Laurent Boussey Monthélie

Hübsche Töchter aus Monthélie

Auf keinen Weingutsbesuch im Rahmen meiner Burgund-Tour habe ich mich so gefreut, wie auf diesen. Laurent Boussey hat mehr Appellationen als Hektar im Portfolio – erheblich mehr. Der ganze Wahnsinn des Gebietes in einem Betrieb. 

Felix Bodmann Burgund‚Soll ich nicht mal ein Foto von Dir machen, hier im 3-Länder-Eck?‘ fragt Stevie. Grausames Ergebnis. Man, bin ich fotogen. Dabei ist das eigentlich eine tolle Ecke für Fotos, rechts liegt der Geheimtipp Monthélie, links Meursault und geradeaus Auxey-Duresses – letzteres ausnehmend malerisch. Ich bin trotzdem froh, als der Fototermin vorbei ist, wir die wenigen Hundert Meter nach Monthélie hinein fahren und das Weingut betreten, das ich mir größer vorgestellt hatte.

Monthélie – Burgund in Weiß und Rot

Die Domaine Boussey hat erhebliche Teile Ihrer 15 Hektar Besitzungen in Lagen, deren Erträge keine großen Hallen nötig machen: Volnay 1er Cru, Pommard, Meursault, Puligny Montrachet – Sie wissen schon. Doch das Motto lautet immer noch: unterschätztes Burgund. Wie das zusammen passt, lerne ich in der nächsten Stunde, einer der köstlichsten Stunden meines Lebens. 

Fasskeller Boussey MonthelieDavor steht die übliche Theorievorlesung: Fünfte Generation – undsoweiter. Der Respekt gebietet es, sich das anzuhören. Dieses Mal bleibt etwas hängen: Auch im Burgund heiraten Winzertöchter Winzersöhne und die angeblich immer weitere Zersplitterung der Betriebe aufgrund französischen Erbrechts bezieht sich nur auf die Filetstücke der Côte de Nuits. Im Rest des Burgunds findet eine Konsolidierung und Vergrößerung der Betriebe statt. Und Arbeit wird auch hier in Stunden gemessen, weswegen man eine eingeheiratete Parzelle Gevrey-Chambertin gegen näher gelegenes eintauscht, wenn stundenlanges Treckerfahren für ein Barrique Ertrag vonnöten ist.

Ob wir Fragen hätten? Oh ja, habe ich. Ich muss aber etwas ausholen: Viele Deutsche Winzer besitzen Parzellen in nur als mittelmäßig klassifizierten Lagen, aus denen sie nach eigener Einschätzung besonders gute Trauben holen. Oft geben sie diesen Weinen – Herzblutweinen – dann Fantasienamen oder benennen Sie nach alten Parzellen und verkaufen Sie teurer als Weine aus nominell besseren Lagen. Geht das auch im Burgund? Lange Frage, kurze Antwort: ‚Nein‘. Ein Blick in die Preisliste bestätigt das: weiß in der aufsteigenden Reihenfolge Monthélie, Savigny les Beaune, Meursault, Puligny Montrachet, bei den 1er Crus erst Monthélie, dann Meursault, wobei die ersten Lagen aus Monthélie nur ungefähr so viel kosten wie die Dorflagen aus Meursault. Bei den roten mit Auxey-Duresses, Beaune, Volnay, Aloxe-Corton und Pommard das gleiche Bild. Unser Guide Stevie pflichtet bei, dass in 19 von 20 Betrieben die Klassifikationshierarchie die Wertigkeit der Weine bestimmt.

Schnäppchenjagd in Monthélie?

Das löst dann meine zweite Frage aus. ‚Da die tatsächliche und die Papierform so gut wie nie übereinstimmen, müssen in Ihrem riesigen Sortiment doch einige Schnäppchen zu machen sein. Welche sind das denn?‘ Laurent Boussey braucht eine Weile, bis er versteht, was ich von ihm will. Er wirkt sehr unglücklich. Ich hätte wohl auch Fragen können: welche Ihrer Töchter sieht nackt am schönsten aus? Nach einer Denkpause wählt er die diplomatische – gähnend langweilige – Antwort, das könne er nicht sagen, da doch Geschmäcker sehr verschieden seien.

Reden wir lieber über Monthélie. Wikipedia spricht von 22 Hektar Weißwein mit 1,6 Hektar 1er Cru, Laurent erklärt uns, es seien eher 33 und etwas weniger als 3 Hektar als Erste Lage klassifiziert. Immerhin ein halber Hektar davon gehört ihm. Der Rest der 120 Hektar ist rot und 22 Hektar als erstes Gewächs deklariert. Doch zunächst verkosten wir Weiße. Die Chardonnay-Trauben liest Boussey mit der Maschine, vergärt und lagert ausschließlich im Holz, leitet immer einen biologischen Säureabbau ein und belässt die Weine knapp ein Jahr auf der Hefe. Es gibt einen klaren Hausstil und den kriegen wir jetzt ins Glas.

Les Champs Fulliots Terroir
Eine Bodenprobe aus Les Champs Fulliots

Der 2015 Monthélie Blanc hat einen Neuholzanteil von 20%. Die Nase ist sehr harmonisch, der Wein knackig, schlank und fokussiert, mineralisch und sortentypisch. 13,5% Alkohol sorgen für Druck, sind aber perfekt integriert. Ein guter Start für 17 Euro. Der Monthélie 1er Cru ‚Sur la Velle’ aus 2016 ist eine Steigerung, weil noch fester. Etwas jünger, ist er noch sehr verschlossen, zeigt Potential und ist seine 24 Euro allemal wert. Beim Monthélie 1er Cru ‚Les Champs Fulliot‘ 2016 kommen wir dann zur Sache – in jeder Hinsicht. Der Wein ist steinig, kreidig, jung, tief und ganz klassisch, feinstes Burgund, kurz: fantastisch. Der aktuelle Jahrgang kostet 24 Euro – das schmeckt hier aber eher nach 70. Leider ist es die letzte Ernte von mittlerweile dahingerafften 65-jährigen Rebstöcken.

Es ist der Luftzug, Dummerchen

Diese standen direkt unterhalb der Ersten Meursault-Lage ‚Les Caillerets‘, nicht zuletzt dank der Weine von Coche-Dury eine Burgunderlegende. 20 Meter trennten seine Stöcke vom berühmten Nachbarn. 20 asphaltierte Meter in Form einer Landstraße. Nun könnte er damit werben. Tut er nicht, denn er hat – ebenfalls 20 Meter von Coche-Dury entfernt, aber auf der richtigen Seite der Straße – selber Besitz in ‚Les Caillerets‘. Und das ist der teuerste Wein auf seiner Liste. Davon hat er so wenig, dass er ihn nicht parallel aufmachen könne, bittet Laurent um Verständnis. Wir diskutieren engagiert: wieso genießt so großartiger Stoff so viel weniger Renommee, obwohl es doch erkennbar der gleiche Weinberg ist? ‚Es sind nicht nur 20 Meter‘ meint Stevie. ‚Die Straße verändert den Luftzug, das ist ganz anderes Terroir‘ ergänzt Laurent. Luftzug! Die Weinwelt wäre ärmer ohne diese schönen Geschichten von Luftzug, Wasseradern und Mikroklimata.

Monthelie 1er CruWeiter geht es, mit einem Schritt zurück, denn wir verlassen Monthélie 1er Cru und begeben uns wieder auf Dorf-Niveau. Savigny les Beaune ‚Les Saucours‘ 2016 bringt viel Frucht in die Nase und dann auch an den Gaumen. Es dauert etwas, bis eine feine Mineralik den Wein auf Niveau hebt. Seine Lage habe einen erhöhten Lehmanteil, der für die expressive Frucht verantwortlich sei, erklärt Boussey. Exzellenter Wein, der auf den zweiten Schluck locker seine 17 Euro Wert ist, aber können wir noch mal über diesen Luftzug reden… Wortlos kommt der nächste Wein ins Glas: Mersault ‚Les Meurgers‘ 2016 aus einer Lage, die an Monthélie grenzt. Ich erahne einen tollen Wein, der derzeit noch von seiner malolaktischen Gärung geprägt ist, worauf ich etwas allergisch reagiere. Aber das ist doch toll, dann könnten wir doch noch mal über den Luftzug… Laurent verschwindet und kommt mit dem Weindieb (der großen Pipette) wieder. Eine Fassprobe des 2017er Meursault 1er Cru ‚Les Charmes‘. Das Fass war zum zweiten mal belegt, der Wein ist leicht nussig, feine Textur, irre gut. Wird später unter 40 Euro kosten und das dann locker wert sein. Aber, lasse ich nicht locker, wir sind noch nicht ganz beim ‚Les Champs Fulliot‘. Das sieht wohl auch Laurent so, denn er gibt sich geschlagen, verschwindet kurz und kommt mit einer neuen Füllung des Weindiebs wieder. Da ist er, der Meursault 1er Cru ‚Les Caillerets‘ aus 2017. Es gibt nur das eine Fass, entsprechend klein ist der Probeschluck und er spielt in der obersten Liga: in der Nase etwas reduktiv, relativ viel Holz (Erstbelegung), aber fordernd, stoffig und irre tief. Ja, ein bisschen besser als ‚Les Champs Fulliot‘ ist das wohl, aber eben nur ein bißchen besser. Kostet knapp 40 Euro.

Pinot Noir: Volnay 2eme Categorie

Wir wechseln zu Rot. ‚Ich möchte Frische und Mineralik in meinen Weinen schmecken. Die Weine vergären 15 Tage auf der Maische mit täglichem Unterstoßen, bleiben 14 Monate im Holz und ziehen dann noch einmal in Edelstahl um‘ schildert Laurent den gemeinsamen Nenner seiner Pinots. Der erste Wein demonstriert das sehr gut, er ist so frisch, dass es mir fast schon etwas grün vorkommt, doch der Monthélie ‚Les Toisières‘ 2015 ist vermutlich einfach noch zu jung. Die zweite Dorflage, der Monthélie ‚Les Hauts-Brins‘ 2015, wirkt etwas weniger grün, hat noch mehr Stall in der Nase, viel Tannin am Gaumen und tolles Potential – für 16 Euro. Für 20 Euro gibt es in Monthélie schon einen roten 1er Cru. ‚Die Lagen wurden vor 80 Jahren als ‚Volnay deuxieme Categorie‘ vermarktet, schmunzelt Boussey, während wir den Monthélie 1er Cru ‚Sur la Velle‘ 2015 probieren: Trotz des warmen Jahres kein Fett, aber tolle Konzentration, viel Tannin, beginnt sich zu öffnen und gefällt. Doch wieder stiehlt die Lage unterhalb des Luftzugs die Schau: Monthélie 1er Cru ‚Les Champs Fulliot‘ 2015 in rot ist der Hammer. In der Nase dem ‚Sur la Velle‘ ähnlich, wenngleich verhaltener, scheint am sehr festen Gaumen schon viel Frucht durch. Tolle Struktur, Wahnsinnspotential, großer Stoff für 20 Euro. In 5 Jahren schmeckt das nach 70 Euro. Auch hier gibt es auf der anderen Seite der Straße bekannte, wenngleich nicht ganz so berühmte, Entsprechungen. Die laufen dann unter dem Label Volnay 1er Cru. 

Je enger die Herkunft desto was?

Les Caillerets LagenkarteDas Prinzip Burgund, das vor allem die deutsche Winzerschaft so verehrt: je enger die Herkunft, desto besser der Wein, hat halt manchmal Macken. Da gibt es diesen Weinberg in Monthélie, in dem, wie in der Appellation üblich, weiß wie rot stehen darf und er ergibt die besten Weine. Also wird der obere Teil bei der Gründung der Appellation einfach ausgelassen und einer Nachbargemeinde zugeteilt. Leider gelten die beiden berühmten Nachbargemeinden nur für jeweils eine Weinfarbe. Kein Problem, wird halt doppelt umgemeindet. Ist die Traube weiß, ist es ein Meursault, ist sie rot ein Volnay, aber beide heißen Les Caillerets. 20 Meter weiter unten heißen beide ‚Les Champs Fulliot‘. Das hat selbstverständlich nichts mit den besseren Vermarktungsmöglichkeiten zu tun. Es ist der Luftzug! 

Wir haben unser Thema gefunden und sind nicht mehr so recht bei der Sache, als uns Laurent Boussey die letzten beiden Weine einschenkt. Volnay 2015 finde ich ordentlich, aber nach dem ‚Les Champs Fulliot‘ eher brav, Pommard 2015 ist sehr gelungen und ein Schnäppchen (25 Euro). Er tritt aber ebenfalls nicht aus dem (Wind-)Schatten meines Monthélie-Lieblings heraus. Das merkt auch unser Gastgeber, der die Zeit mit uns genossen zu haben scheint, denn er ringt sich durch, mir doch noch eine etwas konkretere Antwort auf meine Frage zu geben. ‚Also, man kann schon sagen, dass viele Leute herkommen um Volnay und Meursault zu kaufen und dann mit größeren Mengen Monthélie wieder vom Hof fahren.‘

Ich danke höflich für die Antwort. Von allein wäre ich da nie drauf gekommen.

5 Gedanken zu „Hübsche Töchter aus Monthélie“

  1. Toller Bericht, da bekommt man sofort richtig Lust den Wein zu probieren. Gibt es auch in Deutschland Bezugsmöglichkeiten?

    Viele Grüße

      1. Das ist zwar jetzt Nekroposting, aber ich lese den Blog erst jetzt. „Les Champs Fulliot“ liest sich in weiß und rot einfach zu gut, um es nicht zu versuchen…

        Ist denn daraus ‚was geworden? Hast Du noch Kontakt zum Winzer? Geht da was?

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