Simple Genüsse (3) – Olé!

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe. Dieses Mal stammen alle drei aus Spanien.

Descendientes de J. Palacios, Petalos, 2008 DO Bierzo, Spanien. In der Nase Blaubeere, Brombeere und eine grüne Note (an Tomatenpflanzen erinnernd). Am Gaumen zeigt der Wein mittleres Volumen, recht sperriges Tannin, das sich mit etwas Belüftung zähmen lässt, schöne Blaubeerfrucht und eine leichte Mineralik. 14% Alkohol und der Barrique-Ausbau integrieren sich sehr gut. Als Essensbegleiter glänzt der Tinto Mencia (so der Name der Rebsorte, aus der der Petalos gekeltert wird), weil er zwar wuchtig aber nicht überkonzentriert wirkt. Ein wundervoller Rotwein, den diverse Weinführer, wie ich finde zu Recht, regelmäßig mit Punkten überschütten.

Casa de Mein, Viña Mein, 2008, Ribeiro, Spanien. Die im Barrique vergorene Cuvèe aus fünf autochtonen Rebsorten erinnert mich in der Nase an Chardonnay (wenngleich ich alles andere als ein Chardonnay-Experte bin): Florale Noten, Birne, Molke, Toast und Holz. Am Gaumen ist der Wein stark vom Barrique-Ausbau geprägt, ohne überholzt zu sein. Weich, schmelzig, buttrig und mit Aromen von Pistazie und Aprikose, schmeichelt der sehr trockene Wein mit nur 12% Alkohol. Sehr langer Abgang. Das ist ein Wein mit dem gewissen etwas, das bei mir den 90-Punkte-Reflex auslöst.

Finca Museum, Museum Real Reserva, 2004, DO Cigales, Spanien. In Sevilla für 35€ auf der Speisekarte eines ordentlichen Restaurants gefunden, einen Abend mit meiner besseren Hälfte dran festgehalten und nebenbei im Kopf ein paar Notizen formuliert (ich erwähnte schon mal, dass meine Frau sehr tolerant mit meinem Weinfimmel umgeht?). Der Wein riecht nach Kirsche und Marzipan, am Gaumen sehr schön strukturiert, 14% Alkohol, Tannin und Holzausbau sind gut integriert, Kirscharoma auch hier, gepaart mit Pflaume. Leicht mineralisch im langen Abgang, sehr weich trotz spürbarer Säure. Dieser Tinta del Pais, wie der Tempranillo in Cigales heißt, braucht sich vor der Konkurrenz aus den bekannteren Gebieten Spaniens nicht zu verstecken. Klassewein, wenngleich ich als Nebenberufsöko das massive, metallene Etikett eine echte Umweltsünde finde.

Kellerleiche (3)

‚Da waren die Augen wohl größer als der Magen‘ pflegte meine Mutter mit Blick auf den halbvollen Teller zum Essensende zu sagen, wenn ich als kleiner Junge eine deutlich größere Portion eingefordert hatte, als ich später dann auch zu verdrücken im Stande war. Es dauerte eine Weile, bis ich lernte, wie das mit dem Portionieren funktioniert.

Als ich als Teenager das erste Mal im Urlaub in südlichen Gefilden auf Halbpensions-Buffets traf, war das Erlernte spontan nicht mehr abrufbar: Im Bestreben, alles zu probieren, landete wieder mehr auf dem Teller als später in den Magen Einzug halten wollte. Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich dank passender Buffet-Strategie der Vergeudung von Lebensmitteln entgegenwirken konnte.

Es gibt nicht nur phonetisch eine Ähnlichkeit zwischen ‚Teller vollmachen‘ und ‚Keller vollmachen‘.

Als ich zum ersten Mal einen zur Weinlagerung geeigneten Kellerraum zur Verfügung hatte, dauerte es erneut eine ganze Weile, bis ich die richtige Strategie zur Befüllung mit tatsächlich konsumierbaren Mengen gefunden hatte. Ein wesentlicher Baustein dieser Strategie war: ‚Vermeide 12 für 11 Angebote‘, mithin jene beim Deutschen Weinhandel beliebten Offerten, 12 Flaschen eines Weins zu ordern, aber nur 11 bezahlen zu müssen und obendrein das Porto zu sparen. Außer bei sehr lange haltbaren Weinen gelingt es mir nicht, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne 12 Flaschen des gleichen Weines zu trinken. Der Rest liegt dann da im Keller und nimmt eigentlich nur Platz weg. Ab und zu traue ich mich an eine solche Kellerleiche. Bei dieser hier war ich sehr erstaunt, wie hervorragend der Wein mundet. Ich empfand ihn schon in der Jugend als einen sehr seriösen Wein. Jetzt weiß ich, dass er auch sehr ordentlich reift.

Mulderbosch, Sauvignon Blanc, 2004, WO Stellenbosch, Südafrika. Die Nase ist altersmilde: Stachelbeere und grüne Paprika, dazu Sellerie und ein leichter Stinker aber alles sehr dezent. Am Gaumen überraschend ernsthaft, schöne volle Struktur, süße Frucht von Apfel und Birne, sehr gehaltvoll und mineralisch. Im mittellangen Abgang mineralisch aber auch etwas austrocknend. Ein wunderbarer Wein, der allerdings an der Luft nicht lange durchhält. Zwei Stunden nach dem Öffnen verabschiedet sich die Frucht.

Füllwein (19) – MSR Edition

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

St. Urbanshof, Ockfener Bockstein, Riesling Auslese (Halbflasche), 2006, Mosel (Saar). In der Nase cremig und frisch, Honig, Aprikose. blitzsauber: Riesling mit leichter Botrytis – keine modrigen 2006er-Töne. Am Gaumen mit relativ milder Säure aber trotzdem schönem Spiel. Ich kenne die Analysewerte nicht, aber der Wein hat vermutlich nicht ganz so viel Restzucker, dafür 9,5% Alkohol, die jedoch nicht ins Gewicht fallen. Wiederum sehr sauber und saftig: Aprikose, Rhabarber, Honig, Vanille; langer Abgang, der jedoch einige Bittertöne hat, die mir in der 2006er-Kollektion des St. Urbanshof öfter begegnet sind – ansonsten eine Bilderbuchauslese die noch einige Jahre vor sich hat.

Lothar Kettern, Piesporter Falkenberg, Riesling ‚Mineral‘ feinherb, 2009, Mosel. In der Nase noch mit Gäraromen und Hefe, darunter liegt viel exotische Frucht: Maracuja, Banane, Mango, Sternfrucht aber auch Rhabarber, entscheidender ist aber der Gaumen, denn der Wein ist ungemein saftig, süffig süß und mit viel Spiel – die Art von feinherbem Wein, die einen enormen Sog entwickelt. Die Hand geht ständig zum Glas. Das ist nicht ganz ungefährlich, weil der Riesling perfekt integrierte 11% Alkohol hat, die man leicht übersieht. Aprikose und Banane treffen auf eine feine Mineralik, die in diesem jungen Stadium dezent daher kommt. Wird bestimmt im Alter ernsthafter, jedoch werden meine Vorräte vorher ausgetrunken sein. Ein toller Wein.

Van Volxem, Wiltinger Braunfels, Riesling QbA, 2004, Mosel (Saar). Ich weiß nicht, ob der Wein analytisch trocken oder halbtrocken ist, das Etikett verrät nichts. Die Nase ist sehr vielversprechend: ein schöner reifer Riesling mit viel Aprikose und einer rauchigen Note. Am Gaumen ist der Wein saftig und fruchtig mit Aromen von Boskop-Apfel, Quitte und Pfirsich. Bei sehr reifer, dezenter Säure wirkt der Wein etwas süßlich, entwickelt am Gaumen nur mäßigen Druck und wirkt dadurch im mittellangen Abgang trotz nur 12% etwas alkoholisch. Der Braunfels ist mäßig mineralisch aber dafür sehr süffig. Fairer Wert.

Füllwein (18)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für erwähnenswert befunden habe.

Dr. Bürklin-Wolf, Deidesheimer Langenmorgen ‚PC‘, Riesling QbA trocken, 2007, Pfalz. Ich habe schon lange keine ambitionierte Spätlese eines VDP Weingutes mehr getrunken, fiel mir auf, als ich den Korken aus dieser Flasche zog. Um es auf den Punkt zu bringen: mit 13,5% Alkohol ist dieser Wein nicht weniger wuchtig, als die meisten GGs aus 2007, die ich bisher getrunken habe. Aber er ist trotzdem sehr elegant. In der Nase erscheint er noch recht verschlossen mit viel Hefe und viel Zitrus, dazu etwas Aloe Vera und eine dezent süßliche Note. Am Gaumen ist er sehr balanciert: saftig mit mittlerem Druck, erscheint sehr trocken, was auch an dezenten Gerbstoffen liegen mag. Aromen von Aprikose und Apfel dominieren die Frucht, der Abgang ist sehr mineralisch – irgendwie gleichzeitig pfälzisch-barock und doch verspielt. Hat was Magisches.

Bernhard Huber, Malterdinger Spätburgunder QbA, 2004, Baden. In der Nase gekochte Beeren, Sellerie, einige grüne Noten, etwas Rauch. Am Gaumen ist der Wein sehr fruchtig, mit gekochter Erdbeere, Kirsche und Himbeere. Er glänzt dazu mit rescher Säure und sehr dezenten Holzaromen (der Wein ist in zweit- und drittbelegten Barriques ausgebaut). Es stellt sich eine schöne Balance zwischen Süffigkeit und Komplexität ein. 13,5% Alkohol stören nicht weiter, solange der Wein nicht warm wird. Überhaupt ist dieser Spätburgunder von der Sorte, die unheimlich in die Breite gehen, wenn sie Zimmertemperatur erreichen – dann wird’s brandig und marmeladig. Kleine Portionen zügig zu vertilgen, ist eine wunderbare Alternative bei diesem gelungenen Wein.

Günther Steinmetz, Brauneberger Juffer *, Riesling Auslese feinherb, 2003, Mosel. Ich sei kein großer Fan der Rieslinge dieses exzellenten Rotweinproduzenten, schrieb ich vor geraumer Zeit. Das ist ein pauschales Urteil, zu dem es Ausnahmen gibt. Ausgerechnet im Problemjahr 2003 ist Stefan Steinmetz ein hervorragender Riesling der etwas schwereren Kategorie gelungen. In der Nase immer noch mit Spontan-Noten aber auch mit Mango und Aloe Vera, kommt der Riesling am Gaumen relativ süß daher. Trotzdem zeigt er viel Spiel. Zu Aromen von Karamell, Kemmschen Kuchen und Ananas gesellt sich eine rauchige Mineralik. Im sehr langen Abgang spürt man etwas die 11,5% Alkohol.

Die Power-Parzelle

Das einzig Gute, was mancher (zum Beispiel ich) im Weingesetz von 1971 findet, ist die Reduzierung der Lagen in Deutschland. Wer will schon 30.000 Lagen kennen? Wollte man von jeder nur ein Glas trinken, müsste man rund 82 Jahre lang jeden Tag einen anderen Wein zu sich nehmen. Da viele Lagen mehrere vernünftige Rebsorten beherbergen, könnte der deutsche Weinfreund in einem Menschenleben ohne Ersatzleber nicht alle Lagen-Reben-Kombinationen seiner Heimat trinkend verkosten.

Umso erstaunlicher finde ich den Trend, diesen Teil des Weingesetzes jetzt zurückzudrehen. Wer dieser Tage Verkostungslisten des Jahrgangs 2009 aus Deutschland studiert, findet wieder einmal ‚neue‘ Weine, deren Namen alten Parzellenbezeichnungen nachempfunden sind, die 1971 gestrichen wurden. Dabei sind Parzellennamen verfremdet, um dem Gesetz Genüge zu tun (wie hier schon einmal erklärt).

Verständnis brächte ich auf, wenn man einen Megatrend erkennen und mit einem Satz zusammenfassen könnte. An der Spitze der Qualitätspyramide stehen die ‚Parzellenweine‘. Aber leider ist dem nicht so. Bei Emrich-Schönleber ist der Parzellenwein ein Versteigerungswein und der feinste. Bei Keller ist die Abtserde mittlerweile ein GG und gleichgestellt mit dem Morstein (Lage) aber unter dem G-Max (Markenwein). Der Ganz Horn von Rebholz ist die Nummer zwei hinterm Kastanienbusch usw.. Man muss kein böser Mensch sein, um zu konstatieren, dass die Deutschen Winzer das Weingesetz gar nicht brauchen, um ihre Kunden zu verwirren. Das können sie ganz alleine. Und es ist wohl auch nicht zynisch, wenn man die Qualitätspyramide deutscher Winzer auf den Preis reduziert: je teurer, desto besser (mit die Regel bestätigenden Ausnahmen).

Die Parzelleritis kann mich nicht begeistern, ein echter Aufreger ist sie allerdings auch nicht. Denn bisher – und ich hoffe inständig, dass es so bleibt – lösen die Winzer ihr Versprechen ein: die Weine sind wirklich allesamt etwas Besonderes. So wie dieser hier, ein ganz früher Trendsetter der Bewegung, der in der insgesamt nur ‚sehr guten‘ 2004er Rotweinkollektion der Schneiders deutlich herausragt.

R&C Schneider, Parzelle Schönberg, Spätburgunder QbA, 2004, Baden. In der Nase Kirsche, Blut/rohes Fleisch, Rauch und Holz; dazu kommt eine leicht morbide Note, die gern mit ‚Waldboden‘ beschrieben wird, was ich in Ermangelung einer besseren Bezeichnung übernehme. Der Wein riecht sehr ‚dunkel‘ aber auch vollfruchtig. Am Gaumen ist er saftig, mit schöner Säure und satter Kirschfrucht. Er ist sehr voluminös und schön strukturiert. Solange man ihn nicht zu warm werden lässt, bleiben 14% Alkohol unauffällig. Im Abgang zeigt er eine schöne Mineralik, bei der ich wieder in Ermangelung einer Alternative die gängige Bezeichnung ‚Bleistift‘ übernehme. Am zweiten Tag legt der Wein noch zu und verfügt über unglaublich Power, kein Gramm Fett aber auch schöne dunkle Noten von Rauch und Speck, sehr komplex, ewig langer Nachhall. Das ist einer der besten deutschen Spätburgunder, die ich aus dem Jahr 2004 trinken durfte.

Und nachdem sich alle daran gewöhnen konnten, dass Schneiders‘ bester Roter aus einer Parzelle stammt, führen sie mit dem Jahrgang 2007 den Engelsberg ein. Der kostet genauso viel wie der ‚Parzelle Schönberg‘, entstammt aber einer ‚echten‘ Lage (Endinger Engelsberg).

Verwirrung gelungen.