Tagebuch eines Klassentreffens

Das war es also: das zweite Vinocamp Deutschland, für mich persönlich das erste, nachdem ich die Premiere aus beruflichen Gründen verpasst hatte. Gespannt war ich: auf die Menschen, auf die Fachhochschule Geisenheim, auf die Partylocation ,Winebank‘ und nicht zuletzt auf das Veranstaltungsprogramm.

Unbegründete Ängste

Ich hatte Manschetten vor dem VinoCamp, das sei deutlich gesagt. Wie Kollege Utecht bin ich auch ein reiner Weintourist. Ich habe beruflich nichts mit Wein zu tun. Um Abbitte zu leisten, hatte ich mich vorab als Organisator einer der nachmittäglichen Weinproben verpflichtet.

Soziale Weinverkostung
Tod durch Verdursten – eher kein Risiko in Geisenheim

So konnte ich wenigstens etwas beitragen und kam nicht nur zum Lauschen und Schnutentunken (sic!). Doch meine Angst war unbegründet. Selbst reine Hobbyblogger sind auf dem VinoCamp gern gesehen. Und aufgrund meines beruflichen Hintergrundes in Online-Marketing und -Anzeigenverkauf konnte ich am Sonntagmorgen spontan eine Session anbieten, die zwar nichts mit Wein zu tun hatte aber trotzdem positive Resonanz fand. Neben Wein geht es auf dem VinoCamp auch um (elektronische) Medien und digitale Trends. Die Kritik, dass dem Camp ein wenig Sinnlichkeit fehlt, ist vielleicht nicht unberechtigt.

Das Vorglühen

Ich kam bereits am Freitagnachmittag an, da ich mich als freiwilliger Helfer zum Aufbau gemeldet hatte. Als ich eine Stunde nach Beginn des Arbeitseinsatzes mit der Bahn in Geisenheim eintraf, war bereits alles erledigt, was für Freitag anstand. Zur Feier der erfolgreichen Vorbereitung gab es ein Glas eines 2010er Ersten Gewächses des Weinguts der Forschungsanstalt, Villa Monrepos. Sehr erfrischend.

Die informelle Zusammenkunft aller Frühangereisten im Restaurant Altes Rathaus (ein Restaurant mit allen drei Entdeckerweinen auf der Weinkarte) in Oestrich begann noch bei strahlendem Sonnenschein im Innenhof des gemütlichen Gemäuers mit einem Glas des brandneuen Rieslingsektes ,Z‘ vom Weingut Balthasar Ress, genau genommen war es ein immervolles Glas, denn neben Dirk Würtz zu sitzen, während er seine Weine ausschenkt, hat einen konstanten Füllstand im Glas zur Folge. Wie oft bei Zero Dosage Pricklern fand ich den Wein anfangs hart, um ihn mit jedem Schluck angenehmer und weicher zu finden. Guter Stoff.

Fass 161 war besonders gut
Definitiv ein verwackeltes Foto wert: Pfaffenberg Riesling Auslese trocken 2007

Im Laufe des Abends gab es noch viele gute Weine, wobei mein Hauptaugenmerk darauf lag, meinen persönlichen Füllstand niedrig zu halten, um am nächsten Tag fit für das Camp zu sein. Bemerkenswert waren die Fassproben aller vier Ersten Gewächse von Ress. Da wird für jeden was zum mögen und ablehnen dabei sein, so unterschiedlich sind sie. Am Abend mein Favorit: der Rottland.

Ebenfalls in guter Erinnerung blieben der Spätburgunder Cuvée Daniel von Georg Müller Stiftung (2009?) sowie der Riesling Pfaffenberg (2007, Auslese trocken Fass 161) von Schloss Schönborn, vor allem aber interessante Begegnungen und Gespräche mit Menschen, die eines eint: Weinbegeisterung.

Das Barcamp – Tag 1

Der Themenmost eines Barcamps vergärt überwiegend spontan. In einer eigenen Community bei mixxt gab es einen Gäransatz in Form einer Wunschliste aber die endgültige Planung eines Tages erfolgt morgens vor Ort. Eine Art Keynote gab es von Rémy Gresser, dem Vorsitzenden des Winzerverbandes Elsass. Er sprach in der Session ,Quo Vadis, Elsass?‘ ungewohnt offen über die Fehler seines Anbaugebietes in den letzten 30 Jahren. Das war sehr unterhaltsam, wenngleich es mit meinem Zugang zu und Umgang mit Wein wenig zu tun hat. Es ist bei einem Barcamp nicht wichtig, dass sich in jeder Session diejenigen zusammenfinden, die am meisten über ein Thema wissen oder den gleichen Zugang dazu haben. Über den Tellerrand zu schauen und zu hören, was andere umtreibt, macht auch viel Spass.

Natürlich gab es auch Themen, die mich kalt ließen. Aber dafür finden immer gleichzeitig mehrere Sessions statt. Und wenn alle Stricke reißen, macht man einfach mal Pause oder nutzt die Zeit, um eine eigene Session vorzubereiten. Im Foyer der Hochschule standen zudem Stände einiger Sponsoren, an denen man interessante bis sensationelle Weine probieren konnte. Sehr gut: ein 2007er Riesling Grand Cru von eben jenem Rémy Gresser sowie die gehobenen Qualitäten einer Madeira-Session des Sponsors ,Rindchens Weinkontor‘. Weitere Weine, die ich erinnern werde, waren Andreas Dursts interessante Spätburgunder Fassprobe (weit unter Wert geschlagen), sowie die Pinots von Eser und Tiefenbrunner aus meiner im letzten Artikel beschriebenen Probe.

Die Party

Menschen die Wein mögen
Die Dame von der Dachmarke und der Händler mit dem charmanten Akzent

Am Abend fand sich die bunte Schar von rund 150 Teilnehmern zu einer Party in der Winebank ein. ,Keine Angst vor altem Wein‘ war das Motto, und jeder Teilnehmer hatte eine Flasche dazu mitgebracht, die mindestens zehn Jahre auf dem Buckel hatte. Die hatte er oder sie bei der morgendlichen Anmeldung mit seinem Namen beklebt und abgegeben, um sie abends gegebenenfalls gekühlt und geöffnet in der Winebank wieder entgegennehmen zu können. Man kann den vielen fleißigen Helfern vom Orga-Team gar nicht genug für die perfekte Organisation danken.

Nachdem der Tag schon viel Wein mit sich gebracht hatte, schaffte ich noch einen Probeschluck aus ein paar Flaschen, bevor ich die Segel strich und mit einigen Gleichgeschädigten ein Reparaturbier in einem fiesen Irish Pub in Rüdesheim zu mir nahm. Zu viele hatten den Aufruf, einen alten Wein mitzubringen, zur Entsorgung von Kellerleichen genutzt – mein eigener von Othegraven 2001er Bockstein machte in meinen Augen keine Ausnahme. Echte Altweinliebhaber kamen auf ihre Kosten, alle anderen konnten sich ein für alle mal davon überzeugen, dass alter Wein nicht automatisch guter Wein ist.

Der zweite Tag

Diszipliniert erschien der Großteil der Teilnehmer auch am zweiten Tag pünktlich zum Camp. Für mich Höhepunkt des Sonntags war die Fehlerweinprobe mit im Geisenheimer Labor präparierten Weinen. Bereits die Kork-Station im Foyer, bei der sich jeder an seine persönliche TCA-Schmerzgrenze heranschmecken konnte, hatte mich begeistert. So etwas kann ich als Hobbyblogger nur beim VinoCamp genießen.

Nach dem gemeinsamen Aufräumen am Nachmittag ging es an das Verteilen überzähliger Weine und wer wollte, konnte mindestens so viele Flaschen wieder mit nach Hause nehmen, wie er mitgebracht hatte. Ich griff mir nur eine – und so gebar das tolle VinoCamp 2012 noch als letzte Premiere meine erste geschnorrte Flasche Wein:

Guter RoterGrenzhof Fiedler, Leithaberg DAC (Blaufränkisch, Mörbischer Goldberg), 2009, Burgenland. In der Nase und am Gaumen unmittelbar nach dem Öffnen erst mal fröhliche Konsenskirsche. Ich wähne mich in Italien, wo ich mich nicht so heimisch fühle. Doch schon mit wenig Luft kommt Zigarrentabak, Pflaume und etwas Holz dazu, wieder selten einmütig in der Nase und am Gaumen. Nach einer Stunde ist der Wein da, wo er vermutlich sein soll: sehr saftig mit ordentlich Säure, feines Holz, schöne Frucht. Ich mag die Struktur, weil er nicht so fett ist. Die Säure spielt die erste Geige. Ein Blaufränkisch für Spätburgunderliebhaber (gemacht von einem Cabernet-Trinker, aber das sei ihm verziehen). Der Abgang ist mittellang, der Alkohol (13,5%) unauffällig. Gefällt mir sehr gut – nicht nur, weil er ,für umme‘ ist.

6 Gedanken zu „Tagebuch eines Klassentreffens“

Schreibe eine Antwort zu Bastian Foerg (@bfoerg)Antwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.