Eine Frage der Bezeichnung

Vor einigen Jahren kam ich eher zufällig in den Genuss einer außergewöhnlichen Verkostung. Ich war bei einem Spitzenerzeuger an der Saar zu Probe und Einkauf angemeldet. Der Winzer verspätete sich, da er noch mit dem Einkäufer einer Rebschule in seinen Weinbergen auf der Suche nach Rebmaterial für dessen Zucht war. Als er schließlich kam, verband er meinen Termin mit der noch ausstehenden Verkostung für seinen Geschäftspartner. Das hatte den angenehmen Effekt, dass ich in den Genuss einiger nicht mehr im Verkauf befindlicher, gereifter Weine kam. Zusätzlich wurde ich eingeladen, auch dem zweiten Teil der Degustation beizuwohnen, als der Rebenzüchter ausgewählte Weine aus Klonen seines Sortiments vorstellte. Dabei präsentierte er einen Pfälzer Merlot, der besonders italienisch schmecken sollte, einen Sauvignon Blanc aus Rheinhessen mit kräftigem Loire-Touch sowie – unvermeidlich – diverse Pinots aus mehreren deutschen Anbaugebieten, die allesamt besonders ‚burgundisch‘ anmuteten.

Die Rebenzüchter haben aus Marketingsicht alles richtig gemacht. Sie haben den am positivsten klingenden Arbeitsschritt ihres Tätigkeitsbildes zur Berufsbezeichnung erhoben und nennen sich ‚Rebveredler‘. Man stelle sich vor, sie hätten sich ‚Pflanzmaterialkloner‘ getauft oder gar ‚Traubengeschmacks- und Ertrags-Optimierer‘.

Die Hersteller eines anderen Weinrohstoffes haben ein weit weniger glückliches Händchen beim Marketing gehabt. Jene Unternehmen, die von besonders geeigneten, gärenden Mosten die Hefestämme einsammeln und vermehren, tun dies ohne Kreuzung oder Veredelung, was in der Fachsprache ‚Reinzucht‘ heißt. Also nennen sie ihr Produkt – ehrlich aber dämlich – Reinzuchthefen. Diesen Umstand haben die Hefeproduzenten selbst zu verantworten. Eine Laune der Natur hingegen ist die Tatsache, dass sich Hefen prima gefriertrocknen und in Tüten aufbewahren und verkaufen lassen. Dies führte zur gängigen Verunglimpfung als ‚Tütenhefe‘, was sicher nicht zufällig an Tütensuppe erinnert.

So ist es denn möglich aus einer ursprünglich hunderte Kilometer entfernt beheimateten Spielart einer Rebe einen Terroirwein zu zaubern, aus einem im eigenen Anbaugebiet isolierten – aber im Labor vermehrten – Hefestamm aber nicht. Welche Seite hat da wohl das bessere Marketing gemacht?

Wenn ich Marketingleiter in der Hefeindustrie wäre, würde ich zunächst mal das Produkt umbenennen. Dann würde ich den Winzerkunden beibringen, Sätze zu schreiben wie: ‚Nach sorgfältigster Weinbergsarbeit haben wir uns während der Lese entschieden, die hocharomatischen Moste mit unserer wertvollsten Hefeselektion zu komplexen Spitzenweinen zu vergären‘. Dazu gezielte Anti-PR und Schockwerbung mit Elektronenmikroskop-Vergrößerungen von Mikroorganismen, die bei der Spontanvergärung mitmischen (Slogan: ‚Diese Spore ist kein Lebensmittelproduzent‘) und wenn das nicht hilft, griffe ich zu Guerilla-PR: Ein Rollkommando in Strahlenschutzanzügen, das bei einem bekannten Spontanwinzer einfach mal den Keller kärchert.

Nein, das soll keine Anstiftung zum Hausfriedensbruch sein. All das sind nur kleine Bosheiten, die mir über die Jahre einfielen, während ich Winzern bei langen Vorträgen über die Wunder der ‚weinbergseigenen Hefen‘ vorgaukelte, ich würde ihnen jedes Wort glauben und gerade  ganz viel lernen. Denn sich beim Winzer zu outen (‚Wie Sie vergären ist mir wumpe‘) kann arg nach hinten los gehen. Manch Über-Sponti betrachtet jede Unterbrechung seines Vortrags als Majestätsbeleidigung.

Über die Weine in meinem Keller weiß ich in der Regel einiges. Nur die Frage, wie ihre Ausgangsmoste vergoren wurden, kann ich selten beantworten, weil ich schon vor langer Zeit aufgehört habe, die Winzer danach zu fragen. Bei einigen Winzern weiß ich natürlich, dass sie mit Leib und Seele der Spontanfraktion angehören. Hier also ein paar klassische Spontis von der Mosel, die ich dieser Tage getrunken habe.

Josef Rosch, ‚Selection J.R.‘, Riesling Spätlese *** trocken, 2006, Mosel. In der Nase ein leichter Stinker, sonst eher cremige Eindrücke aber später auch ein firner Ton, nicht sehr attraktiv. Am Gaumen mit Mandarine und Grapefruit; für das Jahr sehr klar und mit lebendiger Säure, ab dem dritten Tag ein deutlicher Alterston, vorher sehr erfreulich, ziemlich voll, trocken, mineralisch, der Alkohol sehr gut eingebunden. Der Wein vereint Anspruch mit Pfiff und ist einer der besten trockenen 2006er Rieslinge, die ich kenne.

Heymann-Löwenstein Röttgen 2005 und 2007
Der doppelte Röttgen

Heymann-Löwenstein, Riesling ‚Röttgen Alte Reben‘, 2005, Mosel. Ich kenne kaum einen Löwenstein-Riesling, der mit einem richtigen Spontistinker daherkommt. Die Weine riechen fast immer betörend fruchtig, reif und süß: Aprikose, Netzmelone, Kemm‘sche Kuchen, Aloe Vera – so würde ich die Zutaten einer Löwenstein-Nase beschreiben, auch wenn das arg verkürzt ist. Am Gaumen ist der Riesling noch recht jugendlich, dazu kräftig – 13% Alkohol sorgen für reichlich Bumms. Für Löwensteinsche Verhältnisse ist er sehr trocken, die Säure mild; das Süße-Säure-Spiel leidet etwas darunter. Obwohl der Wein sehr mineralisch ist, überwiegt die Frucht (Aprikose). Auf die Dauer ist der Röttgen ein wenig eindimensional, mit seinem sehr langen, mineralischen Abgang aber immer noch ein Klasseriesling.

Heymann-Löwenstein, Riesling ‚Röttgen‘, 2007, Mosel. Die Nase ist dem 2005er sehr ähnlich, allerdings scheint mir bei diesem Jahrgang etwas Botrytis im Spiel gewesen zu sein, entsprechende Honignoten meinte ich zu riechen. Blind hätte ich den Altersunterschied nie erschnüffelt. Einzig ein leichter Hefeton gibt einen Hinweis auf die Jugend. Am Gaumen ist der Wein süßer, zeigt aber auch mehr Spiel, einige Gerbstoffe finden sich und harmonieren sehr mit den fruchtigen Noten von Boskop, Aprikose und Grapefruit. Muskat, extreme Mineralik, stoffige Konsistenz und der besser eingebundene Alkohol (12,5%) runden das Bild ab. Das ist ein Spitzenwein weit jenseits der 90-Punkte-Marke. Gegenüber dieser frühen Verkostung hat sich der Wein erfreulich verbessert.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Riesling ‚Alte Reben‘, 2006, Mosel. In der Nase verbranntes Gummi, Spontistinker, vollreife Aprikose, Malz, Karamell. Am Gaumen sehr süß, volle Mineralik, mürber Apfel, reifer Pfirsich, rauchig, malzig, ordentliches Spiel und relativ langer Abgang. Gefällt mir sehr gut, wenngleich ich bei Thanisch aus 2006 die früher gelesenen Basisqualitäten besser fand. Der Wein ist etwas zu sättigend.

Verdächtiges Verhalten

Die erste Station meines Berufslebens war im positiven Sinne ein Irrenhaus. Lauter junge Leute, überwiegend mit technischem Hintergrund aber deutlich extrovertierter als der durchschnittliche ‚Nerd‘, arbeiteten mit viel Elan an spannenden Zeitschriften. Eines Morgens jedoch kam ich ins Büro, um einen entsetzten Kollegenkreis vorzufinden. An Arbeit war nicht zu denken. Stattdessen diskutierte die Runde über einen Zettel, welcher an jenem Morgen an der Spülmaschine klebte: ‚Liebe Leute, es sollte jedem klar sein, dass Klobürsten nicht in die Geschirrspülmaschine gehören.‘

Ekel und Fassungslosigkeit bestimmten die allgemeine Diskussion, bis endlich am Nachmittag einer der Unternehmensältesten, studierter Philosoph mit Ironie im Blut und Schalk im Nacken, kundtat, er habe den Zettel aufgehängt, jedoch nicht, weil er ein Corpus Delicti in der Spülmaschine vorgefunden hätte, sondern als erkenntnistheoretisches Experiment. Er wollte wissen, ob die Botschaft auf seinem Zettel im Rezipienten zwangsweise die Gewissheit hervorrufen würde, jemand habe eine Klobürste maschinengespült. Genau genommen stand das schließlich nicht auf seinem Zettel.

Was das mit Wein zu tun hat? In letzter Zeit bin ich gleich mehrfach über Artikel in Weinblogs, Diskussionen auf facebook und Berichte zu einer Session auf dem Vinocamp Deutschland gestoßen, die alle zum Inhalt hatten, dass sich Weinblogger, die Artikel aufgrund von wirtschaftlichen Verbindungen zum Produzenten des besprochenen Weines erstellten, doch bitte auch in diesen Artikeln dazu bekennen sollten. In zugehörigen Kommentaren wurde verschiedentlich um konkrete Beispiele ersucht. Die jedoch konnte keiner benennen.

Ist der gesponserte Weinblogartikel am Ende das Wein-Web-Äquivalent der Klobürste im Geschirrspüler? Fast alle privaten Weinblogs, die ich verfolge, beschäftigen sich mit Weinen, die man nicht mehr kaufen kann. Die meisten erwähnen keine Verkaufspreise oder geben Bezugsquellen an, und die Aufforderung zum Kauf eines Weines lese ich selten.

Thanischs 2010er Spätlese feinherb
Verdächtige Glasgravur: Sponsorenvertrag oder Verkostungsdiebstahl?

Ich finde, es wird Zeit, sich verdächtig zu machen. Gerade habe ich einen Wein im Glas, den es noch zu kaufen gibt. Er stammt vom Weingut Thanisch an der Mosel (großartiger Erzeuger) aus der Lage Lieserer Niederberg Helden (was für ein Filetstück!) und kostet keine zehn Euro (fast geschenkt!!). Es ist die feinherbe Spätlese, die ich in feinherbem Deutsch mal als ‚Signature Wein‘ (muss man getrunken haben!!!) bezeichnen möchte. Auch in diesem Jahr setzt der Wein Maßstäbe in seiner Kategorie. Also: kaufen, kaufen, kaufen!!!!

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Lieserer Niederberg Helden, Riesling Spätlese feinherb, 2010, Mosel. In der Nase ein typischer junger Thanisch: Eisbonbon, Litschi, Hefe, Blüten und Apfelshampoo. Obwohl spontan vergoren, wirkt der Wein immens klar. Am Gaumen ist er erstaunlich cremig, was ein Glück ist, denn wenn er bei dieser heftigen Säure stahlig schmeckte, wäre das des Guten zu viel. Er verfügt über reichlich Restzucker, schmeckt aber nicht wie Hühnchen süß-sauer, weil er einige Gerbstoffe und eine kräftige Mineralik mitbringt (allerdings erst mit einer Stunde Luft, vorher finde ich ihn limonadig). Das Mundgefühl wird von einer stoffigen Hefetextur dominiert, gepaart mit Aromen von Grapefruit und Elstar Apfel. Der Abgang ist sehr von der Säure dominiert. Das darf man wohl rassig nennen. Ein wunderbar klassischer Moselriesling.

Simple Genüsse (2)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Spätburgunder, 2009, Mosel. (Über einen Zeitraum von mehreren Tagen getrunken) In der Nase zunächst diffus, laktisch, Erdbeere und Kirsche, etwas Holz; am vierten Tag etwas ernsthafter: Leder, Kirsche und Pflaume, wenig Rauch und Holz. Am Gaumen ist dieser Pinot zunächst gefällig und etwas beliebig mit schmeichlerischen cremigen Noten, nach ein paar Tagen fand ich ihn klarer konturiert: Kirsche, gekochte Erdbeere, Bleistift, etwas Teer, leicht mineralisch, wenig Holz, gut integrierter Alkohol und reifes Tannin; das alles mündet in einem langen Nachhall. Macht mit viel Luft jetzt schon Spaß und lässt mich für die Zukunft hoffen: ich mache die nächste Flasche in einem Jahr auf.

Earrazuriz, La Escultura Estate, Sauvignon Blanc from a single Vinyard, DO Vale de Casablanca, 2009, Chile. Der Wein hat einen ganz feinen Duft, trotz der nicht zu leugnenden sortentypischen Katzenpisse-Note, denn er zeigt auch florale Noten wie Lavendel und riecht angenehm herb. Am Gaumen ist der Chilene ein ziemlicher Brummer, ein Wein zum Kauen, so dicht präsentiert er sich. Orangenschale samt leichter Bitternote und Zitrus sind vorherrschende Aromen in einem massiven Wein, der 13,5% Alkohol locker integriert. Sehr langer Abgang. Für mich ein Wahnsinns-Stoff für gerade über zehn Euro.

Knipser, Blauer Spätburgunder, 2005, Pfalz. In der Nase Kirsche hoch vier mit einer ordentlichen Portion Holz, dazu etwas Kräuterwürze wie zum Beispiel Thymian. Am Gaumen ist der Wein dann weniger fruchtig als erhofft, ein wenig Kirsche und Blaubeere werden von Holz begleitet aber das ganze wird sehr von Säure dominiert. Auch wenn der Wein seine 13,5% Alkohol gut integriert und über schönes Tannin verfügt, ist er meines Erachtens letztlich für so viel Säure etwas zu schwachbrüstig. Ein ordentlicher Wein von einem Winzer für den ein ‚guter‘ Wein schon einen qualitativen Ausreißer nach unten bedeutet.

Kritik der reinen Vernunft

Gestern hatte ich die aktuelle Vinum im Briefkasten, die eine neue Ausgabe der Liste Deutschlands 100 bester Weingüter enthielt. Damit ist auch das letzte Jahres-Ranking erschienen, das Deutschlands Weingüter in Klassen einteilt. Herr Eichelmann hatte wie gewohnt den Anfang gemacht, der Gault Millau 2011 kam Ende November. Erstmals mit einer großen GG-Verkostung am Start war die deutsche Ausgabe des Falstaff-Magazins, ein Weingutsranking veröffentlicht das Magazin (noch) nicht. Die Weinwelt bot vermutlich auch eine GG-Verkostung, ich gehöre allerdings nicht zu deren Lesern und weiß es daher nicht genau. Kritik der reinen Vernunft weiterlesen

SchWaZ mit Schatz

Weinproben sind eine tolle Sache. Ich nehme gerne an Proben teil und gelegentlich veranstalte ich selber welche. Dabei nehme ich die Ergebnisse nicht allzu ernst. 15 Minuten mit 5 Zentilitern ergeben meist eine Bewertung genau dieser 5 Zentiliter, wie sie sich in genau jenen 15 Minuten präsentiert haben. Einen Wein darauf zu reduzieren, ist ungerecht. Deshalb veröffentliche in diesem Blog keine Probenberichte.

Und jetzt zur Ausnahme…

Ich war vor kurzem an der Nordsee urlauben, im Gepäck drei Flaschen Wein, die seit gut vier Jahren in einem gemeinsamen Fach in meinem Keller lagen, denn es war seit Anbeginn ihre Bestimmung, gegeneinander verkostet zu werden. Einen vierten hatte ich kurzfristig aussortiert, weil sich eine kürzlich getrunkene Flasche suboptimal präsentiert hatte. Die Probe sollte eigentlich blind stattfinden, doch musste ich diesen Teil des Plans kurzfristig ändern.

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich zu den glücklichen Weinverrückten gehöre, die bei ihren Ehefrauen auf Verständnis stoßen. Wie hier ausführlicher beschrieben, teilt meine Herzdame die Weinleidenschaft sogar, zumindest wenn es um Rieslinge jenseits der Trocken-Kategorie geht. Und bei meinen drei Probanden handelte es sich um feinherbe Rieslinge des für diese Weinkategorie großartigen Jahrgangs 2005. So freute sich meine bessere Hälfte nicht nur auf die Probe, sie bestand auch darauf, dass ich die Weine vorbereite, damit sie blind probieren könne (das hatte ich mir eigentlich andersrum ausgemalt).

Die drei Probanden waren ein Weltklassewein, ein ‚Garagenwein‘ und ein aufstrebender ‚klassischer‘ Moselaner, namentlich Emrich-Schönlebers ‚Halenberg R‘, A. J. Adams ‚Hofberg Riesling Reserve‘ (handnummeriert, Flasche 15 von 700) und Thanischs ‚Alte Reben‘ aus dem Lieserer Niederberg Helden. Preislich fiel letzterer aus dem Rahmen, kostet knapp die Hälfte der 25 Euro, die für die beiden ersten fällig waren. Der Probenaufbau war denkbar einfach: Meine Frau und ich waren die Tester, die wild durcheinander probierten, eine erste Benotung vornahmen, gemeinsam entschieden, welcher zum Essen getrunken werde und dann jeder mit seinem Favoriten den Abend ausklingen ließen. Zum Essen gab es am selben Tag vor Ort erstandene Schollenfilets, die so frisch waren, dass sie sich beim Braten aufrollten, dazu eine Beurre Blanc und Gemüse, schlicht und gut.

Den Thanisch hatten wir schon einige Male aber in jüngerer Zeit nicht getrunken, vom Halenberg R kannte ich einen anderen Jahrgang, und der Adam war uns beiden gänzlich unbekannt. Meine Erwartung war, dass ich sie trotzdem erkannt hätte, aber diese Frage stellte sich nicht mehr. In der Tat sind die Weine drei Interpretationen, die unterschiedlich und -scheidbar sind.

A. J. Adam, ‚Hofberg Reserve‘ (Dhron Hofberg), Riesling QbA, 2005, Mosel. In der süßen und reifen Nase kandierte Aprikose und Karamell. Am Gaumen ein ganz bisschen Vanille und Honig – gefühlte 2% Botrytis im Lesegut, was hervorragend mit dem Rest harmoniert: saftig und voluminös mit Aromen von Aprikose und Karamell, packendes Spiel von rassiger Säure und gefühlten 20 Gramm Restzucker, prickelnd und wahnsinnig mineralisch im ewig langen Abgang. 12% Alkohol sind perfekt integriert. 93 Punkte

Thanisch (Ludwig Thanisch und Sohn), ‚Alte Reben‘ (Lieserer Niederberg Helden), 2005, Mosel. In der Nase etwas Klebstoff aber auch viel Frucht: Mango, Pfirsich, Mandarine und etwas Kräuterwürze. Am Gaumen ist der Wein sehr cremig, schmeckt als wäre etwas mehr Botrytis im Spiel, Maracuja, Mango, Honig und etwas Kräuter, schönes Spiel mit gefühlten 30 Gramm Restzucker. Der Wein ist einerseits ziemlich dick, andererseits gibt der Alkohol (12,5%) etwas Feuer, tritt im sehr langen Abgang ein wenig in den Vordergrund. 91 Punkte

Emrich-Schönleber, ‚Halenberg R‘ (Monzinger Halenberg), Riesling QbA, 2005, Nahe. Die Nase ist zunächst von einem leichten Spontistinker überlagert, dann etwas grasig, schlank mit Apfel und Stachelbeere, wirkt sehr jung. Auch am Gaumen ist der Wein sehr jung. Bei gefühlten 15 Gramm Restzucker eher klassisch halbtrocken, im Spiel etwas tänzelnder als der Thanisch aber nicht so vibrierend wie der Adam, mit einer leicht kalkigen Note. Der Wein ist enorm elegant (12,5% Alkohol perfekt maskiert) und sehr tief: Apfel, Banane, Rhabarber, dann wieder etwas grasig, im Abgang wahnsinnig lang und mineralisch. 95 Punkte

Meine Frau sah das anders, sie hatte den Thanisch an Eins, den Adam dahinter und meinen Favoriten auf dem letzten Platz. Einigkeit herrschte bei der Frage nach dem Essensbegleiter: es wurde der schlankere ‚Halenberg R‘. Probeschlucke der anderen Weine bestätigten die Wahl.

Alle drei Weine waren wundervoll, das Ranking spiegelt eventuell mehr die Vorlieben der Verkoster hinsichtlich Zucker, Alkohol und Botrytis in halbtrockenen/feinherben Rieslingen wider als die tatsächliche Weinqualität. Es blieb von allen Weinen genug über, um zwei weitere Tage zu probieren. Alle drei hielten ihre Form erstaunlich lange. Das warten und lagern hat sich definitiv gelohnt.

Und für alle, die immer noch nicht erraten haben, was die Überschrift zu bedeuten hat: Schönste Weinprobe aller Zeiten.