Der Angstgegner

Jeder Liebhaber mit eigenem Weinkeller kennt diese Situation: da liegt ein Wein oft jahrelang in einem Regal, lacht den Besitzer an, der die Flasche immer wieder in die Hand nimmt und dann doch zurücklegt. Anfangs ist ihm der Wein zu jung, dann ist er ihm zu lang gehegt, um ihn allein zu trinken, dann ist er so besonders, dass er mit ganz speziellen Weinfreunden geteilt werden muss und irgendwann wird er hastig der Notschlachtung zugeführt, denn er droht den Zenit der Reifung zu überschreiten.

So weit, so normal – in meinem Keller gibt es solche Flaschen auch. Und dann war da noch die Flasche, die ich immer wieder in die Hand nahm und aus einem ganz anderen Grund zurücklegte: Ich hatte Angst vor ihr. Das war keine irrationale Angst, sie hatte ihren Ursprung nicht in der Esoterik – keine Witze über Kellerleichen und Flaschengeister also, ich muss Sie enttäuschen. Der Zufall hatte sie mir in den Keller gespült und es war der Inhalt, den ich fürchtete.

Chateau Montus ist ein Klassiker der Weinwelt, kein Kultwein, sondern einer der vor allem auf Listen auftaucht, die der Weinfreak abarbeiten muss, wenn er sagen will: ‚Ich habe die wichtigsten Weine der Welt getrunken‘ – nicht die teuersten oder besten, sondern die markantesten. Er stammt aus dem Anbaugebiet Madiran und er besteht aus der Rebsorte Tannat. Viele sagen, er sei der beste Tannat, zumindest ist er der bekannteste.

Meine erste Begegnung mit der Rebsorte Tannat war gleichzeitig meine erste Begegnung mit einem Wein aus Uruguay. Das klingt verrückter als es ist, denn in Uruguay ist Tannat eine führende Rebsorte. Mehr als Tausend Hektar Rebland sind laut Wikipedia rund um Montevideo und am Rio de la Plata mit dieser Rebsorte bestockt, das sind zehn Prozent der Anbaufläche. Und die Südamerikaner machen aus dieser ohnehin tanninstärksten Rebsorte unseres Planeten einen echten Cowboy-Wein. Hui, war das ein Stoff, flüssiges Schmirgelpapier, allen anempfohlen, die ‚Kalinka’ einmal in Ivan Rebroffs Stimmlage singen wollen.

Chateau_Montus_Madiran

Also hatte ich gehörigen Respekt vor Tannat und legte die Flasche immer wieder zurück. Neulich habe ich sie mir endlich in einem Anfall großen Mutes geschnappt. Jetzt habe ich also einen weiteren der Weine getrunken, die ‚man‘ mal getrunken haben muss. Und ich habe gelernt. Tannat kann sehr fein sein, Tannat altert toll und gereifter Tannat ist nichts, wovor ich mich fürchten muss. Die nächste Flasche Montus lege ich mir ganz bewusst und freiwillig in den Keller, und wenn ich sie dann in die Hand nehme und doch wieder zurück lege, dann nur, weil er zu schade ist, um ihn alleine zu trinken.

Chateau Montus, 1999, Madiran, Frankreich. Auch nach bald 15 Jahren ist der Wein von beeindruckend tintiger Farbdichte. In der Nase grüßt Südfrankreich mit Leder und Schuhcreme, Lakritz und etwas Stall. Dazu gesellt sich Holz und (wenig) Frucht: Brombeere und Blaubeere. Am Gaumen ist der Montus aber erstaunlich fruchtig mit vielen dunklen Beeren, dazu Bleistift, sehr würzig, vollmundig, ganz feines Tannin, davon aber reichlich. Dank feiner Säure ist er trotzdem saftig. Nur 12,5 Prozent Alkohol machen das Vergnügen leicht. Der Abgang ist extrem lang, von Tannin getragen aber nicht austrocknend. Grandioser Wein, keine Minute zu früh geöffnet.

Knarzige Zeitreise

Neulich fiel mir beim Aufräumen eine Flasche in die Hände, die mich auf Zeitreise schickte. Zurück in das Jahr 2006 ging es. Eine Phase, in der ich schwer beschäftigt war meinen Weinkeller voll zu machen. Und dabei suchte ich nach Inspiration. Blogs gab es noch nicht (zumindest keine Weinblogs) und die Weinpresse beschäftigte sich zu 90 Prozent mit Schnäppchen für den Alltag oder teuersten Gewächsen, die Mittelschicht wurde vernachlässigt, fast wie in der Politik (Achtung, Ironie!). Ich kann diesen Aspekt des Alltags ganz banal zusammenfassen: früher war mitnichten alles besser. Heute fällt es viel leichter sich interessante Tipps und Anregungen zu holen auf der Suche nach Wein jenseits der ausgetretenen Pfade. Knarzige Zeitreise weiterlesen

Weinrallye #62 oder: Wein von den Hängen des Hades (2)

weinralle62Heute geht‘s bei der Weinrallye um Weine unter 5€. Die provokante Frage der betrunkenen Montage lautet: 5€, die Grenze des guten Geschmacks? Eigentlich ist diese Weinrallye für mich eine zum Auslassen, da ich die 5€-Debatte albern finde – doch da ich direkt nach meinem Artikel über die WineMeister App so die Möglichkeit habe diese einmal auszuprobieren, nehme ich gerne teil.

In meinem Keller gibt es keinen Wein für 5€. Das ist ein Fakt, kein politisches Statement. Wäre die Grenze 5,20 Euro gewesen, hätte ich mit einer Flasche aus dem eigenen Keller teilnehmen können. Wäre ich gezwungen 10 Lieblingsweine aus meinem Keller auszuwählen, kämen drei der 5-Euro-Grenze nahe: Fiedlers Chardonnay, Thanischs Weißburgunder und Steinmetz‘ Pinot Meunier. Danach würde es dann zweistellig. Ich kenne einige Erzeuger, die hervorragende Riesling Kabinett Weine für weniger als 5€ anbieten. Die sitzen meist in der Pfalz oder Rheinhessen und Kabinett trinke ich – ohne das vernünftig begründen zu können – nur von der Mosel. Meine bevorzugten Erzeuger dort wollen alle einen Euro mehr haben.

Als ich anfing mit der Weinliebhaberei, trank ich gern und regelmäßig italienische Rotweine. In Italien gibt es Erzeuger, die Weine für weniger als 5€ anbieten, die vom Gambero Rosso Führer gar zwei Gläser (von maximal drei möglichen) verliehen bekommen. Etliches habe ich probiert und bei vielen verstanden, warum sie hoch bewertet wurden. Ein Jahr meines Lebens habe ich in Südspanien gelebt, da würde die zentrale Frage dieser Rallye nur Kopfschütteln auslösen. Deswegen behaupte ich mit Vehemenz: es gibt sehr viele Weine unter 5€, die hohen Ansprüchen genügen und mindestens großartig schmecken.

Ich hab‘ nur leider gerade keinen da. Und das nächste Weinanbaugebiet ist 400 Kilometer weit weg. Also muss ich in den Supermarkt. Ich gehe zu Rewe. Den Weg zum nächsten Markt zeigt mir die WineMeister App. Sie befrage ich auch nach einem guten Tipp. Ich will Rotwein, denn aus Erfahrung behaupte ich, dass ein Weißwein unter 5€ aus dem Deutschen LEH höchstens gut trinkbar ist (bei Winzerweinen sieht das ganz anders aus, siehe oben). Chateau de Montrabech 2011 schlägt mein Smartphone vor, Corbieres. Südfrankreich. 2,99€. Der sei charakterstark, herb, solle eine Stunde dekantiert werden und bringt es dann auf dreieinhalb WineMeister-Gläser (von fünf möglichen). Das ist die höchste Bewertung aller Supermarktweine unter 5 Euro.

Ich will es wissen und öffne einen Referenzwein. Ich habe eh‘ einen Gast heute Abend. La Torre von der Domaine Gardies. 2003. 28 Euro. Fair geht anders. Aber mein Gast trinkt gerne Rotwein und hat nix mit Etiketten am Hut. Da werde ich eine ehrliche Antwort bekommen. Sie entscheidet sich für den Montrabech!

Ich entscheide mich zwar für den Gardies aber das Fazit ist ein positives. Die App hat mir einen sehr ordentlichen Wein empfohlen. Die Bewertung konnte ich nachvollziehen und der Wein ist ein perfekter Beweis, dass  ein guter Tropfen auch weniger als 5€ kosten kann.

Chateau de Montrabech, Corbieres AOC, 2011, Südfrankreich. In der Nase fruchtig, Kirsche, Himbeere, dazu Röstaromen, sehr sauber ohne den typischen Südfranzosenstinker. Am Gaumen etwas Vanille, mittleres Volumen und Dichte, fruchtig, nicht übermäßig viel aber recht feines Tannin. Der Abgang ist etwas kurz und es fehlt ein wenig an Tiefe. Aber das ist ein schöner Wein, den man mir blind auch als Zehn-Euro-Kandidaten hätte unterjubeln können.

Meine erste Ersatzflasche

Es gibt wenige Aspekte des Weingenusses, die ich so albern finde wie Korken – Diskussionen über Korken vielleicht. Im Zeitalter von Facebook werde ich regelmäßig Zeuge dieser Diskussion – merke: Einzahl, denn es ist immer die gleiche Diskussion. Ausgelöst wird sie zumeist durch die Statusmeldung eines verhinderten Genießers, der beklagt, dass sein gerade geöffneter edler Tropfen korkend als stinkende Brühe aus der Flasche läuft – Echtzeitjammern sozusagen – verbunden mit dem Ausruf: ,Dreckskork‘ (hier sind begrenzt Variationen möglich).

Im nächsten Schritt melden sich ein bis drei Unterstützer, die beifällig murmeln auch sie fänden es absurd, dass man ein Stück Baumrinde für die Genussmittelverwahrung verwende – in der Deluxe-Edition verbunden mit einem Hinweis auf die umweltfrevelhaften Dünge-, Pflanzenschutz- und Bleichmethoden der südeuropäischen Produzenten.

Mit der Präzision einer Sinuskurve folgt als nächstes die Gegenbewegung in Form eines Kommentars von einem Weinfreund, der bemerkt, er sei ja auch ein großer Fan des Schraubers, allerdings nur für die Basis bitte, denn Spitzenweine benötigten schließlich den  Sauerstoff zum reifen. Wie orbi auf urbi folgt darauf ein Hinweis, ein guter Korken sei absolut gasdicht, wie ,die Wissenschaft‘ hinlänglich belegt habe. Der ungebildete Gasdurchlasser trollt sich und macht Platz für einen kleinen Einwurf zu Glasverschlüssen, der mit dem Hinweis beiseite gewischt wird, dieser sei längst tot weil nicht in die USA exportierbar (,Ich sag nur: Produkthaftung! Ein Glassplitter in der Flasche und die Millionenklagen fliegen dem Produzenten nur so um die Ohren‘).

Auftritt der Plopper: Nun möchte jemand über die Romantik, das Ritual und sonstige positive Aspekte des ,Plopp‘ sprechen. Selbstredend ist dies nicht dem Vortragenden selbst wichtig, sondern dem ,Durchschnittskonsumenten‘. Er wird brutal umgegrätscht von einem Weinkellner in Ausbildung, der erklärt, ein guter Sommelier wisse das ,Plopp‘ zu vermeiden und in der gehobenen Gastronomie werde die Flasche eh nicht am Tisch geöffnet (was zugegeben am Thema vorbei geht, weil kaum jemand sich noch gehobene Gastronomie leisten kann).

Früher lief die Diskussion ab diesem Punkt langsam ins Leere, doch seit sich auf Facebook Konsumenten mit Produzenten verbrüdern, gewinnt die Diskussion an Komplexität: Auftritt eines Winzers, der ein Foaf-Tale zum besten gibt. Das ist eine Geschichte, die dem Freund eines Freundes passiert ist (friend of a friend, in der Forschung über ,urban legends‘ eben mit foaf abgekürzt, in meiner Generation auch als Spinne in der Yucca-Palme bekannt): Der Schrauber, falsch justierte Maschine, alles undicht, 60% Verlust, Riesenschaden, oje oje. Sollte der Foaferzähler gerade im Urlaub sein, springt ein freundlicher Kollege ein, der zu Protokoll gibt, er sei ja wieder zum Korken zurückgekehrt, weil sich Weine ,unter Schrauber einfach nicht so gut entwickeln‘. Kurzer Diskussionsstrang der Profis (und solcher, die sich dafür halten) unter sich. SO2-Spiegel dem Verschluss anpassen, Kohlensäure etc. pp – für mich heißt‘s hier immer Wecker stellen.

Dann kommt erneut ein Verbraucher und stellt die Frage, ob es denn überhaupt Erfahrungswerte mit Schraubern gebe, die zuverlässige Aussagen über das Reifeverhalten über Jahrzehnte…“PENFOLDS“ schreit die Gemeinde unisono. Das sollte mittlerweile jedes Kind wissen, dass dort noch Probeflaschen aus den 70ern auf die Verkostung warten, die mit Screwcap (jetzt wird‘s international) verschlossen sind. Aha, aber wie steht‘s mit Bordeaux? Ja, da wird jetzt auch schon verschraubt, meldet sich meist ein Händler zu Wort. Anschließend wieder ein Winzer: der bringt Egon Müller ins Spiel, denn es sei ja wohl vollkommen unvorstellbar, dass der seine TBAs verschraubt. Die Teilnehmer werden müde, man wird kompromissbereit, macht Vorschläge zur Güte: ,Wenn Du wirklich Pech mit dem Korken hast, dann bekommst Du die Flasche doch vom Händler oder Winzer ersetzt‘. Wenn noch Energie vorhanden ist, meldet sich einer der zahlreichen anwesenden Juristen und erklärt die mögliche Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses bei Korkfehlern. Es folgt nur noch halbherzig ein verächtliches Schnauben, dass man ja wohl kaum nach 5 Jahren zum Händler zurückkehren könne oder dass der Winzer 600 Kilometer weit weg ist und es höchstens möglich wäre – da der Wein längst ausverkauft und der aktuelle Jahrgang viel teurer ist – die Rücküberweisung von 13 Euro zu verlangen, was irgendwie albern klänge. Das halten alle Parteien für ein würdiges Schlusswort.

Es ist alles gesagt, von allen!

Naja, fast alles: Ich bin ein Mann und als solcher für Technik zu begeistern – mehr noch als für Romantik. Und deswegen muss ich einmal widersprechen: ,Plopp‘ ist nett, irgendwie retro, aber das Öffnen eines Glasverschlusses: das ist High-Tech-Revolution. Meine erste mit Glasstopfen verschlossene Weinflasche war so aufregend wie mein erster Mietwagen mit schlüssellosem Zugangssystem. Faszinierend! Habe den ganzen Abend diese Flasche auf und zu gemacht. Ich glaube ganz fest, wenn man 1000 männlichen Verbrauchern – und das sind in Punkto Wein die Kaufentscheider – die Wahl zwischen Glasverschluss und Korken gibt um eine Dame zu beeindrucken, 983 werden den Glasverschluss wählen (und traurig sein, dass sich die Dame nicht stundenlang über dieses Hightech-Präzisionsinstrument unterhalten mag).

Großer Cab aus AustriaUnd einmal muss ich zustimmen. Ich habe noch nie bei einem Händler oder Winzer eine korkende Flasche reklamiert. Trotzdem habe ich mal eine ersetzt bekommen. Der Winzer hatte gelesen, dass ich seinen Wein aufgrund Korkfehlers nicht genießen konnte. Er hat mir einen neuen geschickt, was mich enorm gefreut hat – ich wusste von einer Probe, wie gut der ist. Am Wochenende habe ich ihn getrunken.

Grenzhof Fiedler, Cabernet Sauvignon, 2003, Burgenland, Österreich. In der Nase fruchtig und süß mit typischer Johannisbeere, nur mäßigem Holz und einer leckeren Toffee-Note.  Am Gaumen zeigt der Wein ganz feines Tannin, spürbare Mineralik und eine schöne Struktur: er ist körperreich aber nicht fett, fruchtig mit Johannis- aber vor allem Brombeere, dazu Kaffee, helle Schokolade und feines Holz. Mit und nach dem Essen wirkt er noch eine Spur süßer aber auch auf animierende Art adstringierend. Trotz des heißen Jahres kam der Wein mit nur 13,5 Prozent Alkohol in die Flasche, das unterstützt die Eleganz – ebenso wie der enorm lange Abgang.

Der Winzer erzählte mir beim Vinocamp, Cabernet sei seine Lieblingsrebsorte. Kann ich verstehen. Wenn ich solche Drogen anbauen würde, wäre ich auch gefährdet.

Weinrallye 61: Syrah – oder: Mein erster Io

Syrah ist das Thema der heutigen Weinrallye und ich will nicht verhehlen, dass meine Teilnahme dem Zufall geschuldet ist. Der Wein war eh gerade dran. Das trifft sich gut.

Rallye61Der Umgang der Deutschen mit ihren Weinen treibt die Netzgemeinde um, seit Captain Cork ihn in einem Artikel thematisiert hat. Pauschale Aussagen über Völker finde ich problematisch, dazu habe ich zu viele Spanier getroffen, die gar nicht stolz waren, zu viele Engländer ohne Sommersprossen und zu viele Amerikaner mit Normalgewicht. Doch so ein paar herkunftsbedingte Macken sind nicht zu leugnen.

Stelle einem Deutschen ein Glas mit den Worten hin: ,Probier mal, das ist der beste Wein der Welt‘ – er wird den Rest des Abends damit verbringen, europäische Weine aufzulisten, die diesen Titel viel eher verdienen (und deutsche dabei peinlichst vermeiden, aber das ist heute nicht das Thema). Ein Franzose antwortete vermutlich (ohne vorher zu probieren): ,Danke, dass Du mir einen Wein aus meiner Heimat servierst‘ . Nur der Amerikaner (der normalgewichtige) würde antworten: ,Es ist eine Ehre, dass Du für mich den besten Wein der Welt aufmachst‘ – Respekt ist eine der Grundtugenden des kultivierten Teils der US-Bevölkerung. Die andere ist eine mit ,anything goes‘ ebenso vage wie zutreffend beschriebene Haltung. Also dächte mein amerikanischer Freund bei sich: ,Das kann ich auch‘. Tränken wir ein Fläschchen, würde er mir dieses auch mit gebührendem Respekt ins Gesicht sagen. Tränken wir drei, überredete er mich gar, das Projekt gemeinsam mit ihm anzugehen.

So oder ähnlich trug es sich wohl vor vielen Jahren zu, als Robert Mondavi, Ikone des US-Weinbaus, ein paar Pülleken Chateau Mouton Rothschild pichelte – nur dass nicht ich ihm diese servierte, sondern Baron Philippe de Rothschild himself. Das Ergebnis ist legendär. Die beiden taten sich zusammen und kreierten Opus One. Der Kalifornische Bordeaux-Blend gehört heute zu den großen Rotweinen der Welt.

Amerikaner glauben, dass man alles immer noch besser machen oder zumindest große Erfolge wiederholen kann. Also ergab es sich ein paar Jahre später, dass Mondavi das Rhone-Tal bereiste und die besten Syrah-Weine der Welt trank. Leider hatte er scheinbar niemanden, mit dem er drei Pülleken trinken konnte, denn als er zurück nach Kalifornien kam, gründete er zwar ein Weingut namens ,Io‘, welches künftig im Santa Barbara County einen Weltklasse-Syrah hervorbringen sollte, doch er tat dies alleine – und vielleicht deswegen mit nur mäßigem Erfolg. Der ,Io‘ landete alsbald in den Restekisten europäischer Weinhändler und wechselte für 30 Euro statt der erhofften höheren Beträge den Besitzer. Eine dieser Restflaschen hielt vor etlichen Jahren auch Einzug in meinen Keller.

Neulich hatte ich Besuch von einem Weinfreund mit Rotweinvorliebe und da bot sich die Gelegenheit, den ,Io‘ seiner Bestimmung zuzuführen. Ich servierte ihn blind und mein Gegenüber tippte zunächst auf einen gereiften Italiener. Mit dreißig Minuten Luft stellte sich dann echtes Südfrankreich-Feeling ein und wir waren überrascht. Ob der Vorgeschichte hatten wir höchstens Mittelmaß erwartet. Das Erlebnis war aber aller Ehren wert und für die tatsächlich bezahlten 30 Euro sogar ausgezeichnet.

Mondavi_IO_1999Io (Robert Mondavi), Io Red Wine, 1999, Santa Barbara County, Kalifornien. Der Wein besteht zu 80% aus Syrah, 11% aus Grenache und 9% aus Mourvedre. In der Nase unmittelbar nach dem Öffnen kalifornische Fruchtbombe, dann gereifter Italiener und schließlich Rhonetal-Kuhstall mit Kirsche, Pflaume, Eukalyptus und Zedernholz. Am Gaumen hübsch fruchtig mit Kirsche und Brombeere, dazu Lakritz und Holz. Das Tannin ist sehr fein, der Wein sehr voll und der Alkohol (14,5%) macht ordentlich Dampf ohne zu übertreiben. Der Abgang ist ausserordentlich lang und yummie (um die kalifornische Variante von lecker ins Spiel zu bringen). Schnäppchen!