Die Zuckerampel

Wäre ich für das Marketing eines Weinbaugebietes verantwortlich und wollte eine Gruppe von ‚Multiplikatoren‘ (wie ich sie als Marketingverantwortlicher nennen würde) davon überzeugen, wie großartig die Weine meines Gebietes sind, ich würde sie in einen Bus setzen, zum schönsten Weinberg meiner Ecke karren, dort von einem weltberühmten Winzer abholen und rundum verwöhnen lassen. Dieser Gedanke kam mir vor knapp drei Wochen, als ich als Teil einer Gruppe Weinblogger und -händler sowie Journalisten und Sommeliers durch den Weinberg ‚Rangen‘ in Thann kraxelte, angeführt Die Zuckerampel weiterlesen

Warmer Wein mit Wilhelm Weil – Vinocamp 2014

Geisenheim: die etwas andere Uni
Geisenheim: die etwas andere Uni!

Ich war beim Vinocamp 2014 in Geisenheim an der Weinbau-Uni. Das Klassentreffen all derer, die mit Wein und sozialen Medien zu tun haben (oder sich sehr dafür interessieren) erlebte dieses Jahr seine vierte Auflage. Und es wird besser und besser, eine Steigerung beim nächsten Mal wird kaum möglich sein – allein: das dachten wir letztes Jahr auch schon. Warmer Wein mit Wilhelm Weil – Vinocamp 2014 weiterlesen

BerlinGutsrieslingCup 2014

Ab wann kann man eigentlich einen Jahrgang beurteilen? Wie lange muss man sein Urteil beschränken auf die Weine, die man getrunken hat, wie weit dürfen Schlüsse und Abstraktionen gehen, die man daraus zieht oder davon ableitet? Diese Frage beschäftigt mich, seit ich beim diesjährigen BerlinGutsrieslingCup am letzten Freitag teilgenommen habe. Aus dem Jahr 2013 hatte ich vorher nur ein paar Weine probiert – so wenige, dass ich mir keine Gedanken machte, ob diese spärlichen Beispiele Aussagekraft für den Jahrgang haben. Doch letzte Woche hatte ich immerhin die Gutsrieslinge von 33 deutschen Erzeugern im Glas, von denen wohl 20 zu den Granden Deutschen Rieslings zu zählen sind.  BerlinGutsrieslingCup 2014 weiterlesen

Die After-Show-Party

Das schönste an einer Weinprobe ist für viele das Bier danach. Da ich Bier nicht gut vertrage, bin ich nicht in Versuchung: Für mich ist das schönste an einer Weinprobe die Weine danach. Das liegt auch daran, dass die meisten von mir besuchten Weinproben keine professionellen Verkostungen, sondern Versammlungen von Enthusiasten sind. Und nach dem offiziellen Programm beginnt bei solchen das etwas planlose aber umso begeistertere Querbeet-Blind-Probieren. Nach der letzte Woche beschriebenen Lembergerprobe war es wieder soweit und diesmal oblag es mir, den Zeremonienmeister zu geben.

Diesem Zeremonienmeister kommt die besondere Rolle zu, die Stimmung seiner Gäste zu spüren und den dazu passenden nächsten Wein zu finden. Dabei sollte er Selbstbeherrschung an den Tag legen, der Versuchungen sind viele. Er ist der einzige, der weiß, was die Gäste im Glas haben und das gilt es, die anderen niemals spüren zu lassen. Idealerweise lenkt er sie behutsam in die richtige Richtung, stellt der Reihe nach Konsens über Rebsorte(n), Anbaugebiet, Jahrgang und weiteres mehr her, denn das größte Vergnügen bei der After-Show-Party ist das gemeinsame Erraten des Glasinhaltes. Jede hochgezogene Augenbraue bei weit am Glasinhalt vorbei zielenden Mutmaßungen gilt es zu unterdrücken. Überhebliche Moderatoren sind die schlimmste Form des Party Poopers. Also steuert er demütig und mit Pokerface den Dialog der Gäste bis er in der Hoffnung aufdeckt deren Geschmack getroffen zu haben.

Los geht das Ratespiel häufig mit einem Reparaturwein, nach Rotweinproben meist einem süßen Riesling. Letzte Woche startete ich meinen Job unter erschwerten Bedingungen, denn nur zwei Mitstreiter gelüstete es nach einer Auslese, der Großteil wollte noch ein wenig weiter die Reste aus den Rotweinflaschen nachverkosten. Also öffnete ich eine Halbflasche. Kaum war das Plopp des Korkens verklungen, änderten jedoch alle Teilnehmer ihre Meinung. Also folgte eine ganze Flasche einer weiteren Auslese – die After-Show-Party trägt auch den Beinamen ‚Stunde der Kühlmanschetten‘. (Kühlmanschetten sind sowieso das wichtigste Weinzubehör, wenn mehr als drei Weinfreaks in einem Raum sind).

Eine weitere Versuchung, der es zu widerstehen gilt, ist der Wunsch möglichst teure Flaschen zur blauen Stunde zu öffnen. Schließlich haben die Gäste schon mehr als 20 Weine probiert, da geht es nicht mehr um die letzte Feinheit, sondern um ein paar Überraschungsmomente. In meinem Weinvorrat befinden sich Flaschen, die ausschließlich solchen Gelegenheiten vorbehalten sind – meist Restflaschen eines ehemals größeren Postens besonderer Weine. Die zweite Runde läutete genau so ein Wein ein: Kellers Neumond von der Weinentdeckungsgesellschaft. Und hier ging es mit mir durch, einer der Tipps zum Riesling war zu eindeutig (‚Dieser Wein ist ein Unikat‘). Der Neumond war rasch identifiziert. Trösten konnte mich der Glasinhalt: so gut wie letzte Woche hat sich der Keller bisher noch nicht präsentiert. Nach kurzer Erläuterung der Weinentdeckungsgesellschaft kam der nächste Wein offen ins Glas, meine letzte Flasche ‚Roter Baron‘ – Knipsers Beitrag zum Projekt. Aber Höhen und Tiefen liegen nah beieinander – der Rote Baron war uncharmant. Drei Tage später trank ich den Rest der Flasche und er hatte seine sehr kantige Art abgelegt, war ein angenehmer Rotwein; der Zauber der frühen Flaschen ist aber wohl dahin.

Einen letzten Wein hatte ich noch im Köcher. Es galt eine Scharte auszuwetzen. Knapp ein Jahr ist es her, dass ich mich mit der Hälfte meiner Gäste zu einer kleinen frugalen Probe mit dem Thema ‚Bordeaux unter 25 Euro‘ zusammengefunden hatte. Ich hatte – halb scherzhaft, halb größenwahnsinnig – angekündigt, den Siegerwein mitzubringen. Einen Abend vor dem Showdown feierte ich eine gelungene Generalprobe mit dem Wein um dann Tags darauf mit einer schwachen Flasche den letzten Platz zu belegen. Die allerletzte Flasche Rollan de By 2003 lag seitdem zur Ehrenrettung bereit. Und da war es, das versöhnliche Ende. Es war die perfekte Flasche eines perfekt gereiften Bordeaux. Einzig ein Luxusproblem tat sich auf: Wenn man für 15 Euro so gute, langlebige Rotweine aus Bordeaux kaufen kann, warum soll man dann überhaupt etwas anderes trinken, fragte einer der Gäste. Aber das war vermutlich eine Scherzfrage.

Und das gab es zu trinken:

Kerpen, Wehlener Sonnenuhr Auslese **, 2006, Mosel: Sehr gut aber jahrgangsbedingt auch sehr dick. Hält sicher noch eine Weile

Ludwig Thanisch & Sohn, Brauneberger Juffer Auslese **, 2005, Mosel: Schlanker als der Kerpen, mit angenehmen Gerbstoffen, die der Süße etwas entgegenstellen.

Keller, Neumond, Riesling, 2009, Rheinhessen: Derzeit in fantastischer Verfassung, wer einen hat, jetzt öffnen und nicht dekantieren.

Knipser, Der Rote Baron, o.J., Pfalz: Derzeit lieber nicht anfassen oder länger dekantieren.

Chateau Rollan de By, 2003, Bordeaux: Der Wein ist seit nunmehr 9 Jahren unverändert eine Granate.

Mein erster Preisfehler

Neulich wurde ich Zeuge einer Diskussion in Wolkenkuckucksheim. Es ging um die Veränderung in der Weinhändlerlandschaft der Republik, speziell um die zahlreichen neuen Internet-Weinhändler. Es sei bedauerlich und Ausdruck des Zeitgeistes, dass sich hier mit Risikokapital ausgestattete Elite-Uni-Absolventen an Geschäftskonzepten von der Stange versuchten, in denen Wein lediglich eine Ware wie jede andere sei, von Möbeln oder Schuhen nur durch die Form zu unterscheiden.

Der gediegene Weinfreak möchte seinen Wein gerne von einem Gleichgesinnten erwerben, möglichst einer Ikone der Szene, der sein halbes Leben darauf verwendet, die besten Winzer zu finden und ihre Produkte liebt wie seine eigenen Kinder. Ich war ganz still. Ich hörte nur zu  – oder las mit, die Diskussion fand selbstverständlich im Internet statt. Da ich dem elektronischen Handel seit jeher beruflich verbunden bin, mochte ich in das Klagen nicht einstimmen – das hätte etwas von einem Nestbeschmutzer gehabt. Außerdem bin ich längst mindestens teilweise in das Lager der Internet-Weinbesteller übergelaufen. Doch um die Zukunftsaussichten des stationären Handels soll es hier gar nicht gehen.

Zufälligerweise am selben Abend begegnete mir eine angenehme Begleiterscheinung der Entwicklung: mein erster deftiger Preisfehler beim Weinkauf. Falsch ausgezeichnete Preise in Internetshops sind ein weit verbreitetes Phänomen. Millionen junger Deutscher jagen und teilen sie auf eigens dafür bekannten Blogs. Das führende, MyDealz aus Berlin, kommt auf vier bis fünf Millionen monatliche Besucher. Dort dauert es meist nur Minuten, bis ein falsch eingestellter Gutschein, ein unvorhergesehener Rabatt oder schlicht ein fehlerhaft eingegebener Verkaufspreis die Runde macht. Meldungen auf MyDealz haben auch schon die Bestellserver von Firmen wie Dell in die Knie gezwungen.

Bei Wein ist mir ein solcher Preisfehler noch nie begegnet. Doch irgendwann ist immer das erste Mal. Ich zappte mich gerade durch das Sortiment eines neuen Wein- und Genuss-Händlers, als mich etwas unruhig machte. Beim zweiten Hinschauen merkte ich, was es war: Schäfer-Fröhlich, 2011, Halenberg, Riesling Großes Gewächs, 21 Euro. Da stimmten gleich zwei Dinge nicht. Erstens hatte ich den Wein nicht kaufen können, weil er weit vor Freigabe im Herbst 2012 ab Weingut ausreserviert war und zweitens lag der Ab-Hof-Preis irgendwo bei 35 Euro.

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen um meine Liebe zum Halenberg und die Schäfer-Fröhlich’schen fehlen gleich aus mehreren Jahrgängen im heimischen Gewölbe. Also bestellte ich sofort. Das war zu schön um wahr zu sein. Und natürlich: es war auch erst mal nicht wahr. Die Bestellkommunikation lief vorbildlich: Bestellbestätigung, Bestätigung der Verfügbarkeit, Versandbestätigung – da benutzte jemand modernste Shop-Software und hatte das Elite-Uni-Wissen erfolgreich auf seinen Bestellprozess angewandt. Doch das verhinderte nicht, dass im Paket, das wenige Tage später bei mir eintraf zwar drei Flaschen Halenberg steckten, jedoch leider der einfache Lagenriesling vom Weingut Emrich-Schönleber.

Doch Service schreiben die allermeisten Startups groß. Auf meine Nachfrage, dass dieser Wein weder ein GG noch von Schäfer-Fröhlich sei, kam eine freundliche Entschuldigung für den Irrtum, sowie die Auskunft, der Wein sei leider auch nicht ersatzweise zu liefern. Er sei ausverkauft. Man bat mich um etwas Geduld. Zwei Tage später kam dann die Nachfrage, ob ich mit der Lieferung wahlweise des Jahrgangs 2009 oder 2012 einverstanden sei. Ich war! 2012 Halenberg GG für 21 Euro, das nenne ich einen Deal. Die Weine kamen, ebenso wie eine Rücksendemarke für die fälschlich gelieferten Weine und die Aufforderung einen von denen doch als Ausgleich für die mir entstandenen Unannehmlichkeiten zu behalten.

Keine Ahnung, woher die Weine stammten – aber bei drei GGs und einen Bonuswein für eben über 60 Euro hatte ich kein Interesse nachzuforschen. Meine ganze Aufmerksamkeit widmete ich einer spontan aufgerissenen Flasche Weißwein. Es war – na, Sie ahnen es.

HalenbergSchäfer-Fröhlich, Halenberg, Riesling GG, 2012, Nahe. Am ersten Tag in der Nase noch Gärtöne und dazu Aprikose, ziemlich verschlossen aber ganz angenehm. Am Gaumen sehr fest, da mischen sich Mineralik/Phenolik und Schwefel. Der Wein ist sehr klar, sehr hell und sehr filigran, zeigt keine Hinweise auf überreife Trauben, feine Säure, ziemlich trocken und sehr tief. Der Abgang ist lang. Am zweiten Tag taucht auf einmal dieser Spontistinker auf, für den das Weingut bekannt ist: eine Mischung aus faulen Eiern und verbranntem Schießpulver. Ich kann das gut ab, aber ginge ich vor die Tür und zwänge die ersten zehn Passanten, denen ich begegne, mit mir den Halenberg zu trinken – ich fände keine neuen Freunde. Das Mundgefühl wird dafür etwas opulenter und weicher. Am dritten Tag ist der Halenberg cremig, die Säure tritt sehr weit zurück und macht einer Süße Platz, die mir etwas plump erscheint. Dafür hat sich der Stinker etwas zurückgezogen und der Wein aromatisch noch weiter aufgefächert: Mandarine und Apfel tauchen auf. Das ist sehr lecker, was aber auf diesem Niveau ein vergiftetes Lob darstellt. Ich habe genügend Halenberg getrunken um guter Hoffnung zu sein, dass das mal ein großer wird, alle Anlagen hat er. Und in den besten Momenten hat er auch jetzt schon sehr viel Spass gemacht.