K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (4)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Drei verschiedene Große Gewächse macht das Weingut Heymann-Löwenstein aus dem Winninger Uhlen. Meine Erfahrungen der letzten Jahre veranlassten mich dazu, in den zurückliegenden GG-Kampagnen nur noch den Uhlen-R zu kaufen (2010 habe ich mir auch das geschenkt, was Berichten von Freunden zufolge ein Fehler gewesen sein könnte). Um es drastisch zu sagen: bei Uhlen-L und Uhlen-B habe ich eine ganze Menge Frösche geküsst um verhältnismäßig wenige Prinzen zu treffen. Deswegen will ich nicht verschweigen, dass der folgende ein echter Prachtprinz war:

Heymann-Löwenstein, Uhlen B, 2005, Mosel. Da präsentiert sich große Dichte in der Nase, Aprikose, Grapefruit und Apfel aber auch Walnuss, eine leicht medizinale Note und ein Rest Sponti-Stinker – trotzdem riecht das sehr sympathisch, irgendwie fröhlich auf Krawall gebürstet. Am Gaumen finde ich den Riesling ziemlich trocken für einen Löwensteinschen Uhlen, saftig, mit einigen Gerbstoffen, reifer Säure, unauffälligen 12,5% Alkohol und wiederum einer leicht nussigen Note. Dörraprikose ist die dominierende Frucht. Reichlich Würze und getrocknete Kräuter belegen das mittlerweile fortgeschrittene Alter des Weins. Mächtige Mineralik zeigt sich vor allem im sehr langen Abgang. Erinnert mich irgendwie an Weine von Kühn aus dem gleichen Jahr und ist vermutlich nicht Jedermanns Sache. Mir gefällt der Uhlen B in diesem Zustand ausnehmend gut.

Als ich das `07er Ungeheuer 2009 zum ersten Mal trank, präsentierte sich der Wein sehr vielschichtig und ich kaufte einige Flaschen nach. Stand heute wäre das nicht unbedingt nötig gewesen, aber das Bild kann sich natürlich mit weiterer Reife wandeln:

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling GG, 2007, Pfalz. Eine Klassische Pfälzer Rieslingnase, vor allem mit Aprikose und mürbem Apfel sowie allen weiteren üblichen Zutaten. Am Gaumen schön gereift und wieder sehr klassisch mit kantiger Säure, kräftiger Mineralik, süßer Frucht (obwohl sich der Wein insgesamt ziemlich trocken anfühlt), unauffälligem Alkohol (13%) und langem Abgang. Das ist Riesling pur – nicht mehr und nicht weniger.

Das Pfälzer VDP-Weingut Bernhart kenne ich nur, weil einr Händler meines Vertrauens den Spätburgunder Rädling auf seiner GG-Subskriptionsliste führt. Reflexartig ordere ich meistens eine Flasche davon. Nun habe ich erstmals eine getrunken. Meine Neugierde auf das restliche Sortiment des Gutes hat er nicht stimulieren können. Das ist zwar unfair bei nur einem gekosteten Wein aber wie ging noch ein alter Blues-Klassiker: ,So many vintners so little time…‘:

Bernhart, Spätburgunder ,Rädling‘ GG, 2005, Pfalz. In der Nase Blaubeere und Brombeere, etwas Jogurt, insgesamt fruchtig, fröhlich und nicht sehr tief. Am Gaumen besser: feines Tannin, schönes Holz, fruchtig mit den gleichen Beeren – der Rädling könnte noch mehr Konturen haben und Aromen aus dem kräutrig-fleischigen Spektrum zeigen, dann wäre er große Klasse. So ist er ein hervorragender Spätburgunder, der so eben als GG durchgeht

Und plötzlich ging die Sonne auf

Weinproben werden überschätzt. Ich meine damit nicht nur die Ergebnisse (ich habe das Lied oft genug gesungen, dass sieben Minuten Zeit und fünf Zentiliter im Glas nicht reichen, um einem richtig guten Wein gerecht zu werden), auch das Vergnügen, dass eine Probe bereitet, wird in meinen Augen oft überhöht dargestellt. Denn neben dem schönen Erlebnis, sich an einem Abend einen Überblick über ein Weinthema erschmecken zu können, steht auch der Stress, zehn Mal, zwölf Mal oder gar noch öfter binnen kürzester Zeit etwas gehaltvolles über einen Wein sagen zu sollen. Besonders stressig wird es als Veranstalter, denn dann müssen Hirn und Sinne neben dem Weinsensorikprogramm auch noch den Subprozess ,Gastgeber‘ laufen lassen. Und das unter erschwerten zeitlichen Bedingungen: während die Gäste schon den nächsten Wein beschnuppern, steht man selbst noch mit dem Brotmesser in der Hand in der Küche.

Vor Jahren, als ich mich in Weinforen tummelte, in denen nach Proben die Teilnehmer ihre Notizen veröffentlichten, konnten solche Abende in echte Arbeit ausarten. Seitdem ich blogge, habe ich mir ein Stück Freiheit zurück erkämpft. Ich veröffentliche keine Notizen zu Weinen, die ich bloß probiert habe. Also schreibe ich nur noch wenig bei Proben – manchmal gar nichts. In meinem heimatlichen Weinkreis ist es üblich, dass alle Teilnehmer am Ende das Teilnehmerfeld nach Gefallen sortieren. Also notiere ich genau so viel, wie für die Erledigung dieser Aufgabe nötig ist. Wenn nach einer Probe noch so viel von einem Wein übrig bleibt, dass ich ein oder zwei Gläser davon trinken kann und der Wein seine Form über zwei Tage hält, gibt es hier im Blog eine Verkostungsnotiz.

Anfang dieser Woche veranstaltete ich eine Weinprobe mit 12 Spätburgundern des Jahrgangs 2005 aus Deutschland.  Große Namen waren dabei: Becker, Kuhn, Adeneuer und etliche andere Spitzenerzeuger. Die Probe begann sehr gut, die ersten Weine von Molitor und Salwey wussten zu gefallen. Dann fielen wir etwas in ein Loch, die Weine mundeten erst nicht so gut, dann kam ein Korkfehler ins Spiel und das Niveau blieb auch danach lediglich anständig. Die Gespräche schweiften ab, die Verkostung wurde etwas zäh. Doch bei Wein Nummer Zehn wurde es erst still und dann konzentrierte sich die Runde ganz ohne weitere Mahnungen des Gastgebers wieder auf die Probe. Die Sonne ging im Glas auf und der Wein sprach zu uns. So gab ich auch meine Zurückhaltung bezüglich des Schreibens auf und notierte, was der Wein diktierte. Beim elften Wein passierte das, was keiner zu hoffen gewagt hatte: er setze noch einen drauf – wenngleich ich zu denen gehörte, die beide Weine gleich stark sahen.

Beim Aufdecken dann die Überraschung, Wein Nummer Zehn war der günstigste im Feld, eine Auslese von Steinmetz. Mich hat das auch deswegen gefreut, weil ich vor einiger Zeit die Behauptung aufgestellt habe, dass die Spätburgunder Auslesen von Stefan Steinmetz es in einer landesweiten Blindprobe in das Feld der besten 50 Spätburgunder aus deutschen Landen schafften – wo sie dann mit 13€ einsame PLV-Sieger wären. Der Sieg ging an einen Wein von Ziereisen.

Da von beiden noch ein ,Viertele‘ übrig blieb, das ich am folgenden Abend einer ausführlichen Probe unterziehen konnte und sich dabei meine Notizen bestätigten hier also das Protokoll.

Günther Steinmetz, Spätburgunder Auslese trocken * Barrique, 2005, Mosel. In der Nase von allem etwas, was einen schönen Spätburgunder ausmacht, Frucht, Kräuter, Holz, Fleisch. Kirsche und Himbeere, Leder, Rauch, Speck und Rosmarin und wenn man 5 Minuten später die Nase wieder ins Glas hält, kommt ein Schwung neuer Eindrücke. Am Gaumen ist der Wein wunderbar balanciert: da ist noch deutliches Holz schmeckbar, aber nicht zu verbrannt oder rauchig; Tannin ist vorhanden und ,kratzt gerade richtig‘, die Säure trägt den Wein ohne zu dominieren und die Frucht ist verhalten süß. Im Vordergrund steht am ehesten Kräuter und Würze und die ernsthafte Art. Der Alkohol spielt nur die zweite Geige, 13,5 % sind genau richtig. Der Abgang ist sehr lang und etwas rauchig. Ganz wunderbarer Wein.

Ziereisen, Spätburgunder ,Jaspis‘ Alte Reben, 2005, Baden. In der Nase ebenfalls das ganze Paket, allerdings etwas fruchtiger mit viel süßer Himbeere – ich finde ihn dadurch einen Hauch weniger spannend. Am Gaumen macht der Jaspis Boden gut. Das Holz ist noch feiner, Frucht und Säure spielen noch etwas eleganter miteinander, die Noten von Blut, Rauch, Speck lassen Vorurteile vor Spätburgundern aus Deutschland verblassen. Der Abgang ist ebenfalls ewig lang und auch beim Jaspis liegt der Alkohol bei angenehmen 13,5 %.

Erwischt…

Ich schrieb es schon verschiedentlich: erstens macht Thanisch wunderbar altmodische/klassische Moselrieslinge, also schlank, aus nicht zu reifem Material und eher rassig als cremig und zweitens halte ich die Spätlese feinherb für seinen besten, neudeutsch ,Signature-‘, Wein. Dass die bei mir selten älter als ein Jahr wird, liegt an meiner sehr viel besseren Hälfte. Deswegen hatte ich ein Exemplar des Rieslings versteckt. Er sollte reifen. Dieser Tage hat meine Frau ihn gefunden. Also jetzt schon nach nur fünf Jahren:

Lieserer Niederberg HeldenThanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Lieserer Niederberg Helden, Riesling Spätlese feinherb, 2007, Mosel. In der Nase immer noch Hefe und ein leichter Stinker aber vor allem viel reife Frucht (Aprikose und Grapefruit) sowie etwas Aloe Vera. Am Gaumen zeigt sich die einst rassige Säure etwas gebändigt. Der Wein wirkt voller als früher. Aromen von Grapefruit und Apfel werden durch erste würzige Reifenoten ergänzt, ohne dass man dem Wein schon Alter attestieren möchte. Die bei Thanisch nicht unüblichen Bitter- und Gerbstoffe, feine Mineralik und sogar noch etwas Gärkohlensäure spielen mit dem dezenten Restzucker. Der Wein ist auf der Schwelle zum komplexen, gereiften feinherben Moselriesling, wie ich ihn von Molitor oder Löwenstein so liebe. Die Gerbstoffe sind manchmal ein bisschen zu deutlich wahrnehmbar und der Abgang könnte länger sein – sonst gibt es nichts zu meckern. Ausgesprochen guter Wein (für nicht mal zehn Euro).

Simple Genüsse (10)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Notizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Saubere Pfälzer Spätlese trockenMüller-Catoir, Haardter Bürgergarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase präsentiert sich ein klassischer Pfälzer Riesling: Apfel, Zitrus und Aprikose mit etwas Malz und Aloe Vera. Am Gaumen findet sich vieles davon wieder: zunächst dominieren Zitrus und Apfel, später kommt Aprikose dazu bevor es nach einigen Stunden in Richtung Grapefgruit geht. Dazu ist der Wein leicht malzig und wirkt sehr trocken, dicht und voll. Der Wein ist eher barock, 13,5% Alkohol sind aber vernünftig integriert. Pfälzer Kraft trifft im ziemlich langen Abgang auf eine feine Mineralik. Macht viel Spass und ein bisschen satt.

Emrich-Schönleber, Monzinger Frühlingsplätzchen, Riesling trocken, 2009, Nahe. In der Nase ein leichter Stinker aber auch frische Zitrusaromen, dazu etwas Aloe Vera. Am Gaumen kräftige Säure, einige Gerbstoffe, Aromen von Zitrus und Grapefruit, leichte Mineralik, ziemlich trocken und mit festem Kern. Schönleber, Haag und Dönnhof sind für mich Erzeuger, deren Lagenweine aus den besten Gemarkungen so gut sind, dass ich eigentlich kein Großes Gewächs mehr benötige. Zu dieser Regel gibt es Ausnahmen – wie diese. Für mich ist der Wein straff und gut aber keine Sensation – derzeit deutlich eindimensionaler als ich es erwartet hatte.

Max Ferd. Richter, Mülheimer Helenenkloster, Riesling Spätlese, 2007, Mosel. Die Nase ist wunderschön, denn zum üblichen Riesling-Mix (siehe oben) und etwas jugendlicher Hefe kommt bei diesem Wein noch Melone, Mango und Papaya. Das riecht herrlich süß und geht am Gaumen gleich so weiter. Süß und saftig wirkt der Wein, mit einer ordentlichen Säure, tropischen Fruchtaromen, vibrierender Frische, die auch von etwas Kohlensäure herrührt. Der Abgang ist sehr lang und süß. Dem Wein fehlt es an Mineralik aber für mich muss nicht jeder Riesling mineralisch schmecken. 8,5% Alkohol passen sehr gut zu dieser hervorragenden fruchtsüßen Spätlese.

 

Rätselwein? Rätsel Wein!

Wer sich viel mit Wein beschäftigt und Freunde sein eigen nennt, die dieses Hobby teilen, der kennt die Situation: Man bekommt ein Glas Wein vorgesetzt mit nichts als der Bemerkung: ‚Sag mal was dazu…‘ Rebsortenraten/Jahrgangslotto ist ein wunderbares Gesellschaftsspiel, es birgt aber Tücken. Je öfter man richtig liegt oder der Wahrheit nahe kommt, desto größer ist die Gefahr des Hochmuts. Denn wie lautet der kürzeste Weinverkosterwitz? ‚Jetzt kann ich’s‘.

Ich bilde keine Ausnahme, wenn es um gelegentliche Hybris geht. Auch ich bilde mir regelmäßig ein, jetzt müsste ich beispielsweise wissen, wie ein Wein riecht und schmeckt, der auf Schiefer gewachsen ist, oder die letzten zehn Jahrgänge bei trockenen Rieslingen erkennen können. Doch dem ist nicht so. Genau genommen, bin ich mir nicht einmal sicher, ob es wirklich eine objektiv erkennbare Schiefermineralik gibt. Gelöste Mineralien, die sich von denen eines auf Kalkstein gewachsenen Rieslings unterschieden, sind bekanntlich nicht im Wein, schon gar keine riechbaren. Das tröstet mich, angesichts der folgenden beiden Weine.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Riesling ‚Alte Reben‘ (Lieserer Niederberg Helden), 2007, Mosel. In der Nase ganz zart: blumig, duftig, etwas herb mit Stachelbeere, Orangeat – das erinnert mich sehr an einen Sauvignon Blanc. Am Gaumen Aprikose und Orangenschale, viel Gerbstoff und reichlich Restzucker, soweit so normal. Aber dann kam diese kalkige Mineralik, wie ich sie von so vielen Weinen aus Rheinhessen und der Pfalz kenne. Das passte zwar gut zum Wein aber schlecht zu meinem Weltbild. Der Riesling wirkt trotz sehr milder Säure bei allem Zucker nicht übermäßig breit, sondern tief, verschlossen und so, als habe er reichlich Potential, sich mit weiterer Flaschenreife zu echter Größe aufzuschwingen – dann vielleicht ja auch mit Schiefermineralik.

Heymann-Löwenstein, Uhlen 'Roth Lay'

Heymann-Löwenstein, Uhlen R, Riesling 1. Lage, 2004, Mosel. Keine ganz typische Löwenstein-Nase, denn der Wein riecht nach Grapefruit, Erd- und Himbeere sowie Marzipan, klar, frisch und gleichzeitig süß, ohne jede Spur von Malz, Karamell oder anderen Tönen die Löwensteins spät gelesene, konzentrierte Wuchtbrummen oft begleiten. Am Gaumen zunächst sehr süß aber mit 45 Minuten Luft ändert sich das Bild und die Süße tritt in den Hintergrund. Die Säure ist zwar mild und einiges an Restzucker vorhanden, dank einer leicht kalkigen Mineralik (da war sie wieder!) befindet sich der Wein aber in schöner Balance und bietet ein anregendes Spiel von Süße und Säure. Etwas Aprikose, ein Hauch Mandarine und würzige Noten, die der fortschreitenden Reife entspringen, machen den Uhlen-R zu einem gleichzeitig fruchtigem und ernsthaften Wein. Der Abgang ist ausgesprochen lang. Er verträgt immer noch einige Stunden Belüftung und hält bestimmt noch etliche Jahre.

Apropos Reife: Feinherbe und liebliche Weine büßen mit dem Alter ihre Süße langsam mehr oder weniger deutlich ein. Das hilft bei der Bestimmung des Jahrgangs – soweit meine Erkenntnis aus Beobachtung. Den Löwenstein habe ich prompt fünf Jahre zu jung geschätzt. Allerdings ist das nicht unbedingt ein Gegenbeweis: Ich habe seit Dezember 2005 in gleichmäßigen Abständen 7 Flaschen ‚Uhlen R‘ aus 2004 getrunken und möchte behaupten, dass dies der Benjamin Button unter den Rieslingen ist. Er wird mit jedem Jahr Flaschenreife süßer und das ist mir bei keinem anderen halbtrockenen Riesling bisher begegnet.