Wiesbadener GG-Verkostung #vdpgg2025

Wiesbaden 2025 Tag 3 – #vdpgg2025

Heute nur noch 129 Rieslinge, das ist machbar. Ich bin gespannt auf Nahe, Pfalz und Rheinhessen

Dass es etwas überschaubarer wird, verdanke ich der Tatsache, dass ich gestern Nachmittag den Ticker unterbrochen und konzentriert ein paar Flights weggearbeitet habe. Gestern Abend habe ich die Daten dann übertragen. Hier geht es zu Tag zwei und meinem Erweckungserlebnis am Lumpen, aber auch zu den restlichen Spätburgundern und den Lembergern.

Und bevor es jetzt endlich losgeht, erlaube ich mir, meine Freude darüber herauszuschreien, dass ich nicht mehr alleine bin. Heute tickert auch Chez Matze mit. Welcome to the Club! Hier finden Sie seinen Ticker.

Nahe

2024

Der erste Flight kommt aus Monzingen, da ist das mit der Blindprobe so eine Sache, denn es ist klar, welche Winzer und Lagen es sind, die Lagen kann man gut auseinanderschmecken und die Weine vom einen Winzer riechen deutlich anders als die vom anderen. Das Frühlingsplätzchen von Emrich-Schönleber hat eine frische Rieslingnase, hell, leicht blumig, am Gaumen dann fest schmirgelnd, sehr typisch, wahnsinnig gut, im Abgang vielleicht ein kleines bisschen zu süß, aber das könnte auch Babyspeck sein, dann flirtet der Wein mit Größe. Gleiche Lage bei Schäfer-Fröhlich ist etwas würziger in der Nase, etwas dunkler am Gaumen, sehr fest und ein bisschen monolithisch, extrem fester Kern, riesig Potenzial.

Die beiden Weine liegen in der Nase nicht so weit auseinander wie die vom Halenberg. In der Nase stinkistink, am Gaumen frisch, Aprikose und grüner Apfel, trocken, feine Phenolik, leise, alle Anlagen für einen wirklich guten Wein bei der Version von S-F. Ich lasse hier Weine weg, die mich nicht spontan ansprechen, weil Kritik mehr Fundament braucht als zwei Probeschlucke. Aber wenn ich den Halenberg von E-S weglasse, kann ich mich vor Rückfragen eh nicht retten. Also gebe ich zu Protokoll, dass mich die diesjährige Version ein wenig ratlos zurücklässt. Tolle vollfruchtige, dunkle Nase, aber am Gaumen finde ich ihn etwas harmlos, weil mir der Grip fehlt, der die anderen Weine in dieser Konstellation auszeichnet. Beim Felseneck von Schäfer-Fröhlich dann etwas weniger stinkistink in der Nase, dafür ein sehr unruhiger Gaumen mit Hefe-Feeling, darunter Saft und Kraft ohne Fett, tief, lang, leicht rauchig. Ganz stark.

Der Felsenberg von Schäfer-Fröhlich zeigt süße Frucht ohne Zucker, eher kräftiger Körper mit knackig Säure, gehobene Lautstärke und so viel Grip und Spannung. Extrem beeindruckend! Viel Frucht auch bei der Kupfergrube von Dr. Crusius, etwas Schmelz, zackige Säure und nach hinten raus ein feines Schmirgeln bei großer Länge – das ist, Sie ahnen es, genau mein Beuteschema. Leicht würzige Nase, fruchtiger Start am Gaumen, der dann im langen Abgang in eine komplexe Würze driftet, die mich total begeistert. Den Krötenpfuhl von Dönnhoff finde ich hammerstark. Das Pittermännchen von Joh. Bapt. Schäfer ist ein sehr typisches, in sich ruhendes Nahe-GG, das mich auf der Ebene des Unterbewusstseins abholt. Heißt, ich kann meine Begeisterung nicht besonders eloquent begründen. Ist einfach harmonisch und macht glücklich.

Burgberg von Kruger-Rumpf steht uf der fruchtigen Seite mit feinem Grip, macht viel Spass. Im Pitterberg aus gleichem Hause ist dunkler, würziger, tiefer und mit mehr Grip, etwas komplexer, aber nicht zwangsweise besser. Zwei sehr gute GGs.

Älter

23er Burgberg von Diel riecht direkt ewas voller und sonnenverwöhnter, hat sehr viel sehr feinen Gerbstoff und ist furztrocken, leise und vermutlich ganz besonders gut. Schöne Reifenoten in der 20er Kupfergrube von Gut Hermannsberg, saftige Textur, feine Säure, aus einem Guss und nach hinten raus ganz deutlich weiteres Potenzial andeutend.

Rheinhessen

Alle Weine aus 2024

Der Scharlachberg von Kruger-Rumpf ist ein Wohlfühl-GG ohne Ecken und Kanten.Voll, aber nicht üppig; spannend, aber nicht anstrengend. Gelungen. Bei der Version von Wagner-Stempel kommt auch die Komplexität, die zu Lobgesängen verführt – die aber nicht jeder jeden Tag haben muss. Ich plädiere sehr dafür, bei so unterschiedlichen Interpretationen einer Lage auch Preis, Zielgruppe und Verfügbarkeit zu berücksichtigen. Der Wein von Daniel Wagner hat schließlich diese Historie, die zu einem ganz anderen Aufwand und Wein führt.

Hell, straff, aber auch üppig, verschlankt sich dann nach hinten mit viel Zug und das baut enorme Spannung auf: Ein Struktur-Wein und ein besonders guter ist der Hundertgulden von Bischel. Gleiche Lage bei Knewitz ist aromatisch ähnlich, aber etwas schlanker und deutlich auf die Säure setzend. Der tänzelt und singt und ich werde zunehmend glücklicher mit diesem schönen Flight. Etwas weicher, etwas süßer, ein ganz bisschen malzig, aber auf diese würzige Art auch sehr aufregend, weil nach hinten raus dunkel und tief – der Steinacker von Knewitz ist ein würdiger Mitspieler in dieser Gruppe.

Der Heerkretz von Wagner-Stempel ist schon in der Nase tief und dann am Gaumen erst. Boah, Gänsehaut. Um konkreter zu werden: reifer Apfel und Aprikose, deutlich würzig, eher dunkel, auch ein bisschen aromatisch schwer und die Tiefe ist leicht rauchig, erdig, aber das führt nicht zu Schwere am Gaumen, das bleibt die ganze Zeit sehr lebendig und das unterscheidet dann den großen Wein von den nur sehr guten. Bischels Version ist sehr gut und auch sehr ähnlich, aber in allem eine Nummer kleiner und das ist dann immer noch ein starker Wein. Der letzte Riesling im zweiten Flight der Region startet eher harmlos mit leicht mürber Frucht und fächert dann nach hinten raus dunkelwürzig auf und macht Spektakel, dass man sicher ist: das ist Battenfeld-Spanier. Heiliger Bimmbamm (um mal generationengerecht zu jubeln). Rothenberg!

Der Pettenthal von Gunderloch hat die Säure, die ich gerne öfter sehen würde, wenn das Jahr doch eher kühl ausfiel. Toller Zug, viel würzige Unruhe am Gaumen, total unfertig, springt einen aber gleich an als ein Wein, den man einkellern will. Kühling-Gillots Hipping ist auf der frischen Seite, vibrierend lebendig, hell, strahlend, mit toller Phenolik und im Abgang wird die Frucht dann süßer und Grip, Säure und Frucht vereinen sich zu atemberaubender Harmonie. Mit dem würde ich jetzt gerne draußen auf der Wiese picknicken, auf einer rotweiß-karierten Decke mit Blümchenservietten. Auch niedliche Weine können groß sein!

Der Falkenberg von Brüder Dr. Becker sticht in seinem Flight deutlich heraus: Saft und grip und kräftige Säure und beschwingte Frucht – das pure Leben und richtig gut. Wittmanns Brunnenhäuschen hat frische Frucht, frische Säure, ist ein frischer Wein, und dann kommt hinten dieser feste Potenzialkern. Das dürfte stark werden ist aktuell aber zurückhaltend. Sein Neu-GG aus dem Gundersheimer Höllenbrand stammt aus einer Anlage, die bisher in den Gundersheimer Ortsriesling floss, weil die Reben noch jung waren. Der Höllenbrand ist ein Nachbar des Morstein. Und wie ist das neue GG? Die Frucht ist komplex, die Textur saftig-schmelzig, die Säure intensiv aber reif und der Abgang feinkörnig, Was will man mehr?

Battenfeld-Spaniers Frauenberg: Grapefruit und Aprikose, zackige Säure, beschwingte Art mit sehr kreidiger Textur. Ab und zu fasel auch ich von Salz oder flüssigem Stein, hier nutze ich mein Kontingent dann gleich doppelt aus: salzig, flüssiger Stein, umwerfend. Hach Mist, ich nehm das mit dem flüssigen Stein zurück, den brauch ich nämlich noch für den Zellerweg am Schwarzen Herrgott. Die Tiefe, die Phenolik und der leicht geheimnissvolle Kern (lies: flüssiger Stein) sind unglaublich, aber die Extraktsüße und Fülle könnten den Wein auch zu einem Moppel machen, das müsste man mal länger verkosten.

Pfalz

Alle Weine aus 2024 wenn nicht anders angegeben

Philipp Kuhns Schwarzer Herrgott ist aus einem Guss, anspruchsvoll mit feiner Phenolik und Würze aber vor allem sehr balanciert, kann man drüber promovieren oder einfach in sich reinschütten. Den Spagat schaffen viel zu wenige GGs. Sein Kirschgarten ist sehr anspruchsvoll: Kreide und Zitrus und furztrocken und Leben und Leichtigkeit und der Hinweis: haben Sie doch bitte noch ein paar Jahre Geduld. Ganz stark. Sein Saumagen schließlichist ein ganz bisschen weniger furztrocken und das tut auch nicht weh. Der Abgang ist ein karger Traum. DIe gleiche Lage von Rings stinkt ein bisschen, zeigt aber am Gaumen fruchtige Tiefe und Eleganz trotz reichlich Fleisch auf den Rippen. Die Länge ist atemberaubend. Mann ist da Alarm nach hinten!

Da die Pfalz viel Schatten zu bieten hat, feiern wir das Licht umso fröhlicher: den spannenden Flight Nummer 43, der blind viele Ähnlichkeiten andeutet, weswegen es eigentlich nur das Ungeheuer sein kann (und nach dem Aufdecken auch ist). Den Anfang macht Acham-Magin. Der Wein liegt noch etwas unter dem Hefeschleier, darunter lauert eine sehr knackige, gelbe Frucht, eine kräftige, passende Säure und ein fester Kern, also alle Anzeichen einer wunderbaren Entwicklung. Leicht blumige Nase aber fest zupackender Gaumen bei Bürklin-Wolf, ein bisschen fleischig, ein ein bisschen würzig und sehr viel reife Frucht. Macht ohne Schwere, das hebt den Wein aufs Schild (und da bleibt er auch). Beim nächsten Wein denke ich: In der Nase sehr ähnlich, das muss dieses Terroir sein, von dem immer alle reden^^. Am Gaumen eher Grapefruit mitsamt einem sehr attraktiven Bittertönchen, dann mächtig Säure. Bassermann-Jordan kommt da mit und stellt sich auch aufs Schild. Moosbacher fällt in die Kategorie ‚müsste man mal länger verkosten‘: Hat auch sehr viel Substanz, aber hier fehlt weitgehend die Ordnung/Struktur. Nun wissen wir aber aus der Erfahrung, dass sich irgendeine Struktur mit Reife immer ergibt, wenn nur die Substanz gut ist. Ist sie. Als letztes dann von Buhl: Hell, straight, leicht, aber nicht dünn. Der muss mit sich alleine tanzen in diesem Flight, weil die anderen andere Tugenden pflegen, aber die Pirouetten sind extrem ansehnlich!

Beim Pechstein herrscht mehr Unruhe, kein Wein ist schwach, aber so mit mir in den Dialog treten, dass ich hier davon berichten kann, wollen nur vier. Von Buhl funkt: alles drin und dran, gebietstypisch, vielversprechend. Acham-Magins Wein zeigt eine verhaltene Nase, sehr fruchtiger Gaumen, startet etwas süßlich, wird dann von viel Phenolik und Säure in die Trockenheit getragen. Ganz spannend und vermutlich mal sehr gut. Bassermann-Jordan: Die Frucht sehr fein, die Säure massig, aber gut integriert, feines Schmirgeln. Die Mühelosigkeit, mit der das hier zusammenfindet ist bewundernswert. Lässig. Karl Schäfer dann schlank, leicht, aber tief, sehr fein, wow.

Kirchenstück von Acham-Magin: Die Substanz und Säure sind massiv, der Wein aber nicht schwer. Pures Potenzial und wahnsinnig vielversprechend. Gleicher Wein von Reichsrat von Buhl zeigt jetzt schon totale Harmonie und Präzision, nach hinten raus eine Säure für die Ewigkeit. Das ist großer Sport! Und noch ein großer Wein aus der Lage: Ich kann mit dem Holz bei von Winning wenig anfangen, aber das hindert mich nicht, die Größe dieses Weines anzuerkennen. Man muss Holz im Riesling sehr schätzen, dann wird man diesen Riesling vermutlich zu den besten Weinen zählen, die das Weingut je gemacht hat. Ich ziehe meinen Hut.

Zwei große Langenmorgen machen mir als nächstes Freude. Bürklin-Wolf glänzt mit klarer Frucht und pikanter Säure, gefühlt sehr trocken, strahlend und mit einer schönen Kombination von Leichtigkeit und Tiefe. Funky! Anders, aber ebanfalls bockstark der Wein von Mosbacher: Sehr würzige Nase, würzige Strenge auch am Gaumen, das kommt teils von einem Hefeton, der sicher bald verschwindet, aber da ist auch so eine rauchig-steinige Komponente, die mich sehr anmacht. Bei von Winnings Reiterpfad in der Hohl passt das Holz ganz wunderbar, die Pikanz der Säure und die Feinheit des Holzes lassen was Eigenes entstehen. Finde ich sehr spannend.

Gaisböhl von Bürklin-Wolf ist hell und strahlend und tanzt und ist einfach ein richtig gutes, elegantes Riesling GG. Hach, dann ein Wachmacher. Habe ich heute schon ‚lecker‘ geschrieben? Darf ich auch einmal pro Tag. Jetzt also. Christmanns Idig mit diesem grenzenlos leckeren Spiel, das so gut ist, dass man fast vergisst, wie viel Komplexität darunter schlummert. Ganz stark! Christmanns Vogelsang spielt die Säurekarte und zwar sehr gekonnt. Das vermittelt endlos Zuversicht. Kernobst und reife Aprikose, knackige Säure und viel Potenzial – die Beschreibung hatten wir heute zwar schon ein paar Mal, aber manchmal ist es eher ein Gefühl als eine in Worte fassbare Eigenschaft, die mir signalisiert: das ist deutlich besser als der Durchschnitt. Hier ist es der Schäwer von Minges. Sein Hölle Unterer Faulenberg ist noch etwas frischer und leichter und vielleicht auch besser.

Ein bisschen belegt (noch) darunter komplexe Frucht, Rebholz Im Sonnenschein funkt auch riesiges Potenzial mit dieser ultraschönen Säure. Und dann Sonnenberg von Siegrist: Saftig, üppig, und tief, sehr kräftiges Schmirgeln, auf der kräftigen Seite von straight. Ich glaube, der wird nie ein Tänzer, aber irgendwann sehr beeindruckend.

Der letzte Flight hat es eigentlich schwer, denn ich will fertig werden. Eigentlich. Er ist aber eine solche Freude, dass ich mir gerne noch ein bisschen Zeit nehme. Mineralik ist ein Wort, dass in dieser Berichterstattung nicht vorgekommen ist, weil ich dazu tendiere von Phenolik oder Schmirgeln zu sprechen, weil es eben nicht irgendwelche Mineralstoffe oder gar Minerale sind, die den Boden abbildend für das Profil des Weines sorgen. Im letzten Flight kommen also vier Weine, bei denen es um Phenolik geht oder um Schmirgeln (oder meinetwegen Mineralik). Sie zeigen ein(e) so beeindruckende(s) Phenolik/Schmirgeln und ich habe schon so oft erlebt, dass das zu großartiger Reife beiträgt, dass ich sie ein bisschen feiern muss. Da wäre zum einen der Kalmit von Kranz (besonders schickes Schmirgeln mit einem dieses Jahr ganz seltenen, animirenden Bittertönchen unter der typischen Pfälzer Frucht), dann der Sonnenberg von Bernhart (phänomenal mit dieser ultrakräftigen, leicht rauchigen Phenolik) und die beiden einzigen 23er im Feld, der Michelsberg von Messmer (das geht in die gleiche Richtung und ist auch bockstark) und der Schäwer von Messmer (heller und genau so gut und ich habe gestern den 14er davon aus der Doppelmagnum getrunken und weiß seitdem wie göttlich das reifen kann).

Und während ich dies schreibe verkoste (nasche) ich als letzte drei Weine noch mal die ebenfalls herrlich schmirgelnden Lumpen von gestern und bin genau so begeistert.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

3 Gedanken zu „Wiesbaden 2025 Tag 3 – #vdpgg2025“

  1. Lieber Felix,
    Vielen Dank für die tolle und wie immer informative und hilfreiche Berichterstattung. Ursprünglich hatte ich geplant nur die üblichen Verdächtigen zu kaufen (Rings, Halenberg von E-S, Wagner-Stempel). Damit werde ich wohl auch dieses Jahr nicht hinkommen ( ist irgendwie immer so…). Zumindest von Kranz muss ich wohl nachlegen und Acham-Magin/Bassermann-Jordan sind wohl auch ein paar Blicke wert.
    Ich wünsche den Zähnen gute Erholung und nochmal Danke!
    Michael

  2. Danke für den Link zu Chez Matze! Immer spannend zwei Sichten zu sehen (auch wenn ihr euch ja idR einig seid). Christoph Raffelt ist auch immer ein zuverlässiger Bewerter, dessen Beiträge ich gerne lese – ist er dieses Jahr nicht in Wiesbaden?

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