SchWaZ mit Schatz

Weinproben sind eine tolle Sache. Ich nehme gerne an Proben teil und gelegentlich veranstalte ich selber welche. Dabei nehme ich die Ergebnisse nicht allzu ernst. 15 Minuten mit 5 Zentilitern ergeben meist eine Bewertung genau dieser 5 Zentiliter, wie sie sich in genau jenen 15 Minuten präsentiert haben. Einen Wein darauf zu reduzieren, ist ungerecht. Deshalb veröffentliche in diesem Blog keine Probenberichte.

Und jetzt zur Ausnahme…

Ich war vor kurzem an der Nordsee urlauben, im Gepäck drei Flaschen Wein, die seit gut vier Jahren in einem gemeinsamen Fach in meinem Keller lagen, denn es war seit Anbeginn ihre Bestimmung, gegeneinander verkostet zu werden. Einen vierten hatte ich kurzfristig aussortiert, weil sich eine kürzlich getrunkene Flasche suboptimal präsentiert hatte. Die Probe sollte eigentlich blind stattfinden, doch musste ich diesen Teil des Plans kurzfristig ändern.

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich zu den glücklichen Weinverrückten gehöre, die bei ihren Ehefrauen auf Verständnis stoßen. Wie hier ausführlicher beschrieben, teilt meine Herzdame die Weinleidenschaft sogar, zumindest wenn es um Rieslinge jenseits der Trocken-Kategorie geht. Und bei meinen drei Probanden handelte es sich um feinherbe Rieslinge des für diese Weinkategorie großartigen Jahrgangs 2005. So freute sich meine bessere Hälfte nicht nur auf die Probe, sie bestand auch darauf, dass ich die Weine vorbereite, damit sie blind probieren könne (das hatte ich mir eigentlich andersrum ausgemalt).

Die drei Probanden waren ein Weltklassewein, ein ‚Garagenwein‘ und ein aufstrebender ‚klassischer‘ Moselaner, namentlich Emrich-Schönlebers ‚Halenberg R‘, A. J. Adams ‚Hofberg Riesling Reserve‘ (handnummeriert, Flasche 15 von 700) und Thanischs ‚Alte Reben‘ aus dem Lieserer Niederberg Helden. Preislich fiel letzterer aus dem Rahmen, kostet knapp die Hälfte der 25 Euro, die für die beiden ersten fällig waren. Der Probenaufbau war denkbar einfach: Meine Frau und ich waren die Tester, die wild durcheinander probierten, eine erste Benotung vornahmen, gemeinsam entschieden, welcher zum Essen getrunken werde und dann jeder mit seinem Favoriten den Abend ausklingen ließen. Zum Essen gab es am selben Tag vor Ort erstandene Schollenfilets, die so frisch waren, dass sie sich beim Braten aufrollten, dazu eine Beurre Blanc und Gemüse, schlicht und gut.

Den Thanisch hatten wir schon einige Male aber in jüngerer Zeit nicht getrunken, vom Halenberg R kannte ich einen anderen Jahrgang, und der Adam war uns beiden gänzlich unbekannt. Meine Erwartung war, dass ich sie trotzdem erkannt hätte, aber diese Frage stellte sich nicht mehr. In der Tat sind die Weine drei Interpretationen, die unterschiedlich und -scheidbar sind.

A. J. Adam, ‚Hofberg Reserve‘ (Dhron Hofberg), Riesling QbA, 2005, Mosel. In der süßen und reifen Nase kandierte Aprikose und Karamell. Am Gaumen ein ganz bisschen Vanille und Honig – gefühlte 2% Botrytis im Lesegut, was hervorragend mit dem Rest harmoniert: saftig und voluminös mit Aromen von Aprikose und Karamell, packendes Spiel von rassiger Säure und gefühlten 20 Gramm Restzucker, prickelnd und wahnsinnig mineralisch im ewig langen Abgang. 12% Alkohol sind perfekt integriert. 93 Punkte

Thanisch (Ludwig Thanisch und Sohn), ‚Alte Reben‘ (Lieserer Niederberg Helden), 2005, Mosel. In der Nase etwas Klebstoff aber auch viel Frucht: Mango, Pfirsich, Mandarine und etwas Kräuterwürze. Am Gaumen ist der Wein sehr cremig, schmeckt als wäre etwas mehr Botrytis im Spiel, Maracuja, Mango, Honig und etwas Kräuter, schönes Spiel mit gefühlten 30 Gramm Restzucker. Der Wein ist einerseits ziemlich dick, andererseits gibt der Alkohol (12,5%) etwas Feuer, tritt im sehr langen Abgang ein wenig in den Vordergrund. 91 Punkte

Emrich-Schönleber, ‚Halenberg R‘ (Monzinger Halenberg), Riesling QbA, 2005, Nahe. Die Nase ist zunächst von einem leichten Spontistinker überlagert, dann etwas grasig, schlank mit Apfel und Stachelbeere, wirkt sehr jung. Auch am Gaumen ist der Wein sehr jung. Bei gefühlten 15 Gramm Restzucker eher klassisch halbtrocken, im Spiel etwas tänzelnder als der Thanisch aber nicht so vibrierend wie der Adam, mit einer leicht kalkigen Note. Der Wein ist enorm elegant (12,5% Alkohol perfekt maskiert) und sehr tief: Apfel, Banane, Rhabarber, dann wieder etwas grasig, im Abgang wahnsinnig lang und mineralisch. 95 Punkte

Meine Frau sah das anders, sie hatte den Thanisch an Eins, den Adam dahinter und meinen Favoriten auf dem letzten Platz. Einigkeit herrschte bei der Frage nach dem Essensbegleiter: es wurde der schlankere ‚Halenberg R‘. Probeschlucke der anderen Weine bestätigten die Wahl.

Alle drei Weine waren wundervoll, das Ranking spiegelt eventuell mehr die Vorlieben der Verkoster hinsichtlich Zucker, Alkohol und Botrytis in halbtrockenen/feinherben Rieslingen wider als die tatsächliche Weinqualität. Es blieb von allen Weinen genug über, um zwei weitere Tage zu probieren. Alle drei hielten ihre Form erstaunlich lange. Das warten und lagern hat sich definitiv gelohnt.

Und für alle, die immer noch nicht erraten haben, was die Überschrift zu bedeuten hat: Schönste Weinprobe aller Zeiten.

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Los geht es mit einem Riesling GG aus 2006. Davon habe ich bisher ganz wenige beschrieben, weil die meisten so grottig sind. Hier mal eine Ausnahme, wenngleich man aus dieser Lage von diesem Winzer in anderen Jahren viel besseres kennt.

Keller, Dalsheim Hubacker, Riesling Grosses Gewächs, 2006, Rheinhessen. In der Nase noch hefig und spontan – auch mit einem Tag Luft. Dazu Rhabarber, Aprikose, Kemmsche Kuchen und Aloe Vera, auch eine leichte Sellerie-Note. Im Jahrgangskontext ist das eine ziemlich saubere Nase, wenngleich sie nicht völlig frei ist von den würzigen Noten, die 2006 allgemein ‚auszeichnet‘. Am Gaumen macht der Wein erst am zweiten Tag Spaß. Vorher ist er verschlossen und karg. Dann kommt er mit ordentlicher Frucht (wiederum Rhabarber und Aprikose, auch ein bisschen vom mürben Apfel, der sich durch den Jahrgang zieht) und wenigen Reifenoten. Insgesamt eher frisch und im Abgang mit leicht kalkiger Mineralik. Noch etwas verschlossen aber schon so komplex, dass er sich zu Recht GG nennt. Im Jahrgangskontext mit das Beste, was ich bisher aus Rheinhessen zu trinken bekommen habe. Da das ein zweifelhaftes Lob ist, will ich es präzisieren: 90 Punkte.

In diversen Blogs und Foren kam vor kurzem aus für mich heiterem Himmel eine Diskussion auf, ob die 2007er Riesling GGs kein echtes Alterungspotential hätten. Das hat auch mich aufgeschreckt und so zog ich kurzerhand eines auf.

Wittmann, Westhofen Morstein Riesling GG, 2007, Rheinhessen. Das erste Mal, dass mir bei einem Wittmann Wein eine Spontinase unterkam, am zweiten Tag noch sehr hefig mit Grapefruit, etwas Aloe Vera und Marzipan. Am Gaumen sehr saftig mit Aprikose und mürbem Apfel aber auch leicht alkoholisch (13%) und mit einigen Gerbstoffen. Kompakt und etwas verschlossen. Der Abgang mit kalkiger Mineralik ebenfalls mit Gerbstoffen, die etwas austrocknen. Sehr verschlossen aber mit großartigen Anlagen.

Der Wein war ziemlich genau so, wie man es zu diesem Zeitpunkt erwartet. Hätte ich mir schenken sollen – Blogs und Foren haben auch Nachteile. Ich tauge nur begrenzt zum Orakel aber ich glaube, dass ich genug Morstein im Leben getrunken habe, um eine Prognose zu wagen: In zwei bis drei Jahren werde ich diesem Wein zwischen 93 und 96 Punkte geben.

Viele ‚Erste Gewächse‘ von Nicht-VDP-Erzeugern sind nicht mehr als hübsche halbtrockene Spätlesen – so kann man es fast jedes Jahr von denen lesen, die an den offiziellen Verkostungen teilnehmen. Ich kann es nicht beurteilen, weil ich zu wenige der fraglichen Weine kenne. Heute ist allerdings eines in meinem Glas und einige Attribute stimmen: Halbtrocken – jep, Spätlese – jep, hübsch – untertrieben.

Egert, Hattenheimer Wisselbrunnen, Riesling Erstes Gewächs, 2005, Rheingau. Ein Nasenwein: ich könnte stundenlang dran schnüffeln. Herrlich gereift mit Noten von Erdbeere, Rhabarber, Aprikose, Apfel, Orangenschale, einer Spur Nuss, Kräutern und  vielem mehr. Am Gaumen eine herrlich gereifte, saftige, halbtrockene Spätlese mit leichter Würze aber ohne Alterstöne, dazu Aprikose und Litschi sowie eine verhaltene Mineralik, die im sehr langen Abgang die Oberhand gewinnt. Tief aber trotzdem süffig, auch wenn beim zweiten Glas der Alkohol (13%) spürbar wird. 90 Punkte.

Füllwein (18)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Dr. Bürklin-Wolf, Deidesheimer Langenmorgen ‚PC‘, Riesling QbA trocken, 2007, Pfalz. Ich habe schon lange keine ambitionierte Spätlese eines VDP Weingutes mehr getrunken, fiel mir auf, als ich den Korken aus dieser Flasche zog. Um es auf den Punkt zu bringen: mit 13,5% Alkohol ist dieser Wein nicht weniger wuchtig, als die meisten GGs aus 2007, die ich bisher getrunken habe. Aber er ist trotzdem sehr elegant. In der Nase erscheint er noch recht verschlossen mit viel Hefe und viel Zitrus, dazu etwas Aloe Vera und eine dezent süßliche Note. Am Gaumen ist er sehr balanciert: saftig mit mittlerem Druck, erscheint sehr trocken, was auch an dezenten Gerbstoffen liegen mag. Aromen von Aprikose und Apfel dominieren die Frucht, der Abgang ist sehr mineralisch – irgendwie gleichzeitig pfälzisch-barock und doch verspielt. Hat was Magisches.

Bernhard Huber, Malterdinger Spätburgunder QbA, 2004, Baden. In der Nase gekochte Beeren, Sellerie, einige grüne Noten, etwas Rauch. Am Gaumen ist der Wein sehr fruchtig, mit gekochter Erdbeere, Kirsche und Himbeere. Er glänzt dazu mit rescher Säure und sehr dezenten Holzaromen (der Wein ist in zweit- und drittbelegten Barriques ausgebaut). Es stellt sich eine schöne Balance zwischen Süffigkeit und Komplexität ein. 13,5% Alkohol stören nicht weiter, solange der Wein nicht warm wird. Überhaupt ist dieser Spätburgunder von der Sorte, die unheimlich in die Breite gehen, wenn sie Zimmertemperatur erreichen – dann wird’s brandig und marmeladig. Kleine Portionen zügig zu vertilgen, ist eine wunderbare Alternative bei diesem gelungenen Wein.

Günther Steinmetz, Brauneberger Juffer *, Riesling Auslese feinherb, 2003, Mosel. Ich sei kein großer Fan der Rieslinge dieses exzellenten Rotweinproduzenten, schrieb ich vor geraumer Zeit. Das ist ein pauschales Urteil, zu dem es Ausnahmen gibt. Ausgerechnet im Problemjahr 2003 ist Stefan Steinmetz ein hervorragender Riesling der etwas schwereren Kategorie gelungen. In der Nase immer noch mit Spontan-Noten aber auch mit Mango und Aloe Vera, kommt der Riesling am Gaumen relativ süß daher. Trotzdem zeigt er viel Spiel. Zu Aromen von Karamell, Kemmschen Kuchen und Ananas gesellt sich eine rauchige Mineralik. Im sehr langen Abgang spürt man etwas die 11,5% Alkohol.

Schmähkritik

Mit meinem Bericht über den diesjährigen Entdeckerwein habe ich auch zum ersten Mal einen Blogpost über einen Wein von Klaus Peter Keller veröffentlicht. Zuvor habe ich dies in über einem Jahr nicht getan, obwohl ich eigentlich ein regelmäßiger Kunde des Gutes und Konsument der Weine bin. Der Grund ist einfach: ich habe mich nicht getraut.

Das Weingut Keller tritt nach außen mit einem klaren Anspruch auf: Wir erzeugen Weltklasseweine in jeder Qualitätsstufe. Wer die Homepage des Gutes studiert und die Diskussionen im Internet verfolgt, kommt leicht zur Erkenntnis: 90 Punkte sind `ne Schmähkritik. Das macht es mir, konfliktscheu wie dieses Tagebuch nun mal ist, nicht gerade leicht, über Keller-Weine zu schreiben. Denn so gerne ich die Weine des Gutes mag und so grandios viele sind, auch Keller macht mal einen schwachen Wein, ist nur ein Mensch und bestellt neben exzellenten auch ‚nur‘ sehr gute Lagen.

Aber sei es drum: da ich gerade binnen kürzester Zeit drei Jahrgänge des Riesling ‚von der Fels‘ jeweils über Tage trinken konnte, stelle ich meine Notizen online. Ich war begeistert, muss aber auch konstatieren: für mich ist da ein exzellenter Wein auf höchstem Spätlese-Niveau, 95 Punkte (ein ‚großer’ Wein) schmecken aber anders. Die oft gehörte Aussage, dass sich viele große Gewächse hinter dem ‚von der Fels‘ verstecken könnten, sah ich ebenfalls nicht bestätigt. Die Stilistik ist eine ganz andere.

Und ich muss es einfach schreiben: falsche Grammatik im Weinnamen ist für mich nicht hip, retro oder exotisch, sondern einfach nur falsche Grammatik. Da bin ich fantasielos.

Keller, Riesling QbA trocken ‚von der Fels‘, 2007, Rheinhessen. In der Nase vor allem Hefe daneben noch Aloe Vera und ein bisschen Aprikose, insgesamt ‚parfumiert‘ aber sehr angenehm. Am Gaumen ist der Wein wundervoll – aber die wenigsten Menschen würden diesen Wein als ‚trocken‘ bezeichnen. Das ist ein Restzuckergehalt, der die Bezeichnung trocken auf dem Etikett vielleicht legalisiert aber nicht legitimiert. Mir persönlich ist das herzlich egal, man sollte es nur berücksichtigen, wenn man den Wein Gästen serviert. Zurück zum Gaumen: nicht zu opulent, 12,5% Alkohol sind gut integriert, schönes Spiel von Süße und Säure, prickelnd – zu gleichen Teilen von rescher Säure, Hefe, Gärkohlensäure und einer feinen Mineralik. Der Abgang ist sehr lang und getragen von einer leicht rauchig-mineralischen Note und dieser vibrierenden Säure. Ein Klassewein, den ich bei 91 bis 92 Punkten sehe.

Keller, Riesling QbA trocken ‚von der Fels‘, 2008, Rheinhessen. Ein Wein für die P-Frage: Wieviel Potential steckt in ihm? Derzeit ist er der kargste der drei Weine. In der Nase ebenfalls reichlich Hefe, einige Spontan-Noten und wieder dieser Touch von Blüten (ob das das ‚von der Fels Terroir‘ ist?), dazu Zitrus-Aromen. Am Gaumen ist der Riesling straff, die Säure ist fast derbe. Er ist deutlich trockener mit Noten von Grapefruit und Orangeat. Die kalkige Mineralik steht ein bisschen einsam im Raum zurzeit. Da fehlt Frucht, aber mit etwas Reife kann das ein harmonisches Ganzes werden – die Tiefe ist da und stoffig ist der Wein sowieso. Der Abgang ist mittellang. Ich sehe den Wein bei 90 Punkten.

Keller, Riesling QbA trocken ‚von der Fels‘, 2009, Rheinhessen. ‚Ich brauch jetzt mal was ganz frisches‘ sprach ein Freund von mir, nachdem wir schon einige gereiftere Weine getrunken hatten und der einzige 2009er in Griffweite war der vdF. Man hört viel darüber, wie sehr dieser Wein in der Jugend von langem Dekantieren profitiert. Also will ich davon schreiben, wie frisch und vibrierend dieser Wein sein kann, wenn man es nicht tut. Die Nase ist dann zwar nur hefig, spontan-stinkend und fruchtfrei, am Gaumen zeigt sich aber Grapefruit, grüner Apfel, Limette, auf einer vibrierenden Säure. Trotz leicht karger Mineralik ist der Wein süffig, er hat diesen Kick, der dem 2008er derzeit fehlt. Das taugt zur Erfrischung auf höchstem Niveau und ist 90 Punkte wert. Am zweiten Tag wird der Wein dann deutlich cremiger und legt noch etwas zu (da haben die Dekantier-Befürworter durchaus recht), die Nase ist etwas blumiger und der Wein insgesamt weicher und deutlich ‚seriöser‘. 92 Punkte.

Die Power-Parzelle

Das einzig Gute, was mancher (zum Beispiel ich) im Weingesetz von 1971 findet, ist die Reduzierung der Lagen in Deutschland. Wer will schon 30.000 Lagen kennen? Wollte man von jeder nur ein Glas trinken, müsste man rund 82 Jahre lang jeden Tag einen anderen Wein zu sich nehmen. Da viele Lagen mehrere vernünftige Rebsorten beherbergen, könnte der deutsche Weinfreund in einem Menschenleben ohne Ersatzleber nicht alle Lagen-Reben-Kombinationen seiner Heimat trinkend verkosten.

Umso erstaunlicher finde ich den Trend, diesen Teil des Weingesetzes jetzt zurückzudrehen. Wer dieser Tage Verkostungslisten des Jahrgangs 2009 aus Deutschland studiert, findet wieder einmal ‚neue‘ Weine, deren Namen alten Parzellenbezeichnungen nachempfunden sind, die 1971 gestrichen wurden. Dabei sind Parzellennamen verfremdet, um dem Gesetz Genüge zu tun (wie hier schon einmal erklärt).

Verständnis brächte ich auf, wenn man einen Megatrend erkennen und mit einem Satz zusammenfassen könnte. An der Spitze der Qualitätspyramide stehen die ‚Parzellenweine‘. Aber leider ist dem nicht so. Bei Emrich-Schönleber ist der Parzellenwein ein Versteigerungswein und der feinste. Bei Keller ist die Abtserde mittlerweile ein GG und gleichgestellt mit dem Morstein (Lage) aber unter dem G-Max (Markenwein). Der Ganz Horn von Rebholz ist die Nummer zwei hinterm Kastanienbusch usw.. Man muss kein böser Mensch sein, um zu konstatieren, dass die Deutschen Winzer das Weingesetz gar nicht brauchen, um ihre Kunden zu verwirren. Das können sie ganz alleine. Und es ist wohl auch nicht zynisch, wenn man die Qualitätspyramide deutscher Winzer auf den Preis reduziert: je teurer, desto besser (mit die Regel bestätigenden Ausnahmen).

Die Parzelleritis kann mich nicht begeistern, ein echter Aufreger ist sie allerdings auch nicht. Denn bisher – und ich hoffe inständig, dass es so bleibt – lösen die Winzer ihr Versprechen ein: die Weine sind wirklich allesamt etwas Besonderes. So wie dieser hier, ein ganz früher Trendsetter der Bewegung, der in der insgesamt nur ‚sehr guten‘ 2004er Rotweinkollektion der Schneiders deutlich herausragt.

R&C Schneider, Parzelle Schönberg, Spätburgunder QbA, 2004, Baden. In der Nase Kirsche, Blut/rohes Fleisch, Rauch und Holz; dazu kommt eine leicht morbide Note, die gern mit ‚Waldboden‘ beschrieben wird, was ich in Ermangelung einer besseren Bezeichnung übernehme. Der Wein riecht sehr ‚dunkel‘ aber auch vollfruchtig. Am Gaumen ist er saftig, mit schöner Säure und satter Kirschfrucht. Er ist sehr voluminös und schön strukturiert. Solange man ihn nicht zu warm werden lässt, bleiben 14% Alkohol unauffällig. Im Abgang zeigt er eine schöne Mineralik, bei der ich wieder in Ermangelung einer Alternative die gängige Bezeichnung ‚Bleistift‘ übernehme. Am zweiten Tag legt der Wein noch zu und verfügt über unglaublich Power, kein Gramm Fett aber auch schöne dunkle Noten von Rauch und Speck, sehr komplex, ewig langer Nachhall. Das ist einer der besten deutschen Spätburgunder, die ich aus dem Jahr 2004 trinken durfte.

Und nachdem sich alle daran gewöhnen konnten, dass Schneiders‘ bester Roter aus einer Parzelle stammt, führen sie mit dem Jahrgang 2007 den Engelsberg ein. Der kostet genauso viel wie der ‚Parzelle Schönberg‘, entstammt aber einer ‚echten‘ Lage (Endinger Engelsberg).

Verwirrung gelungen.