An der Heizdeckenfront

Letztes Wochenende habe ich mich mal wieder aus dem Elfenbeinturm getraut und die Berliner Weinmesse besucht. Das ist an sich nichts Besonderes, habe ich das doch auch im Vorjahr getan – allein: diesmal habe ich etwas gewagt, was ich schon längst hätte machen sollen, ich habe Wein verkauft. Genau genommen half ich einem befreundeten Winzer beim Dienst an Stand und Kunde. Doch bevor ich mich am Samstag zur nachmittäglichen Rush Hour in die Schlacht warf, genoss ich die Veranstaltung am Freitag noch als Besucher.

Die Berliner Weinmesse ist eine Massenveranstaltung mit fast 25.000 Besuchern an drei Tagen. Mehrere Hundert Winzer stellen aus – Spitzenwinzer machen sich rar. Da aber in Deutschlands zweiter und dritter Liga hervorragender Wein gekeltert wird, lohnt sich der Besuch auch für den anspruchsvollen Weinfreund. Immerhin stößt man auf einige alte Bekannte wie etwa das von mir seit dem letzen Jahr so geschätzte Sekthaus Solter und Entdeckungen lassen sich ebenfalls machen. Eine besondere Freude war mir die Verkostung der Kollektion des mir bis dato nicht geläufigen Weinguts Loersch aus Leiwen. Das war ein richtig großer Wurf, was der Winzer präsentierte – und da man uns die Freude offensichtlich ansah gab es zum Abschluss noch einen hervorragenden Eiswein und eine fast außerirdische Trockenbeerenauslese zu naschen. Diesen Betrieb sollte man wohl im Auge behalten.

Und dann kam der Samstag. Da stand ich also hinterm Stand des Weinguts Ludwig Thanisch und Sohn und sah die Massen anbranden. Die gezeigten 2012er Riesling Spätlesen aus dem Lieser Niederberg Helden (trocken, feinherb, fruchtsüsß) waren mir bestens vertraut, ebenso wie die Auslese aus der Brauneberger Juffer. Also gab es noch einen Crashkurs  von Winzer Jörg Thanisch zu den gezeigten Weinen des Jahrgangs 2013 (Rivaner, Spätburgunder Rosé, Weißburgunder und Basisriesling ‚1648‘), dann ging es los.

Es ist ein grundsätzliches Problem vieler Weinmessen, dass das Geschäftsmodell Missverständnisse auslöst. Die Winzer bezahlen eine Ausstellergebühr um Zugang zu Konsumenten zu erhalten, die Wein kaufen wollen. Die Besucher zahlen Eintritt um Zugang zu Winzern zu erhalten, die kostenlos Wein ausschenken. Dass sie auch welchen kaufen sollen, steht nirgends geschrieben. Also mischen sich im Publikum diejenigen, die sich durch Sortimente probieren und die wohlschmeckendsten Weine für daheim erwerben wollen mit solchen, die sich für kleines Geld mal ordentlich die Lampe anzünden. Die Winzer versuchen letzteren zu entgehen und erstere zu umwerben, dazu kommen in Berlin eher selten echte Weinfreaks, die zwar viel Ahnung haben und für gute Gespräche sorgen, leider aber sehr selektiv und in kleinen Mengen kaufen.

Meine Aufgabe wurde mir schnell klar: Den Interessierten möglichst rasch ein paar Weine ins Glas füllen, auf dass sie sich mit dem Produkt beschäftigen, den Kegelclubs die kalte Schulter zeigen, ohne allzu unhöflich zu wirken, weil das die Interessierten, die ja direkt daneben stehen, irritieren könnte. Dann waren da noch die Informierten, die mir als Weinenthusiast ja eigentlich die meiste Freude machten. Als ich mit dem ersten ins Gespräch kam, bat mich mein ‚Chef für einen Nachmittag‘ doch solche Diskussionen zu vermeiden, das koste über Gebühr Zeit und bringe nichts.

Also galt es die Informationstiefe dem Publikum und Geschäftszweck anzupassen, der Rivaner – knochentrocken aber trotzdem fruchtig und für einen Müller-Thurgau ganz schön gut – wurde zum ‚Spargelwein‘, der Rosé – mit zehn Gramm Restzucker zwar halbtrocken aber keinesfalls limonadig – firmierte als ‚fruchtiger Sommerwein für die heißen Tage‘, der Basisriesling gab den ‚leckeren Alltagswein‘: wenn ich in meinem Blog so schriebe wie ich Samstag geredet habe, ich hätte binnen kürzester Zeit keine Leser mehr – oder zehnmal so viele …

Viel könnte man noch schreiben, über die verschiedenen Arten von Messebesuchern, aber das hat Bernhard Fiedler vor Jahren schon mustergültig getan, (wenngleich die Berliner eher simpler sind als die von Bernhard geschilderten Typen). Also verweise ich auf seinen Artikel und merke lediglich noch an, dass ich mich zwar für einen guten Verkäufer halte, dieses Talent sich jedoch nicht auf Wein und Endverbraucher erstreckt. Ich habe keine Kosten verursacht, die ich hätte wieder einspielen müssen, viel mehr als ein paar Euro war ich aber nicht wert. Den harten Tag beschloss ich mit einem Gläschen Wein. Von welchem Weingut der war, dürfte den werten Leser kaum verblüffen.

Thanisch_Alte_Reben_2008Thanisch (Ludwig Thanisch & Sohn), Riesling ‚Alte Reben‘ (Lieserer Niederberg Helden), 2008, Mosel. In der Nase relativ schwer: Aprikose, mürber Apfel, Aloe Vera, leicht süßlich. Am Gaumen deutlich halbtrocken aber das ist nicht nur Zucker, sondern eine Mischung aus Restzucker und viel Frucht (vor allem Apfel), leicht cremiges Mundgefühl, erste – noch zarte – würzige Alterstöne, stoffig, viel Druck der aber von einer kräftigen Säure und dezent spürbaren 11,5 Prozent Alkohol in die richtigen Bahnen gelenkt wird. Klassisches Rieslinggefühl stellt sich ein, einerseits wie ein Pfälzer Dickschiff, andererseits wie ein mineralisch-filigranes Moselchen. Der lange Abgang ist sehr saftig. Wird mir als schickes Cool-Climate-Schiefer-Geschoss in Erinnerung bleiben, dass zwei Stilistiken vereint, die selten so angenehm zueinander finden.

In Sack und Flasche

Ich finde Bocksbeutel doof, jene altdeutsche Flaschenart, in der traditionsbewusste Franken ihren Wein füllen. Bocksbeutel kann man nicht stapeln, Bocksbeutel nehmen in der Kühlschranktür den Platz von zwei Flaschen ein, Bocksbeutel kreiseln wie beim Flaschendrehen, will man sie liegend lagern und Bocksbeutel dienen viel zu vielen Winzern als Ausrede weiter auf Korken zu setzen (dabei gibt es ihn mit Schraubgewinde und Glasverschluss). In Sack und Flasche weiterlesen

Und plötzlich Experte…

Als Blogger erhalte ich häufig Anfragen für Gastbeiträge oder Interviews, die sich bei genauerem Hinsehen leider nur als mehr oder weniger geschickter Versuch kostenloser PR oder Linkbuilding heraus stellen. Es dauerte daher ein bisschen, bis ich Begriff, was die Absenderin wollte, als ich neulich eine E-Mail von einer Agentur erhielt. Die suchte nämlich ernsthaft einen Interviewpartner zum Thema Wein. Das Medium der Veröffentlichung sollte das Unternehmensblog von Tchibo sein. Ob ich mir vorstellen könne, in der Kategorie ‚Auf einen Kaffee mit …‘ Rede und Antwort zum Thema Wein zu stehen.

Ich halte mich normalerweise bedeckt, wenn es um die Frage geht, wie klein oder groß mein Weinwissen ist. Für die Kaffeekönige sollte es wohl reichen, so mein spontaner Gedanke. Also sagte ich zu. Die Fragen, die dann kamen, hatten etwas beruhigend geerdetes. Da ist es wieder, das wahre Leben. Die Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation von Tchibo (mit Sicherheit überdurchschnittlich intelligente und genussaffine Menschen) zeigten mir, dass ich mich mittlerweile in einer eigenen kleinen Welt bewege, so sehr ich auch versuche es zu vermeiden.

Zur Feier meines ersten Interviews zog ich einen besondere Wein auf. Einen von denen,  die jahrelang im Keller liegen und eines besonderen Anlasses harren und die ich im letzten Beitrag als Deutsche Icon Wines verdenglischt habe. Es handelte sich um einen ‚Fährfels‘ Riesling aus dem Jahr 2004. Der Fährfels ist eine zerklüftete Steinformation in Trittenheim an der Mosel, inmitten der Trittenheimer Apotheke gelegen. Er wurde nie flurbereinigt und sieht nicht wie ein typischer Weingarten aus, eher als habe jemand den Azubi zum Pflanzen in den Hang geschickt und vergessen ihm zu sagen, wo der Weinberg zu Ende ist. Auf winzigen Terrassen stehen eine Hand voll Reben. Sie sind wurzelecht, über hundert Jahre alt und erbringen alle zusammen rund 1000 Flaschen Wein. Den baut das Weingut Cüsserath-Weiler zu einem feinherben Spitzenriesling aus und liefert danach die Hälfte der Flaschen im Weingut Clüsserath-Eifel ab – Erbengemeinschaft Mosel-style.

Der Wein zeigt seine ganze Pracht erst mit etlichen Jahren Flaschenreife. Ein Freund servierte mir vor 7 Jahren den gleichen Wein ohne Belüftung als Jungspund – belanglos. Doch bei dieser Flasche ging die Sonne auf.

Cluesserath_Faehrfels2004Clüsserath-Weiler & Clüsserath-Eifel, Riesling ‚Fährfels‘, 2004, Mosel. Der Wein riecht leicht süßlich, nach Aprikose und Muskat und dabei sehr cremig, keinerlei Alterstöne, nicht sehr intensiv, sehr harmonisch aber nicht spektakulär. Am Gaumen wirkt er ebenfalls leicht cremig, deutet Säure nur an, obwohl er wohl einiges davon hat – das spürt man aber eher, als dass man es schmeckt. Für einen feinherben Riesling schmeckt er ziemlich trocken, erzeugt ein volles Mundgefühl, ist leicht kreidig, hat eine tolle Phenolik/Mineralik und präsentiert sich mit fantastischer Tiefe. Aromen von mürbem Apfel, Aprikose und Malz harmonieren mit einem leichten Bitterton und einer feinen Reifenote, die sich nach zwei Stunden an der Luft einstellt. Was den Wein ausmacht, ist nicht irgendein Aromenfeuerwerk, sondern die Balance zwischen Tiefe und Leichtigkeit, zwischen lecker und Intellekt. Der Abgang ist sehr lang und der Alkohol völlig unauffällig.

Wer lesen will, was ich zum Thema Wein und Kaffee zu Protokoll gegeben habe, findet hier das Interview.

Mein erster A. de. L.

Legenden gehören zum Wein wie Butter auf’s Brot. Wenn Sie dieser Satz stutzig macht, Sie Verfechter von Margarine oder der Meinung sind, zwischen Wurst und Backware gehöre gar nichts, dann sind wir mitten beim Thema. Denn die Frage, ob man legendäre Weine – für entsprechend legendäre Preise – benötigt, lässt sich auch ganz schnöde mit ‚Nö‘ beantworten.

Ich persönlich genehmige mir einen moderaten Butterkonsum. Und ich bin für Weinlegenden und legendäre Weine anfällig – ebenfalls in Maßen. Daher schlummern in meinem Keller ein paar Flaschen Wein aus der Kategorie ‚ultrapremium‘ oder ‚Icon Wines‘ wie die denglische Bezeichnung lautet. Es handelt sich bis auf ganz wenige Ausnahmen um deutsche Icon Wines und wenn Ihnen jetzt die spöttische Bemerkung auf der Zunge liegt ‚deutsch‘ und ‚Icon‘ sei ja wohl ein Widerspruch in sich, dann sind wir uns zwar ein zweites Mal uneins, Sie aber noch lange kein schlechter Mensch.

Wenn Sie einmal – mir zuliebe, ist schließlich mein Blog – für eine Sekunde dem Konzept ‚deutscher Icon Wine‘ folgen mögen (sonst hören Sie einfach auf zu lesen), dann können Sie sich vorstellen, wie viel Freude es mir macht, eine solche Ikone ihrer Bestimmung zuzuführen. Dieser Tage war das gleich zwei mal der Fall.

Der erste Wein findet sich erst nächste Woche in einem Beitrag. Er ist moderat bepreist, geschmacklich speziell (weil halbtrocken) und daher einer kleinen Zielgruppe vorbehalten. Sein Preis ist kein Exklusivitätsmerkmal. Das sieht beim zweiten etwas anders aus.

Das Weingut Emrich-Schönleber gehört zu den besten Deutschlands, sein Großes Gewächs aus dem Monzinger Halenberg zählt Jahr für Jahr zu den aufregendsten trockenen Rieslingen. Seit 2005 lege ich mir regelmäßig die Weine des Gutes in den Keller, Halenberg und Frühlingsplätzchen sind die einzigen GGs aus dem Jahrgang 2010, die Einzug ins Gewölbe fanden. Wie aufregend fand ich es da, als ich 2009 einen Brief aus dem Weingut bekam, in dem die Schönlebers einen neuen Wein ankündigten, der noch oberhalb der bisherigen trockenen Spitze angesiedelt sein sollte.

Auf der Lay hieß ein Teil des heutigen Halenbergs vor der Reform deutscher Lagennamen im Jahr 1971. Es ist eine Parzelle, deren Boden sich vom Rest des Halenbergs unterscheiden soll. Mit dem Jahrgang 2008 entschlossen sich die Winzer (das Gut wird von Vater und Sohn bewirtschaftet) die Weine der älteren Reben dieser Parzelle wieder separat auszubauen. Dabei wollen Sie besonderen Aufwand betreiben, den Weinberg noch aufwändiger als andere Parzellen pflegen und nur das beste Lesematerial für ihren Wein verwenden. Wie viel davon Marketing ist und wie viel Realität: ich kann es aus der Ferne nicht beurteilen – immerhin: in schwächeren Jahren wie 2010 wird der Wein nicht produziert.

Der A. de. L. darf nicht ‚Auf der Lay‘ heißen, weil die ehemaligen Weinlagen auf Etiketten Tabu sind. (Diese Vorschrift steht kurz vor der Abschaffung.) Also behalfen sich Schönlebers mit dem Kunstgriff Abkürzung. Um die Exklusivität zu steigern erscheint der Wein nur in Magnumflaschen (und davon nur 180 Stück) sowie einer Hand voll Doppelmagnums und diese kann der geneigte Weinfreund nicht bestellen, er muss sie ersteigern. Also steigerte ich. Mit etwas unter 140 Euro pro Magnum erzielte der Wein einen Preis deutlich über den Großen Gewächsen war aber – umgerechnet auf die Normalflasche – immer noch zweistellig. Meine Liebe zu Icon Wines endet, wenn es dreistellig wird. Also war alles gut.

A.de.L.2009Da ich mir eine Magnum nicht zum Abendbrot aufmache, sind die Gelegenheiten für diese Weine rar. Als ich jetzt ein Essen für zwölf gab, erschien mir der A. d. L. ein guter Aperitif. Ich entschied mich für den 2009er aus Gründen, die ich im Blog schon einmal thematisiert habe.

Emrich-Schönleber, Riesling trocken ‚A de L‘, 2009, Nahe. In der Nase angeschlagener Feuerstein und Apfel, fruchtig, würzig aber nicht außergewöhnlich. Am Gaumen erscheint der Wein erst fröhlich und harmlos: Apfel und viel Zitrus, doch dann kommt eine tiefe, rauchige Note, die spannend ist und der Riesling wirkt enorm dicht und kompakt. Das Mundgefühl ist sehr fest, wahnsinnig phenolisch/mineralisch und man ist versucht den Wein wie ein Stück Fleisch zu kauen, wenn das nicht so albern aussähe. Der lange Nachhall kitzelt den Schlund mit feinen Gerbstoffen und einem Hauch Kreide. Der Jahrgang meldet sich auch zu Wort: über allem liegt zunächst der Eindruck vorzeitiger Reife, als tränke man parallel einen zweiten, alten Wein. Doch das belüftet sich nach zwei Stunden weg. Danach hat der A. de. L. etwas kristallines, ist schwer zu fassen, animierend und eine tolle Erfahrung.

Es klingt ein bisschen komisch aber man meint,den Aufwand schmecken zu können, den die Winzer mit dem Wein betrieben haben. War vermutlich Ultrapremiumaufwand.

Strategischer Wein

Vor vielen Jahren leitete ich in einer großen Vertriebsorganisation die Abteilungen, die nicht direkt am Kunden agierten, also was man neudeutsch Operations sowie Strategie&Planung nennt. Dabei lernte ich, dass die besten Verkäufer sich häufig dadurch auszeichnen, dass sie keine rechte Lust zum verkaufen haben. Viele von denen, die besonders talentiert im absatzorientierten Umgang mit Menschen waren, standen regelmäßig bei mir auf der Matte, um die Möglichkeit eines Wechsels zu diskutieren. Sie wollten ‚irgendwie strategisch‘ arbeiten.

Seit einiger Zeit lerne ich durch mein Blog regelmäßig Weinmacher kennen, also jene Spezis Werktätiger, die als angestellte Betriebsleiter oder Kellermeister in fremden Gütern Trauben in Wein verwandeln. Dabei lerne ich – liebe Weinmacher, Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein – dass es deutliche Parallelen zwischen der Weinwelt und dem Vertrieb gibt. Ich treffe vermehrt Menschen, die das ‚Weinmachen‘ aufgegeben haben um ‚irgendwie strategisch‘ zu arbeiten. Und wenn ich mal das Vergnügen habe einen Wein zu trinken, den diese in ihrer noch aktiven Zeit auf die Flasche brachten, denke ich: auch hier scheint es einen Zusammenhang zwischen Talent und Unwillen zu geben.

Einer dieser ‚Strategen‘ ist mein Freund Peter W., den ich – seit mein erster Artikel über einen seiner Weine ihn auf Platz eins der Google-Ergebnisse für die Suche nach ‚arroganter Sack‘ gehievt hatte – hier nicht mehr mit vollem Namen nennen mag. Er hatte sich bei unserem Kennenlernen gerade als Leiter der Weinabteilung eines Lebensmittelgroßhändlers verdingt. Vor einigen Tagen schickte Peter mir ein paar Flaschen seines 2007er ‚Hausweins‘. Er habe damals zu viel produziert und nachdem er gelesen hatte, dass mir der Jahrgang 2007 zusagt, wollte er mir etwas davon überlassen. Wenn er mir gefiele, ginge die Gastrorechnung bei unserem nächsten Zusammentreffen auf mich.

Ich war gespannt auf diesen Wein, der – wie bei Peter nicht anders zu erwarten – ohne jedes Etikett bei mir eintrudelte. Immerhin schickte er mir ein Pdf mit Etiketten zum selber drucken per E-Mail. Das verriet leider nicht mal die Rebsorte. Was soll’s: Es hat auch was gutes, einen Wein vollkommen blind zu probieren mit nichts als dem Jahrgang und der Farbe als Anhaltspunkt.

Ohne Etikett aber mit original Rheingauer Kellerstaub – De Brevitate Vitae
Ohne Etikett aber mit original Rheingauer Kellerstaub – De Brevitate Vitae

De Brevitate Vitae, Deutscher Tafelwein, 2007, Peter W. (Rheingau). In der Nase zunächst ein angenehm gereifter Riesling mit Aprikose und Aloe Vera. Eine leichte Honignote legt eine falsche Fährte in Richtung Botrytis und Süße. Nach einer Stunde wandelt sich das Bild, es treten deutliche Holz- und Raucharomen in den Vordergrund, die erst am dritten Tag wieder dezenter werden. Am Gaumen dauerhaft eine harmonische aber deutliche Säure (2007er Säure eben) und dazu ganz viel Schmelz, satte Frucht (mürber Apfel und gebratene Ananas), volles Mundgefühl mit leichten Röstaromen und etwas Gerbstoff. Peter hat mit einem neuen Barrique und einem ‚selbstgebastelten Solera-Verfahren‘ experimentiert (bevor Riesling und Barrique zur Mode wurde), dabei nur Lesegut ohne Botrytis verwendet und ein paar Effekte hinbekommen, für die ich mangels ausreichendem Wortschatz einfach ‚crazy‘ in mein Notizbuch schrieb. Der Alkohol ist mit 12,5% unauffällig, der Abgang sehr lang und spannend.

Als ich am dritten Tag den letzten Schluck getrunken hatte, machte ich etwas, was ich seit fünf Jahren nicht gemacht habe: vom gleichen Wein eine weitere Flasche auf. Mehr Begeisterung geht bei mir nicht.

Peter hat seinen Job im Handel wieder aufgegeben. Er arbeitet jetzt als Verwalter einer kleinen Genossenschaft, die nach rasanter Talfahrt nur noch eine Hand voll Mitglieder und außer ihm keine Angestellten hat. Das ist eine durch und durch strategische Aufgabe. Zum Glück muss er dabei auch wieder Wein machen. Und vielleicht lernt er sogar das Etikettieren…

Viel Erfolg, Peter!