Von der schnellen Truppe

Seit heute sind die großen Gewächse des Jahrgangs 2009 (bei Spätburgundern 2008) zum Verkauf frei gegeben. Ich war erstaunt, als ich nachhause kam und schon die ersten Pakete vorfand. Das Weingut Dönnhoff hat tatsächlich die bestellten Weine so zur Spedition gebracht, dass sie pünktlich zum Stichtag beim Kunden sein können. Das nenne ich Service.

Da fiel mir siedend heiß ein, dass ich letzte Woche einen spannenden Dönnhoff Wein getrunken habe, dessen Verkostungsnotiz ich noch online stellen wollte. Das sei hiermit getan.

Dönnhoff, Weißburgunder Stückfass (Spätlese trocken), 2006, Nahe. Der Wein hieß 2005 nur ‚S‘, dann ‚Stückfass‘ und in jüngeren Jahrgängen wieder ‚S‘. In der Nase verbrannter Toast, Birne und mit viel Schwenken auch Anklänge von Mandarine und süßlichem Blütenduft. Am Gaumen ist der Wein sehr voll, ein Kraftpaket. 13,5% brennen etwas, aber der Wein lebt auch ein bisschen davon. Denn Aromen von Birne und Haselnuss, Rauch und Holz bei einer leichten Cremigkeit können den Alkohol als Kontrapunkt gut vertragen. Der Abgang ist sehr lang und holzgeprägt. Für mich (und ich werde nicht müde zu betonen, dass ich ein Bibergebiss habe und verstehe, wenn andere das ganz anders sehen) sind das 92 Punkte im Glas.

Neuerdings gibt es von Dönnhoff auch eine Cuvée aus Weiß- und Grauburgunder aus dem Doppelstückfass. Ich bin gespannt und werde berichten.

Blogbuster

Wenn in den letzten Wochen hier die Veröffentlichungsfrequenz niedrig war, liegt das nicht an Sommerloch, Ferienzeit oder mangelnder Motivation meinerseits. Ich hatte in jüngster Vergangenheit schlicht eine Menge Frösche im Glas, die – trotz Kuss – kein Prinz werden wollten. Das kommt mal vor und ist kein Beinbruch.

Als ich mit dem Schreiben des ‚Schnutentunker‘ anfing, habe ich beschlossen, keine Verrisse zu veröffentlichen. Der Grund dafür ist, dass ein negatives Weinerlebnis mannigfaltige Ursachen haben kann: Der Winzer hat einen schlechten Wein gemacht (nur das rechtfertigt eine Negativ-Kritik), der Konsument hatte einen schlechten Tag (will niemand zugeben), die Flasche war fehlerhaft (passiert öfter als man denkt), der Korken oder die Lagerung hat die Entwicklung negativ beeinträchtigt (ist nicht immer eindeutig erkennbar) und einiges mehr. Mit einer Konterflasche kann man zwar den Korken als Ursache ausschließen aber die Lagerung nicht. Tränke man den Wein am zweiten Tag noch einmal, könnte man die Stimmung als Ursache herausfiltern (aber dann müsste ich einen Wein, der mir keinen Spaß bringt noch einen weiteren Tag trinken, auf die Gefahr dass er mir auch diesen verdirbt) – kurzum: ich habe keine Lust den Aufwand zu betreiben, der nötig wäre, um einen ‚fairen Verriss‘ zu schreiben.

Deswegen erwähne ich hier nur positive Weinerlebnisse. Die haben meist eine simple Ursache: Der Winzer hat einen guten Wein gemacht und darüber will ich reden. Sie können einem Stimmungshoch geschuldet sein und ich den Wein mithin weit über Wert verkaufen, aber ‚Der Schnutentunker‘ ist schließlich kein Einkaufsführer sondern ein subjektives Weintagebuch.

Nachdem ich der Frösche überdrüssig war, habe ich gestern mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Ich öffnete einen Wein, von dem ich weiß, dass er ein Knaller ist, den ich vom Gut direkt in den eigenen Keller bekam und dessen Geschmacksbild mir aus vielen Begegnungen so vertraut ist, dass ich ohne Zweifel Kork- und Flaschenfehler erkennen würde. Die Flasche war tadellos, der Wein wieder gigantisch und ich habe endlich was zu schreiben.

Emrich Schönleber, Monzinger Halenberg, Riesling Großes Gewächs, 2005, Nahe. In der recht rieslingtypischen Nase dominieren zunächst Zitrusaromen, ehe sich das Bild wendet und er mit Luft süßlich parfümierter wird – reif aber nicht alt mit Anklängen von Aloe Vera und etwas Aprikose. Am Gaumen ist dieser Stoff komplex. Eine wahrlich vibrierende Säure zieht sich durch das gesamte Geschmackserlebnis, das bizzelt herrlich im gesamten Mundraum, der sowieso von diesem druckvollen Wein ausgefüllt wird, ohne dass es plump wirkt (und nein, das ist keine Kohlensäure). Auf diesem Gerüst erscheinen dann mit jedem Schluck neue Aromen: süße Frucht (mal Pfirsich/Aprikose, dann wieder Mandarine), rauchige Mineralik, Toffee oder doch Karamell? Oder Kemmsche Kuchen? – mal so, mal so, wie man es bei ganz großen Weinen erleben darf. Der prickelnde und etwas rauchige Abgang dauert fast eine Minute. Es gibt einen klaren Mangel, der 100 Punkte verhindert: 13% Alkohol sind dauerhaft präsent und ein ganz bisschen zu viel. Deswegen ist der Wein nur ‚groß‘ und nicht der beste trockene Riesling, den ich je getrunken habe.

Bleibt die Frage nach der Stimmung des Verkosters: Dieses Urteil fälle ich zum wiederholten Male und dabei gibt es keinen Unterschied zwischen Urteilen in offenen und Blind-Verkostungen.

Kreismeister

Ich verkneife mir für gewöhnlich Superlative. Das liegt daran, dass ich nicht genügend Zeit für Wein aufwände, um Deutungshoheit zu beanspruchen. Heute mache ich eine Ausnahme. Das fällt nicht schwer, weil im betreffenden Anbaugebiet wenige Winzer Weißburgunder der Premiumqualität produzieren. Also: Markus Molitors besternte Weißburgunder sind die Gebietsspitze, niemand an der Mosel kommt auch nur in die Nähe dieser Qualitäten. (Bei den häufig heftig spontanstinkenden Rieslingen hingegen, und erst recht bei den Spätburgundern, kann man ganz anderer Meinung sein.)

Markus Molitor, Wehlener Klosterberg *, Weißburgunder QbA, 2006, Mosel. In der Nase und am Gaumen fruchtiger als der 2005er im gleichen Reifestadium. Als wären die verwendeten Holzfässer weniger stark getoastet, ist der Wein in der Nase frei von Raucharomen jedoch mit einer guten Portion Vanille, dazu viel Birne und etwas Grapefruit. Auch fehlen Butter und Nüsse im Bouquet, werden durch eine Blütennote ersetzt. Am Gaumen weist er deutlich weniger Säure auf als seine Brüder aus 2005 und 2007, ist aber trotzdem noch recht spielerisch, was auch an vergleichsweise moderaten 13% Alkohol liegen mag. Um Missverständnisse zu vermeiden: das ist immer noch ein kräftiger, druckvoller und voluminöser Wein, aber keine Wuchtbrumme mit Dampfwalzenstruktur. Eine feine Mineralik trägt einen fruchtig-süßen nach Mandarine und Marzipan schmeckenden, sehr langen Abgang. Für mich nicht als 2006er zu erkennen und ein herausragender Wein.

Flasche leer

Ich bin der festen Überzeugung, dass ich einen ganz normalen Weintrinkerspleen habe, wenn ich ‚letzte Flaschen‘ horte. Bin ich im Besitz von 6 Flaschen des identischen Weines und haben mir die ersten fünf große Freude bereitet, dann bleibt die sechste über Gebühr liegen, erinnert mich beim Gang in den Keller an vergangene Freuden und wird und wird nicht aufgezogen. Dabei ist es doch nur Wein. Und die Folgejahrgänge liegen oft daneben.

In dieser Phase der Weltmeisterschaft sind so viele Teams (und Fans) mit schmerzlichem Abschied konfrontiert, dass ich beschlossen habe aus Solidarität mitzuleiden. Das ist Leiden auf hohem Niveau, denn ich werde während der Übertragungen einige besonders schöne letzte Flaschen köpfen. Zum Anfang hieß es ‚Adieu Altenberg ‘04, du warst ein verlässlicher Gefährte!‘

Von Othegraven, Kanzem Altenberg, Riesling Erste Lage (trocken), 2004, Mosel (Saar). Die letzte Flasche kommt deutlich frischer daher als die vorletzte, welche ich hier kurz beschrieben habe. In der Nase ist der Wein leicht parfümiert; es dominieren jedoch Aprikose, Aloe Vera, Kemmsche Kuchen und viel Maracuja. Am Gaumen ist der Wein sehr saftig, nicht ganz trocken (ich schätze ob der nur 12% Alkohol, dass der Wein einen zweistelligen Restzuckerwert aufweist) mit viel süßer Frucht von Mandarine und Pfirsich, etwas Karamell, wenigen, leicht würzigen Reifenoten und einer gereiften, milden aber noch präsenten Säure. Das ist ein enorm dichter und konzentrierter Riesling, der trotzdem nicht überextrahiert wirkt. Eine erdige, rauchige Mineralik trägt den sehr langen Abgang. Furiose Abschiedsvorstellung; leider keine Zugabe vorgesehen…

Sommer anknipse(r)n (2)

Über mein frühsommerliches Ritual, die erste laue Nacht auf der Terrasse mit einem Glas des jeweils neuen Jahrgangs von Knipsers Sauvignon Blanc zu begehen, habe ich schon letztes Jahr berichtet. Dieses Jahr konnte ich den Zapfen ein paar Wochen früher aus der Flasche ziehen. Doch schätze ich, ich muss mir einen neuen Wein für diesen Brauch suchen.

Der Stil von Knipsers Sauvignon Blanc hat sich verändert, so zumindest interpretiere ich mein Erlebnis dieser Woche. Grasiger, internationaler ist er geworden, hat die etwas dropsige deutsche Gefälligkeit abgeschüttelt, die die meisten hiesigen Sauvignon Blancs und bisher auch den von Knipser gekennzeichnet hat. Damit hebt er sich noch mehr ab von vielen seiner Konkurrenten, ist ein Klassewein geworden, der mit nur 11,5% Alkohol die Aromatik wärmerer Gegenden mit der Leichtigkeit deutscher ‚cool climate‘ Weine verbindet. Ich vermute, dass er das einer bewusst frühen Ernte verdankt, anders kann ich mir solche Werte in 2009 nicht erklären. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass dies eine gewollte und (klimatische Möglicheit vorrausgesetzt) dauerhafte Entwicklung ist.

Knipser, Sauvignon Blanc QbA, 2009, Pfalz. Nase: sehr frisch und grün, grasig, Stachelbeere, Ingwer, ein bisschen kräutrig, Basilikum. Am Gaumen zeigt der Wein eine sehr pointierte Säure, viele grüne Noten, Stachelbeere, rote Johannisbeere, extrem grasig (aber nicht unreif), leicht aber ernsthaft, relativ trocken. Langer, fruchtiger aber auch etwas adstringierender Abgang. Hervorragender aber viel zu junger Wein.

Sein volles Potential nutzt der Wein wohl erst mit ein paar Monaten oder gar einem Jahr Flaschenreife. Während ich jetzt also einen Sauvignon Blanc im Keller habe, mit dem ich skeptische Freunde von der internationalen Konkurrenzfähigkeit deutscher Gewächse aus dieser Rebsorte überzeugen kann, muss ich mir einen neuen Sommer-Begrüßungs-Wein suchen. Vorschläge sind hochwillkommen.