Die Revolution frisst ihre Kinder

Als ich vor Jahren das Internet als Quelle des Weinwissens entdeckte, tobten in den einschlägigen Foren Diskussionen, die erbittert zu nennen mir noch untertrieben scheint. Zum einen ging es dabei um die Frage, ob man Moste irgendwie anders als spontan vergären sollte (eine Diskussion, der ich mich hier gewidmet habe und die ich jetzt nicht wieder hervorholen will), zum anderen um die Deutungshoheit bei der Gärunterbrechung. Zur Erklärung: bei der alkoholischen Gärung wird Zucker in Alkohol gewandelt und dieser Prozess setzt sich theoretisch fort, bis kein Zucker mehr übrig ist. Um einen Wein mit gewünschtem Restzucker zu erhalten, kann der Winzer den Wein machen lassen, bis er fertig ist und dann mit der sogenannten Süßreserve (unvergorener Most, der vorher beiseite gestellt wurde) wieder Zucker in den Wein füllen oder er unterbricht die Gärung an dem Punkt, an dem noch so viel Zucker unvergoren ist, wie er gerne in seinem fertigen Wein sehen würde. Letzteres führt zu deutlich weniger Alkohol im fertigen Wein als ersteres und wird daher gerne bei hochwertigen Ausgangsmosten angewendet. Die Gärunterbrechung erfolgt zum Beispiel durch starke Kühlung und anschließende Filtration. Dass die Gärung später nicht von allein wieder startet, verhindert dem Wein zugesetzter Schwefel.

Diese von Kritikern verächtlich ,gestopptes Zeug‘ genannten Weine erleben derzeit eine Renaissance und werden von Befürwortern als die Krone Deutschen Weinschaffens angesehen. Fragt man einen beliebigen Winzer, wie sein restsüßer Wein zustande kommt, geben meiner Erfahrung nach keine zwanzig Prozent zu Protokoll, sie hätten ihn abgestoppt. Über 80% erzählen, man sei so glücklich, dass die Gärung ganz spontan bei diesem Zuckerwert zum erliegen gekommen sei.

Schwefel macht Weine nicht nur mikrobiologisch stabil, sondern auch haltbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob er dem Wein abschließend zugesetzt wird, oder sich auf natürliche – aber unerwünschte – Weise während der Gärung im Wein konzentriert. Viele spontan vergorenen Weine entwickeln nämlich während der Gärung einen dem Weinfehler Böckser sehr ähnlichen Schwefelwasserstoffton, den Weinfreunde gerne verharmlosend einen ,Sponti-Stinker‘ nennen und dem gerade Deutsche Rieslingtrinker erstaunlich tolerant gegenüber sind. Die Kombination aus Spontangärung, Abstoppen und Schwefeln ist eine weit verbreitete Produktionsmethode bei Spitzenbetrieben. Die so entstehenden Weine glänzen mit Langlebigkeit.

Ich hatte vorletzte Woche Besuch von Menschen, die einiges von Wein verstehen. Wir tranken diverse blind servierte Weine und meine Gäste lagen meist nicht weit daneben, wenn es darum ging zu bestimmen, was ich ihnen da kredenzte. Nur einmal musste ich innerlich schmunzeln, als die Runde darüber diskutierte, ob ein nicht ganz trockener Riesling in ihrem Glas aus dem Jahr 2009 oder 2011 stammt, der tatsächlich schon 1993 seinen Weg in die Flasche fand. Es handelte sich um eine hier bereits ausführlich besprochene 1993er Auslese aus dem Hause Thanisch, bei der die Spontangärung zu einem schweren Böckser geführt hatte, weswegen es schlappe 18 Jahre dauerte, bis er reuelos genießbar war. So frisch kann Schwefel halten.

Wie der Zufall es will, hat mein vinophiler Internetfreundeskreis diese Woche die zu diesem Erlebnis passende Sau durchs Dorf getrieben. Auf facebook und später auch in einem Blog ging es unter anderem um die Frage, wie viel Schwefel der Wein braucht und ob die oft recht schwefelhaltigen Deutschen Rieslinge überhaupt noch zeitgemäß sind. Dabei bekamen sowohl die ,Spontis‘ ihr Fett weg als auch restsüße Rieslinge im Allgemeinen.

Nun sind es die ganz trockenen Weine häufig aus südlichen Gefilden, die entsprechend nicht noch einmal zu gären anfangen und von einigen Extremwinzern gänzlich ohne Schwefel gefüllt werden, die eine Gruppe vorwiegend junger Weinenthusiasten aufs Schild hebt. Die Revolution frisst Ihre Kinder stelle ich fest, wenn ich lese, wie diejenigen unter Feuer genommen werden, die damals noch junge Weinfreunde vor zehn Jahren als revolutionäre Avantgarde feierten. Und noch etwas kommt mir in den Sinn: Es ist eigentlich die gleiche Diskussion wie vor zehn Jahren, nichts hat sich verändert, nur das Spielfeld ist breiter geworden. Der Eine publiziert auf der Website der Süddeutschen Zeitung sein Loblied auf das ,gestoppte Zeugs‘, der Andere schreibt in einer facebook-Gruppe, der Dritte antwortet in seinem Blog und ich versuche mich an einer Zusammenfassung in meinem. Hätte man alle Protagonisten wie vor zehn Jahren in ein Forum gesperrt, wären zünftig die Fetzen geflogen. Ob das jetzt einen Fortschritt darstellt, ist genau so Geschmacksache wie spontan vergorener Riesling.

Markus Molitor, Bernkasteler Lay, Riesling Spätlese trocken, 2007, Mosel. In der Nase am ersten Tag ein hoffnungsloser Stinker, einer von der Sorte, bei dem ich die Nase nicht mehr tief ins Glas stecken mag, um darunter liegende Aromen zu erschnüffeln. Am zweiten Tag ist der zumindest ein wenig verdampft und es zeigt sich Aprikose, Grapefruit und angeschlagener Feuerstein (was ja irgendwie auch in die Stinker-Richtung geht). Am Gaumen ist der Wein sehr frisch, wird am zweiten Tag cremig, zeigt über die gesamte Zeit wenig Frucht, extreme, kalkige Mineralik, Pistazie, Holunder. Der Riesling ist von mittlerem Volumen, wirkt sehr trocken, was er vermutlich gar nicht ist, denn irgendwo muss der Zucker bleiben und der Wein hat gerade mal 12% Alkohol (die zu keiner Zeit dominieren). Der Abgang ist nur mittellang, sonst wäre er eine Granate – so ist er ein sehr guter Wein.

Sommerweine vom Möbelhändler

Der Online-Möbelmarkt gilt gemeinhin als letzte Spielwiese, in der sich noch ein Milliardengeschäft etablieren lässt und so versuchen sich gleich mehrere Startups aus dem In- und Ausland daran das ,Amazon für Möbel‘ aufzubauen. Der Händler Westwing, der den Möbelmarkt mit einem brands4frands-ähnlichem Geschäftsmodell aufzurollen versucht, setzt zu eben jenem Zweck auf ein buntes Sortiment, das einen hippen Lifestyle suggerieren soll und neben Möbeln auch Gläser, Designer-Tischwäsche, Pfeffermühlen und gelegentlich sogar Wein umfasst.

Nun traue ich mir eine Menge Dinge zu, jedoch garantiert nicht, dass ich mir Wein auf der Lifestyle-Schiene andrehen lassen würde. Wenn doch nur nicht mein Schnäppchenreflex wäre… Denn zum Grundprinzip bei den meisten Aktions-Shoopingseiten gehört, dass alle Waren unter Normalpreis verkauft werden. Neulich gab es gleich drei Weine von Weingütern, deren Erzeugnisse ich seit langem mal (wieder) probieren wollte. Und weil eine wichtige Voraussetzung für Wachstum die Generierung von ausreichend Kundenadressen ist, werfen Anbieter wie Westwing mit Neukundengutscheinen um sich. So gab es die ursprünglich um einen Euro pro Flasche rabattierten Weine mit weiteren 15 Euro Neukundenrabatt sowie 8% Cashback über qipu (Der guten Ordnung halber: mit diesem Unternehmen bin ich wirtschaftlich verbunden) zu einem Gesamtpreis inklusive Porto der rund 35% unter Weingutspreis lag – und ich erlag der Versuchung.

Matrjoschka verpackt WeinEs gehört sich eigentlich nicht, jemanden, der mich so günstig mit Wein versorgt, dafür auch noch zu schelten, doch was ich einige Wochen später daheim vorfand, nachdem mein Möbeldealer seine Weine geliefert hatte, war eine Sünde. Offensichtlich hatte entweder der Logistiker oder die Winzer die Weine jeweils in Dreierpakete vorsortiert, für diese aber aus irgendeinem Grunde 6er-Versandkartons verwendet. Der Möbelhändler sah sich dann nicht nur außer Stande, diese Weine aus- und umzupacken, beispielsweise in einen 12er-Karton, er hatte auch noch jeden einzelnen Dreierpack in einen großen Möbelversandkarton gesteckt. Am Ende kamen Kartons mit einem Gesamtvolumen von fast einem Kubikmeter bei mir an um 9 Flaschen Wein zu überstellen. Nun denn: ich wollte eh nicht dauerhaft meine Weinbezugsquelle wechseln.

Und das war drin:

WillemsWillems, Weißburgunder, 2011, Mosel. Es ist lange her, dass ich Weine dieses Gutes getrunken habe und sie waren alle sehr gut. Deswegen war ich ganz gespannt auf die erste Begegnung seit vielleicht 5 Jahren. Ich mach es kurz: ordentlich aber nicht inspirierend. Weißburgunder kann leicht etwas ,ordinär‘ sein (ein Ausdruck meines Vaters, den ich mangels besserer Idee übernommen habe). Die Birnenfrucht ist dann eher Dosenbirne und klingt etwas pappig aus, die Nase ist (Achtung, wieder keine Weinsprache) käsig. Damit meine ich keinen Weinfehler, sondern einfach einen Mangel an Spannung und satter Frucht. Dieser Weißburgunder erschien mir so. Durchaus trinkbar aber für einen Snob wie mich nicht reizvoll genug um ihn lange zu studieren. Der Rest wurde verkocht, die übrigen zwei Flaschen sind den Schorletrinkern in meinem Freundeskreis reserviert. Geschmacksache.

Krebs, Hofmann, WillemsWillems
Mit schicken Etiketten fit für den Designermöbelshop

Krebs, Sauvignon Blanc, 2011, Pfalz. Ein Weingut, von dem ich viel gelesen aber noch nichts getrunken hatte – willkommene Gelegenheit dieses zu ändern. Der Sauvignon Blanc ist richtig gut, fast zu gut für mich. Diese ganz puristischen Interpretationen, die richtig schön kratzen, sind mir manchmal sehr angenehm, oft hab ich es aber eher mit den leicht weichgespülten, typisch deutschen Vertretern der Rebsorte. In der Nase Stachelbeere, Gras, Kräuter und Zitrus – extrem grasig. Am Gaumen ist der Weißwein schlank, mit kräftiger Säure, ziemlich trocken und mit reichlich Gerbstoff – er kratzt, was für einen Sauvignon Blanc ja ein gewisses Adelsprädikat ist. Dazu Zitrus, Kerbel, Estragon, etwas Mineralik – eine herbe Schönheit, die mir fast etwas zu herb ist, aber das ist Tagesform. An manchen Tagen habe ich den absoluten Mainstream-Geschmack (dann wäre der Krebs ein bisschen zu viel des Guten für mich) und an anderen suche ich eher das Besondere (dann sollte es ein Wein wie dieser Sauvignon Blanc sein).

Hofmann, Grüner Silvaner, 2011, Rheinhessen. Auch eine Begegnung nach längerer Pause; von Hofmann kenne ich nur den sehr guten Hundertgulden aus 2007. Der Silvaner  hat ob seiner Eigenart, mit Frucht zu geizen, das Potential sperrig zu sein. Dieser hier ist zwar in der Nase eher langweilig, am Gaumen aber ganz und gar nicht sperrig: cremig, milde Säure, grüner Apfel, Pflaume aber auch einfach Weintraube – viel Frucht und harmonische Fülle kleiden den Mund aus. Der Alkohol ist moderat (12,5%, wie bei den anderen beiden Weinen auch), der Abgang lang und fruchtig. Das ist ein sehr schöner Sommerwein für jeden Typ Weintrinker.

Wie die Jungfrau zum Kinde

Als ich vor einigen Jahren meine erste Weinreise an die Mosel unternahm, wurde ich an der Pforte eines bekannten Weingutes vom Hofhund fast über den Haufen gerannt. Ich solle mir keine Sorgen machen, beruhigte mich der herbeigeeilte Hausherr, der beiße ,nur Flachlagenwinzer und Chardonnaytrinker‘.

Das beschreibt die Hierarchie wohl ganz gut. Riesling, Steillage – wer es sich leisten kann, betreibt an der Mosel seinen Job puristisch. Weiß- und Spätburgunder sind akzeptiert, Dornfelder und Rivaner für die Belgischen Touristen zumindest geduldet, Sauvignon und Chardonnay sind was für Außenseiter.

In der semipuristischen Welt (Riesling Steillage plus Touristendornfelder) angesiedelt ist auch das Weingut Ludwig Thanisch & Sohn. Dass ich den schlanken Stil des Hauses sehr schätze, habe ich schon mehrfach erwähnt – ebenso wie gut ich den Weissburgunder finde und auch, dass ich dem Hause freundschaftlich verbunden bin. Als ich im April mit dem Winzer telefonierte um nach dem zu erwartenden Jahrgang zu fragen, erfuhr ich unerhörtes: aufgrund eines Koppelgeschäftes bei der Weinbergspacht gelangte das Gut letztes Jahr in den Besitz einer Parzelle Schieferboden, die mit Chardonnay bestockt ist und die es künftig vor dem Verwildern zu bewahren gilt um eine andere – heiss begehrte – Riesling-Parzelle nutzen zu dürfen. Das spült dem Weingut in absehbarer Zukunft jährlich rund 1000 Liter Chardonnay in den Keller.

Ohne genaue Vorstellung, was daraus werden soll (so meine Interpretation seiner Ausführungen), hat Winzer Thanisch diesen Winter seinen Erstling produziert. Der Most wurde zu 80% im Stahltank, der Rest in einem gebrauchten Barrique ausgebaut. Vergoren wurde er zunächst spontan – und die Aromen im Wein sind teiweise jungen Thanisch-Rieslingen so ähnlich, dass ich einmal mehr an die Dominanz der kellereigenen gegenüber den weinbergseigenen Hefen glaube – bevor er zusätzlich mit Reinzuchhefen beimpft wurde um sicherzugehen, dass er auch wirklich durchgärt. Halbtrockenen Chardonnay trinken wohl nicht einmal die Belgischen Touristen, da wollten die Thanischs kein Risiko eingehen. Während der rund halbjährigen Tank-/Fassreife wurde die Hefe regelmäßig aufgerührt. Gefüllt wurde er vor wenigen Wochen – in der Burgunderflasche unter Schraubverschluss – und ist seitdem für 8,50 Euro unter dem Namen ,Chardonnay Zero‘ zu haben.

Drei Tage lang habe ich mich mit dem Wein vergnügt. Mit reichlich Belüftung und knapp zweistelliger Trinktemperatur gefiel er mir am besten. Es ist ein Wein für Moselallergiker, weil er die Charakteristik der Mosel ohne das Schreckgespenst ihrer Säure transportiert und ein Wein für Chardonnayverächter, weil er die Charakteristik der Sorte (sogar in ihrer holzausgebauten Form) ohne ihre manchmal zügellose Wucht rüberbringt. Der ,Zero‘ ist ein Wein für Laien, weil man ihn einfach locker schlorzen kann und ein Wein für Kenner, weil man damit definitiv alle Klugschieter im Freundeskreis aufs Glatteis führt. Ähnlich wie Stefan Steinmetz auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses dem Merlot eine Moseltypizität einzuhauchen vermag, gelingt es Thanisch hier beim Chardonnay – so zumindest meine bescheidene und vermutlich nicht völlig unparteiische Meinung.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Chardonnay Zero, 2011, Mosel. In der Nase zunächst zarter Blütenduft, Eisbonbon und Litschi mit mehr Luft etwas Chardonnay-typischer: Birne, Haselnuss, Quitte, auch etwas blonder Tabak, ein bisschen Holz. Am Gaumen ist der Wein von mittlerem Volumen und angenehm cremiger Textur. Der Chardonnay hat nur vierkommairgendwas Gramm Säure, wirkt aber viel knackiger, was daran liegen mag, dass er auch nur einskommanochwas Gramm Restzucker aufweist. Letztere wiederum mag man kaum glauben, weil der ,Zero‘ so viel süße Frucht präsentiert. Ein kleines Aromenfeuerwerk brennt er mit einem Tag Belüftung ab: Apfel, Birne Haselnuss, Marzipan, Butter, und sogar etwas Schokolade, eine kleine Spur Holz und Rauch. Im sehr langen Abgang macht sich eine schöne Mineralik breit. 13 % Alkohol sind stimmig für diesen Wein. Ich finde ihn sehr gelungen und vor allem originell.

Wie legt man einen Weinkeller an? (4/4)

Sechs Jahre ist es her, dass ich anfing, mir einen eigenen Weinkeller einzurichten. Und es wird Zeit einzugestehen, dass ich genügend Unsinn bei der Anlage gemacht habe, dass man durch bloßes Vermeiden meiner Fehler einen prima Keller hinbekommen sollte.

Zum Abschluss meiner Sammlung von Hinweisen zur Weinkeller-Einrichtung ein Tipp, wie man ein Problem umschifft, dass ich nie gehabt habe. Ob das meinen persönlichen Tugenden als Weinkellerbesitzer geschuldet ist oder doch eher einer im folgenden zu schildernden unheimlichen Begegnung der dritten Art, werde ich nie erfahren.

Ungefähr ein Jahr hatte ich bereits Flaschen in meinen noch halb leeren Keller geschichtet, als ich auf einer Weinmesse in Hamburg an den Stand des Winzers Johannes Schmitz vom Weingut Rebenhof trat um mich über dessen 2006er Kollektion zu informieren. Wie oft in ähnlichen Smalltalk-Situationen erlebt, fragte auch Herr Schmitz nach meiner persönlichen Beziehung zum Wein. Ich entgegnete, ich sei lediglich ein privater Endverbraucher, erwähnte allerdings auch, dass ich mich intensiv mit einigen Freunden über das Internet austauschte (zu jener Zeit gab es dieses Blog noch nicht, ich war Teilnehmer eines Weinforums).

Das war das Stichwort, auf das Herr Schmitz gewartet zu haben schien. Es folgte eine heftige Schimpfkanonade über diese Ignoranten im Internet, die Klugscheißer und Dummschwätzer, die wehrlose Winzer diskreditierten und alles besser wüssten. Dabei unterbrach er seine Tiraden gelegentlich um, sein Reden konterkarierend, weitere Exemplare seiner Weinkollektion in mein Glas zu schütten, ich hätte sonst die Flucht ergriffen.

Den Abschluss seiner einer großen Bühne würdigen Publikumsbeschimpfung bildete die Bemerkung, er habe solchen Menschen schon häufig Wein geliefert und sich deren zu Kathedralen hochgejazzte Keller anschauen müssen, in denen es jeden Wein der Welt und allen erdenklichen Nippes gäbe. ,Nur eines suchen Sie dort vergeblich‘ schloss er, leicht aus der Puste: ,einen Korkenzieher‘.

Als ich am Abend nach Hause kam brachte ich als erstes zwei Korkenzieher in den Keller. Seitdem öffne ich die meisten Flaschen schon unten im Keller. Es liegen auch immer ein paar abgeschnittene Kapseln und gezogene Korken in der Gegend rum. Ich packe nie alle Kartons aus und bringe auch den Müll nur unvollständig raus. Mit einer Kathedrale kann man meinen Weinkeller jedenfalls nicht verwechseln. Spätestens von Herrn Schmitz habe ich gelernt: Wein ist zum Trinken da, nicht zum Sammeln!

Auslese von Herrn Schmitz
Dank Korkverdacht im Doppelpack

Rebenhof, Ürziger Würzgarten, Riesling Auslese, 2006, Mosel. In der Nase viel reife und süße Frucht, Aprikose, Melone, Banane aber auch ein leicht fauliger Fehlton. Ich habe eine Konterflasche aufgemacht, um Kork auszuschließen. Der feine Fehlton ist bei beiden Flaschen exakt gleich und nicht dominant, den Korken will ich ausschließen. Am Gaumen ist der Wein für eine Auslese nicht sehr süß, erzeugt ein wunderbar cremiges Mundgefühl, ist mit schöner Säure und daraus resultierend schönem Spiel ausgestattet aber leidet auch unter einem deutlichen Bitterton. Der Abgang ist sehr lang aber auch nicht ganz sauber. Da war nicht nur Botrytis, sondern wohl auch einiges anderes an Fäulnis mit im Spiel – dazu gehen 10 % Alkohol an einem so süßen Wein nicht spurlos vorbei. Trotzdem kann ich dem Wein viel abgewinnen. Ich finde ihn animierend und kantig.

Irgendwie wie den Winzer …

K(l)eine Geschichten zu Großen Gewächsen (4)

Manchmal gibt es gar nicht so viel zu erzählen zu den Weinen, die ich trinke. Hier sind drei, die ich aber keinesfalls unterschlagen möchte.

Drei verschiedene Große Gewächse macht das Weingut Heymann-Löwenstein aus dem Winninger Uhlen. Meine Erfahrungen der letzten Jahre veranlassten mich dazu, in den zurückliegenden GG-Kampagnen nur noch den Uhlen-R zu kaufen (2010 habe ich mir auch das geschenkt, was Berichten von Freunden zufolge ein Fehler gewesen sein könnte). Um es drastisch zu sagen: bei Uhlen-L und Uhlen-B habe ich eine ganze Menge Frösche geküsst um verhältnismäßig wenige Prinzen zu treffen. Deswegen will ich nicht verschweigen, dass der folgende ein echter Prachtprinz war:

Heymann-Löwenstein, Uhlen B, 2005, Mosel. Da präsentiert sich große Dichte in der Nase, Aprikose, Grapefruit und Apfel aber auch Walnuss, eine leicht medizinale Note und ein Rest Sponti-Stinker – trotzdem riecht das sehr sympathisch, irgendwie fröhlich auf Krawall gebürstet. Am Gaumen finde ich den Riesling ziemlich trocken für einen Löwensteinschen Uhlen, saftig, mit einigen Gerbstoffen, reifer Säure, unauffälligen 12,5% Alkohol und wiederum einer leicht nussigen Note. Dörraprikose ist die dominierende Frucht. Reichlich Würze und getrocknete Kräuter belegen das mittlerweile fortgeschrittene Alter des Weins. Mächtige Mineralik zeigt sich vor allem im sehr langen Abgang. Erinnert mich irgendwie an Weine von Kühn aus dem gleichen Jahr und ist vermutlich nicht Jedermanns Sache. Mir gefällt der Uhlen B in diesem Zustand ausnehmend gut.

Als ich das `07er Ungeheuer 2009 zum ersten Mal trank, präsentierte sich der Wein sehr vielschichtig und ich kaufte einige Flaschen nach. Stand heute wäre das nicht unbedingt nötig gewesen, aber das Bild kann sich natürlich mit weiterer Reife wandeln:

Reichsrat von Buhl, Forster Ungeheuer, Riesling GG, 2007, Pfalz. Eine Klassische Pfälzer Rieslingnase, vor allem mit Aprikose und mürbem Apfel sowie allen weiteren üblichen Zutaten. Am Gaumen schön gereift und wieder sehr klassisch mit kantiger Säure, kräftiger Mineralik, süßer Frucht (obwohl sich der Wein insgesamt ziemlich trocken anfühlt), unauffälligem Alkohol (13%) und langem Abgang. Das ist Riesling pur – nicht mehr und nicht weniger.

Das Pfälzer VDP-Weingut Bernhart kenne ich nur, weil einr Händler meines Vertrauens den Spätburgunder Rädling auf seiner GG-Subskriptionsliste führt. Reflexartig ordere ich meistens eine Flasche davon. Nun habe ich erstmals eine getrunken. Meine Neugierde auf das restliche Sortiment des Gutes hat er nicht stimulieren können. Das ist zwar unfair bei nur einem gekosteten Wein aber wie ging noch ein alter Blues-Klassiker: ,So many vintners so little time…‘:

Bernhart, Spätburgunder ,Rädling‘ GG, 2005, Pfalz. In der Nase Blaubeere und Brombeere, etwas Jogurt, insgesamt fruchtig, fröhlich und nicht sehr tief. Am Gaumen besser: feines Tannin, schönes Holz, fruchtig mit den gleichen Beeren – der Rädling könnte noch mehr Konturen haben und Aromen aus dem kräutrig-fleischigen Spektrum zeigen, dann wäre er große Klasse. So ist er ein hervorragender Spätburgunder, der so eben als GG durchgeht