Wiener Gemischter Satz

Wiener Gemischtes GG

 

Wenn ich im privaten Rahmen Proben veranstalte und Teilnehmer das erste Mal bei mir zu Gast sind, erkläre ich immer kurz die Regeln meiner Weinveranstaltungen. ‚Du darfst‘, sage ich brav mein Sprüchlein auf, ‚jeden hier gereichten Wein grausam finden und das auch mit drastischen Worten kundtun. Ich habe die Weine nur gekauft/besorgt, nicht gemacht. Nur wenn Du übers Essen meckerst, fliegst Du raus‘. Was ich damit zum Ausdruck bringen will ist, dass ich kein Verständnis für Menschen habe, die es als Heldentat betrachten, einen Wein zu trinken, und entsprechend bin ich nicht beleidigt, wenn Wein aus meinem Bestand nicht den Geschmack meiner Mitstreiter trifft. Anders ist das dort, wo meine eigene Arbeit drinsteckt. Das Essen kann zwar auch misslingen, aber da gelten die üblichen Regeln höflichen Umgangs.

Umso erstaunlicher fand ich dieser Tage meine Gemütslage vor unserer alljährlichen Österreich-Weinprobe. Einmal im Jahr treffen wir uns in bunter Runde in Französisch Buchholz (das liegt in Berlin) und verkosten Weine aus Österreich. Dieses Jahr war das Thema Wiener Gemischter Satz, ergänzt um ein paar Steirer. Ich hatte fünf Weine zur Veranstaltung beizutragen. Und obwohl ich sie nur besorgt und nicht gemacht hatte, wünschte ich mir von Herzen, sie mögen die vorderen Plätze belegen. Ich hatte die Weine während des Weingipfels in Österreich probiert und als meine Favoriten identifiziert. Zumindest drei von ihnen: zwei Lagenweine von Lenikus sowie den Nussberg von Mayer am Pfarrplatz. Als ich um Kostmuster ersuchte, fügten beide Weingüter noch einen einfachen Wiener Gemischter Satz, Mayer den des Zweit-Labels ‚Rotes Haus‘, zum Paket hinzu.

Sicheres Mittelmaß statt riskanter Riesen

Der Gemischte Satz ist ein Relikt aus vergangenen Tagen. Die Motivation verschiedene Rebsorten zusammen in den Weinberg zu pflanzen entsprang alleine einer gesteigerten Ertragssicherheit – nicht die Menge oder Qualität verbesserte sich, sondern der Schutz vor Totalverlust. Da die verschiedenen Reben zu unterschiedlichen Zeiten blühen oder die Vollreife erlangen, sind bestimmte Schädlinge, Wetterereignisse oder Krankheiten oft nur für einen Teil der Rebanlage eine akute Bedrohung – so war das zumindest, als noch weniger Wissen und Technologie im Weinberg zur Verfügung stand. Der Nachteil ist, dass die verschiedenen Rebsorten zum Zeitpunkt der Lese nicht unbedingt den gleichen, idealen Reifegrad zeigen. Es ist der sprichwörtliche Spatz in der Hand, der ja besser sein soll als die Taube auf dem Dach, es aber selten wirklich ist, weswegen ich mich nie tiefer mit dem Gemischten Satz befasst habe.

Weingut Rotes HausDoch es gibt sie, die besonders gelungenen Exemplare. Als solche hatte ich die von mir beigesteuerten Weine angekündigt, und deswegen war ich vermutlich auch etwas nervös. Am Tag der Veranstaltung kam dann alles ganz anders. Es herrschten 36 Grad im Schatten, eine professionelle Verkostung war kaum denkbar, Spielraum für eine Verlegung gab es keinen. Also passten wir uns an, verkosteten offen statt blind, diskutierten die Weine gemütlich und nahmen so ein wenig Tempo und Konzentration aus dem Spiel um die Kondition zu schonen. Abschließend benannte jeder der Juroren nur seine Top 5, ein Punkteschnitt oder die Wertung des kompletten Teilnehmerfeldes hätten alle nur überfordert.

Belastbare Ergebnisse bringt so eine Versuchsanordnung nicht. Trotzdem war die Probe ein positives Erlebnis. Wir hatten lauter richtig gute Weine im Glas. Der Wiener Gemischte Satz ist ein DAC und er teilt sich in zwei Gruppen: Weine ohne Lagenangabe dürfen maximal 12,5% Alkohol enthalten, solche mit Lagenangabe müssen mindestens 12,5% Alkohol enthalten. Beiden gemein ist, dass ein deutlich schmeckbarer Holzeinsatz verboten ist. Der einfache muss gesetzlich trocken sein, der Lagenwein darf mehr Restzucker enthalten. Trotz dieser klaren Vorgaben gelingt es den Winzern verschiedene Stilistiken zu etablieren und das passt richtig gut. Der einfache Gemischte Satz vom Weingut Rotes Haus ist ein klassischer Schoppenwein, der – leicht verständlich aber nicht simpel – alles hat, was ein guter Wein braucht ohne den Konsumenten zu überfordern. Der einfache DAC von Lenikus hingegen ist ein eher auf Frische, Mineralik und Struktur setzender Leichtwein für Menschen, die auch im Alltag furztrockene Weine mit ‚Grip’ mögen.

Wiener Gemischter Satz – gibt’s auch in großartig

Bei den Lagenweinen ist Schwere Trumpf. 14 und 14,5% Alkohol sind die Regel. Die Stilistik variiert von üppiger Wachau-Smaragd-Anmutung bis zu ‚Gemischter Satz nach Art eines deutschen Weißburgunder GGs‘. Die Lagenweine vom Nussberg waren sehr gut (wir hatten Rotes Haus und Mayer am Pfarrplatz sowie Wieninger und das kürzlich von Wieninger übernommene Weingut Hajszan-Neumann), wobei der 14er vom Roten Haus mir am besten gefiel – ‚mein‘ Kandidat musste sich also geschlagen geben. Begeisterung kam dann bei den anderen Lagen auf. Der Bisamberg und Erinnerungsgarten von Lenikus sowie der Rosengartl von Wieninger brachten die Verkoster ins Schwärmen, lediglich der Bisamberg von Wieninger fiel durch. Die Steirer Weine vom Herrenhof Lamprecht erzielten ebenfalls tolle Wertungen. Mit 12,4% Alkohol bei 1,3 Gramm Restzucker und 6 Promille Säure war ein Wein wie der Schrammelberg von Lamprecht aber auch der sehnlichst gesuchte Gebirgsbach im Glas, der viel besser zu den äußeren Bedingungen passte. Deswegen erwähne ich sie hier nur am Rande.

In der Auswertung belegte der Rosengartl von Wieninger, ein Vertreter des Wachauer-Smaragd-Stils, den ersten Platz, während der Erinnerungsgarten von Lenikus sich zwar geschlagen geben aber die größere Zahl von Top-Platzierungen einheimsen konnte. Drei Leute sahen ihn auf Platz 1, drei hatten ihn gar nicht in ihren Top 5 (bei sieben Juroren gesamt). Der Bisamberg von Lenikus ging als Dritter von den Wienern durchs Ziel. Ich war also ganz zufrieden (obwohl ich die Weine natürlich nur besorgt und nicht gemacht hatte).

Lenikus ErinnerungsgartenLenikus, Erinnerungsgarten, Wiener Gemischter Satz DAC, 2013, Österreich. Das letzte Glas Erinnerungsgarten trank ich dann später zuhause bei erträglicheren Temperaturen. In der Nase Birne und Quitte, sehr frisch mit nur leicht würzigen Noten. Am Gaumen mittelkräftige Säure, leicht cremige Textur, der Wein ist eher opulent, bindet die 14% Alkohol hervorragend ein und zeigt eine mineralisch/phenolische Struktur, die den Wein sehr schön ordnet. Trotz irrer Konzentration bewahrt sich der der Erinnerungsgarten von Lenikus damit Spannung und wirkt nicht überextrahiert. Für meinen deutschen Gaumen ist das die GG-Version eines Wiener Gemischten Satzes und ein großartiger Wein.

3 Gedanken zu „Wiener Gemischtes GG“

  1. Hallo!
    Nein, der Eindruck täuscht nicht, gerade im Basispreissegment sind die Weine oft verwaschen und süßlich (z.B. zwei hier nicht angeführte Wiener), enttäuschend auch so mancher Niederösterreicher. Ich glaube gerade der Gemischte Satz verlangt noch viel mehr Aufmerksamkeit zur Ernte, als reinsortige Weingärten die ihm nur bei manchen Winzern gewährt wird. Vielen Dank für die Verkostungseindrücke!
    @ Gottfried Lamprecht: Großes Lob auch von mir zum Buchertberg und Schrammelberg!

    1. Es gibt aber leider so viel mittelmäßigen Wein aus gemischtem Satz, oder täuscht mich mein Eindruck? Wir haben hier ja eine auf viele Köpfe verteilte Vorarbeit geleistet um überwiegend richtig gute Weine im Feld zu haben. Nebenbei bemerkt, Kompliment zu Deinen 2013ern.
      Felix

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