Mein erster Award

Der deutsche Wein Online AwardImmer wenn ich denke, ich hätte es mit meinem Weinfimmel übertrieben und der Haussegen stünde auf dem Spiel, überrascht mich meine sehr viel bessere Hälfte mit einem kleinen symbolischen Akt der Absolution: sie schenkt mir meine erste (und bisher einzige) Flasche Roederer Cristal, sie kauft eine Lampe für die Küche, die man mit leeren Weinflaschen bestückt oder sie erwähnt beiläufig, bei einem Glas Wein auf der Terrasse ,Schatz, ich habe einen Text von Dir für den Wine Online Award eingereicht‘.

Der Wine Online Award ist ein von Dirk Würtz und Thomas Lippert initiierter Preis für den besten in sozialen Medien veröffentlichten Beitrag zum Thema Wein. Bei seiner diesjährigen Premiere war er für die Kategorien Text und Foto ausgeschrieben. Dirk und Thomas fungieren als Jury für die Vorauswahl, die endgültige Entscheidung treffen die Teilnehmer des Vinocamp per Stimmzettel.

Ich habe den Award gewonnen – mit einer Stimme Vorsprung. Das führte zu der lustigen Situation, dass beinahe jeder, der für mich gestimmt hatte, mich im Laufe des Abends der Verleihung darauf aufmerksam machte, dass ja wohl seine Stimme die entscheidende gewesen sei. Hier muss ich einmal widersprechen: Es war natürlich meine Stimme, die den Unterschied machte, denn als VCD-Teilnehmer war ich stimmberechtigt und habe mich in die Tradition Adenauers begeben 😉

Damit gerechnet hatte ich nicht, denn Helmut O. Knalls nominierter Text erschien mir als übermächtige Konkurrenz. Dass daneben mit Bernhard Fiedler ausgerechnet der Winzer im Teilnehmerfeld war, dessen großzügige Gabe meinen Artikel über Verschlussdiskussionen im Internet inspiriert und möglich gemacht hat, könnte man als Ironie des Schicksals betrachten, wenn man nicht wüsste, dass Bernhard Awards völlig Schnuppe sind. Auch Torsten Goffin, der vierte Nominierte, nahm die Sache ausgesprochen gelassen zur Kenntnis.

So darf ich mich bedanken, bei den Initiatoren für die Idee und Durchführung, den Mit-Campern für die Juryleistung, meiner Frau für die Toleranz und Unterstützung – und vor allem beim Sponsor Sopexa. Dass ein Unternehmen aus der Branche den Award mit Preisgeld ausstattet, kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Dirk Würtz hat in einem Artikel die mit dieser Geste zum Ausdruck gebrachte Stimmung bestens zusammengefasst. Dort bitte lesen, alles was ich hier dazu schriebe, wäre nur Plagiat.

Gefeiert habe ich den Award vor Ort mit allen Anwesenden der Zeremonie mit diversen Schaumweinen, darunter Palmes d‘Or 2000 aus der Jeroboam (Dank an den Stifter, das Champagnerhaus Nicolas Feuillatte) und einem besonderen Sekt.

Solter Brut, Rheingau Riesling Sekt Reserve, 2007, Rheingau. Die Trauben stammen ausschließlich aus der Lage Rüdesheimer Berg Roseneck, was erst ab dem Folgejahrgang auf dem Etikett ausgewiesen werden wird. In der Nase betörend, weil er an einen gereiften Riesling erinnert, aber auch die Hefenoten eines guten Sektes nach traditioneller Methode bietet, dazu mit einem Hauch Petrol, der was magisches hat. Am Gaumen stoffig, weinig, ohne Breit zu wirken, auch weil die Perlage nach 60 Monaten Hefelager unglaublich fein ist. Das ist die gelungene Interpretation eines deutschen Rieslingsektes, kein Versuch einen Champagner zu imitieren. Es wäre dem Anlass nicht gerecht geworden, Aromen zu notieren, ich habe aber genug davon getrunken um schwören zu können, dass das ein Klasse-Sekt ist.

Hätte einen Award verdient…

Vorfreude auf Geisenheim

In etwas mehr als einer Woche ist es wieder Zeit für das Vinocamp. Zum dritten Mal treffen sich Menschen, die sich für Wein privat oder beruflich begeistern und die diese Begeisterung miteinander über die ,sozialen Medien‘ wie Blogs, Twitter, Facebook und so altmodische Einrichtungen wie Weinforen teilen. Zum zweiten Mal werde ich teilnehmen und da noch einige wenige Plätze frei sind, will ich die Werbetrommel rühren.

Was ein Barcamp ist, habe ich schon in der Rückschau zum letzten Camp beschrieben. Ob es noch eine zeitgemäße Organisationsform ist, ziehen die ersten in Zweifel, für einen dritten Durchgang wird es allemal gut sein. Die Themen, die es am 29. und 30.6. in der Fachhochschule Geisenheim auf die Agenda schaffen, werden so bunt wie die Teilnehmerschar. Wo Blogger auf Winzer treffen und sich Händler, PR-Manager und Verbandsfunktionäre dazu gesellen, besteht die Gefahr, dass alle auf einmal und fröhlich aneinander vorbei reden. Das Barcamp mit seinen ,Sessions‘ genannten Untergruppen stellt ein gutes Werkzeug zur Strukturierung zur Verfügung.

Viel wichtiger als die Ergebnisse einzelner Sessions ist meiner Meinung nach die Botschaft, die vom Camp insgesamt ausgeht. Die sozialen Medien sind für Wein ähnlich revolutionär wie für das Theater die ersten Inszenierungen, die Spiel und Handlung in den Zuschauerraum verlagerten, Logen mit einbezogen, dem Publikum den Eindruck vermittelten: ,Ich bin ein Teil der Aufführung‘. Dass bei diesem Paradigmenwechsel mal was schief geht, Amateure vorlaut werden oder die Einladung zur Teilhabe mit der Beförderung auf den Regiestuhl verwechseln, kritisieren nur die Protagonisten der alten Schule, die gerne auch heute noch als Hamlet in historischem Kostüm auf der Bühne stehen, mit dem Schädel in der Hand ,Wein oder nicht Wein‘ murmeln und dem Publikum die Tradition in den dunklen Saal schleudern wollen, um am Ende Ovationen entgegenzunehmen und Interaktion zu verweigern. Es sind erstaunlich viele ältere Winzer unter diesen Verweigerern, während die Medienschaffenden immer zahlreicher die neuen Umstände umarmen.

Neben der Vermengung von Profis und Laien, Produzenten und Konsumenten, Händlern und Kunden gefällt mir die Tatsache, dass man beim Vinocamp auch Menschen trifft, die Wein nur am Rande zum Thema haben: Foodblogger, Whiskeyfans und andere Genussmenschen. Von denen kann man einiges Lernen. Das hebt die Lebensqualität. Beispiel gefällig?

Bis vor kurzem war Pfeffer für mich etwas getrocknetes, das aus der Tüte kommt: Schwarz, bunt und seltener weiß – in Ausnahmen auch mal feucht und grün. Dass man aus Pfeffer eine Wissenschaft machen kann, war mir unbekannt. Und hätte es jemand erwähnt: linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. Dann traf ich auf dem Vinocamp Ehepaar Uhlenbusch, die Feinkosthändler. Und weil so ein netter Kontakt entstand, besuchten uns die Uhlenbuschs, als sie beruflich zur Grünen Woche mussten, im Gepäck ein Fresskorb und darin in Meersalz fermentierter ostasiatischer Pfeffer der Luxusklasse.

Eine Gebrauchsanweisung gab‘s mündlich dazu: Mit dem Messer fein hacken und nach dem Braten/Grillen über Fisch oder Fleisch geben. Ich habe es ausprobiert. Es ist unglaublich. Ich grille gern und viel und ich mariniere, beize, smoke, was das Zeug hält. Doch seit dem Besuch der Uhlenbuschs kommt immer auch ein ungewürztes Stückchen Fleisch auf den Grill. Das wird nur nach dem Garen gesalzen und mit frisch gehacktem, in Meersalz fermentierten Pfeffer bestreut. Geschmacksexplosion! Ich trinke dazu dann Spätburgunder. Diesen hier zum Beispiel.

R.&C. Schneider, Spätburgunder ,R‘, 2005, Baden. In der Nase Blut und Holz, nur wenig Frucht, etwas Lakritz. Am Gaumen sehnig, schlank, mit kräftiger Säure, reichlich Holz, feinem Tannin und schöner Mineralik, wieder nur wenig Frucht (Himbeere) rohem Fleisch und ziemlich viel Tiefgang. Der Abgang ist lang und harmonisch. Das ist ein feiner Wein, den man vermutlich ,burgundisch‘ nennen darf. Unter den vielen Schneider-Rotweinen, die ich schon trinken durfte, ist er nur durchschnitt, als Grill- und Pfefferbegleiter aber ein großes Vergnügen.

Das Vinocamp ist Bildungsurlaub mit interessanten Mitstreitern – immer auch für eine Anekdote gut. Es sind noch einige wenige Plätze frei: http://vinocamp-deutschland.net/

Tagebuch eines Klassentreffens

Das war es also: das zweite Vinocamp Deutschland, für mich persönlich das erste, nachdem ich die Premiere aus beruflichen Gründen verpasst hatte. Gespannt war ich: auf die Menschen, auf die Fachhochschule Geisenheim, auf die Partylocation ,Winebank‘ und nicht zuletzt auf das Veranstaltungsprogramm.

Unbegründete Ängste

Ich hatte Manschetten vor dem VinoCamp, das sei deutlich gesagt. Wie Kollege Utecht bin ich auch ein reiner Weintourist. Ich habe beruflich nichts mit Wein zu tun. Um Abbitte zu leisten, hatte ich mich vorab als Organisator einer der nachmittäglichen Weinproben verpflichtet.

Soziale Weinverkostung
Tod durch Verdursten – eher kein Risiko in Geisenheim

So konnte ich wenigstens etwas beitragen und kam nicht nur zum Lauschen und Schnutentunken (sic!). Doch meine Angst war unbegründet. Selbst reine Hobbyblogger sind auf dem VinoCamp gern gesehen. Und aufgrund meines beruflichen Hintergrundes in Online-Marketing und -Anzeigenverkauf konnte ich am Sonntagmorgen spontan eine Session anbieten, die zwar nichts mit Wein zu tun hatte aber trotzdem positive Resonanz fand. Neben Wein geht es auf dem VinoCamp auch um (elektronische) Medien und digitale Trends. Die Kritik, dass dem Camp ein wenig Sinnlichkeit fehlt, ist vielleicht nicht unberechtigt.

Das Vorglühen

Ich kam bereits am Freitagnachmittag an, da ich mich als freiwilliger Helfer zum Aufbau gemeldet hatte. Als ich eine Stunde nach Beginn des Arbeitseinsatzes mit der Bahn in Geisenheim eintraf, war bereits alles erledigt, was für Freitag anstand. Zur Feier der erfolgreichen Vorbereitung gab es ein Glas eines 2010er Ersten Gewächses des Weinguts der Forschungsanstalt, Villa Monrepos. Sehr erfrischend.

Die informelle Zusammenkunft aller Frühangereisten im Restaurant Altes Rathaus (ein Restaurant mit allen drei Entdeckerweinen auf der Weinkarte) in Oestrich begann noch bei strahlendem Sonnenschein im Innenhof des gemütlichen Gemäuers mit einem Glas des brandneuen Rieslingsektes ,Z‘ vom Weingut Balthasar Ress, genau genommen war es ein immervolles Glas, denn neben Dirk Würtz zu sitzen, während er seine Weine ausschenkt, hat einen konstanten Füllstand im Glas zur Folge. Wie oft bei Zero Dosage Pricklern fand ich den Wein anfangs hart, um ihn mit jedem Schluck angenehmer und weicher zu finden. Guter Stoff.

Fass 161 war besonders gut
Definitiv ein verwackeltes Foto wert: Pfaffenberg Riesling Auslese trocken 2007

Im Laufe des Abends gab es noch viele gute Weine, wobei mein Hauptaugenmerk darauf lag, meinen persönlichen Füllstand niedrig zu halten, um am nächsten Tag fit für das Camp zu sein. Bemerkenswert waren die Fassproben aller vier Ersten Gewächse von Ress. Da wird für jeden was zum mögen und ablehnen dabei sein, so unterschiedlich sind sie. Am Abend mein Favorit: der Rottland.

Ebenfalls in guter Erinnerung blieben der Spätburgunder Cuvée Daniel von Georg Müller Stiftung (2009?) sowie der Riesling Pfaffenberg (2007, Auslese trocken Fass 161) von Schloss Schönborn, vor allem aber interessante Begegnungen und Gespräche mit Menschen, die eines eint: Weinbegeisterung.

Das Barcamp – Tag 1

Der Themenmost eines Barcamps vergärt überwiegend spontan. In einer eigenen Community bei mixxt gab es einen Gäransatz in Form einer Wunschliste aber die endgültige Planung eines Tages erfolgt morgens vor Ort. Eine Art Keynote gab es von Rémy Gresser, dem Vorsitzenden des Winzerverbandes Elsass. Er sprach in der Session ,Quo Vadis, Elsass?‘ ungewohnt offen über die Fehler seines Anbaugebietes in den letzten 30 Jahren. Das war sehr unterhaltsam, wenngleich es mit meinem Zugang zu und Umgang mit Wein wenig zu tun hat. Es ist bei einem Barcamp nicht wichtig, dass sich in jeder Session diejenigen zusammenfinden, die am meisten über ein Thema wissen oder den gleichen Zugang dazu haben. Über den Tellerrand zu schauen und zu hören, was andere umtreibt, macht auch viel Spass.

Natürlich gab es auch Themen, die mich kalt ließen. Aber dafür finden immer gleichzeitig mehrere Sessions statt. Und wenn alle Stricke reißen, macht man einfach mal Pause oder nutzt die Zeit, um eine eigene Session vorzubereiten. Im Foyer der Hochschule standen zudem Stände einiger Sponsoren, an denen man interessante bis sensationelle Weine probieren konnte. Sehr gut: ein 2007er Riesling Grand Cru von eben jenem Rémy Gresser sowie die gehobenen Qualitäten einer Madeira-Session des Sponsors ,Rindchens Weinkontor‘. Weitere Weine, die ich erinnern werde, waren Andreas Dursts interessante Spätburgunder Fassprobe (weit unter Wert geschlagen), sowie die Pinots von Eser und Tiefenbrunner aus meiner im letzten Artikel beschriebenen Probe.

Die Party

Menschen die Wein mögen
Die Dame von der Dachmarke und der Händler mit dem charmanten Akzent

Am Abend fand sich die bunte Schar von rund 150 Teilnehmern zu einer Party in der Winebank ein. ,Keine Angst vor altem Wein‘ war das Motto, und jeder Teilnehmer hatte eine Flasche dazu mitgebracht, die mindestens zehn Jahre auf dem Buckel hatte. Die hatte er oder sie bei der morgendlichen Anmeldung mit seinem Namen beklebt und abgegeben, um sie abends gegebenenfalls gekühlt und geöffnet in der Winebank wieder entgegennehmen zu können. Man kann den vielen fleißigen Helfern vom Orga-Team gar nicht genug für die perfekte Organisation danken.

Nachdem der Tag schon viel Wein mit sich gebracht hatte, schaffte ich noch einen Probeschluck aus ein paar Flaschen, bevor ich die Segel strich und mit einigen Gleichgeschädigten ein Reparaturbier in einem fiesen Irish Pub in Rüdesheim zu mir nahm. Zu viele hatten den Aufruf, einen alten Wein mitzubringen, zur Entsorgung von Kellerleichen genutzt – mein eigener von Othegraven 2001er Bockstein machte in meinen Augen keine Ausnahme. Echte Altweinliebhaber kamen auf ihre Kosten, alle anderen konnten sich ein für alle mal davon überzeugen, dass alter Wein nicht automatisch guter Wein ist.

Der zweite Tag

Diszipliniert erschien der Großteil der Teilnehmer auch am zweiten Tag pünktlich zum Camp. Für mich Höhepunkt des Sonntags war die Fehlerweinprobe mit im Geisenheimer Labor präparierten Weinen. Bereits die Kork-Station im Foyer, bei der sich jeder an seine persönliche TCA-Schmerzgrenze heranschmecken konnte, hatte mich begeistert. So etwas kann ich als Hobbyblogger nur beim VinoCamp genießen.

Nach dem gemeinsamen Aufräumen am Nachmittag ging es an das Verteilen überzähliger Weine und wer wollte, konnte mindestens so viele Flaschen wieder mit nach Hause nehmen, wie er mitgebracht hatte. Ich griff mir nur eine – und so gebar das tolle VinoCamp 2012 noch als letzte Premiere meine erste geschnorrte Flasche Wein:

Guter RoterGrenzhof Fiedler, Leithaberg DAC (Blaufränkisch, Mörbischer Goldberg), 2009, Burgenland. In der Nase und am Gaumen unmittelbar nach dem Öffnen erst mal fröhliche Konsenskirsche. Ich wähne mich in Italien, wo ich mich nicht so heimisch fühle. Doch schon mit wenig Luft kommt Zigarrentabak, Pflaume und etwas Holz dazu, wieder selten einmütig in der Nase und am Gaumen. Nach einer Stunde ist der Wein da, wo er vermutlich sein soll: sehr saftig mit ordentlich Säure, feines Holz, schöne Frucht. Ich mag die Struktur, weil er nicht so fett ist. Die Säure spielt die erste Geige. Ein Blaufränkisch für Spätburgunderliebhaber (gemacht von einem Cabernet-Trinker, aber das sei ihm verziehen). Der Abgang ist mittellang, der Alkohol (13,5%) unauffällig. Gefällt mir sehr gut – nicht nur, weil er ,für umme‘ ist.

Wenn Schimpansen Rotwein trinken

Deutscher Spätburgunder ist ein aufstrebender Stern am internationalen Weinhimmel. Dies ist zumindest der Eindruck, den Medien, Erzeuger und Händler unisono vermitteln. Und wie jeder Newcomer hat auch der Deutsche Spätburgunder mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen. Dünn und überholzt, mit penetranten Aromen von Erdbeerkompott oder in der Säure zu robust – das sind drei gängige Gegenargumente der Anhänger traditioneller Pinots aus den einschlägigen Herkunftsländern.

Reise nach Jerusalem
Ort des Geschehens: Die Aula der FH Geisenheim

Befürworter und Gegner können diverse Blindverkostungen ins Feld führen, in denen sich wahlweise Deutsche oder Internationale Pinots erheblich besser schlagen als die jeweils andere Fraktion. Wie kann das sein, wo doch die Blindverkostung das unbestechliche Instrument der Wahrheitsfindung in Weinfragen sein soll?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage wäre die Verkostervorliebe. Setzte man mir blind 5 gute Rieslinge und 5 ebenso gute Grauburgunder vor, gewännen die Rieslinge, weil mir die Sorte schlicht lieber ist. Sind Deutsche Pinot Noirs eventuell so eindeutig anders in der Stilistik als internationale Vertreter, dass es schlicht darauf ankommt, welchen Stil der jeweilige Verkoster bevorzugt?

Das herauszufinden hatte ich in meiner Weinprobe beim Vinocamp Deutschland vor. Gibt es eine typisch deutsche Note im Spätburgunder? Was, wenn man einer bunten Schar Weinbegeisterter Weine aus allen Ecken der Welt blind vorsetzt – wären Sie in der Lage, die Deutschen Vertreter zu erkennen?

Der Versuchsaufbau

Alle Teilnehmer hatten Weine mitgebracht. Das ergab die stattliche Zahl von 30 Flaschen, aus denen ich 18 auswählte, ohne den Teilnehmern die finale Zusammensetzung des Feldes mitzuteilen. Anschließend öffnete ich alle Weine, füllte zwei Kandidaten mit zu auffälligen Flaschenformen in leere Standardflaschen um und verhüllte die Flaschen. Dann ließ ich eine dritte Person die Flaschen mischen, um selber mitraten zu können. Jeder Tester war angehalten, sich für jeden Wein nach Verkostung ein D zu notieren, wenn er ihn für deutsch hielt, ein I für gefühlte internationale Herkunft. Dazu wollten wir noch auf simple Weise einen Sieger küren. Es galt daher auch, ein Urteil in Form eines Minus (schlechter Wein), einer Null (nicht der Rede Wert) oder eines bis dreier Plusse (gut, sehr gut, groß) zu notieren.

Wissenschaftlich belastbar ist das Ergebnis nicht. Dazu wussten die Teilnehmer zu viel über das, was da im Glas war. Vermutlich hätte man die Verkostertruppe durch verschiedene Parcours jagen müssen, in denen mal mehr, mal weniger und auch mal gar keine Pinots aus Deutschland versteckt sind, um eine belastbare Aussage zu erzielen. Doch sollte man das Ergebnis nicht vollständig trivialisieren.

Die Verkoster

Unter den Teilnehmern fanden sich drei gelernte und ein quereingestiegener Winzer, sowie einige Semiprofis aus Handel und Gastronomie. Die große Mehrheit der Verkoster bezeichnete sich selbst als Spätburgunderliebhaber. Überzeugte Anhänger speziell einheimischer Gewächse waren nur wenige.

Die Weine

Sieben Weine aus Deutschland, elf aus allen Ecken der Welt hatte ich zusammengestellt. Zwei der Weine stammten von teilnehmenden Winzern. Einer war eine Fassprobe, was vielleicht eine kleine Unsauberkeit im Versuchsaufbau war. Die ältesten stammten aus 2005. Preislich waren ausgerechnet die beiden Weine, die das Teilnehmerfeld am meisten beeindruckten auch die günstigsten mit 12€ und 13€. Die teuersten lagen um 35€. Die höchste Quote an richtigen Zuordnungen hatte der Wein, der auch am besten gefiel. Er stammt aus Deutschland.

Rang Erzeuger, Name/Lage, Jahr, Gebiet Herkunft Treffer Wertungs

punkte

1 Burggarten, Spätburgunder Signatur 2009, Ahr D 81,25 % 22
2 August Eser, Mittelheimer St. Nikolaus, Spätburgunder Barrique, 2008 D 56,25 % 21
3 Schubert, Pinot Noir Block B, 2010, Neuseeland I 37,50 % 20
4 Kusterer, Spätburgunder, 2007, Württemberg D 56,25 % 18
5 von der Mark, Pinot Noir ,Hey Jude‘, 2009, Baden D 43,75 % 17
5 Tiefenbrunner, Pinot Nero, Linie Turmhof, 2008, Südtirol I 37,50 % 17
7 Stodden, Recher Herrenberg Spätburgunder unfiltriert, 2007, Ahr D 50,00 % 15
8 Staatskellerei Zürich, Pankraz Pinot Noir Prestige Barrique, 2008, Schweiz I 56,25 % 13
9 Markowitsch, Pinot Noir Reserve, 2005, Österreich I 56,25 % 12
10 Thierry Violot- Guillemard, Pommard Premier Cru, Clos Blanc, 2005, Burgund I 62,50 % 11
11 Dornach, XX, Pinot Nero, IGT Dolomiti, Italien I 37,50 % 10
12 Scott, Pinot Noir Arroyo Seco, 2008, Kalifornien I 56,25 % 9
12 Huber, Spätburgunder Junge Reben, 2005, Baden D 62,50 % 9
14 Dom. Martin, Clos du Roi, Beaune 1er Cru, 2009, Burgund I 81,25 % 8
15 Durst, Handle With Care, 2010 (Fassprobe), Pfalz, Deutschland D 75,00 % 7
16 Schug, Pinot Noir Carneros, 2009, Kalifornien I 43,75 % 6
17 Neumeister, Pinot Noir, 2005, Österreich I 50,00 % 4
17 Thibault Liger- Belair, „les grands chaillots“, 2009, Burgund I 62,50 % 4
 Schnitt 55,90 %

Das Ergebnis

Würde man eine Gruppe von 16 Schimpansen abrichten, Weine zu probieren und anschließend eine von zwei Kärtchen mit einem D oder I darauf hochzuhalten, wäre der Erwartungswert, dass die Schimpansen in 50% der Fälle richtig lägen. Das galt es zu schlagen. Wir haben eine durchschnittliche Trefferquote von 56% erzielt. Das ist ob der kleinen Fallzahl keine aussagekräftige Abweichung.

Zwei mögliche Ergebnisse stehen zur Auswahl: Entweder es gibt gar keinen typisch deutschen Ton im Spätburgunder oder wir sind alle nur Schimpansen…

Auf in den Rheingau

Am 17. Und 18. März 2012 treffen sich in Geisenheim über 100 Menschen, die die Lust an Wein und dem Austausch darüber unter Zuhilfenahme elektronischer Medien eint. Wir (ich bin auch dabei) werden ein Barcamp veranstalten, eine sogenannte Unkonferenz. Das ist eine Art Präsentationsringelpiez bei dem jeder angehalten ist, nicht nur zu konsumieren, sondern auch aktiv beizutragen. Wem das jetzt zu sehr nach ‚Alles kann, nichts muss‘ klingt, dem sei versichert: die Klamotten bleiben an. Auf in den Rheingau weiterlesen