Mann ist der dick, Mann

Dass man seine Freundschaften pflegen soll, sagt der Volksmund, dass man seine Feindschaften pflegen soll, Macchiavelli. Ich aber sage: Pflegt Eure Ambivalenzen! Zugegeben, das ist ziemlich dick aufgetragen, führt somit aber direkt zum Thema: dick.

Dicker Österreicher

Genauer gesagt: dicke Weine und meine hier schon einmal geschilderte Hassliebe zu solchen. Neulich strahlte mich im Keller ein Etikett an, im Wortsinne, wie ich dem Beweisfoto zu entnehmen bitte, und ich stellte den entsprechenden Wein bereit. Wenn ich demnächst mal wieder Lust auf einen eher barocken Vertreter der Rieslingtraube hätte, sollte dieser dran glauben müssen. Nun war es soweit. Drei Tage trinke ich normalerweise an so einem Kaventsmann – dieses Mal war es aber pure Liebe und der Brocken in zwei Tagen vertilgt. Ich war danach auch jeweils etwas bettschwer.

Knoll, Ried Schütt, Dürnsteiner Riesling Smaragd, 2006, Wachau, Österreich. In der Nase spendiert der Wein das volle Pfirsich-Botrytis-Paket mit Honigmelone, Pistazie und vielem mehr – vielschichtig und süchtig machend. Am Gaumen ist er einer der mächtigsten und schwersten Rieslinge, die ich je getrunken habe, fast ölig, ziemlich brandig dank 14% Alkohol mit Aprikose, Melone, Orange und Ingwer, dazu mineralisch und im Abgang sehr, sehr lang. So einem Wein kann man jede Note zwischen 78 und 94 Punkten geben, denn für jede Wertung findet sich ein Gaumen, bei solch konzentriertem, polarisierenden Stoff. Ich tendiere zu den höheren Werten.

Rantrinken (3)

Es ist paradox. Drei Viertel der von mir getrunkenen Weine sind Weißweine, darunter deutlich mehr als die Hälfte Rieslinge. Dabei bin ich ein Snob, Literrieslinge besitze ich nicht, die Zahl der Gutsweine in meinem Keller kann man an einer Hand abzählen, selbst wenn man durch einen Unfall Finger verloren hätte.

Beim Rotwein hingegen, dem verbleibenden Viertel, sind mehr als die Hälfte Spätburgunder und darunter eine erhebliche Zahl einfacher Qualitäten. Ich wiederhole mich, will aber noch einmal die Vorzüge eines leicht geholzten Spätburgunders mit mittlerer Dichte als Begleiter zu Gegrilltem betonen.

Doch auch ohne Speisen entwickle ich bei einigen dieser Weine einen gefährlichen Trinkfluss. Wenn je ein Folterknecht vor mir stünde und offenbarte, er habe eine schlechte und eine gute Nachricht, und die schlechte wäre, ich müsste mich zu Tode trinken, die gute, ich dürfte mir aussuchen womit – ich wählte wohl einen Wein wie diesen hier.

Günther Steinmetz, Mülheimer Sonnenlay, Spätburgunder Spätlese trocken, 2007, Mosel. In der Nase ist der Wein grün, Kerbel, Brennnessel, Gras aber auch ein wenig Himbeere. Am Gaumen ist der Wein frisch und saftig, wiederum mit Himbeere aber auch mit Stachelbeere. Aus einem schwarzen Glas genossen, würde ich ihn vielleicht für einen fülligen Sauvignon Blanc halten (man sollte seine Grenzen kennen). Die Struktur ist von dezentem Holz und ein wenig Mineralik geprägt, der Abgang ist sehr lang. Vermutlich nicht jedermanns Sache aber mir besonders lieb.

Ein Mann für gewisse Stunden

In meiner kleinen Familie werden besondere Ereignisse gerne mit besonderen Weinen begangen. Da wir einen besonderen Geschmack haben, greifen wir, wenn das besondere Ereignis fernab unseres Zuhauses stattfinden könnte, gerne zu einer besonderen Maßnahme: wir nehmen den Wein einfach mit.

Molitor meets Mittelmeer

Das habe ich hier schon einmal beschrieben. Da meine sehr viel bessere Hälfte es gerne fruchtig mag und ich dezente Reife liebe, gibt es mittlerweile einen Grundkonsens: gereift, feinherb und Mosel sind die Stichworte und besonders gerne: Markus Molitor. Also ging einer seiner Weine dieser Tage wieder mit uns auf Tour.

Markus Molitor, Zeltinger Sonnenuhr, Riesling Auslese ** feinherb, 2001, Mosel. In der Nase hochreife Frucht: Pfirsich, Maracuja und eine leichte Honignote, die den Verdacht nahelegt, es sei ein wenig Botrytis im Spiel. Am Gaumen entsteht dieser Verdacht ebenfalls, wenngleich der Wein nicht unverhältnismäßig dick ist. Ein seltenes Phänomen bei einem Riesling ist hier zu beobachten, der Wein schmeckt, wie er riecht. Es gesellt sich ein sehr dezenter, animierender Bitterton zum Spiel von gemäßigter Süße und schön gereifter Säure. Im Langen Abgang klingt die Sonnenuhr auf einer mineralischen Note aus. Alles ist am Platz und greift ineinander. So soll in meinen Augen ein gereifter feinherber Riesling schmecken. Ein Ausnahmewein.

Wenn Montage freitags betrunken sind

Die Kollegen vom fabelhaften Weinblog ‚Drunkenmonday‘ hatten zu einem spektakulären Tasting geladen. Da es sich bei diesem um einen kleinen Wettkampf der beiden Weingüter mit Besitz in der Lecker-Lage Monzinger Halenberg handelte und ich, wie man als regelmäßiger Leser dieses Blogs kaum übersehen kann, ein großer Fan dieser Lage bin, erhielt ich eine Einladung, sozusagen als temporärer Gastmontag. Wenn Montage freitags betrunken sind weiterlesen

Der Rallye-Wein

Ich bin nur ein Gelegenheitsteilnehmer bei der Weinrallye, jener schönen Aktion, bei der alle deutschsprachigen Blogger eingeladen sind, am selben Tag zum selben Thema zu bloggen. Allzu oft fällt mir kein zum Thema passender Wein ein und wenn dann nicht der Zufall mitspielt, wie letzten Freitag bei Bernhard Fiedlers Etappe, findet die Rallye wieder ohne mich statt.

Umgekehrt gibt es Weine, zu denen fielen mir viele Weinrallye-Themen ein. Nur leider ruft die niemand aus, wenn ich gerade das Bedürfnis verspüre, den Wein zu entkorken. Der Pinot Meunier vom Weingut Steinmetz aus Brauneberg beispielsweise ist in so vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, dass mir gleich ein halbes Dutzend Rallye-Themen einfiele, auf das der Wein passte. Beispiele gefällig?

  • Das kommt mir Spanisch vor – Deutsche Gran Reservas; über Weine, die (geschätzte) 30 Monate im Fass reifen
  • Drei Farben: Rot – Multitalente; über Weine aus Rebsorten, die in allen drei Variationen Weiß (Blanc de Noir), Rosé und Rot ausgebaut werden
  • Kleiner Mann ganz groß –Juniorpartner auf Solopfaden; über reinsortige Füllungen von Weinen, die normalerweise den kleineren Part in einer Cuvée spielen
  • Was machst Du denn hier? – Autochton am falschen Ort; über Weine aus Rebsorten, die zwar im Herkunftsland autochton aber nicht typisch für das Gebiet/die Appellation sind
  • Wenn das Schnäppchen zweimal klingelt – Barrique-Rotweine unter 10 Euro; über genau solche Weine, die herausragende Qualität bieten

und schließlich

  • Personal Jesus – Da werde ich zum Prediger; über Weine, die man anderen gerne mal mit missionarischem Eifer ans Herz legen möchte.

Soweit die Folklore, hier noch ein paar Fakten: Der Pinot Meunier ist berühmt als Bestandteil vieler Champagnercuvées. In Deutschland heißt er eigentlich Schwarzriesling (seltener Müllerrebe) und kommt zu drei Viertel aus Württemberg. Die Mehrzahl der Schwarzrieslinge aus deutschen Landen ist eher leichter Natur. Über den Steinmetz’schen Barrique-Schwarzriesling habe ich hier im Blog schon einmal geschrieben. Jetzt kam der Nachfolgejahrgang ins Glas.

Günther Steinmetz, Pinot Meunier * (im Barrique gereift), 2007, Mosel. In der Nase sehr fruchtig mit Brombeere, Johannis- und Blaubeere, dazu Lakritz und Holz/Rauch. Am Gaumen zeigt der Schwarzriesling viel süße Frucht (Kirsche und Zwetschge), eine leicht ätherische Wacholdernote und eine sehr präsente Säure. Von der Textur eher schlank, steckt der Wein 13% Alkohol problemlos weg. Der Abgang ist lang und verhalten mineralisch. Mir gefällt der Wein am besten leicht gekühlt. Der Holzeinsatz ist sehr dezent. Der Wein passt gut zu rustikalen Speisen.

Er ist noch erhältlich und wie oben angedeutet, will ich ihn all jenen ans Herz legen, die ein Minimum an Sympathie oder zumindest Neugierde für hiesigen Rotwein hegen. Denn eines bleibt er: ein deutscher Rotwein. Die Kraft eines sizilianischen Tropfens oder die Tannine eines jungen Duero-Weines sucht man hier vergeblich. Es ist – wie schon der 2005er – ein Rotwein mit der Struktur eines grandiosen Weißweines (das wär schon wieder ein Rallye-Thema).