Füllwein (15)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Battenfeld Spanier, Weissburgunder QbA, 2007, Rheinhessen. Der Basiswein ist einer der dichtesten und fettesten Basisweine aus dieser Rebsorte, die ich je getrunken habe. Er hält locker mit so mancher Spätlese guter Erzeuger mit. Allerdings ist er trotz Schraubverschluss schon ziemlich reif und ich werde zukünftige Jahrgänge jünger trinken. In der Nase Apfel, Birne, Quitte, eine leichte florale Note aber auch erste Reifetöne. Am Gaumen ebenfalls Kernobst und eine recht deutliche Bratapfelnote, die der Wein in der Jugend vermutlich noch nicht hatte. Sehr viel Kraft, dicht und stoffig trotz dem der Wein im Alkohol mit 12,5% recht bescheiden ist. Der Wein ist mild in der Säure, der Abgang sehr lang.

Agritiushof, Riesling ‚Selection‘ (Oberemmeler Karlsberg), QbA, 2005, Mosel (Saar). Die sehr dunkle Farbe fällt sofort auf, und man erwartet instinktiv einen reifen Wein. In der Nase präsentiert sich der Wein auch vollreif mit Noten von Orangeat und gelben Früchten, doch er hat auch etwas duftig Blumiges. Am Gaumen ist er nicht sehr druckvoll, eher mittelkräftig mit feiner Säure und Aromen von Grapefruit und Mandarine. Mäßige Mineralik und ordentliches Spiel münden in einem langen Abgang, der beim ersten Glas etwas adstringierend am zweiten Tag jedoch vollkommen harmonisch ist. Der Wein ist ein schönes Beispiel, wie der Reifeprozess einen Moselriesling harmonisieren kann: acht Promill Säure und fast elf Gramm Restzucker haben sich zu einem harmonisch trockenen Gesamtbild vermählt.

Heymann-Löwenstein, Riesling ‚Schieferterrassen‘, 2007, Mosel. Sehr saubere Nase: Klare Pfirsichfrucht, Rhabarber, Aloe Vera. Am Gaumen mitteldick, halbtrockenes Geschmacksbild, schöne Frucht von Apfel und Pfirsich, etwas Mineralik, insgesamt schön aber nicht übermäßig komplex. Im langen Abgang ein leichter Gerbstoff/Bitterton, der zu ‚Abzügen in der B-Note‘ führt. Dieser Ton kann sich mit der Zeit integrieren – oder auch nicht. Ich habe beides schon erlebt und wage keine Prognose. Alles in allem ein sehr schöner Wein, der aber im Kontext von Winzer und Jahrgang etwas hinter meinen Erwartungen zurück bleibt.

Mosel calling

Über Sinn und Unsinn von Telefonmarketing im Weinvertrieb habe ich vor einigen Monaten anhand des Weingutes Heymann-Löwenstein geschrieben. Zur Erinnerung: ich habe absolut nichts gegen gelegentliche Anrufe von Winzern oder deren Mitarbeitern. Bei H-L orderte ich so rechtzeitig, die hervorragende und mittlerweile ausverkaufte Jubiläumscuvée.

Das Weingut Markus Molitor gehört ebenfalls zu den gelegentlichen Anrufern auf meinem Privatanschluss. Und auch mit diesem Rieslingproduzenten hatte ich die Tage ein positives Telefonerlebnis. Denn das Schöne am direkten Kontakt ist, dass man nachfragen kann. Hätte ich so einen Wein auf einer Preisliste oder einem Mailing gefunden, ich hätte einen Bogen drum gemacht: ein trockener Riesling aus 2001 aus der Halbflasche (!), die bekanntlich erheblich frühere Flaschenreife beschert als die Normalflasche. Aber auch auf skeptische Nachfrage versicherte mir der freundliche Herr Lua, dieser Wein sei jetzt optimal reif und könne sogar noch eine halbe Stunde Belüftung vertragen. Recht hat er. Drei Halbflaschen haben bisher ein identisch geniales Erlebnis gebracht.

Markus Molitor, Zeltinger Sonnenuhr, Riesling Auslese ** (trocken), 2001, Mosel. In der Nase erstaunlich frisch und fruchtig: Pfirsich, Mango und Maracuja, etwas Aloe Vera und nur sehr dezente würzige Reifenoten. Am Gaumen vor allem saftig, mit süßer Frucht von Apfel und Maracuja. Der Wein ist kein Kraftprotz, sondern ein fest gewirkter Riesling mit klarer Frucht, schöner Säure, mäßigem Restzucker und deutlich spürbarer Mineralik. Der Abgang reicht fast ewig.

Der Archetyp

Es gibt Weine, die sind so gut, dass man stundenlang Aromen aufzählen und Eigenschaften preisen möchte (was ich mir meistens spare, weil ich dann lieber einen Moment die Klappe halte und einfach den Wein genieße). Und es gibt Weine, die sind so gut, dass man gar kein Aroma aufzählen und gar keine Eigenschaften preisen möchte – weil einfach alles stimmt. Im Fußball sagt der Trainer dann, er möge keinen Mannschaftsteil oder Spieler herausheben, denn alle hätten aus einem Guss gespielt, oder so ähnlich. Ich habe seit vier Tagen einen Wein im Glas, den ich mal so beschreiben möchte: Das ist der Idealtypus eines fünf Jahre gereiften trockenen Moselrieslings. Er kommt von der Ruwer, aber geschenkt. Im Fußball könnte man sagen: das ist das Äquivalent zur Leistung der Bayern im gestrigen Pokalfinale. Ich find Bayern scheiße, aber ebenfalls geschenkt.

Karthäuserhof, Eitelsbacher Karthäuserhofberg, Riesling Auslese trocken -S-, 2005, Mosel (Ruwer). Nase: die archetypische Rieslingnase – einfach Schnüffelstoff. Am Gaumen wirkt er schlanker als er wirklich ist, was heißen soll, dass er 13,5% Alkohol vollständig maskiert und nicht überextrahiert wirkt. Geschmacklich trocken ohne karg zu sein, kraftvoll aber nicht zu breit, von einer reschen Säure harmonisch strukturiert und ziemlich saftig. Vibrierend, nervig, stahlig, man kann es sich aussuchen, ich würde sagen: sehr lebendig. Der Abgang ist ausgesprochen lang. Das ist ein großer Wein.

(Weil in vier Tagen doch irgendwann Zeit dafür war und mancher nicht ohne Aromen auskommt: in der Nase Pfirsich und Apfel, dazu immer noch eine kleine Note von Hefe, leichte Kräuterigkeit und ganz dezente Reifenoten; am Gaumen ein sehr ähnliches Bild sowie eine schöne Schiefermineralik mit einer Tendenz ins Rauchige.)

Heymann-Löwenstein, Jubiläumscuvée ‚Alte Reben‘

Jubiläumscuvée R30 sollte der Wein wohl ursprünglich heißen, denn so war er mir vor einiger Zeit vom Gut angeboten worden. Nun ist er als Cuvée ‚Alte Reben‘ geliefert, gefüllt ausschließlich in Magnumflaschen. Also braucht man ein paar nette Mitstreiter oder den Willen, eine ganze Woche lang den gleichen Wein zu trinken (die Alternativen, einen Teil einer Soße zu opfern oder einfach den ganzen Wein in kurzer Zeit in sich hineinzuschütten will ich gar nicht in Erwägung ziehen). Und so stieß ich mit ein paar Freunden dieser Tage auf den 30. Geburtstag eines meiner bevorzugten Riesling-Produzenten an. Herzlichen Glückwunsch Herr und Frau H-L.

Heymann-Löwenstein, Jubiläumscuvée ‚Alte Reben‘, QbA, ohne Jahrgang, Mosel. Eine Verbindung verschiedener Rieslinge aus Schiefer-Steillagen (dem Vernehmen nach aus 2007 und 2008). In der spektakulären Nase tauchen neben üblichen Verdächtigen wie Pfirsich und Rhabarber auch grüne Noten von Paprika und Kerbel auf sowie eine sortenuntypische Note von Anis. Am Gaumen geht es ernsthaft weiter, viel Saft und Kraft stecken in diesem eher halbtrockenen Riesling. Zum schönen Süße-Säure-Spiel kommen Aromen von Kemmschen Kuchen und Rauch sowie  Apfel und Rhabarber. Dicke Mineralik trägt den sehr langen Abgang. Das ist ein Traumwein und bei 30€ für die Magnum ist es das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, dass Heymann-Löwenstein in den letzten 5 Jahren auf die Flasche gezogen hat. Er soll nach Auskunft der Winzer 30 Jahre halten. Ich mag nicht widersprechen.

Füllwein (14)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Franz Keller, Spätburgunder Selection, QbA, 2005, Baden. Ein relativ dunkler Vertreter, sowohl farblich als auch von den Aromen in der Nase: Kirsche aber vor allem Zeder, Waldboden und eher nicht ‚deutsch‘. Am Gaumen ist die Stilistik fast international, wenn nicht die dafür eher untypische kräftige Säure wäre: ziemlich viel Bumms, Aromen von Kirsche und Pflaume, Kakao, gar nicht mineralisch, noch deutliche Spuren vom Holz aber moderates Tannin, jetzt reif und voll da. Außerordentlich langer Abgang. Hervorragend und für Keller (Baden) eher untypisch: exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis.

Müller-Catoir, Gimmeldinger Mandelgarten, Riesling Spätlese trocken, 2007, Pfalz. In der Nase legt der Wein eine falsche Fährte: er riecht süß nach vollreifem Pfirsich sowie ein bisschen Banane und Marzipan. Am Gaumen ist er dann aber sehr trocken und bietet  viel Zitrus-Aroma, Grapefruit und eine stramme Säure. Er ist vollmundig und fast ein bisschen fett, was er überreifen Noten verdankt und nicht etwa seinem Restzucker, denn er kommt nur auf 4,7 Gramm bei 7,4 Promill Säure. 13,5% Alkohol sind spürbar, Mineralik eher weniger. Das klingt krass und mit diesem Adjektiv ist der Wein derzeit auch treffend beschrieben. Aber in zwei oder drei Jahren sieht das vermutlich anders (besser) aus.

Becker-Steinhauer, Veldenzer Kirchberg, Riesling Kabinett trocken, 2005, Mosel. Noch so ein staubtrockener Vertreter: Der Wein ist spontan vergoren und hat irgendwann den Turbo eingeschaltet. Bevor der Winzer Stopp sagen konnte, waren 13% Alkohol und nur noch drei Gramm Restzucker im Getränk. Das hat ganz zu Beginn auch noch mit einem Spontistinker geglänzt und gehörte ebenfalls in die Kategorie ‚krass‘. Drei Jahre Flaschenreife haben alles geordnet. In der Nase deutliche Reifenoten aber keine Firne, dazu Aprikose und Aloe Vera. Weder in der Nase noch am Gaumen kann der Wein seinen Alkohol verbergen, bewegt sich aber im erträglichen Rahmen. Am Gaumen straff mit vollem Mundgefühl, schöner Mineralik und etwas Pfirsichfrucht. Langer mineralischer Abgang. Extrem viel (toller) Wein für damals 5€!