Nur vom Feinsten

Wenn ich mit interessierten Deutschen über Wein rede, was ich eigentlich ganz gerne tue, kriege ich eine Ahnung, was Churchill einst bewogen haben mag, über uns zu sagen, man habe die Hunnen entweder zu Füßen oder am Hals. Auf der einen Seite findet man eine aufrecht stehende Rieslingfraktion, die bei der Diskussion der auch von mir geschätzten Moselchen nicht selten am deutschen Wesen die Welt genesen lassen will. Auf der anderen Seite hört man reichlich Heulen und Zähneklappern, dass Deutschland keine Weinkultur habe, schlimme Massenweine produziere, mit denen der Ruf aller deutscher Tropfen im Ausland ramponiert werde, Aldi seinen größten Weinhändler nennen müsse und mit einer Bevölkerung geschlagen sei, die im Durchschnitt gerade einmal Zweieuronochwas für seine Weine ausgebe.

Ich bin in letzter Zeit mehrfach in spanischen Supermärkten gewesen. Vom Discounter bis zum SB Warenhaus war alles dabei. Besonders beeindruckend fand ich die Weinabteilung der Kette ‚Mercadona‘ – die man nicht zu den Billigheimern zählen, sondern eher als spanische Ausgabe von Rewe betrachten sollte. Sechs vierstöckige Regalmeter mit spanischen Weinen unter zwei Euro! Palettenweise 2-Liter-Flaschen Rotwein zu 1,99 Euro. Während es beim Rotwein noch ein paar einschlägige Massenriojas (Faustino) bis sechs Euro und sogar einen Gran Reserva für zehn gab, endete die Preisspirale beim Weißwein bei 3,50 Euro. Ich entschied mich zähneknirschend für den teuersten weißen.

Wir müssen uns nicht schämen. Ich möchte wetten, die Spanier geben im Schnitt noch weniger für Wein aus als die Deutschen.

Blanc Pescador, Vino de Aguja, ohne Jahrgang, Perlwein, Spanien. In der Nase sehr zurückhaltend, die Cuvée aus Macabeo (60%), Parellada (20%) und Xarel·lo (20%) riecht ein bisschen nach Apfel und Birne. Am Gaumen spärliche Perlage aus einer zweiten Gärung, weniger als ein Prosecco aber doch deutlich mehr als ein frisch gefüllter Stillwein mit viel Gährkohlensäure. Die winzigen Bläschen verleihen dem Wein eine cremige Textur, es dominieren Kernobstaromen. Etwas kräutrig ist der ansonsten vor allem frische Wein – ein leckerer Aperitif auch für hohe Temperaturen, denn bei nur 11,5% Alkohol gehen nicht schon nach einem Glas die Lampen an. Der Abgang ist relativ lang und fruchtig. Sehr ordentlich (der Rosé ist noch ein bisschen besser).

Tempranillo GTI

Zwar ist der Aalto PS eine jener Wein-Ikonen, denen ich normalerweise einen Artikel aus der Reihe ‚Mein erster…‘ widme, doch ich kam ohne jede Vorbereitung zu dieser ersten Begegnung. Zwei Freunde und ich entdeckten ihn auf einer Restaurantkarte für deutlich weniger als den doppelten Ladenpreis, weswegen wir ihn uns ganz spontan einverleibten. So war mein erster Über-Spanier auch nicht dekantiert, aber das war meines Erachtens keine Sünde.

Bodegas Aalto, Aalto PS, 2003, Ribera Del Duero. Der reinsortige Tempranillo ist ein echter Muskelprotz. Dass diese Alkoholbombe nicht plump wirkt, verdankt sie der strammen Säure und kantigem Tannin. Ansonsten dominieren die Klischees: In der sehr ‚warmen‘ Nase viel Kirsche, Pflaumen, Zimt, Vanille, Rauch und reichlich Alkohol. Die 14,5% sind am Gaumen zwar omnipräsent aber nicht brandig. Der Wein ist fruchtig wieder mit Kirsche und Pflaume aber nicht marmeladig. Er hat ‚Zug zum Tor‘. Der Abgang ist eine lange Angelegenheit, wird aber etwas vom sehr kantigen Tannin ausgebremst. Diese Wand aus Holz ist es dann auch, die letzen Endes verhindert, dass der Wein groß ist. So sind’s für mich 93 Punkte.