Clos hinterm Haus

Die Legende sagt, dass kurze Zeit nachdem Paul-Francois Vranken das Champagnerhaus Pommery von LVMH kaufte, der stolze Neubesitzer – ein Marketing- und Verkaufstalent – zu seinem Team kam und meinte, aus diesem schönen ‚Hügel hinterm Haus‘ müsse man doch bestimmt einen besonderen Champagner produzieren können. Clos hinterm Haus weiterlesen

Bubbles in Berlin

Dezember – Zeit für Jahresrückblicke. Ich hab’s nicht so mit Bestenlisten, fasse lieber das große Ganze zusammen. 2013 mein Jahr der Bubble-Bildung – nein, keine Flatulenz, Bildung wie in Fortbildung. In keinem Jahr meiner Weintrinkerkarriere habe ich mehr Schaumwein probiert und getrunken als 2013. Es war guter dabei, richtig guter, teilweise vielleicht das beste, was Normalsterbliche ins Glas kriegen können.

Viele der Sekte und Champagner habe ich in fachkundiger Gesellschaft getrunken und dabei ein Déjà-vu erlebt, mich erinnert gefühlt an die Kork-Diskussion. Marken-Champagner versus Winzer-Champagner, Sinn und Unsinn der Prestige-Cuvées, Champagner versus Winzersekt: es sind wenige Eckpunkte, um die eine ewig gleiche Diskussion kreist. Wo ich zuletzt so meinungsfreudig war, mache ich gleich weiter: Zeit für Tacheles.

Deutscher Winzersekt ist Champagner mindestens ebenbürtig – aber deutlich preiswerter

Klar, nachts ist es kälter als draußen und Riesling ist besser als Zalto. Wer um Himmels Willen hat eigentlich diese Diskussion gestartet? Ich habe dieses Jahr viele gute deutsche Rieslingsekte getrunken. Rund um das Vinocamp sogar einige der besten, die es gibt. Wenn Rieslingsekt nach Champagner schmeckt, ist das für mich ein Weinfehler. Wenn ich Rieslingsekt trinken will, sollte ich keinen Roederer öffnen und wenn ich Champagner suche keinen Solter. Und bei den Sekten aus Burgundersorten? Oje, nein. Da hängen wir Deutschen gnadenlos hinterher. Es gibt tolle deutsche Burgunder-Sekte, so wie es tolle deutsche Syrahs und Cabernets gibt. Doch macht man parallel ein ‚Original‘ auf, ist der Ofen aus, beim Schammes wie beim Rotwein. Da wo wir eine eigene Stilistik haben, wird es richtig gut und nicht mehr zu vergleichen. So wie ich deutschen Spätburgunder liebe (aber das vertiefen wir jetzt nicht), so mag ich auch deutschen Rosé-Winzersekt aus dieser Traube. Aber – weiter habe ich mich noch nie aus dem Fenster gelehnt – richtig atemberaubenden Rosé-Schaumwein gibt es sowieso nicht. Das ist im besten Falle wundervoll im Sinne von hübsch und lecker. Und die Deutschen sind mindestens genau so lecker wie Rosé aus anderen Teilen der Welt.

Kleiner, ernster Einschub: Es war mir 2013 vergönnt Helmut Solter zu treffen und mit ihm seine Sekte zu probieren. Dafür bin ich im Nachhinein besonders dankbar, denn kurz darauf ist er verstorben. Dirk Würtz hat hier einen Nachruf auf ihn verfasst. Der Mann war enorm sympathisch und ein Könner. Es liegt in der Natur der Sektproduktion, dass einiges, was Herr Solter dieses Jahr auf die Flasche gezogen hat, erst in den nächsten fünf Jahren auf den Markt kommen wird. Wer da nicht wenigstens einmal zugreift, riskiert eine Bildungslücke.

Winzerchampagner sind den Markenchampagnern überlegen

Ich hatte vorletzte Woche das Vergnügen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zwei Champagnerverkostungen zu besuchen. Am ersten Abend präsentierten drei Winzer ihre Champagner in der Berliner Cordobar, am nächsten zeigten bei der Falstaff Champagnergala die großen Häuser ihre Angebotspalette (wobei die drei Winzer vom Vorabend ebenfalls da waren). Das Fazit ist differenziert. Der schwächste Champagner über beide Veranstaltungen war ein Genossenschaftsprickler, was meines Wissens in die Kategorie Winzerchampagner fällt, der eine dermaßen grobe Perlage und rustikale Aromen zeigte, dass ich die versteckte Kamera suchte. Da musste mir jemand Henkel trocken untergejubelt haben und sehen wollen, ob ich es merke. Die Schäumer eines der drei Winzer fand ich vergleichsweise langweilig. Andererseits sind die Brut Reserves, also die Einstiegsqualitäten der großen Häuser auch nur verläßliche Leckerlies (und einige mag ich nicht). Das riecht nach unentschieden – wenn die Winzerbasis nicht tatsächlich so viel preiswerter wäre. Bei den mittleren Qualitäten, den Jahrgangschampagnern, hängen die Winzer die großen Häuser ab. Das scheint der einzige Diskussionspunkt in der Debatte zu sein, bei dem Konsens herrscht.

Nichts geht über die Prestige-Cuvées der großen Häuser

Dom Perignon, Cuvée Winston Churchill, La Grande Dame – jedes der großen Champagnerhäuser hat einen Spitzenwein im Angebot, der rar und teuer ist (wobei mehrere Millionen Flaschen eines einzelnen Dom Perignon Jahrgangs eine interessante Interpretation des Begriffes ‚rar‘ darstellen). Sind sie auch qualitativ die Spitze, wie viele – vor allem Gutbetuchte – schwören, oder machen die Winzer auch hier die besseren Weine, wie vor allem Weinhändler mit entsprechendem Sortiment zu betonen nicht müde werden? Ich könnte ausnahmsweise mal mitreden, obwohl es um Luxus geht, immerhin hatte ich dieses Jahr Roederer Cristal, zwei Jahrgänge Dom Perignon, zwei Jahrgänge Palmes d’Or, Belle Epoque und Cuvée Louise im Glas, aber was soll ich sagen: Die Welt hat dringendere Probleme und nichts finde ich langweiliger als Bestenlisten.

In der Zusammenfassung kann ich sagen: 2013 war ein Jahr voll wunderbarer Weine für mich und viele davon waren Schaumweine. Ich trinke meist lieber Sekt als Champagner, weil ich den Riesling so liebe. Auch bin ich enttäuscht über die Uniformität, mit der die Winzer und Häuser der Champagne ihre Schäumer auf acht bis neun Gramm Restzucker dosieren. Die deutschen Winzer experimentieren viel mit ganz trockenen Sekten (brut nature, also weniger als drei Gramm Restzucker) und obwohl ich beim Stillwein Restzucker liebe, gefallen mir diese Prickler am besten. (Da wo die Winzer der Champagne damit spielen, bin ich ebenso begeistert.)

Veuve_Cliquot

Als Hardcore-Rieslingtrinker erteile ich mir auch für die Zukunft die Sekt-Sondergenehmigung. Für alle anderen gilt: nichts geht über guten Champagner.

Darauf mein Lieblingsleckerlie…

Veuve Cliquot, brut, o.J. (NV), Champagne. Die Nase ist fruchtig und für einen Champagner sehr weinig, Quitte und Zitrus kommen mir in den Sinn, dazu feine Würze aber nur wenig Hefe/Brioche. Am Gaumen sehr balanciert, nicht zu süß (vermutlich auch mit acht oder neun Gramm Standardzucker aber sehr schön durch Zitrusaromen gepuffert), dazu Birne ein wenig Haselnuss, feine Würze und dezente Hefenoten. Der Abgang ist mittellang, die Perlage mittelfein und das Spektakel – wenn man ehrlich ist – mittelaufregend aber saulecker!

Prickelnde Weltreise

Ich bin manchmal etwas bemüht nonkonformistisch und tue Dinge bloß deswegen nicht, weil alle anderen es gerade tun. Das ist ziemlich albern, denn die rennen ja ins Kino (kaufen ein Buch, eine CD) weil das Dargebotene besonders gut ist. Meist bringe ich mich also lediglich selbst um ein Vergnügen. Mit zehn Jahren Verspätung stelle ich dann fest, dass ‚Nevermind‘ epochal ist und unbedingt in meine CD-Sammlung gehört, dass ‚Das Parfüm‘ wirklich lesenswert und Titanic tatsächlich großes Unterhaltungskino ist. Beim Wein habe ich auch solche Anwandlungen. Aber ich arbeite an mir. Dieser Tage bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit ist, sich mal wieder der Mehrheit zu ergeben. Ich gebe mit Demut zu: Das Sekthaus Raumland ist tatsächlich eine Klasse für sich und  unbestritten Deutschlands Sekterzeuger Nummer 1.

Raumland, Cuvée Katharina, Brut, degorgiert 01/2010, Rheinhessen. In der Nase Birne, Melone und Hefe. Am Gaumen cremig mit mittelfeiner Perlage, angenehmen Spiel von Süße und Säure, viel Frucht: Birne, Melone, Pfirsich, Anananas – der Wein ist wunderbar fruchtig, leicht süßlich und klingt mineralisch aus. Der Alkohol von 12,5% ist unauffällig. Hervorragender Sekt.

Feierwasser aus drei Nationen

Bei Champagner ist die Sache etwas leichter. Ich habe kaum Ahnung davon, verlasse mich also gerne auf andere. Zum Glück habe ich ein paar Freaks im Bekanntenkreis, die mich mit Geheimtipps versorgen. Mit denen habe ich vor Jahren nach einer Probe einiger seltener und in Deutschland nicht erhältlicher Weine in einer Hauruck-Aktion eine ganze Euro-Palette Barnaut-Blubber nach Deutschland importiert – wenn das nicht nonkonformistisch ist. So langsam gehen meine Vorräte zur Neige und es ist an der Zeit, eine Verkostungsnotiz anzufertigen.

Barnaut, Grand Cru á Bouzy, Millésime brut, 1999, Champagne. In der Nase nur wenig Brioche, stattdessen ein herrlicher, durchdringender Bratapfelgeruch. Da denkt man sofort an Weihnachten. Trotz des relativen Alters ist die Nase noch frisch. Am Gaumen setzt sich dieses Spiel fort, der Champagner schmeckt auch zu einem erheblichen Teil nach Bratapfel, dazu eine resche Säure, sehr feine Perlage und deutliche Mineralik. Der Abgang ist sehr lang. Ein großartiger Champagner, der zwar süffig aber auch straff, mineralisch und nicht zu cremig ist.

Apropos süffig: das ist ein Begriff, der von vielen zu Recht als sinnfrei und für eine Weinbeschreibung ungeeignet erachtet wird. Ich habe früher schon mal ausgeführt, dass solche Attribute meiner Meinung nach mehr über den Gemütszustand des Verkosters als über das Objekt der Begutachtung aussagen. Die Ausnahme stellt für mich Sekt/Champagner dar. Der sollte süffig sein, denn meist trinke ich ihn in größerer Runde mit Menschen, die nicht alle weinverrückt sind. Die wenigen Prickler, die nicht süffig waren – Dosage Zero Tropfen aus Frankreich, Sekte vom achtjährigen Hefelager und dergleichen – fand ich interessant aber nicht massenkompatibel. Das probiere ich gerne mal, bevorraten muss ich mich damit nicht. Zu diesen Einmal-Erfahrungen gehörte auch d’Arenbergs roter Sekt vom Syrah, meine bisher einzige Erfahrung mit Sekt aus Down Under. Diese Woche kam eine zweite dazu. Ob des niedrigen Alkohols und der exotischen Herkunft, musste der Nonkonformist in mir gleich ein paar Flaschen bunkern.

Banrock Station, Sparkling Chardonnay Pinot Noir Reserve, o.J., Southeastern Australia. In der Nase Birne, Pfirsich, Himbeere und nur wenig Hefe. Am Gaumen ist der Sekt cremig mit eher mauer Perlage (der einzige Makel), relativ trocken und mit milder Säure. Schöne Frucht von Pfirsich und Erdbeere machen den Wein leicht und süffig. Erstaunliche 12% Alkohol wiedersprechen dem Klischee, aus Australien kämen nur Alkoholbomben. Ein süffiger Crowd Pleaser wie man in seinem Heimatland wohl sagen würde. Genau das richtige für ein Glas Begrüßungssekt bei höheren Temperaturen.