MOD Gutskomplizen Winzergruppen

Winzer als Verkäufer

Alle paar Jahre versuche ich mir ein Bild des Deutschen Weinmarkts zu machen. Dabei stelle ich immer wieder fest: kein anderer mir bekannter Markt ist so diffus, was Zahlen angeht. Seriöse Quellen wie GfK, Nielsen, Statista, das statistische Bundesamt und die Weinbau- sowie Einzelhandels- und Gastronomieverbände legen Zahlen vor, die sich in einer Spannweite von mehr als 100 Prozent bewegen. Die Interpretationen gehen ähnlich weit auseinander: da ist Wein wahlweise ein boomendes Trendgetränk oder der Hauptverlierer des demographischen Wandels.

Mehrere Gründe für das Chaos lassen sich ausmachen: Erntemengen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Angebotsmenge und entgegen mantra-artig wiederholter Behauptungen sind Marktanteile offensichtlich doch über Nacht zurückzugewinnen, wenn die Ernte wieder größer wird. Journalisten deuten diese teils kräftigen Ausschläge gerne zu Verbrauchervorlieben um. Die Datenqualität leidet unter den großen Marktanteilen der Discounter, die sehr verschwiegen sind. Dann gibt es keine einheitliche Definition dafür, ob der Onlinehandel den Direktvermarktern oder den Fachhändlern zuzuordnen ist. Etliche große stationäre Händler wiederum beliefern auch Gastronomie, was zu Doppelzählungen von Umsätzen führen kann und schließlich ist der gesamte Außer-Haus-Konsum in den Statistiken sehr unterschiedlich abgebildet.

Weinkauf im Wandel der Zeit

Einigkeit herrscht lediglich dahingehend, dass dieses Jahr in Deutschland ungefähr zwei Milliarden Liter Wein getrunken werden. Ob damit 6 oder 15,6 Milliarden Euro umgesetzt werden, scheint eine Frage der Interpretation. Je schwieriger die Datenlage, desto mehr interessiert mich, was ich mit eigenen Augen im Markt sehe und ich meine einen Trend zu erkennen. Der Druck wird derzeit vor allem auf diejenigen Winzer größer, die sich in dem Qualitätssegment bewegen, in dem ich mich zuhause fühle. Die Achse Qualitätswinzer-Fachhandel-anspruchsvoller Konsument scheint besonders unter Druck zu stehen. Der Online-Handel wächst bei den Ultrapremiumweinen und im preisgünstigen Segment – hier vor allem bei den ‚leckeren Italienern‘ und dergleichen. Die Winzer, die gerne 8 Euro für den Gutswein und 12 Euro für den Ortswein hätten, finden dort eher nicht statt. Die leben wie eh und je teils vom Fernabsatz mit Direktkunden, Preislisten und Bestellungen bewegen sich jetzt digital statt mit der gelben Post, das Ab-Hof-Geschäft wird aber schmaler, weil sich immer weniger Konsumenten einmal im Jahr den Kofferraum voll machen lassen.

Der stationäre Fachhandel andererseits steht unter Druck, weil ihm die Online-Händler zwar wenig, aber den schönsten Umsatz abjagen, nämlich den mit den am wenigsten erklärungsbedürftigen Weinen. GGs, Barolo etc. kaufen vielfach Kunden, die genau wissen, was sie wollen; Primitivo geht im 6er-Karton an Stammkunden, die im Umkreis von 500 Metern um den Laden wohnen – da wird nicht viel geredet, das kostet wenig Zeit. Wenn dieser Umsatz schwindet und mit erklärungsbedürftigem 12-Euro-Ortswein ausgeglichen werden soll, schwindet die Profitabilität.

Erklär’ mir den Wein

Und hier scheint mir derzeit Bewegung in die Sache zu kommen. Winzer schließen sich zu einem Verbund zusammen, der vor allem die Unterstützung des Fachhandels ins Visier nimmt. VDP, Bernkasteler Ring oder EcoVin erstrecken sich als Interessenverbände selten auf den Vertrieb und wenn, dann eher auf Märkte, denn auf einzelne Outlets. Mit MOD und den etwas älteren ‚Gutskomplizen‘ sind jetzt zwei Vereinigungen mit Fachhandelsfokus am Start – in beiden sind auch VDP-Betriebe aktiv, was für die These spricht, dass dort keine Konkurrenzsituation besteht.

Die Gutskomplizen, die gerade Zuwachs durch die Weingüter Seebrich und Schmittges auf nunmehr 8 Betriebe vermelden, gründeten sich schon vor geraumer Zeit. Sie betreiben ein eigenes Lager, aus dem sie in den letzten zwei Jahren immerhin schon 400.000 Flaschen geschickt haben. Sie geben einen eigenen Katalog heraus und pflegen ein Sortiment von 260 Weinen und Schaumweinen. Gemeinsame Messeauftritte  – Keimzelle vieler Winzervereinigungen wie Klitzekleiner Ring oder Message in a Bottle – gehören ebenfalls zur Strategie.

Die nun an die Öffentlichkeit getretene ‚MOD‘ geht anders vor. Hier sind externe Kräfte treibend: Jenny Weiss, ehemals beim Online-Händler ‚WirWinzer‘ aktiv und Susanne Platzer, Inhaberin der Agentur ‚Culinarium Bavaricum‘ haben die Gruppe ins Leben gerufen. Dass beide ein Faible für ‚Geschichten‘ haben, merkt man der Konzeption an. Zwar gehören grundsätzlich alle Weine der 21 teilnehmenden Winzer zum Portfolio des Vereins, doch die Damen verdichten jeden Betrieb auf zwei Weine, die dessen Geschichte erzählen. Das ermöglicht Speed-Dating, sowohl für den Händler bei der MOD-Präsentation, als auch für den Endkunden am Verkaufstresen. Geschichten bleiben hängen, verkaufen Wein. Und darum geht es: um das Verkaufen. ‚Gute Margen und Verkaufsunterstützung auf Augenhöhe‘ versprechen die MODs und starten mit einer Roadshow in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München. Bio, Bio-Dyn, Natural, Konventionell, Sektspezialist – alles ist dabei und die meisten Betriebe gehören zu den bekannten. 

Mein erster Strauch

Die Auftaktpräsentation und Verkostung für die Presse hatte ich leider verpasst – abstinenter Januar. Also fragte ich bei den MODs an, ob sie nicht Lust hätten, mir drei Weine von Betrieben zu schicken, die mich besonders interessieren. Tausche Wein gegen Geschichte sozusagen. Speziell interessiert war ich an Strauch:

Strauch, Rosé Prestige Brut, o.J. Deutscher Sekt, traditionelle Flaschengärung. (Mit Bio-Label und der Angabe ‚Mindestens 24 Monate Hefelager‘, aber ohne Zusatz ‚b.A.‘ Angabe eines Anbaugebietes oder Deklaration als Winzersekt, Erzeugerabfüllung o.Ä.) In der Nase sehr komplex, leicht beerig, Liebstöckelwürze, Gummibärchen und Body Lotion – hoher Wohlfühlfaktor. Am Gaumen startet der Wein fruchtig-beerig, leicht mollig, zündet dann aber einen kleinen Zitrus-Kick und wird zum Abgang hin kreidig-mineralisch, was ganz gut zur Dosage passt, die ziemlich trocken wirkt. Schöne Länge, nach hinten raus auch frisch und sehr harmonisch.

Dann kam ein Wein von Meier und Schmidt aus Franken, die ihre Weingüter zusammengelegt haben, weil sie der Meinung sind, dass man mit 50 Hektar mehr erreicht. Ich finde das hochspannend, auch weil die Weingüter sich mit diesem Schritt nicht industrialisieren wollen, sondern weiter nach dem Ethos-Leitbild arbeiten.

Meier Schmidt, Scheurebe ‚Aus dem Paradies‘, 2018, Franken. Durchaus typische, aber auch leicht schweißige Nase, noch nicht unangenehm, aber eher krautig. Am Gaumen vibrierendes Spiel von schöner Säure und angenehmer Frucht, wirkt nicht ganz trocken (ist auch nicht als trocken deklariert), etwas grasig, etwas Paprika, aber im angenehmen Bereich. Sortentypisch, angenehmer Grip, schöne Frische, eher vollmundig und kräftig. Ordentliche Länge.

Zu guter letzt eine Entdeckung: Ich gebe zu, dass ich noch nie von den biodynamisch arbeitenden Fußers aus der Pfalz gehört hatte. Genau für sowas sind solche Veranstaltungen ja eigentlich da.

Fußer, Riesling 2018, Pfalz. Leicht hefige Nase, reife Aprikose, dezent blumig. Am Gaumen saftig, etwas mürber Apfel, ordentliche Säure, angenehm trocken, eher druckvoll, aber mit ausreichend Zug, um nicht unangenehm in die Breite zu gehen. Das macht richtig Spass und zeigt, wie gut 2018 bei den früh zu trinkenden Weinen sein kann.

Wie weit die Reise von MOD geht, scheint offen. Im besten Fall entwickelt sich das Label zu einer Marke, die teilnehmende Händlern dann als Gütesiegel verwenden. Ich konnte mir lange nicht vorstellen, dass so etwas erfolgreich sein kann, denn welcher Weinhändler lagert bitte die spannendsten Teile seines Jobs aus? Sortimentszusammenstellung, Personalschulung auf den Weinen, Verkostungen und Präsentationen mit Endkunden? Die Antwort fand ich vor einiger Zeit bei einem dieser Rechercheversuche: Die meisten deutschen Weinhändler schließen sich wenn möglich einem Franchisegeber wie ‚Vom Fass‘ oder Jacques’ Weindepot an. Mit anderen Worten: die Mehrheit sourcet das gerne aus. Ich werde diesen Markt nie verstehen. Muss ich aber auch nicht. Berichten reicht vollkommen. Und probieren natürlich.

Die Vereinigungen:

Die Gutskomplizen bestehen aus dem Weingut zur Schwane in Franken, dem Weingut Sonnenhof aus Württemberg, dem Weingut Studier aus der Pfalz, dem Weingut Allendorf aus dem Rheingau, dem Weingut Schmitges aus Erden an der Mosel, dem Weingut Seebrich aus Nierstein in Rheinhessen und dem Partnerweingut Tenuta Tenaglia aus dem Piemont sowie Nicolas Feuillatte aus der Champagne. Mehr unter https://www.gutskomplizen.de//index.php

MOD besteht zum Start aus den Weingütern Axel Bauer, Bickel-Stumpf, Bossert, Drautz-Able, Faubel, Freiherr von und zu Frankenstein, Fußer, Alexander Flick, Hemberger, Weingut von Hövel, Landgraf, Langenwalter, Lohr, Meier Schmidt, Michel, Eugen Müller, Rothe, Schmachtenberger, Strub 1710, Zelt und der Sektmanufaktur Strauch. Die Premieren-Tournee für Fachbesucher macht am 17. Februar in Frankfurt, am 24. Februar in München und am 2. März in Berlin Station. Mehr Infos unter https://www.mod-wine.de/

5 Gedanken zu „Winzer als Verkäufer“

  1. Richtig.
    Da fallen mir nur zwei Gründe ein: zum einen verdienen die Marktforschungsunternehmen damit einen Haufen Geld, weil die Daten trotzdem gekauft werden, zum anderen brauchen das die Hersteller/Verbände für innenpolitische Positionierungen.
    Denke, die Preisentwicklungen am Fassweinmarkt sind mindestens genauso wertvolle Hinweise – Franken ausgenommen, denn hier gibt’s das so nicht.

  2. Die Sache mit den Daten führt auch bei uns immer wieder zu Fragezeichen in den Gesichtern. Aber woher sollte die sturmfeste Datenbasis auch kommen? Es gibt, die Scannerkassen ausgenommen, keine bis in die Details belastbare Erhebung. Und die befragten Betriebe/Händler erzählen oft nur die halbe Geschichte, oder gar keine – warum auch nicht.
    Fakt ist, der Druck ist in allen Kanälen groß.

    1. Was ja aber nicht die Frage beantwortet, warum sich einige hinstellen und auf die zweite Stelle nach dem Komme berechnete Durchschnittspreise präsentieren, die dann von anderen um das Doppelte unter- oder überboten werden. Sriös geht irgendwie anders 😉

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