Am Montag hat die offizielle Premiere der Großen Gewächse des VDP in Berlin stattgefunden. Es war der Auftakt zu einer Reihe von Veranstaltungen, bei denen die Weine in den nächsten Monaten an verschiedenen Orten gezeigt werden. Einen Überblick über die Termine finden Sie beim VDP. Da ich in Wiesbaden nicht alles geschafft hatte, machte ich mich auf den Weg letzte Lücken zu schließen. GG Premiere Berlin – Der Rest vom Schützenfest weiterlesen
Kategorie: sonstige Rotweine
Die After-Show-Party
Das schönste an einer Weinprobe ist für viele das Bier danach. Da ich Bier nicht gut vertrage, bin ich nicht in Versuchung: Für mich ist das schönste an einer Weinprobe die Weine danach. Das liegt auch daran, dass die meisten von mir besuchten Weinproben keine professionellen Verkostungen, sondern Versammlungen von Enthusiasten sind. Und nach dem offiziellen Programm beginnt bei solchen das etwas planlose aber umso begeistertere Querbeet-Blind-Probieren. Nach der letzte Woche beschriebenen Lembergerprobe war es wieder soweit und diesmal oblag es mir, den Zeremonienmeister zu geben.
Diesem Zeremonienmeister kommt die besondere Rolle zu, die Stimmung seiner Gäste zu spüren und den dazu passenden nächsten Wein zu finden. Dabei sollte er Selbstbeherrschung an den Tag legen, der Versuchungen sind viele. Er ist der einzige, der weiß, was die Gäste im Glas haben und das gilt es, die anderen niemals spüren zu lassen. Idealerweise lenkt er sie behutsam in die richtige Richtung, stellt der Reihe nach Konsens über Rebsorte(n), Anbaugebiet, Jahrgang und weiteres mehr her, denn das größte Vergnügen bei der After-Show-Party ist das gemeinsame Erraten des Glasinhaltes. Jede hochgezogene Augenbraue bei weit am Glasinhalt vorbei zielenden Mutmaßungen gilt es zu unterdrücken. Überhebliche Moderatoren sind die schlimmste Form des Party Poopers. Also steuert er demütig und mit Pokerface den Dialog der Gäste bis er in der Hoffnung aufdeckt deren Geschmack getroffen zu haben.
Los geht das Ratespiel häufig mit einem Reparaturwein, nach Rotweinproben meist einem süßen Riesling. Letzte Woche startete ich meinen Job unter erschwerten Bedingungen, denn nur zwei Mitstreiter gelüstete es nach einer Auslese, der Großteil wollte noch ein wenig weiter die Reste aus den Rotweinflaschen nachverkosten. Also öffnete ich eine Halbflasche. Kaum war das Plopp des Korkens verklungen, änderten jedoch alle Teilnehmer ihre Meinung. Also folgte eine ganze Flasche einer weiteren Auslese – die After-Show-Party trägt auch den Beinamen ‚Stunde der Kühlmanschetten‘. (Kühlmanschetten sind sowieso das wichtigste Weinzubehör, wenn mehr als drei Weinfreaks in einem Raum sind).
Eine weitere Versuchung, der es zu widerstehen gilt, ist der Wunsch möglichst teure Flaschen zur blauen Stunde zu öffnen. Schließlich haben die Gäste schon mehr als 20 Weine probiert, da geht es nicht mehr um die letzte Feinheit, sondern um ein paar Überraschungsmomente. In meinem Weinvorrat befinden sich Flaschen, die ausschließlich solchen Gelegenheiten vorbehalten sind – meist Restflaschen eines ehemals größeren Postens besonderer Weine. Die zweite Runde läutete genau so ein Wein ein: Kellers Neumond von der Weinentdeckungsgesellschaft. Und hier ging es mit mir durch, einer der Tipps zum Riesling war zu eindeutig (‚Dieser Wein ist ein Unikat‘). Der Neumond war rasch identifiziert. Trösten konnte mich der Glasinhalt: so gut wie letzte Woche hat sich der Keller bisher noch nicht präsentiert. Nach kurzer Erläuterung der Weinentdeckungsgesellschaft kam der nächste Wein offen ins Glas, meine letzte Flasche ‚Roter Baron‘ – Knipsers Beitrag zum Projekt. Aber Höhen und Tiefen liegen nah beieinander – der Rote Baron war uncharmant. Drei Tage später trank ich den Rest der Flasche und er hatte seine sehr kantige Art abgelegt, war ein angenehmer Rotwein; der Zauber der frühen Flaschen ist aber wohl dahin.
Einen letzten Wein hatte ich noch im Köcher. Es galt eine Scharte auszuwetzen. Knapp ein Jahr ist es her, dass ich mich mit der Hälfte meiner Gäste zu einer kleinen frugalen Probe mit dem Thema ‚Bordeaux unter 25 Euro‘ zusammengefunden hatte. Ich hatte – halb scherzhaft, halb größenwahnsinnig – angekündigt, den Siegerwein mitzubringen. Einen Abend vor dem Showdown feierte ich eine gelungene Generalprobe mit dem Wein um dann Tags darauf mit einer schwachen Flasche den letzten Platz zu belegen. Die allerletzte Flasche Rollan de By 2003 lag seitdem zur Ehrenrettung bereit. Und da war es, das versöhnliche Ende. Es war die perfekte Flasche eines perfekt gereiften Bordeaux. Einzig ein Luxusproblem tat sich auf: Wenn man für 15 Euro so gute, langlebige Rotweine aus Bordeaux kaufen kann, warum soll man dann überhaupt etwas anderes trinken, fragte einer der Gäste. Aber das war vermutlich eine Scherzfrage.
Und das gab es zu trinken:
Kerpen, Wehlener Sonnenuhr Auslese **, 2006, Mosel: Sehr gut aber jahrgangsbedingt auch sehr dick. Hält sicher noch eine Weile
Ludwig Thanisch & Sohn, Brauneberger Juffer Auslese **, 2005, Mosel: Schlanker als der Kerpen, mit angenehmen Gerbstoffen, die der Süße etwas entgegenstellen.
Keller, Neumond, Riesling, 2009, Rheinhessen: Derzeit in fantastischer Verfassung, wer einen hat, jetzt öffnen und nicht dekantieren.
Knipser, Der Rote Baron, o.J., Pfalz: Derzeit lieber nicht anfassen oder länger dekantieren.
Chateau Rollan de By, 2003, Bordeaux: Der Wein ist seit nunmehr 9 Jahren unverändert eine Granate.
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft
Am Samstag durfte ich bei einer Weinprobe mitmachen, die so viele Erkenntnisse brachte, dass ich zwei Tage brauchte um alle Informationen zu verarbeiten. Zwanzig Probanden in wenigen Stunden, kleine Probeschlucke und ein paar Minuten pro Wein, eine mehr oder weniger zufällige Zusammenstellung des Feldes – all das sind Gründe Proben nicht überzubewerten und im Schnutentunker hinlänglich diskutiert. Diesmal war vieles anders und deswegen hat diese Probe nachhaltigen Einfluss auf mich. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft weiterlesen
Tapetenwechsel
Heute mal eine Nachricht in eigener Sache: Dieses Blog ist endlich auf seine eigene Domain umgezogen. Das ist der Grund für das neue Erscheinungsbild, denn leider musste ich mich dabei von meinem geliebten gräsernen Kleingärtnerdesign verabschieden – das dafür verantwortliche Modul wird vom System nicht weiter unterstützt.
Wie das so ist bei Umzügen, habe ich die Gelegenheit auch für weitere Veränderungen genutzt. Ich habe meine Unterzeile getauscht. Das Blog firmiert ab sofort nicht mehr als ‚Tagebuch eines ahnungslosen Enthusiasten‘. Das neue Motto: ‚Affektiertes Nippen hilft nix‘ ist ein Zitat, welches ich erst in einigen Wochen zu erklären vermag. Sie können ja so tun, als seien Sie auf die Auflösung mordsmäßig gespannt.
Zur Nachtschicht gab es einen Wein ins Glas. Das einzige was in meinem Keller zum Umzug des Blogs zumindest lautmalerisch zu passen schien, war dieser hier. Den hatten wir schon mal, aber er hat ein Update verdient, ganz wie das Blog.
Vergelegen, Vergelegen rot, Rotweincuvée, 2001, WO Stellenbosch, Südafrika. In der Nase ein Riesenpaket: Cassis, Bleistiftspäne, Lakritz, Leder, Zeder und so weiter – alles, was man sich von einer guten Cabernet-Merlot-Cuvée erwartet. Am Gaumen fruchtig, beerig, und ätherisch (15% Alkohol müssen ja irgendwo bleiben). Trotzdem bleibt mein Urteil von 2010 gültig, es ist unglaublich, wie fein dieser Wein trotz zurückhaltender Säure und hohem Alkohol erscheint. Die Frucht wirkt keine Spur marmeladig und die Struktur ist sehr elegant. Der Abgang hält sehr lang – immer noch ein toller Wein und immer noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Trinkreife angelangt.
Der Angstgegner
Jeder Liebhaber mit eigenem Weinkeller kennt diese Situation: da liegt ein Wein oft jahrelang in einem Regal, lacht den Besitzer an, der die Flasche immer wieder in die Hand nimmt und dann doch zurücklegt. Anfangs ist ihm der Wein zu jung, dann ist er ihm zu lang gehegt, um ihn allein zu trinken, dann ist er so besonders, dass er mit ganz speziellen Weinfreunden geteilt werden muss und irgendwann wird er hastig der Notschlachtung zugeführt, denn er droht den Zenit der Reifung zu überschreiten.
So weit, so normal – in meinem Keller gibt es solche Flaschen auch. Und dann war da noch die Flasche, die ich immer wieder in die Hand nahm und aus einem ganz anderen Grund zurücklegte: Ich hatte Angst vor ihr. Das war keine irrationale Angst, sie hatte ihren Ursprung nicht in der Esoterik – keine Witze über Kellerleichen und Flaschengeister also, ich muss Sie enttäuschen. Der Zufall hatte sie mir in den Keller gespült und es war der Inhalt, den ich fürchtete.
Chateau Montus ist ein Klassiker der Weinwelt, kein Kultwein, sondern einer der vor allem auf Listen auftaucht, die der Weinfreak abarbeiten muss, wenn er sagen will: ‚Ich habe die wichtigsten Weine der Welt getrunken‘ – nicht die teuersten oder besten, sondern die markantesten. Er stammt aus dem Anbaugebiet Madiran und er besteht aus der Rebsorte Tannat. Viele sagen, er sei der beste Tannat, zumindest ist er der bekannteste.
Meine erste Begegnung mit der Rebsorte Tannat war gleichzeitig meine erste Begegnung mit einem Wein aus Uruguay. Das klingt verrückter als es ist, denn in Uruguay ist Tannat eine führende Rebsorte. Mehr als Tausend Hektar Rebland sind laut Wikipedia rund um Montevideo und am Rio de la Plata mit dieser Rebsorte bestockt, das sind zehn Prozent der Anbaufläche. Und die Südamerikaner machen aus dieser ohnehin tanninstärksten Rebsorte unseres Planeten einen echten Cowboy-Wein. Hui, war das ein Stoff, flüssiges Schmirgelpapier, allen anempfohlen, die ‚Kalinka’ einmal in Ivan Rebroffs Stimmlage singen wollen.
Also hatte ich gehörigen Respekt vor Tannat und legte die Flasche immer wieder zurück. Neulich habe ich sie mir endlich in einem Anfall großen Mutes geschnappt. Jetzt habe ich also einen weiteren der Weine getrunken, die ‚man‘ mal getrunken haben muss. Und ich habe gelernt. Tannat kann sehr fein sein, Tannat altert toll und gereifter Tannat ist nichts, wovor ich mich fürchten muss. Die nächste Flasche Montus lege ich mir ganz bewusst und freiwillig in den Keller, und wenn ich sie dann in die Hand nehme und doch wieder zurück lege, dann nur, weil er zu schade ist, um ihn alleine zu trinken.
Chateau Montus, 1999, Madiran, Frankreich. Auch nach bald 15 Jahren ist der Wein von beeindruckend tintiger Farbdichte. In der Nase grüßt Südfrankreich mit Leder und Schuhcreme, Lakritz und etwas Stall. Dazu gesellt sich Holz und (wenig) Frucht: Brombeere und Blaubeere. Am Gaumen ist der Montus aber erstaunlich fruchtig mit vielen dunklen Beeren, dazu Bleistift, sehr würzig, vollmundig, ganz feines Tannin, davon aber reichlich. Dank feiner Säure ist er trotzdem saftig. Nur 12,5 Prozent Alkohol machen das Vergnügen leicht. Der Abgang ist extrem lang, von Tannin getragen aber nicht austrocknend. Grandioser Wein, keine Minute zu früh geöffnet.