Es bleibt in der Familie

Die beiden ersten ernsthafte Flaschen meiner Weinkarriere waren ein Geschenk meines Vaters: ein Achat von Laible und eine trockene ‚S‘-Klasse vom Karthäuserhof. Eine würdigere Inauguration in die Rieslingwelt Es bleibt in der Familie weiterlesen

Weinrallye #32: Pinot Noir

Iris bittet zur Weinrallye und wählt als Themenvorgabe ausgerechnet meine rote Lieblingssorte, den Spätburgunder. Also werde ich zum Wiederholungstäter und nehme ein zweites Mal an der Veranstaltung teil. Den generischen Beitrag zur Rebe, ‚Wie man Deutschen Spätburgunder überlebt‘, habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben – schade eigentlich. Als zweites Thema fällt mir nur etwas ungleich Banaleres ein: meine jüngsten Erfahrungen mit deutschen Spätburgundern. Die sind erstaunlich gut, seit in meinem Glas die Jahrgänge 2004 und 2005 den 2003er abgelöst haben. Und ich kenne sogar eine wissenschaftliche Begründung, warum das so ist – oder ich habe mir einen kolossalen Bären aufbinden lassen.

Es muss im Winter 2007 gewesen sein, als ich bei einer Weinmesse am Stand des Weingutes Adeneuer von der Ahr in eine Diskussion zwischen dem Winzer und zwei drei kostenden Besuchern verwickelt wurde. Neben allgemeinen Jahrgangscharakteristiken und dem üblichen Messegemurmel (GM-Bewertungen, VDP- und GG-Gemäkel usw.) wurde auch recht offen über die Haltbarkeit deutscher Pinots im Vergleich zu Gewächsen aus Burgund diskutiert. Dabei verblüffte einer der Adeneuer-Brüder die Anwesenden mit dem offenherzigen Eingeständnis, in den Jahren vor 2004 hätten etliche deutsche Pinotwinzer, darunter auch er selbst, den nötigen Schwefel für die abschließende Behandlung des Weines zu niedrig berechnet.

Zur Begründung erzählte er eine Geschichte von sogenannten Reduktonen, die im Rotwein enthalten sind und bei bestimmten Messverfahren freie schwefelige Säure vortäuschen. Im Ergebnis wird dann zu wenig geschwefelt, was Weine früh sehr zugänglich aber eben auch weniger haltbar und insgesamt störanfälliger macht. Wenn man es  genau wissen will, kann man über Google einiges dazu herausfinden, aber ehrlich gesagt will ich weder Weinbau studieren noch elektrometrische Titration betreiben. Ich glaube Herrn Adeneuer , dass ein öffentliches Eingeständnis eines eigenen Versäumnisses nicht erfunden war – warum auch?

Mehr Schwefel für besseren Pinot ist eine leicht zu merkende Faustformel. Nun ist aber nicht alles, was ich an positiven Begegnungen mit deutschem Spätburgunder aus den Jahren 2004 bis 2006 hatte, dem Schwefel zuzuschreiben. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass Deutsche Winzer mittlerweile erfrischend ungezwungen mit der besten Rotweinsorte ihres Landes experimentieren. Eine Generation von Winzern, die Praktika und Hospitanzen in Frankreich, Südafrika und sonst wo auf der Welt vorzuweisen hat, sieht die Sache mit dem Spätburgunder einfach etwas weltoffener als die Altvorderen. Dazu kommt besseres Grundlagenwissen und (vielleicht?) die richtige Schwefeldosierung. Wie auch immer: das Ergebnis finde ich fantastisch. Darauf einen Adeneuer Spätburgunder.

J.J. Adeneuer, Walporzheimer Gärkammer, Spätburgunder QbA, 2006, Ahr. In der Nase typisch deutsche gekochte rote Beeren, dazu Tabak, Holz, Wacholder und eine ‚grüne Note‘. Die Nase ist auch ein wenig spritig (der Wein hat 14% Alkohol). Am Gaumen ist der Pinot Ahr-typisch straff ohne jegliches Alkoholproblem, mit kräftiger Säure, Aromen von Kirsche und gekochter Erdbeere. Dazu ist er kräuterwürzig, sehr mineralisch und zeigt schöne, das Bild vervollkommnende  Röstaromen. Der Abgang ist lang, wenngleich nicht sehr lang. Trotzdem hat der Wein diesen magischen ‚Klang‘, den mein Gaumen mit der Note 90 Punkte verbindet. Aber ich bin parteiisch, denn Pinot ist meine Lieblings-Rotwein-Sorte.

Danke, Iris…

Liebe auf den ersten Schluck

Meyer-Näkel, Spätburgunder ‚Blauschiefer‘, 2005, Ahr
Spätburgunder ‚Blauschiefer‘ 2005 von Meyer-Näkel

Ganz selten passiert es mir, dass ich einen Wein öffne, einen Probeschluck nehme und sofort denke: ‚Au Backe, da musst Du aufpassen, dass Du nicht die ganze Flasche an einem Abend trinkst‘. Dabei ist das keine Auszeichnung für einen exorbitant guten Wein, es ist auch keine extreme Form von Süffigkeit – manche Weine regen bei mir dermaßen  den Trinkfluss an, dass ich mich stark zurücknehmen muss.

Geschmacklich kommt dieser Kick aus der Gruppe von Eindrücken, die man gemeinhin mit ‚Mineralik‘ bezeichnet. Die Weine sind fast immer von einfacherer Konzentration – keine großen Gewächse. Passieren kann es bei Rieslingen und seltener Spätburgunder, manchmal sind es auch ganz andere Weine, die mich derart hypnotisieren. Vor einigen Jahren bin ich dem Drang einmal erlegen und habe in zweieinhalb Stunden eine Flasche eines trockenen Molitor-Kabinetts vertilgt, worauf der Abend gelaufen und ich für alle Zeit gewarnt war.

Gestern hatte ich eine jener Begegnungen der dritten Art. Wieder war es ein alles andere als konzentrierter Stoff. Auch kann er seine deutsche Herkunft nicht verleugnen. Aber ich fand ihn fein, fein, fein! Ein Extra-Glas ist es geworden, ansonsten hatte ich mich im Griff.

Meyer-Näkel, Spätburgunder ‚Blauschiefer‘, 2005, Ahr. In der Nase Kirsche, Holz, Erdbeere und etwas Liebstöckel. Am Gaumen ist der Wein schlank mit vergleichsweise dünner Textur. Erdbeere, Vanille, etwas Holz und eine sehr frische Säure. Die feine Mineralik ist am Gaumen ungemein zupackend und setzt sich im langen, vanilligen Abgang fort.