch die Sekte – aus der Rebsorte Chenin Blanc. Hier an der Loire gibt es den trocken, nicht so trocken (demi-sec) und süß. Der erste Vouvray, den ich vor Jahren trank, war ein demi-sec mit vier oder fünf Jahren auf dem Buckel. Der Stoff kann reifen! Das fühlt sich ein bisschen an wie Weine von der Mosel, nur ganz anders.

Dieser Vertreter war ein junger Hüpfer aus der sec-Klasse.

Zwei von schicken drei...Benoit Gautier/Domaine de la Chataigneraie, Argilex de Gautier, Vouvray sec AOC, 2010, Loire/Frankreich. In der Nase Quitte, etwas Vanille, Zimt (alles zusammen erinnert an Bratapfel), leicht kräutrig, etwas Holz (obwohl er laut Internet nicht im Fass war). Am Gaumen ist der Wein ziemlich voll, süß (bei 2 Gramm Restzucker), schmeckt nach Birne, ist leicht alkoholisch (bei eigentlich vertretbaren 13% Alkohol), zeigt ordentliche Säure, ist aber auch etwas cremig. Er schmeckt rauchig, ist im Abgang mineralisch und lang. Das ist ein sehr guter Wein mit einem überragenden Preis-Leistungsverhältnis, der im Handel wohl um 6€ kostet.

Apropos PLV: das ist ein spannender Aspekt dieses Paketes, keiner der Weine kostet mehr als zehn Euro. Der andere spannende Aspekt ist die enorme Fruchtigkeit und Süße, die der Chenin Blanc zustande bringt, ohne dafür Restzucker zu brauchen. Darauf noch einen Blubber:

Ch. Moncontour, Vouvray Brut, Appellation Vouvray Controlée, ohne Jahrgang, Loire/Frankreich. In der Nase Zitrus, Quitte und Hefe, Am Gaumen ist der Sekt ziemlich trocken aber sehr fruchtig mit Birne und Mandarine. Er ist leicht cremig, gleichzeitig voll und frisch und sehr lang, besticht mit tollem Spiel und sammelt Minuspunkte mit der etwas groben Perlage. Insgesamt aber ein sehr guter Sekt für weniger als zehn Euro.

Nun habe ich also das zweite Mal über Weine geschrieben, die ein Händler oder Produzent mir geschenkt hat, obwohl ich das doch nie nie tun wollte. Das lag sicher auch am Engagement der Bloggerkollegen für die Veranstalter der Verlosung. Mein Fazit hat damit aber nichts zu tun, das ist allein der Qualität der Weine geschuldet:

Trinkt mehr Weine von der Loire!