Simple Genüsse (7)

Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Notizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Rudolf Sinß, Windesheimer Rosenberg, Spätburgunder trocken, 2005, Nahe. In der Nase ein wenig Vanille, Kirsche und die typisch deutsche Note, die ich so gerne in passenden Worte beschriebe (woran ich aber bekanntlich seit Jahren scheitere). Am Gaumen leicht, süffig, mit Himbeere, Erdbeere, noch etwas schmeckbarem Holzeinsatz, leichter Mineralik, kräftiger Säure und angenehm unauffälligen 13% Alkohol. Ziemlich schlank und genau in mein Beuteschema passend. Der Abgang könnte etwas länger sein aber sonst gibt es nichts zu meckern – leicht gekühlt auf der Terrasse zu trinken, wenn der Speisenplan Weißwein ausschließt.

Peter Lingen, Neuenahrer Schieferlay, Spätburgunder trocken, 2006, Ahr. In der Nase sehr fruchtig mit Himbeere, gekochter Erdbeere und etwas Kirsche, dazu eine leichte grüne Note, die ich so gerne mit Tomatenpflanze umschreibe (wer im eigenen Garten Tomatenpflanzen hat und nach der Arbeit an selbigen an seinen Fingern schnüffelt, weiß, was ich meine). Am Gaumen ist der Spätburgunder sehr voll und fruchtig, cremig bei nur wenig Tannin, schmeichlerisch und süß. Die vergleichsweise bescheidenen 13,5 Prozent Alkohol stechen etwas hervor, der Abgang ist mittellang. Mit 3,7 Gramm pro Liter hat der Wein viel Restzucker für einen Spätburgunder, mit 4,8 Promill verhältnismäßig wenig Säure. Trotzdem wirkt er nicht pummelig. Der Abgang ist mittellang, der Wein ein schöner Alltags-Spätburgunder.

Markus Molitor, Bernkasteler Lay, Riesling Spätlese trocken, 2005, Mosel. Ein großer Wurf von Molitor: die Nase, noch leicht von einem Spontistinker gestreift, ist herrlich würzig mit Muskat und sehr cremig mit Banane, Mango, Aloe Vera und Vanille. Am Gaumen ist der Wein ebenfalls cremig aber mit einigen Bittertönen und einer so heftigen Mineralik ausgestattet, dass sich ein spannender Kontrast ergibt. Die Säure ist Mild und in Würde gereift, der Wein nicht ganz trocken aber auch nicht aufgesetzt süß – da sind wiederum die Bitterstoffe vor. Aprikose Malz, bittere Orangenmarmelade und ein Hauch Karamell: mollig dunkle Aromen treffen auf belebende Mineralik und ergeben einen sehr langen Abgang, der von sehr gut eingebundenen 12,5% Alkohol nicht weiter gestört wird.

Es bleibt in der Familie

Die beiden ersten ernsthafte Flaschen meiner Weinkarriere waren ein Geschenk meines Vaters: ein Achat von Laible und eine trockene ‚S‘-Klasse vom Karthäuserhof. Eine würdigere Inauguration in die Rieslingwelt Es bleibt in der Familie weiterlesen

Die Wuchtbrumme

Die Welt ist voller Weine, die schmecken, als hätte der Winzer ganz viel gewollt. Erschreckend wenige Weine schmecken so, als hätte der Winzer erreicht, was er wollte. Ich freue mich immer besonders, so einen Wein im Glas zu haben, es kommt schließlich selten genug vor.

Es sei so reifes und gesundes Lesegut gewesen, wie man es vielleicht im ganzen Leben nicht mehr in die Finger kriegt, beschrieb Stefan Steinmetz vor einigen Jahren die Situation bei der Ernte seines Spätburgunders 2003. Der Wein war damals bei einer Probe ziemlich mächtig und mächtig zugeholzt. Da hatte der Winzer eine bewußte Entscheidung getroffen. Er wollte dem besonderen Ausgangsmaterial eine besondere Behandlung angedeihen lassen.

Es waren nicht mehr viele Flaschen da, also wanderte nur eine in meinen Keller. Jetzt ein paar Jahre später, kam die Probe aufs Exempel. Und der mächtige Wein hat sich mit dem mächtigen Holz vertragen. Ich wiederhole mich vorsichtshalber: ich habe ein rechtes Bibergebiss und bin wenig empfindlich bei Holzeinsatz – aber das bedeutet nicht, dass ich keinen Wert auf Balance lege.

Günther Steinmetz, Spätburgunder Auslese trocken **, 2003, Mosel. Unmittelbar nach dem Öffnen verströmt der Wein eine unglaubliche Frucht, das quillt aus dem Glas, füllt den ganzen Raum und erinnert mich an meine Begegnung mit Gajas Barbaresco – auch weil der Spätburgunder wenig typisch nach italienischem Kirschkitsch duftet. Der erste Schluck ist furztrocken, etwas karg und endet in einer Wand aus Holz und Teer. Mit einer Stunde Luft wird die Nase leiser, Blaubeere und Marzipan sowie ein wenig Joghurt tauchen auf. Am Gaumen fächert der Spätburgunder ebenfalls auf, er wird fruchtiger, süßer, schmeckt nach Kirsche und Pflaume, brennt ganz leicht, obwohl er 14,5% Alkohol gut integriert. Ein ganz strammer Wein mit Kraft, einem ordentlichen Säuregerüst, Mineralik und Tiefgang. Im Abgang zeigt sich reichlich Tannin, dass über die nächsten drei Tage gelegentlich die Oberhand gewinnt und dann austrocknend wirkt. Ein oder zwei Jahre weiterer Reife bedeuten für diesen Wein sicher einen Fortschritt. Der Abgang ist unendlich lang. Was für ein Tier!

Ganz eigennützig wünsche ich dem Winzer, dass er noch oft solches Lesegut in die Finger bekommt.

B wie Brot&Butter

Das Thema dieser Ausgabe der Weinrallye, vom Weinreich-Blog ausgetragen, ist für mich eigentlich eines zum Pausieren: In meinem Keller finden sich vermutlich so viele Brot-und-Butter-Weine wie Trachtenjanker in der Technodisko. Ich bin bei den Winzern eher für die Wurst zuständig.

Von einigen Moselwinzern wie Jörg Thanisch oder Stefan Steinmetz habe ich das ganze Sortiment im Keller. Doch sind das klassische Kollektionen: Kabinett, Spätlese, Auslese. Da müsste ich den Brot-und-Butter-Wein erst recherchieren. Ich stelle mir das spannend vor. Anruf im Weingut: Guten Tag Herr Thanisch, können wir kurz über den Deckungsbeitrag Ihres Kabinetts sprechen, ich möchte da was im Internet veröffentlichen…

Also bleibt wieder nur der Spätburgunder, bei dem ich mich ja erst kürzlich als Liebhaber des Einfachen geoutet habe. Im Rotwein-Kellerbuch fand ich denn auch den geeigneten Kandidaten: den Spätburgunder ‚B‘, weithin verfügbarer, gehobener Einstiegswein von Pinot-Papst Friedrich Becker. Dass er ‚B‘ heißt, wie Becker oder Burgunder, hatte ich immer als etwas plump empfunden. Aber jetzt hab sogar ich es begriffen: das ‚B‘ steht in Wahrheit natürlich für Brot und Butter. Ich Dummerchen…

Friedrich Becker, Spätburgunder ‚B‘, 2007, Pfalz. In der Nase ist der Wein sehr Deutsch (auch wenn ein Teil der Trauben aus Frankreich stammt): Holz, Kirsche, Pflaume, gekochte Beeren und Rauch. Ein Jahr lag der Wein in kleinen Holzfässern aber ich möchte wetten, dass das weitgehend als Nachmieter geschah, denn am Gaumen halten sich Frucht und Holz die Balance. Es sind durchaus ein paar dunkle Teer-Aromen vorhanden (nicht dass ich schon mal in Teer gebissen hätte, aber wer je einen ‚dunklen‘ Spätburgunder oder Barolo getrunken hat, erahnt, was ich meine) aber es steht dem einiges an Frucht gegenüber: Kirsche und Himbeere, gepaart mit einer feinen Säure. Der Abgang ist lang. Mineralisch fand ich den Wein eher nicht aber Hey, das ist auch nur der Brot-und-Butter-Wein. Dafür ist der ‚B‘ schon ziemlich großes Kino.

Rantrinken (3)

Es ist paradox. Drei Viertel der von mir getrunkenen Weine sind Weißweine, darunter deutlich mehr als die Hälfte Rieslinge. Dabei bin ich ein Snob, Literrieslinge besitze ich nicht, die Zahl der Gutsweine in meinem Keller kann man an einer Hand abzählen, selbst wenn man durch einen Unfall Finger verloren hätte.

Beim Rotwein hingegen, dem verbleibenden Viertel, sind mehr als die Hälfte Spätburgunder und darunter eine erhebliche Zahl einfacher Qualitäten. Ich wiederhole mich, will aber noch einmal die Vorzüge eines leicht geholzten Spätburgunders mit mittlerer Dichte als Begleiter zu Gegrilltem betonen.

Doch auch ohne Speisen entwickle ich bei einigen dieser Weine einen gefährlichen Trinkfluss. Wenn je ein Folterknecht vor mir stünde und offenbarte, er habe eine schlechte und eine gute Nachricht, und die schlechte wäre, ich müsste mich zu Tode trinken, die gute, ich dürfte mir aussuchen womit – ich wählte wohl einen Wein wie diesen hier.

Günther Steinmetz, Mülheimer Sonnenlay, Spätburgunder Spätlese trocken, 2007, Mosel. In der Nase ist der Wein grün, Kerbel, Brennnessel, Gras aber auch ein wenig Himbeere. Am Gaumen ist der Wein frisch und saftig, wiederum mit Himbeere aber auch mit Stachelbeere. Aus einem schwarzen Glas genossen, würde ich ihn vielleicht für einen fülligen Sauvignon Blanc halten (man sollte seine Grenzen kennen). Die Struktur ist von dezentem Holz und ein wenig Mineralik geprägt, der Abgang ist sehr lang. Vermutlich nicht jedermanns Sache aber mir besonders lieb.