Wie legt man einen Weinkeller an? (4/4)

Sechs Jahre ist es her, dass ich anfing, mir einen eigenen Weinkeller einzurichten. Und es wird Zeit einzugestehen, dass ich genügend Unsinn bei der Anlage gemacht habe, dass man durch bloßes Vermeiden meiner Fehler einen prima Keller hinbekommen sollte.

Zum Abschluss meiner Sammlung von Hinweisen zur Weinkeller-Einrichtung ein Tipp, wie man ein Problem umschifft, dass ich nie gehabt habe. Ob das meinen persönlichen Tugenden als Weinkellerbesitzer geschuldet ist oder doch eher einer im folgenden zu schildernden unheimlichen Begegnung der dritten Art, werde ich nie erfahren.

Ungefähr ein Jahr hatte ich bereits Flaschen in meinen noch halb leeren Keller geschichtet, als ich auf einer Weinmesse in Hamburg an den Stand des Winzers Johannes Schmitz vom Weingut Rebenhof trat um mich über dessen 2006er Kollektion zu informieren. Wie oft in ähnlichen Smalltalk-Situationen erlebt, fragte auch Herr Schmitz nach meiner persönlichen Beziehung zum Wein. Ich entgegnete, ich sei lediglich ein privater Endverbraucher, erwähnte allerdings auch, dass ich mich intensiv mit einigen Freunden über das Internet austauschte (zu jener Zeit gab es dieses Blog noch nicht, ich war Teilnehmer eines Weinforums).

Das war das Stichwort, auf das Herr Schmitz gewartet zu haben schien. Es folgte eine heftige Schimpfkanonade über diese Ignoranten im Internet, die Klugscheißer und Dummschwätzer, die wehrlose Winzer diskreditierten und alles besser wüssten. Dabei unterbrach er seine Tiraden gelegentlich um, sein Reden konterkarierend, weitere Exemplare seiner Weinkollektion in mein Glas zu schütten, ich hätte sonst die Flucht ergriffen.

Den Abschluss seiner einer großen Bühne würdigen Publikumsbeschimpfung bildete die Bemerkung, er habe solchen Menschen schon häufig Wein geliefert und sich deren zu Kathedralen hochgejazzte Keller anschauen müssen, in denen es jeden Wein der Welt und allen erdenklichen Nippes gäbe. ,Nur eines suchen Sie dort vergeblich‘ schloss er, leicht aus der Puste: ,einen Korkenzieher‘.

Als ich am Abend nach Hause kam brachte ich als erstes zwei Korkenzieher in den Keller. Seitdem öffne ich die meisten Flaschen schon unten im Keller. Es liegen auch immer ein paar abgeschnittene Kapseln und gezogene Korken in der Gegend rum. Ich packe nie alle Kartons aus und bringe auch den Müll nur unvollständig raus. Mit einer Kathedrale kann man meinen Weinkeller jedenfalls nicht verwechseln. Spätestens von Herrn Schmitz habe ich gelernt: Wein ist zum Trinken da, nicht zum Sammeln!

Auslese von Herrn Schmitz
Dank Korkverdacht im Doppelpack

Rebenhof, Ürziger Würzgarten, Riesling Auslese, 2006, Mosel. In der Nase viel reife und süße Frucht, Aprikose, Melone, Banane aber auch ein leicht fauliger Fehlton. Ich habe eine Konterflasche aufgemacht, um Kork auszuschließen. Der feine Fehlton ist bei beiden Flaschen exakt gleich und nicht dominant, den Korken will ich ausschließen. Am Gaumen ist der Wein für eine Auslese nicht sehr süß, erzeugt ein wunderbar cremiges Mundgefühl, ist mit schöner Säure und daraus resultierend schönem Spiel ausgestattet aber leidet auch unter einem deutlichen Bitterton. Der Abgang ist sehr lang aber auch nicht ganz sauber. Da war nicht nur Botrytis, sondern wohl auch einiges anderes an Fäulnis mit im Spiel – dazu gehen 10 % Alkohol an einem so süßen Wein nicht spurlos vorbei. Trotzdem kann ich dem Wein viel abgewinnen. Ich finde ihn animierend und kantig.

Irgendwie wie den Winzer …

Die Sache mit den Erdbeeren

Es gehört für mich zu den eher schwierigen Momenten des Weinlebens, wenn mir Menschen mit der Behauptung gegenübertreten, sie könnten Lagen blind erschmecken. Ich will nicht abstreiten, dass ich selber schon Zeuge war, wie in geselliger Blindverkostung der eine oder andere Bekannte einen erstaunlichen Volltreffer gelandet hat. Dabei waren die Parameter aber vorab eingegrenzt. Auch mag es bei den großen Crus aus Bordeaux oder der Champagne solche geben, deren Charakteristik so ausgeprägt ist, dass Freaks blind Chateau/Produzent und ungefähren Jahrgang erschmecken. Bei Deutschen Lagen bin ich jedoch sehr skeptisch.

Wie immer, wenn ich es mir in meinem Weinweltbild bequem mache, taucht irgendwo ein Wein – oder in diesem Fall eine Lage – auf, die mein pauschales Urteil Lügen straft. Es geht um den Ürziger Würzgarten, jene Lage an der Mittelmosel, die von Fans liebevoll ‚ÜrzWürz‘ abgekürzt wird. Wer sich im Internet umtut und Informationen einholt über Rieslinge aus dem ÜrzWürz, dem begegnen Erdbeeren (gern auch mit Schlagsahne). Mehr als eine Quelle tut kund, dass Rieslinge aus dem ÜrzWürz erzeugerunabhängig häufig nach Erdbeeren mit Schlagsahne riechen und auch ein bisschen schmecken. Dieser Duft ist ziemlich einmalig und gestattet es, diese Lage in Blindverkostungen zu bestimmen. Ich war immer skeptisch, denn man kann alles in einem Wein erschnüffeln, wenn man gesagt bekommt, dass es darin sei. Und auch ich habe, offen verkostet, schon viele Erdbeeren im ÜrzWürz gefunden.

Am Wochenende hatte ich dann mal wieder eines dieser Erlebnisse. Ein ÜrzWürz aus dem schwierigen Jahr 2006 war im Glas und ich hatte etwas Zeit und Muße, was bedeutet, dass ich mir ein paar Notizen machte. Ich hatte den Wein ohne langes Nachdenken aus dem Hamsterregal gezogen und dachte an alles, nur nicht an die oben geschilderte Lagencharakteristik. Der Wein bot eine komplexe Nase, zu der es reichlich zu notieren gab. Doch da war noch so ein Ton in Nase und Gaumen, den ich besonders fand aber nicht greifen konnte. Er passte nicht in das gängige Raster. Ich musste mir bei meiner besseren Hälfte Rat holen, die nach einem kurzen Schnuppern sofort wusste: ‚der riecht nach Erdbeeren mit Sahne‘.

Rebenhof, Ürziger Würzgarten, Riesling Spätlese trocken, 2006, Mosel. In der Nase Blüten, Aloe Vera und Aprikose – und dieser besondere Ton. Am Gaumen bietet der Riesling gutes Spiel, ist sehr straff mit spürbarer aber nicht zu krasser Säure, Aromen von Dörraprikose und ein Hauch Erdbeere, sehr kräuterwürzig, mineralisch und ziemlich trocken. Im Abgang lang, mineralisch und herrlich saftig, es schwingt über die volle Länge dieses merkwürdige Erdbeeraroma mit. Eine der besten trockenen Mittelmosel-Spätlesen aus dem Problemjahr 2006, auch wenn jahrgangstypisch die Frucht eher dezent kommt und Würze und Mineralik im Vordergrund stehen.

Ich glaube nicht, dass ich den ÜrzWürz blind bestimmen kann, werde aber zukünftig nicht protestieren, wenn es jemand anderes von sich behauptet.