Der Rallye-Wein

Ich bin nur ein Gelegenheitsteilnehmer bei der Weinrallye, jener schönen Aktion, bei der alle deutschsprachigen Blogger eingeladen sind, am selben Tag zum selben Thema zu bloggen. Allzu oft fällt mir kein zum Thema passender Wein ein und wenn dann nicht der Zufall mitspielt, wie letzten Freitag bei Bernhard Fiedlers Etappe, findet die Rallye wieder ohne mich statt.

Umgekehrt gibt es Weine, zu denen fielen mir viele Weinrallye-Themen ein. Nur leider ruft die niemand aus, wenn ich gerade das Bedürfnis verspüre, den Wein zu entkorken. Der Pinot Meunier vom Weingut Steinmetz aus Brauneberg beispielsweise ist in so vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, dass mir gleich ein halbes Dutzend Rallye-Themen einfiele, auf das der Wein passte. Beispiele gefällig?

  • Das kommt mir Spanisch vor – Deutsche Gran Reservas; über Weine, die (geschätzte) 30 Monate im Fass reifen
  • Drei Farben: Rot – Multitalente; über Weine aus Rebsorten, die in allen drei Variationen Weiß (Blanc de Noir), Rosé und Rot ausgebaut werden
  • Kleiner Mann ganz groß –Juniorpartner auf Solopfaden; über reinsortige Füllungen von Weinen, die normalerweise den kleineren Part in einer Cuvée spielen
  • Was machst Du denn hier? – Autochton am falschen Ort; über Weine aus Rebsorten, die zwar im Herkunftsland autochton aber nicht typisch für das Gebiet/die Appellation sind
  • Wenn das Schnäppchen zweimal klingelt – Barrique-Rotweine unter 10 Euro; über genau solche Weine, die herausragende Qualität bieten

und schließlich

  • Personal Jesus – Da werde ich zum Prediger; über Weine, die man anderen gerne mal mit missionarischem Eifer ans Herz legen möchte.

Soweit die Folklore, hier noch ein paar Fakten: Der Pinot Meunier ist berühmt als Bestandteil vieler Champagnercuvées. In Deutschland heißt er eigentlich Schwarzriesling (seltener Müllerrebe) und kommt zu drei Viertel aus Württemberg. Die Mehrzahl der Schwarzrieslinge aus deutschen Landen ist eher leichter Natur. Über den Steinmetz’schen Barrique-Schwarzriesling habe ich hier im Blog schon einmal geschrieben. Jetzt kam der Nachfolgejahrgang ins Glas.

Günther Steinmetz, Pinot Meunier * (im Barrique gereift), 2007, Mosel. In der Nase sehr fruchtig mit Brombeere, Johannis- und Blaubeere, dazu Lakritz und Holz/Rauch. Am Gaumen zeigt der Schwarzriesling viel süße Frucht (Kirsche und Zwetschge), eine leicht ätherische Wacholdernote und eine sehr präsente Säure. Von der Textur eher schlank, steckt der Wein 13% Alkohol problemlos weg. Der Abgang ist lang und verhalten mineralisch. Mir gefällt der Wein am besten leicht gekühlt. Der Holzeinsatz ist sehr dezent. Der Wein passt gut zu rustikalen Speisen.

Er ist noch erhältlich und wie oben angedeutet, will ich ihn all jenen ans Herz legen, die ein Minimum an Sympathie oder zumindest Neugierde für hiesigen Rotwein hegen. Denn eines bleibt er: ein deutscher Rotwein. Die Kraft eines sizilianischen Tropfens oder die Tannine eines jungen Duero-Weines sucht man hier vergeblich. Es ist – wie schon der 2005er – ein Rotwein mit der Struktur eines grandiosen Weißweines (das wär schon wieder ein Rallye-Thema).

Weinrallye #41: Die Silvaner-Stulle

Sandwich-Weine lautet das Motto der heutigen Weinrallye und ich konnte mit dem Thema zunächst wenig anfangen. Dass ich teilnehme, verdanke ich einer Verkettung von Zufällen. Aber der Reihe nach: Es geht um Weine, die nicht blutjung und nicht steinalt getrunken werden sollten. Bernhard Fiedler lässt offen, ob dies an der Rebsorte oder dem Ausbaustiel liegt. In seinen eigenen Worten liest sich das so:

Wie schmecken solche “Sandwich-Weine” zwischen unbändigem Jugendcharme und der noblen Größe des Alters? Welche Sorten und/oder Weinstile präsentieren sich in dieser Entwicklungsphase besonders schön? Und welche weniger?

Nachdem mich dies zunächst kaum inspirierte, wollte es der Zufall, dass ich einen Sandwich-Wein im doppelten Sinne ins Glas bekam. Ich hatte ihn ausgewählt, weil mir mal wieder nach Silvaner war. Ob meiner geringen Erfahrung mit dieser Rebsorte (gerade mal zwei Exemplare habe ich in diesem Blog in 20 Monaten beschrieben) ging ich ein bisschen auf Recherchetour im Internet und fand ein schönes Video.

 

Silvanervideo

Der Silvaner ist demnach eine Rebsorte, die bevorzugt in einer von zwei Stilrichtungen Auftritt: federleicht und trinkig oder mächtig und eher als Essensbegleiter konzipiert. Da waren sie also, die obere und untere Scheibe meines Sandwiches, die sich exakt so auch in meinen hier und hier geschilderten Begegnungen mit der Rebsorte widerspiegelten, und mein Wein bewegte sich ziemlich in der Mitte. Wie man in meiner norddeutschen Heimat sagen würde: ’ne Silvaner-Stulle.

Mittelalt ist er als 2007er sowieso und auch die Einkaufsgeschichte ist eine Sandwich-Story. Jedes Jahr geht das Weingut Wirsching mit einigen anderen Gütern (darunter Knipser, Künstler und Salwey) auf eine Deutschland-Tour und präsentiert in mehreren Großstädten seine Kollektion. Und jedes Mal, wenn ich dort Wirschings Weine probier(t)e (drei oder vier Mal bisher) sticht die Spätlese heraus. Sie ist deutlich ernsthafter als der Kabinett und viel charmanter als die Grossen Gewächse, die bei diesem Winzer einige Jahre Flaschenreife brauchen. Deswegen steht sie jedes Mal auf dem Bestellzettel.

Hans Wirsching, Iphöfer Kronsberg Silvaner Spätlese trocken, 2007, Franken. Ein Silvaner mit sehr typischer Aromatik: in der Nase Heu, Birne, Banane, Kräuterwürze. Am Gaumen opulent mit Quitte, Banane, viel Würze, etwas Mineralik, gut integriertem Alkohol von 13% und einer alles ordnenden, dem Wein die nötige Frische verpassenden Säure. Der Wein hat ausreichend ‚Bumms‘, um auch kräftigere Speisen zu begleiten, ist aber nicht behäbig,. Das ist ein perfekt ausbalancierter Silvaner mit mittellangem Abgang.

Ein Sandwich-Wein, wie ich jetzt gelernt habe.

Das E-Wort

Wenn ich beim abendlichen nachhause kommen meinen Briefkasten leere, könnte ich leicht zu dem Schluss gelangen, ein ganz besonderer Mensch zu sein: So viele Angebote aus der tagsüber eingeworfenen Werbung sind ‚exklusiv‘ für mich reserviert. Exklusive Busreisen, Ausflüge und Gewinne zeigen vor allem eines: das Wörtchen Exklusiv meint heutzutage meist das Gegenteil. In Sippenhaft genommen sind all jene, die wirklich exklusive Vergnügen und Produkte anbieten, denn es gibt leider keinen adäquaten Ersatz in unserer Sprache. Und sollte sich einer entwickeln, so wird auch der alsbald von der Heizdeckenindustrie gekidnappt werden.

Lothar Kettern Riesling Terroir Exclusiv
Besonders besonders

In der Weinwelt gibt es eine exklusive Entsprechung: das Wörtchen ‚Terroir‘. Mittlerweile meint auch diese Bezeichnung allzu oft das Gegenteil: Masse und Maschinen. In Sippenhaft sind hier die ernsthaft um eine Interpretation des Begriffes bemühten Winzer. Die verwenden (so zumindest mein Eindruck) den Begriff immer sparsamer auf Etiketten und kommunizieren den Terroir-Gedanken lieber über Preislisten und Kundenbriefe. Umso erstaunlicher finde ich den Namen eines dieser Tage genossenen Weines, ist der Erzeuger doch eigentlich einer, der wirklich sehr um handwerkliche Spitzenwein-Erzeugung bemüht ist. Wenn ich richtig informiert bin, ist der Name des Tropfens eine Erfindung seiner im Betrieb mitarbeitenden Eltern. Tja, Abnabelung findet in Schüben statt…

Lothar Kettern, Piesporter Goldtröpfchen, Riesling Spätlese ‚Terroir Exclusiv‘, 2009, Mosel. In der Nase Apfel, Mango, Grapefruit, Aprikose, Hefe, ein Hauch Kräuter und Blüten. Am Gaumen ordentliches Spiel von praller Süße, zurückhaltender Säure und einigen Gerbstoffe, dazu klassische Riesling-Zutaten, wie man sie von süßen Mittelmoselspätlesen kennt: Apfel, Aprikose und dezente Mineralik. Der Wein ist im Abgang noch etwas austrocknend. Zu ernsthaft, um ihn einfach weg zu schlürfen; zu jung, um schon richtige Konturen zu haben. Ich glaube, in zwei Jahren macht diese fruchtsüße Spätlese als Dessertwein vor allem denjenigen Spaß, denen Auslesen etc. zu üppig sind. 86 Punkte

Simple Genüsse (1)

Eine kleine Neuerung im neuen Jahr. Die Artikel, die bisher ‚Füllwein‘ übertitelt waren, haben eine neue Überschrift. Ansonsten gilt auch für die simplen Genüsse: Mein (Wein-)Leben besteht nicht nur aus Großen Gewächsen sondern auch aus Alltagsweinen. Einige davon sind erwähnenswert, über andere decke ich den Mantel des Schweigens. Hier ein paar Kurznotizen zu Weinen, die ich jüngst getrunken und auf die eine oder andere Weise für besonders befunden habe.

Chateau La Rousselle, 2005, Fronsac, Bordeaux. In der Nase sehr fruchtig mit Cassis, Brombeere und Himbeere, dazu Leder, Kaffee und deutlicher Alkohol. Am Gaumen ebenfalls sehr fruchtig mit reifen Beeren, Kirsche und wiederum Kaffee und Bitterschokolade. Der relativ kräftige Holzeinsatz ist schmeckbar, eine leichte Teer-Note gesellt sich zu kräftigem aber nicht unangenehmem Tannin. Der Wein ist von mittlerem Volumen, kräftig aber nicht breit, trotzdem könnte die Säure akzentuierter und der Alkohol (13,5%) zurückhaltender sein. Der Abgang ist sehr lang aber etwas holzig. Insgesamt ein sehr guter Wein, der mir in ein paar Jahren vielleicht mal richtig großartig schmecken wird. Verträgt derzeit etliche Stunden Luft.

Lothar Kettern, Piesporter Spätburgunder trocken ‚Barrique‘, 2007, Mosel. In der Nase zeigt der Wein sehr viel Holz, daneben verblassen die anderen Eindrücke von Erdbeere, Grenadine und Blut fast. Am Gaumen ist der Wein mitteldick und mittelmäßig druckvoll. Er kombiniert eine straffe Säure mit viel Frucht: Kirsche, Himbeere, (gekochte) Erdbeere. Der Wein ist leicht mineralisch, wird mit Wärme etwas cremig und zeigt eine deutlich rauchige Holznote. Der Alkohol von 13,5% tritt dezent auf, der Abgang ist lang. Vom ganzen Typus ist dieser Wein so etwas wie der kleine Bruder von diesem hier.

Günther Steinmetz, Kestener Paulinsberg, Riesling Kabinett trocken, 2007, Mosel. In der Nase eine Stinkbombe. Man kann versuchen, es höflich als ‚Spontangärungsnote‘ zu umschreiben, aber ich will das Kind beim Namen nennen: der Wein riecht nach faulen Eiern – und zwar so heftig, dass für manch Weinfreund hier schon Schluss ist. Mir macht der Geruch weniger aus (wenngleich er meine Schmerzgrenze touchiert), und so kann ich auch etwas zum Gaumen schreiben: ein sehr trockener, gelbfruchtiger und recht mineralischer Kabinett mit schöner schlanker Struktur und krasser Säure (auch die flirtet mit meinem persönlichen Grenzwert). Vier Tage nach dem Öffnen hat sich die Stinkbombe kaum verzogen, es sind jedoch erste Aprikosennoten darunter zu erahnen. 12% Alkohol sind vollständig integriert. Ich glaube, das wird noch mal ein ganz toller trockener Kabi. Der Wein zeigt eine solche Frische, dass ich ihm die ewige Haltbarkeit unterstellen möchte, die viele dieser ‚Extrem-Spontis‘ an den Tag legen.

2011 wird frischer

Wie jedes Jahr beginnt mein Weinjahr mit einer kleinen Kellerinventur, einer Rückschau auf das abgelaufene Jahr und ‚guten Vorsätzen‘, wie ich das kommende Jahr hinsichtlich meines Weinkonsums gestalten will. Während ich letztes Jahr im Januar etwas weinerlich feststellen musste, dass ich ab sofort ein ‚Muss-Weg-Regal‘ in meinem Keller brauche, bin ich heuer geneigt, es wieder außer Dienst zu stellen. Die Zahl der 2005er GGs ist immer noch ziemlich groß aber bei denen kommt es auf ein Jahr mehr oder weniger wohl nicht an. Alle anderen zum Verzehr bereitgelegten Weine sind vertilgt.

Während die Kellerinventur keinen Anlass zu Vorsätzen gibt, tut es aber die Geschmackslage. Ich stelle fest, dass ich im Moment ein Bedürfnis nach Frische habe. 2010 war ein Jahr, in dem ich für meinen Geschmack ein bisschen zu viele gereifte Weine, vor allem gereifte dicke Brummer getrunken habe. Als ich dieser Tage einen frischen ‚einfachen‘ Lagenwein (also kein Großes Gewächs) eines VDP Winzers aus 2009 aufzog, hatte ich spontan das Gefühl: ‚das mach ich viel zu selten‘. Allerdings besitze ich aufgrund gesteigerter Einkaufsdisziplin nicht viele Weine dieser Art aus den letzten beiden Jahren. Die vorhandenen Exemplare dürften dieses Jahr nicht überleben.

Schäfer-Fröhlich, (Schlossböckelheimer) Felsenberg, Riesling trocken, 2009, Nahe. In der Nase Aloe Vera und Aprikose, sehr rein und sehr reif (nicht der Wein, der ist jung; es ist der Eindruck von ganz reifem und gesunden Lesegut, der sich einstellt). Am Gaumen ein Ausbund von Saftigkeit, ganz rein und klar, mäßig trocken, mit zurückhaltender Säure, nur leicht kalkig mineralisch, etwas blumige Aromen, dazu Pistazie und Aprikose. Der Alkohol von 13% ist sehr gut eingebunden. Sehr langer Abgang. 89 Punkte.

Wenn man unbedingt etwas kritisieren möchte, kann man die Typizität vermissen. Der Wein könnte von fast überallher stammen, sein Ursprungsgebiet springt mir nicht gerade ins Gesicht.