Der dümmste Spruch der Weinwelt

Die Weinwelt bietet beinahe grenzenlose Vielfalt, da sind pauschale Aussagen immer gefährlich. Je nach persönlichem Blickwinkel sind sie lustig, albern oder ärgerlich. ,Die besten Bioweine machen die Winzer, wo die Nachbarn mit dem Hubschrauber spritzen‘ (bitte älteren Winzer, schweren Dialekt und braune Kordhose dazu denken) ist ein gutes Beispiel dafür. Als Gelegenheitszyniker finde ich den sehr lustig, wäre ich Bio-Winzer schwölle mir wohl der Kamm.

,Der Wein ist überbewertet‘ ist ein Spruch, der mich eigentlich kalt lässt, da ich es mit dem bewerten von Wein eh nicht so habe und auch selten auf anderer Leute Punkte schiele. Gleichwohl verstehe ich auch bei dieser Aussage, dass sie manchem gehörig die Laune vermiest.

Mein persönlich meist gehasster Spruch ist vermutlich dieser hier: ,Ich trinke keinen Rotwein, durch den ich durchgucken kann!‘ – was natürlich mit meiner bedingungslosen Liebe zu Deutschem Spätburgunder zusammen hängt.

Dieser an sich schon alberne Spruch – schließlich trinke ich den Wein nicht der Farbe, sondern des Geschmacks wegen – ist besonders ärgerlich, weil er nicht wenige Winzer dazu verleitet ihre Spätburgunder zu vermasseln. Denn auch wenn es keiner zugibt, so mancher Winzer schielt schon auf die Dunkelweintrinker, wenn er seinen Spätburgunder in einer Art und Weise aufmotzt, die diesen gerecht wird, dem Wein aber nicht.

Zum Einen schütten etliche Winzer fünf bis fünfzehn Prozent Dorn- oder Dunkelfelder in ihren Spätburgunder. Zugeben tut das niemand, die Dunkel(sic!)ziffer ist aber nicht zu verachten. Ich leide an einer Dornfelderallergie, meine diesen Kniff meist rauszuschmecken, bin aber bereit zuzugeben, dass ich auch schon leichte, süffige Spätburgunder in der Zehn-Euro-Liga getrunken habe, denen der Schuss Fremdwein ganz gut zu Gesicht stand. Und dann sind da die Winzer, die ihre Weine zu Tode mazerieren. ,Trockeneis und eine Woche in die Ecke stellen‘ kommentierte Dirk Würtz lapidar, als wir neulich beim Vorglühen zum Vinocamp an ein solches Exemplar gerieten. Seiner Aussage, das gäbe eine schöne Farbe, kille aber die Herkunft, mag ich nicht widersprechen.

Ich bekenne also: Ich liebe Rotweine, durch die ich durchgucken kann. Gerade jetzt im Sommer, abends beim Grillen, leicht gekühlt aber nicht kalt. Zwei Exemplare trinke ich derzeit regelmäßig. Einer enthält ein Prozent Dornfelder, aber nur zwecks Gefahrenabwehr. Als der Winzer seine Fässer befüllte, reichte die Menge nicht aus um das letzte Fass randvoll zu machen. Um Oxidation zu vermeiden sollte man das aber. Normalerweise geht man ins Lager, holt ein paar Flaschen vom letzen Jahr, entkorkt die und füllt das Fass auf. Da aber alles ausverkauft war, mussten ein paar Liter Dornfelder herhalten. Die weniger als ein Prozent Zugabe schmecke aber nicht einmal ich als ,Allergiker‘ heraus und blickdicht ist er auch nicht geworden.

Thanisch (Ludwig Thanisch&Sohn), Spätburgunder ,unfiltriert‘ im Holzfass gereift, 2009, Mosel. In der Nase Vanille, Zimt, Sauerkirsche und Pflaumenkompott. Am Gaumen milde Säure, eher cremig, Pflaume, Holz und Rauch, etwas Mineralik, die Frucht ist süß, der Wein eher schlank. 13% Alkohol sind eher unauffällig, der Abgang sehr lang. Für die Anlass-Trinker: Ein sommerlicher Spaßwein.

Steinemtz_Spaetburgunder_Spaetlese_2007Erstaunlich haltbar sind diese einfachen Weine obendrein. Von dem hier hatte ich eine Kiste im Keller verbaselt. Jetzt ist sie wieder aufgetaucht und das keineswegs zu spät.

Günther Steinmetz, Mülheimer Sonnenlay Spätburgunder Spätlese, 2007, Mosel. In der Nase Sauerkirsche, Himbeere, Kräuter und dezent Vanille; am Gaumen mittleres Volumen, ordentliche Säure, die dem Wein Frische verleiht, sehr feines Tannin, Fruchtaromen von Kirsche und Himbeere jedoch nicht süß, etwas Holz. 12,5% Alkohol sind durchaus präsent, dazu ist der Wein ein bisschen mineralisch, sehr langer Abgang. Keinesfalls ein einfacher Wein aber einfach süffig.

P.S. Die Diskussion über ähnlich alberne Sprüche fand dann bei Facebook statt; https://www.facebook.com/groups/hauptsachewein/permalink/478058608946983/?comment_id=478059308946913&offset=100&total_comments=128

Vorfreude auf Geisenheim

In etwas mehr als einer Woche ist es wieder Zeit für das Vinocamp. Zum dritten Mal treffen sich Menschen, die sich für Wein privat oder beruflich begeistern und die diese Begeisterung miteinander über die ,sozialen Medien‘ wie Blogs, Twitter, Facebook und so altmodische Einrichtungen wie Weinforen teilen. Zum zweiten Mal werde ich teilnehmen und da noch einige wenige Plätze frei sind, will ich die Werbetrommel rühren.

Was ein Barcamp ist, habe ich schon in der Rückschau zum letzten Camp beschrieben. Ob es noch eine zeitgemäße Organisationsform ist, ziehen die ersten in Zweifel, für einen dritten Durchgang wird es allemal gut sein. Die Themen, die es am 29. und 30.6. in der Fachhochschule Geisenheim auf die Agenda schaffen, werden so bunt wie die Teilnehmerschar. Wo Blogger auf Winzer treffen und sich Händler, PR-Manager und Verbandsfunktionäre dazu gesellen, besteht die Gefahr, dass alle auf einmal und fröhlich aneinander vorbei reden. Das Barcamp mit seinen ,Sessions‘ genannten Untergruppen stellt ein gutes Werkzeug zur Strukturierung zur Verfügung.

Viel wichtiger als die Ergebnisse einzelner Sessions ist meiner Meinung nach die Botschaft, die vom Camp insgesamt ausgeht. Die sozialen Medien sind für Wein ähnlich revolutionär wie für das Theater die ersten Inszenierungen, die Spiel und Handlung in den Zuschauerraum verlagerten, Logen mit einbezogen, dem Publikum den Eindruck vermittelten: ,Ich bin ein Teil der Aufführung‘. Dass bei diesem Paradigmenwechsel mal was schief geht, Amateure vorlaut werden oder die Einladung zur Teilhabe mit der Beförderung auf den Regiestuhl verwechseln, kritisieren nur die Protagonisten der alten Schule, die gerne auch heute noch als Hamlet in historischem Kostüm auf der Bühne stehen, mit dem Schädel in der Hand ,Wein oder nicht Wein‘ murmeln und dem Publikum die Tradition in den dunklen Saal schleudern wollen, um am Ende Ovationen entgegenzunehmen und Interaktion zu verweigern. Es sind erstaunlich viele ältere Winzer unter diesen Verweigerern, während die Medienschaffenden immer zahlreicher die neuen Umstände umarmen.

Neben der Vermengung von Profis und Laien, Produzenten und Konsumenten, Händlern und Kunden gefällt mir die Tatsache, dass man beim Vinocamp auch Menschen trifft, die Wein nur am Rande zum Thema haben: Foodblogger, Whiskeyfans und andere Genussmenschen. Von denen kann man einiges Lernen. Das hebt die Lebensqualität. Beispiel gefällig?

Bis vor kurzem war Pfeffer für mich etwas getrocknetes, das aus der Tüte kommt: Schwarz, bunt und seltener weiß – in Ausnahmen auch mal feucht und grün. Dass man aus Pfeffer eine Wissenschaft machen kann, war mir unbekannt. Und hätte es jemand erwähnt: linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. Dann traf ich auf dem Vinocamp Ehepaar Uhlenbusch, die Feinkosthändler. Und weil so ein netter Kontakt entstand, besuchten uns die Uhlenbuschs, als sie beruflich zur Grünen Woche mussten, im Gepäck ein Fresskorb und darin in Meersalz fermentierter ostasiatischer Pfeffer der Luxusklasse.

Eine Gebrauchsanweisung gab‘s mündlich dazu: Mit dem Messer fein hacken und nach dem Braten/Grillen über Fisch oder Fleisch geben. Ich habe es ausprobiert. Es ist unglaublich. Ich grille gern und viel und ich mariniere, beize, smoke, was das Zeug hält. Doch seit dem Besuch der Uhlenbuschs kommt immer auch ein ungewürztes Stückchen Fleisch auf den Grill. Das wird nur nach dem Garen gesalzen und mit frisch gehacktem, in Meersalz fermentierten Pfeffer bestreut. Geschmacksexplosion! Ich trinke dazu dann Spätburgunder. Diesen hier zum Beispiel.

R.&C. Schneider, Spätburgunder ,R‘, 2005, Baden. In der Nase Blut und Holz, nur wenig Frucht, etwas Lakritz. Am Gaumen sehnig, schlank, mit kräftiger Säure, reichlich Holz, feinem Tannin und schöner Mineralik, wieder nur wenig Frucht (Himbeere) rohem Fleisch und ziemlich viel Tiefgang. Der Abgang ist lang und harmonisch. Das ist ein feiner Wein, den man vermutlich ,burgundisch‘ nennen darf. Unter den vielen Schneider-Rotweinen, die ich schon trinken durfte, ist er nur durchschnitt, als Grill- und Pfefferbegleiter aber ein großes Vergnügen.

Das Vinocamp ist Bildungsurlaub mit interessanten Mitstreitern – immer auch für eine Anekdote gut. Es sind noch einige wenige Plätze frei: http://vinocamp-deutschland.net/

Seelenstriptease

Ich glaube ja, der Weinkeller eines Menschen sagt eine Menge über seine Psyche aus, ich kann‘s nur nicht beweisen. Erste Indizien dafür fand ich bei mir selbst, aber das ist hinlänglich in Blogbeiträgen aufgearbeitet. Ich habe mittlerweile auch einen emotionsloseren Umgang mit Wein gelernt (zumindest mit Einkaufslisten). Was ich jedoch immer noch an mir beobachte, ist eine Art, Weine aus meinem Keller zum Trinken auszuwählen, die mein Wesen widerspiegelt. Beispielsweise belohne ich mich gelegentlich, tröste mich aber so gut wie nie. Wenn meine Stimmung eingetrübt ist, krame ich fast immer Flaschen hervor, die ein hohes Risiko eingeschränkten Genusses mit sich bringen. Diese Art des Fatalismus kenne ich auch aus dem richtigen Leben. Während es dort gelegentlich unangenehme Nebenwirkungen zeigt, wirkt es sich auf die Ordnung in meinem Weinkeller positiv aus. Wo in anderen Keller Weine immer weiter nach hinten wandern, weil die Aussicht auf Genuss eher gering ist, reicht bei mir ein wenig schlechte Laune, um die Kellerleichen zu entstauben und ihrer Bestimmung zuzuführen. Zugute halte ich mir dabei, dass ich es in der Regel sehr tapfer hinnehme, wenn der gewählte Wein tatsächlich kein Vergnügen ist.

Bei meinem enttäuschenden Erlebnis mit dem hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Müller-Catoir vor zwei Wochen hatte ich mir einen Restschluck für den dritten Tag überbehalten. Der war gar nix. Und so ging ich mit frischen, schlechten Erinnerungen an diese Episode auf die Suche nach einem neuen Wein. Mir fiel einer in die Hände, den ich als glatten Fehlkauf verbucht hatte, ein weiterer 2003er Spätburgunder. Den hatte ich blind gekauft hatte, weil er einer der ausgezeichneten Weine des Pfälzer Barrique-Forums aus seinem Jahrgang war (damals machte ich mir noch etwas aus Medaillen). Die erste Flasche dieses 30 Monate in neuen Barriques ausgebauten Pinots war jedoch eine Katastrophe. Geizig in der Frucht präsentierte er eine solche Wand aus Holz im Mund, dass ich alle Hoffnung fahren ließ, das könne jemals etwas werden. Bis der sein Holz verdaut hat, dachte ich, ist das bisschen Frucht längst weg.

Wegner_Dürkheimer_Schenkenböhl

Ich mach es kurz: Ich hab mich geirrt. Hat die Laune enorm gehoben.

Wegner, Dürkheimer Schenkenböhl, Spätburgunder ,im Barrique gereift‘, 2003, Pfalz. In der Nase viel Kirsche, dazu Kakao, Tabak und (immer noch eine Menge) fein eingebundenes Holz, nicht ganz typisch aber angenehm. Am Gaumen zeigt der Wein eine moderate Säure, kräftiges Holz zu dem sich aber auch schöne Frucht (Kirsche und Himbeere) gesellt. Der Alkohol trägt eine leichte Süße bei, die 14 % fallen aber nicht weiter negativ ins Gewicht. Der Abgang ist recht lang. Das ist ein sehr angenehmer Wein, der damals 15€ gekostet hat, was aus heutiger Sicht sehr günstig erscheint.

Die Reifeprüfung

Vor etlichen Jahren spülte mir eine kleine Hype-Welle drei Flaschen einer Spätburgunder Auslese aus dem Hause Müller-Catoir in den Keller. Über viele Jahre hatte der Kellermeister des Gutes versucht, einen guten Spätburgunder zu keltern. Da er daran immer wieder gescheitert war, beschloss man, mit der Ernte 2003 den betreffenden Weinberg zu roden. Allerdings übernahm 2002 die nächste Generation der Müller-Catoirs das Ruder und auch im Keller übernahm ein neuer Mann. Dieser kelterte den letzten Jahrgang Spätburgunder und hatte auf Anhieb mehr Glück. Was schließlich 2005 seinen Weg in die Flasche fand, wurde preisgekrönt und von der Kritik in den höchsten Tönen gelobt – schade nur, dass der Weingarten gerodet war.

Das ist die Art Geschichte, die aus Weinen Legenden macht. Der Wein musste in meinen Keller. Und ob des müden Renommees kostete der Stoff nur 14 Euro. Drei Flaschen konnte ich noch ab Gut ergattern, es seien die letzten wurde mir mitgeteilt. Eine trank ich ziemlich bald nachdem die Weine mich erreicht hatten mit meinem Vater an einem lauen Sommerabend in meinem Garten. Es war ein famoser Spätburgunder, der alles hatte, was ich von einem eher dicken Vertreter des Genres erhoffe: satte Frucht, stabile Säure, schmirgelnde Mineralik, spürbaren Holzeinsatz, Tiefe und Länge bei einer der Dichte fast widersprechenden Eleganz.

Es ist mein Fehler, dass ich bei Weinen, die Komplexität und Klasse mit noch deutlichen Spuren von Holzeinsatz und jugendlicher Frische kombinieren, stets glaube, diese Weine hätten noch ganz viel Potential. Ich neige auch dazu, dass ich mir gute Dinge immer besser Wünsche; wer mich in dieser Hinsicht gierig nennt, riskiert keineswegs meine Freundschaft. Die Hoffnung, ein Wein der besten Güte könnte mit Lagerzeit noch zu größter Klasse reifen, füllt in meinem Keller so manches Regal. Klappt nur leider nicht immer. Genau genommen geht es öfter in die Hose als es gut geht. Ich geb‘ es mir nur meist nicht zu.

Der letzte Jahrgang ohne VDP EmblemSo war es auch beim Müller-Catoir. Eine vier Jahre später getrunkene Flasche war nicht so harmonisch wie die erste. Der Wein stand eher in einzelnen Komponenten nebeneinander als das Frucht, Säure und einsetzende Reife ein harmonisches Ganzes gebildet hätten. Ich legte die letzte Flasche beiseite für sehr viel später. Dieser Tage war es dann soweit. Ich hatte Gäste und nach einer Reihe feiner Weine machte ich als Absacker für diejenigen, die noch Wein trinken mochten den Wein mit der schönen Historie auf – solche Geschichten verdienen schließlich Publikum. Leider spielte der Wein nicht mit. Er hat seinen Zenit überschritten. Er ist nicht gänzlich hinüber und er bereitet noch Vergnügen aber ich möchte meinen verlängerten Rücken zum Biss freigeben, dass ich nicht einfach mit den drei Flaschen damals eine Jungweinorgie gefeiert habe.

Müller-Catoir, Spätburgunder Auslese trocken, 2003, Pfalz. In der Nase Kirsche, Pflaume und grüne, florale Noten, dazu leichte Alterstöne. Am Gaumen feine Frucht mit Himbeere und Pflaume, dazu eine leichte Teernote, spürbares Holz, etwas grobes aber nicht störendes Tannin und leider eine nicht angenehme, vorstehende Säure und wieder grüne Noten. 14,5 % Alkohol sind hervorragend eingebunden, der Abgang ist lang aber auch etwas gezehrt.

Helden aus Holz

Was ist eigentlich ein ,kompromissloser Wein‘? Und wie habe ich mir einen ,mutigen Winzer‘ vorzustellen? Adrenalin pumpen im Keller? Zugegeben, es sind vor allem Medien, Blogger und im Internet diskutierende Verbraucher, die die Heroisierung von Weinmachern betreiben. Produzenten selber erwähnen höchstens gelegentlich, dass sie auf diese oder jene Schönung verzichten, weil ein paar Ecken und Kanten ihrem Wein gut zu Gesicht stünden. Ein noch junger aber schon renommierter Weinmacher erklärte mir neulich gar, er habe seine 2010er nur nicht entsäuert, weil er keinerlei Erfahrung damit habe und schlicht fürchtete, seine Moste zu ruinieren – Hose voll statt Heldentod. Warum sollte jemand, dessen Lebensunterhalt von verkäuflichen Weinen abhängt auch bewusst das Risiko eines Totalausfalls in Kauf nehmen?
Das Projekt ,Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft‘ von Carsten Henn bietet einen Rahmen, innerhalb dessen Winzer ein Risiko eingehen können, das Weine in Grenzbereiche des guten Geschmacks führt. Bisher ist es gut gegangen, wenngleich ich einen Mitentdecker kenne, der seine Restflaschen des letztjährigen Rosés mit der Bemerkung zurückgehen ließ, eine einmalige Begegnung mit diesem Wein genüge ihm völlig.
Für den Wein dieses Jahres hat sich Henn mit den Johners zusammengetan, um einen Spätburgunder zu kreieren, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen hat und auf absehbare Zeit auch nicht wieder sehen wird: einen Wein mit 200% Barrique-Ausbau. Der Spätburgunder aus dem Jahr 2009 wurde 12 Monate in neuen Barriques gelagert (vergoren war er im Stahltank) und dann erneut in neue Barriques umgezogen, wo er 7 Monate zusätzlicher Aromatisierung erfuhr. Damit daraus überhaupt ein trinkbarer Wein entstehen konnte, verwendeten die Johners einen sehr spät gelesenen und entsprechend vollreifen Spätburgunder.
Das ist ein mutiger Ansatz, denn das jetzt ausgelieferte Produkt lässt sich spielend verreißen. Zwei böse Worte reichen: ,überholzte Trinkmarmelade‘. Aber das wäre eben vor allem böse und nicht sachlich, denn der vollfruchtig-mollige Stil findet sich auch in fast allen anderen Pinots von Johner, die hierzulande zu den besten Erzeugern von Spätburgunder zählen und vielfach bewiesen haben: vollreif und elegant geht gleichzeitig. Das deutet auch der  Entdeckerwein an. Seit fünf Tagen unterhalten der ,Cru de Bois‘ und ich uns jetzt. Seine Umgangsformen sind zugegeben etwas hölzern, der Plausch macht aber allemal Spaß.
Ein Biber wäre das bessere Etikettentier gewesenKarl H. Johner (und Deutsche Wein-Entdeckungs-Gesellschaft), Cru de Bois (Bischoffinger Steinbuck), Spätburgunder QbA, ohne Jahrgangsangabe (2009), Baden. In der Nase über 5 Tage eine Mischung aus Kirsche und Brombeere, Holz, Rauch und Vanille, wobei mal die Vanille und mal das rauchige Holz alles überdeckt, die Frucht nur selten durchkommt. Am Gaumen am ersten Tag schwierig (Achtung: Euphemismus), ab dem zweiten Tag mit süßer Frucht (Kirsche und Brombeere), tragender Säure und viiiiiieeeel Holz. Erst am fünften Tag stellt sich eine Balance ein, bei der ich gerne ein zweites Glas trinke, obgleich das Holz alles andere als weggelüftet ist. Das faszinierende an diesem Holzgewitter ist – und das schreibe ich nicht, um krampfhaft etwas besonderes an dem Wein zu finden –, dass es nicht einfach eine Überdosis verbranntes Toast und Teer mitbringt, sondern alle interessanten Aromen, die Barriques einem Wein verleihen können: Toast, Rauch, Zedernholz, Lakritz und einiges mehr. Auch die Tanninstruktur ist beeindruckend. Der Abgang ist zwar wahnsinnig lang, das liegt aber an dem nicht enden wollenden Holzeindruck, der nicht nur toll ist. Ich freue mich sehr, ein paar Flaschen für die nächsten Jahre zu haben.
Patrick Johner weigert sich, eine Prognose des Reifeverlaufs oder optimalen Trinkzeitpunktes abzugeben. Ich empfehle meinen mutigen Mitentdeckern folgendes:
Wer eine Flasche besitzt, vergräbt sie im Keller und hält ab 2015 Ausschau nach Wasserstandsmeldungen im Internet.
Wer drei Flaschen sein eigen nennt, öffnet nächsten Winter eine, dekantiert den Wein mindestens 12 Stunden und tastet sich an ihn heran (bitte dann hier berichten).
Wer sechs Flaschen ergattern konnte, hat hoffentlich den Wein im Glas, während er das hier liest. Alles andere wäre feige!