Schäumen mit einem N

‚Haben Sie irgendwas mit Wein zu tun?‘ lautet eine oft gestellte Frage, wenn ich mit mir unbekannten Menschen gemeinsam verkoste. Das mag daran liegen, dass ich immer öfter zu Veranstaltungen eingeladen werde, bei denen fast alle etwas mit Wein zu tun haben. Meine Antwort lautet wahrheitsgemäß ‚Nein‘. Doch unter meinen Weihnachtsgeschenken befand sich dieses Jahr eins, das mir erlaubt mich in Bezug zu Wein zu setzen, wenn ich einen ganz ganz großen Bogen Spanne. Und der geht so:

Meinen Nachnamen Bodmann verdanke ich der Tatsache, dass meine Vorfahren dereinst ihre Heimat verließen. Gemäß dem Prinzip ‚cuius regio, eius religio‘ standen sie vor der Wahl die Religion oder den Wohnort zu wechseln. Also zog es meine Ahnen vom badischen Dörfchen Bodman ins Niedersächsische Eichsfeld. Da einfache Menschen in ländlichen Regionen nicht zwingend Nachnamen hatten oder sich bei Umzug auch mal neue gaben, hießen meine Vorfahren fortan Bodmann. Das zweite ‚N‘ entstammt der Tatsache, dass auch Bodman bis 1884 mit zweien geschrieben wurde. Dann setzten die Grafen von und zu Bodman alle Hebel in Bewegung, um Bodman (Stammsitz ihres Geschlechts) in der Schreibweise ihrem eigenen Namen anzupassen – sie hatten das Doppel-N einige Jahrhunderte vorher abgelegt – und wir Exil-Bodmänner standen mit dem zweiten, dem Proleten-N, alleine da.

Dies wissend machte ich mich vor 15 Jahren auf meinen Ursprungsort zu erkunden. Bodman ist ein sterbenslangweiliges Dorf am Überlinger See, dem Nordzipfel des Bodensees. Ich fand kaum etwas Aufregendes vor, außer einer Gedenktafel, die anzeigte, dass im ‚Bodmaner Königsweingarten‘ Kaiser Karl der Dicke im Jahre 884 die ersten Burgunderreben anpflanzen ließ. Meine Vorfahren lebten also am Fuße des ersten dokumentierten Spätburgunderweinbergs Deutschlands. Da war sie, meine Verbindung zum Wein. Die Lage existiert immer noch, die Grafen von und zu Bodman gehören aber nicht gerade zu den hochdekorierten Betrieben deutschen Weinbaus. In jüngster Zeit produzieren sie nach Naturland-Regeln und die Weine sollen besser geworden sein. Ich werde im neuen Jahr einmal nachforschen.

Am Ortsausgang von Bodman fand ich ein Schild ‚Schlosskellerei‘. Das musste ich mir anschauen. Doch auch hier wurde ich enttäuscht. Die Schlosskellerei versprühte den Charme eines Getränkemarktes am Ortsausgang eines 1000-Seelen-Dorfes, was vorwiegend daran lag, dass sie genau das war: ein Getränkemarkt am Ortsausgang eines 1000-Seelen-Dorfes. (Der Fairness halber sei gesagt, dass ich nicht erfragte, ob sie eventuell umbaubedingt in diesem Zweckbau Unterschlupf gefunden hatte.) Im Sortiment fand ich aber etwas, was meine Aufmerksamkeit erregte. Französischen Sekt der Marke ‚Baron de Bodman‘. Der stammte von einem Haus, das bei seiner Gründung Unterstützung eines französisch verheirateten von und zu Bodmans erfahren hatte und dessen mit einem Cremant gedachte.  Da griff ich zu, nahm ein paar Flaschen mit und verschenkte sie an Familienmitglieder.

Baron de BodmanEines dieser Familienmitglieder griff das Thema voller Begeisterung auf, und bestellt seitdem fleißig in Süddeutschland französischen Sekt, um ihn als Mitbringsel im Freundeskreis zu verteilen. Der Spieß ist längst umgedreht: ich gehöre regelmäßig zu den Beschenkten. Mein Anspruch stieg über die Jahre, die Qualität des Sektes nicht und so habe ich die üblicherweise verabreichten Halbflaschen weiterverschenkt. Dieses Jahr gab es zu Weihnachten wieder ein Pülleken und da ich zuletzt so viel Schönes mit Schäumern erlebt habe, beschloss ich mein Glück noch mal zu versuchen. Ich war überrascht und recherchierte. 2007 investierte Eigner Bollinger kräftig in seinen Loire-Ableger Langlois-Chateau, den Baron de Bodman-Produzenten und das mag der Grund für die gestiegene Qualität sein. Mir jedenfalls hat er sehr ordentlich geschmeckt.

Langlois-Chateau, Baron de Bodman brut, Cremant de Loir (AC), o. J., Frankreich. In der Nase eher flach aber angenehm mit Aromen von Brotkruste und Quitte. Am Gaumen mittelfeine Perlage und sehr schönes Spiel, ziemlich trocken und schwach würzig, mit Aromen von Zitrus und Birne sowie etwas Malz. Der Abgang ist recht lang und der Cremant alles in allem sehr ordentlich.

Ihnen, liebe Leser, einen guten Rutsch. Mögen Sie Silvester was Feines zum Anstoßen finden, mindestens so gut wie ‚mein‘ Cremant.

Ihr

Felix Bodmann (mit dem zweiten, dem Proleten-N)

Füllwein (11)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Domaine Bourillon-Dorleans, Vouvray Coulée d’Argent, 2008, Vouvray AOC sec (Touraine, Loire, Frankreich). Dieser eher halbtrockene Vertreter eines Chenin Blanc ist ungemein spannend und lässt mich wieder jammern: ich müsste mich ausführlicher mit der Rebsorte auseinandersetzen. Ein oder zwei Flaschen pro Jahr finden ihren Weg zu mir und egal woher sie kommen, meist machen sie neugierig – auf die großen trockenen Südafrikaner genauso wie auf die von der Loire, auf die aus dem Stahltank wie auf die aus dem Holzfass. Allein, es fehlt die Zeit und der Platz im Keller. In der Nase ist der Wein sehr fruchtig mit Quitte und Aprikose sowie etwas Walnuss. Am Gaumen finde ich ihn saftig, körperreich und relativ dick aber nicht marmeladig. Aromen von Melone, Ananas und Bratapfel treffen auf einen Hauch Holz und Vanille (der Wein war zur Hälfte sechs Monate im Barrique). Das Geschmacksbild ist halbtrocken und endet auf einen langen salzig-mineralischen Abgang. Ich könnte mir vorstellen, dass der Wein ziemlich spektakulär reifen kann.

Josef Rosch, Leiwener Klostergarten, Riesling Kabinett (fruchtsüß), 2008, Mosel. Eine klassische Pfirsichnase über der aber ein Hauch Kaugummi schwebt (so richtig derbe künstlich a la Hubba Bubba Erdbeere). Am Gaumen Apfel und Melone, sehr saftig mit richtig kräftiger Säure, gepuffert von viel Süße. Insgesamt ordentliches Spiel und ein langer Abgang mit einer Spur Mineralik. Hier hatte ich schon vom 2006er des gleichen Weines berichtet und im direkten Vergleich hat der Problemjahrgang die Nase vorn. Das könnte sich mit Flaschenreife noch ändern, ich glaube aber eher nicht.

Weingart, Schloss Fürstenberg, Riesling Kabinett, 2007, Mittelrhein. Mit 0,8 Gramm Restzucker setzt dieser Riesling einen Kontrapunkt zu den gelegentlichen fruchtsüßen Kabinetten in meinem Glas. Wer nur an ihm riecht, würde es kaum glauben, denn in der Nase ist der Wein fruchtig und süß. Zum klassischen Pfirsich gesellt sich Blütenduft. Am Gaumen ist er dann allerding furztrocken. Die Säure ist präsent, wird jedoch statt von Restzucker hier von einer durch und durch packenden Mineralik gepuffert. Auch im langen Abgang ist der Wein vor allem mineralisch, wenngleich er ebenfalls ein wenig Frucht zu bieten hat. Ein wirklich großes Vergnügen nicht nur für Freaks oder Puristen.